Reform und Erweiterung des EU-Emissionshandels

In einem gemeinsamen Vortrag haben das Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) und der CO2 Abgabe e.V. in der 171. Sitzung der AG Emissionshandel beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit über Ansätze zur Reform und Erweiterung des EU-Emissionshandels informiert.

Ausweitung des Emissionshandels kostet zuviel Zeit

Ulf Sieberg machte für den CO2 Abgabe e.V. deutlich, dass eine zeitnahe Ausweitung des EU-Emissionshandels auf die Sektoren Wärme und Verkehr zuviel Zeit kostet. Zeit, die die Klimakrise nicht lässt. Im ersten Schritt müsste daher zunächst ein CO2-Mindestpreis im bestehenden EU-ETS für Stromerzeugung und Teile der Industrie eingeführt werden. Darüber hinaus müssten die Ausgabe von Verschmutzungsrechten an die Klimaziele von Paris angepasst und die kostenlose Zuteilung für die Industrie beendet werden.

Zahlreiche offene Fragen und ungeklärte Risiken

Eine Ausweitung auf Wärme und Verkehr in der EU erfordere zudem neben einem Mindestpreis auch einen Höchstpreis. Damit würde aber der Handel seiner größten Stärke, der begrenzten Ausgabe von Verschmutzungsrechten beraubt. Sieberg stellte daher die Frage, ob der Weg über eine CO2-basierte Reform der Energiebesteuerungsrichtlinie nicht der bessere und schnelle Weg sei. Dies wird von Teilen der Industrie abgelehnt, weil es bisher Einstimmigkeit im Europäischen Rat erfordert. Sieberg hielt dagegen, dass die meisten Mitgliedsstaaten bereits über eine solche CO2-basierte Energiesteuer verfügten und daher eine ETS-Ausweitung nicht deren oberste Priorität sei. Somit gäbe es hier ebenso Pfadabhängigkeiten wie bei der Zustimmung.

Preissensibilitäten in und zwischen den Mitgliedstaaten vollkommen unklar

Swantje Fiedler vom FÖS erläuterte im Anschluss die unterschiedlichen Vermeidungskosten in den Sektoren, warum die bestehenden Energiesteuern in der EU bei einer Reform und Erweiterung zu berücksichtigen seien und weitere offene Fragen.

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Weitere Informationen

MEDIENINFO zum heutigen Bericht „Auf dem Weg zu einem mit den WTO-Regeln zu vereinbarenden CO2-Grenzausgleichssystems

MEDIENINFO 14/2020

Zum heutigen Bericht „Auf dem Weg zu einem mit den WTO-Regeln zu vereinbarenden CO2-Grenzausgleichssystems“ im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments erklärt Dr. Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V.:

,„Wir begrüßen den Bericht des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, die Planungen der EU-Kommission zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichs in der Europäischen Union zu unterstützen. Ein CO2-Grenzausgleich ist notwendig, um die EU-Wirtschaft im internationalen Wettbewerb vor Klima-Dumping zu schützen. Gleichzeitig muss er als Teil einer umfassenden Industriepolitik auf die Erfordernisse der Klimakrise vorbereiten.

Ein CO2-Grenzausgleich kann im Einklang mit den Welthandelsregeln eingeführt werden. Um die Komplexität zu reduzieren und die Einführung eines Grenzausgleichs zu beschleunigen, kann die Endproduktabgabe anfangs nur für treibhausgasintensive Grundstoffe wie Chemie, Stahl und Zement gelten. Um den Anreiz für die Produzenten, Treibhausgase einzusparen, zu erhalten, sollte die Anzahl der Verschmutzungsrechte durch eine „dynamische Zuteilung“ reduziert und entsprechende Produktbenchmarks für die Grundstoffproduktion festgelegt werden. Parallel zu der Endproduktabgabe sollte die Industrie mithilfe von Differenzverträgen (Carbon Contract for Difference) bei der Finanzierung klimaneutraler Produktionsverfahren unterstützt werden.“‘

Hintergrund:

Die Europäische Union (EU) will mit dem Green Deal angesichts der Bedrohung durch die Klimakrise ihre Klimaziele verschärfen. So lange es weltweit noch keine einheitlichen wirksamen CO2-Preise gibt, schlägt sie folgerichtig „ein CO2-Grenzausgleichssystem für ausgewählte Sektoren [vor], um das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen zu mindern“. Dies ist erforderlich, um die EU, die schon jetzt mit rund 700 Millionen Tonnen COweltweit der größte Nettoimporteur von CO2-Emissionen durch die Herstellung von Waren und Dienstleistungen in Drittstaaten ist, nicht weiter zu befeuern (vgl. Global Carbon Project 2019Felbermayr & Peterson 2020). Im Sinne der Verursachergerechtigkeit sind diese Emissionen mit den gleichen Klimaschadenskosten zu belasten wie in der EU auch und müssen perspektivisch vollständig mitberücksichtigt werden. Zudem sind die Klimaziele von Paris und des Green Deals nur zu erreichen, wenn auch die Industrie klimaneutral wird, ohne abzuwandern (Carbon Leakage). Der CO2-Preis im EU-Emissionshandel (EU-EHS) konnte zwar aufgrund steigender Preise in seiner Lenkungswirkung für die Energiewirtschaft zulegen, die Preise reichen aber nicht aus, um verstärkt CO2-Einsparungen in der energieintensiven Industrie anzureizen. Hier stagnieren die Einsparungen (CO2 Abgabe 2020). Zudem ist die Obergrenze an Verschmutzungsrechten zu hoch (Reduktionsfaktor von 2,2% p.a.). Außerdem stehen die Ausnahmeregelungen durch die kostenfreie Zuteilung von Verschmutzungsrechten, die Strompreiskompensation und die Befreiungen von Steuern und Umlagen Investitionen in klimafreundliche Technologien im Weg. Darüber hinaus mangelt es an einer einheitlichen und verursachergerechten Besteuerung fossiler Brenn- und Kraftstoffe über die Regelungen des EU-EHS hinaus. Nicht zuletzt sollte für jedes Endprodukt oder für Produktkategorien ähnlicher Emissionsintensitäten eine Klimabilanz vorliegen, um allen Produzenten und Verbrauchern die Chance auf ein klimagerechtes Verhalten zu bieten. Dazu müssen perspektivisch die Emissionen über die gesamten Liefer- und Wertschöpfungsketten ausgewiesen werden.

Anders als vielfach unterstellt, muss es sich bei der Ausgestaltung nicht um eine Steuer oder einen Zoll handeln. Ebenfalls stimmt die Behauptung nicht, ein Grenzausgleich widerspreche zwangsläufig dem Welthandels- oder Europarecht (SWP 2018). Vielmehr kann und muss ein CO2-Grenzausgleich zum Schutz der Industrie vor Abwanderung und zum Erreichen der Klimaziele unbürokratisch, rechtskonform und zielgenau ausgestaltet werden. Dafür bietet sich neben der Verpflichtung ausländischer Unternehmen zum Kauf von Verschmutzungsrechten im EU-EHS auf Importe vor allem die Einführung einer Endproduktabgabe [Konsum- oder Klimaabgabe (DIW 2020)] an.

Weiterführende Informationen:

Pressekontakt:

Ulf Sieberg
Leiter Büro Berlin
CO2 Abgabe e.V.
Tel. 0152 553 70 200
Ulf.Sieberg@klimaschutz-im-bundestag.de

 

 

Deutsches Programm der EU-Ratspräsidentschaft konsequent umsetzen

Dass es der Satz in das deutsche EU-Ratsprogramm geschafft hat, kann eigentlich niemanden verwundern. Auf Seite 16 steht dort: „Wir wollen im Rat auch europäische Handlungsansätze zur Erreichung der Klima- und Energieziele diskutieren, insbesondere die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS).“ Bereits im Klimaschutzprogramm 2030 vom 20. September 2019 hatten sich die Regierungsparteien von CDU/CSU und SPD darauf verständigt. Auch gibt es zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten, die sowohl einen Mindestpreis, wie auch eine Ausweitung des Emissionshandels einfordern. Neben Frankreich, das dies immer wieder im Zuge der deutsch-französischen Regierungskonsultationen deutlich gemacht und dies mit der Macron-Merkel-Initiative schriftlich vereinbart hat, fordern auch die Niederlande, Österreich (wo die Forderungen im Koalitionsvertrag festgelegt sind), Schweden und Dänemark.

Mindestpreis und einheitlicher CO2-Preis drohen nicht voranzukommen

Doch innerhalb der Bundesregierung fühlt sich wohl niemand wirklich für dessen Umsetzung verantwortlich. Auf eine schriftliche Frage eines Mitglieds des Deutschen Bundestages an das Bundeskanzleramt, welches Ressort innerhalb der Bundesregierung federführend ist, antwortet die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMU) Schwarzelühr-Sutter (SPD): „Die Frage der Federführung richtet sich nach der Geschäftsverteilung innerhalb der Bundesregierung. In den europäischen Gremien vertreten die nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung federführenden Ministerien die Bundesregierung. Im Bereich des Europäischen Emissionshandels ist dies entsprechend das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. (…).“ Die dort vertretenen Positionen würden mit allen betroffenen Ressorts abgestimmt. Die Betroffenheit sei von dem jeweiligen Dossier abhängig. Im Bereich des Emissionshandels seien neben dem Bundeskanzleramt typischerweise auch Bundeswirtschafts-, Bundesverkehrs, Bundeslandwirtschafts-, Bundesinnen-, Bundesfinanzministerium und Auswärtiges Amt. Doch Bundesumweltministerien Schulze (SPD) sagte bereits im Juni bei einer Veranstaltung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), dass sie die Diskussion zu Mindestpreis und einheitlichem EU-ETS im Wirtschafts- und Energieausschuss des EU-Parlaments verortet sehe(hier ab Min. 42:30). Und damit bei Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU). Der lies das Thema bei der Präsentation in den Ausschüssen des Europaparlaments aber vollständig aus. Schulze antwortete im Umweltausschuss des EU-Parlaments auf die Frage von Peter Liese (CDU), ob die Ausweitung des Emissionshandels auf Heizen und Verkehr in Deutschland nicht auch ein Modell für Europa sei, dass es einen ganzen Instrumentenkasten und nicht nur ein Instrument wie den CO2-Preis brauche. Die Vorschläge würden gesammelt und gebündelt vorgestellt. Konkret wurde sie nicht. Schulze erbat sich bei der Dena zudem Unterstützung durch Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Unternehmen. Anders formuliert: Ohne Druck auf der europäischen Ebene wird weder Schulze noch sonst jemand in der Bundesregierung aktiv. In Deutschland hatten sich bereits Unternehmen, Wissenschaftler der Leopoldina und der Energiewende-Monitoring-Kommission sowie Mitglieder des Bundestages dafür ausgesprochen, die Themen in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft voranzubringen.

Ziele wichtiger als Maßnahmen

Doch nicht nur in der Bundesregierung hakt es. Auch die EU-Kommission hat die Themen Mindestpreis und ETS-Ausweitung erst einmal auf Juni 2021 vertagt. Während auch der sozialdemokratische EU-Klimakommissar Frans Timmermans (SPE) kein Befürworter von Mindestpreisen ist (dazu siehe  auch Stefanie Hiesinger, im Kabinett von F. Timmermans ab Min. 24:30, 35:50 und 47:30), sondern stattdessen die Anpassung der Marktstabilitätsreserve befürwortet (warum diese allein nicht ausreicht siehe Positionspapier), halten die meisten deutschen Nichtregierungsorganisationen statt konkreter Maßnahmen die EU-Klimazielverschärfung für das innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft prioritäre Thema. Damit droht die Instrumentendebatte um ein Jahr verschoben zu werden. Dabei braucht es nichts wichtigeres als Maßnahmen, Maßnahmen, Maßnahmen! Und das auch, damit die 750 Milliarden Euro des EU Recovery Funds, auf das sich die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nach hartem Ringen geeinigt haben, auch in klimafreundliche Maßnahmen fließen können. Gerade ein CO2-Mindestpreis im EU-ETS sowie eine schnell angepasste Energiesteuerrichtlinie könnten hier ihre Lenkungswirkungen entfalten. Und das vor allem dann, wenn Klimaschutz nur die zweite Priorität ist, es aber keine klimaschädlichen Investitionen geben soll. Mit dem für September angekündigten Impact Assessment im Rahmen des Fahrplans „2030 Klimaziele“ und dem Konsultationsprozess zur Revision der Energiesteuerrichtlinie sowie zum CO2-Grenzausgleich bieten sich zumindest Anlässe, den CO2-Preis auf die Agenda zu hieven.

Bild: Umweltbundesamt, Bildautor: Sarah Le Clerk

Das war der Juni: Lesen Sie jetzt unseren aktuellen Newsletter!

Wir blicken auf einen ereignisreichen Juni zurück. Es begann am 4. Juni im Rahmen der Berliner Energietage mit interessanten Debatten zu den Fragen, wie Corona- und Klimakrise verzahnt, Deutschland und Europa klimaneutral und Industrie und Mittelstand bei der Dekarbonisierung unterstützt werden können.

Bei einem von uns organisierten parlamentarischen Frühstück sprachen sich unsere Mitglieder Schuster (CDU) und Mindrup (SPD) für eine einheitliche und sektor-übergreifende CO2-Bepreisung als Leitinstrument der Klimapolitik aus. Während des digitalen Frühstücks wurde deutlich, wie wichtig die bessere Abstimmung der unterschiedlichen Instrumente und politisch vorgegebenen Preisbestandteile der Energiekosten für Klimaschutz und faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen sind. Dabei geht es darum, die CO2-Preise des Brennstoffemissionshandelsgesetzes nun durch die Einführung ähnlich hoher CO2-Mindestpreise im europäischen Emissionshandel zu flankieren und andere Instrumente und Energiepreisbestandteile, wie z.B. die Erneuerbare Energie Umlage, daran auszurichten.
Die Frage: Wie sollte CO2 bepreist werden? haben wir im Lichte der vorläufigen Ergebnisse einer Internationale Expertenbefragung im Rahmen eines Online-Seminars in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Schmidt, FernUniversität in Hagen noch einmal neu beleuchtet.

Außerdem gibt es einen Ausblick auf die zweite Jahreshälfte mit der EU-Ratspräsidentschaft, der ersten Reform des noch jungen Brennstoffemissionshandelsgesetzes sowie dem in den nächsten Tagen noch zu verabschiedenden milliardenschweren Konjunkturprogramm und dem Kohleausstieg. Lesen Sie jetzt unseren Juni Newsletter.

Das Leitinstrument für den Klimaschutz

Am 1. Juli 2020 beginnt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Neben den Folgen der Corona-Krise und der mittelfristigen Haushaltsplanung spielt der Green Deal eine zentrale Rolle, Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen. Das Leitinstrument für den Klimaschutz: Ein einheitlicher CO2-Preis über alle Sektoren inklusive Mindestpreis.

Bei einem parlamentarischen Frühstück des CO2 Abgabe e.V. mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages, das wegen der COVID-19-Krise online und unter dem Motto „Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Europa: Wie europäische und nationale Emissionshandelssysteme verzahnt werden können“ stattfand, sprachen sich Armin Schuster (CDU), Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim und Klaus Mindrup, Abgeordneter für den Wahlkreis Berlin-Pankow, beide Mitglieder des CO2-Abgabe e.V. und Schirmherren der Veranstaltung, für eine einheitliche und sektorübergreifende CO2-Bepreisung aus.

Unterstützt wurden sie dabei von einem Branchenbündnis aus Energieversorgern, Stadtwerken, Netzbetreibern und Direktvermarktern. Sie fordern von der Bundesregierung ebenfalls, sich für eine ambitionierte, einheitliche und sektorübergreifende CO2-Bepreisung einzusetzen. Der bestehende EU-Emissionshandel für den Stromsektor und Teile der Industrie müsse schnellst möglich mit einem CO2-Mindestpreis versehen werden.

Wie der Weg zu einheitlichen CO2-Preisen über alle Sektoren aussehen kann, fasst das Positionspapier „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zum Treiber für gleiche Wettbewerbsbedingungen und Klimaschutz in Europa machen“ zusammen. Es beruft sich u. a. Ausführungen des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), das in einem öffentlichen Fachgespräch zum Kohleausstieg für die Weiterentwicklung des EU-Emissionshandels und der Marktstabilitätsreserve zu einer Preisstabilitätsreserve plädiert hatte.

Die Bundesregierung plant, im Europäischen Rat insbesondere die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems zu diskutieren. Bereits mit den Beschlüssen der Bundesregierung zum Klimaschutzprogramm 2030 mit CO2– Mindestpreis und nationalem Brennstoffemissionshandel, der Merkel-Macron-Initiative für einen CO2-Mindestpreis sowie dem Green Deal zur u. a. Erweiterung des EU-Emissionshandels und der Evaluierung der EU-Energiesteuerrichtlinie hat sich die Bundesregierung für eine Weiterentwicklung des CO2-Bepreisungsinstrumentes ausgesprochen. Darüber hinaus will, die Bundesregierung die Klimaziele der EU auf 55% Treibhausgasreduktion gegenüber 2005 verschärfen sowie ein EU-Klimaschutzgesetz verabschieden.

Zuletzt bekam das Thema weiteren Schub durch die aktuellen Stellungnahmen der Energiewende-Monitoring-Kommission und den Wissenschaftsakademien Leopoldina, Acatech und Akademienunion.

Lesen Sie auch:

https://klimaschutz-im-bundestag.de/2020/06/17/bundestagsabgeordnete-schuster-cdu-und-mindrup-spd-eu-ratspraesidentschaft-sollte-co2-bepreisung-ueber-alle-sektoren-und-die-einfuehrung-einer-moderaten-co2-mindestbepreisung-im-rahmen-de/

und

https://klimaschutz-im-bundestag.de/2020/05/26/erwartung-an-die-deutsche-eu-ratspraesidentschaft/

 

Das war der Mai: Lesen Sie jetzt unseren aktuellen Newsletter!

Weltweit ist die Konjunktur durch COVID-19 eingebrochen. Der positive Nebeneffekt: Die Treibhausgasemissionen sanken so stark wie seit 60 Jahren nicht mehr, wie Sie den Zahlen des Monats entnehmen können. Um Angebot und Nachfrage zu stimulieren, wird nun um Programme zur Wiederbelebung der Wirtschaft gerungen. Ob die Krise für eine sozial-ökologische Transformation genutzt wird, bleibt allerdings abzuwarten. Die Diskussion ist jedenfalls voll entbrannt. Während auf EU-Ebene der „Green Deal“ und der „Recovery Fund“ zu Leitlinien nachhaltiger Investitionen werden könnten, droht in Deutschland eine Rückkehr zu alten Mustern. Dabei will Deutschland im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft den Klimaschutz eigentlich voranbringen. Die Erwartungen sind enorm. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Mai Newsletter.

Erwartung an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli übernimmt Deutschland von Kroatien die EU-Ratspräsidentschaft. Waren die Erwartungen aufgrund zahlreicher Brandherde vor der Corona-Krise an die Bundesregierung bereits hoch, so sind sie jetzt mit der Corona-Krise gewaltig. Erschwerend kommen organisatorische und technische Probleme hinzu. Weder verfügt man in Brüssel über genügend geeignete Räumlichkeiten, um bei größeren Verhandlungsdelegationen den physischen Mindestabstand einzuhalten, noch verlaufen Verhandlungsrunden im Videomodus so reibungslos wie gemeinsame Treffen. Von den politischen Auseinandersetzungen ganz zu schweigen. Denn es geht um viel Geld, Haftungsfragen und Solidarität in der Krise.

Neben den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der Verabschiedung eines EU-Haushalts wird die Klimakrise, neben Gesundheit, Digitalisierung und Biodiversität, auf der Agenda stehen. Zwei Punkte werden dabei besondere Relevanz haben: Ein EU-Klimaschutzgesetz und die Verschärfung des 2030-Zieles, die Treibhausgasemissionen um 50 bis 55 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Aus Sicht des Pariser Klimaabkommens wären mindestens 65 Prozent notwendig. Dennoch werden beide Punkte erheblichen Einfluss auf die Verteilung der Klimaschutzbeiträge der Mitgliedsstaaten sowie die Instrumente, mit denen diese erreicht werden sollen, haben. Und damit auch auf die Frage, welche Rolle der CO2-Preis künftig spielen soll. Bereits Mitte Mai machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Fragestunde im Deutschen Bundestag deutlich, dass Deutschland ein höheres Klimareduktionsziel nur dann befürworten könne, wenn alle Mitgliedsstaaten zu mehr Engagement bereit wären. Das gelte besonders für die EU-Lastenteilungsverordnung bei Heizen und Verkehr. Denn hier drohen Deutschland hohe Strafzahlungen wegen nicht Erreichens bereits der heutigen Ziele. Zudem steht die Revision der EU-Emissionshandelsrichtlinie erst für das Jahr 2021 auf der Agenda. Dennoch haben Frankreich und Deutschland im Rahmen ihrer Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Corona-Krise die Absicht bekundet, die Einführung einer CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) zu unterstützen und an der künftigen Einführung eines sektorenübergreifenden EU-ETS zu arbeiten.

Mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hatte sich die Bundesregierung für die Einführung eines moderaten CO2-Mindestpreises ausgesprochen. Auch die Niederlande, Schweden und Dänemark gelten als Befürworter von Mindestpreisen. Doch die EU-Kommission ist bislang gegen einen Mindestpreis und bevorzugt den Mechanismus der Marktstabilitätsreserve auszubauen. Wie beides verknüpft werden kann, hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ins Gespräch gebracht.

Sicher ist, dass der Green Deal zum Motor einer nachhaltigen Entwicklung werden soll. Einen ersten Entwurf bewerteten Experten vielversprechend. Wie sich allerdings die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verhält, wenn es konkret wird, bleibt abzuwarten. Während sie den von Macron und Merkel gemachten Vorschlag eines Recovery Funds in Höhe von 500 Milliarden Euro begrüßte, wurde in einem CDU/CSU-Positionspapier der Green Deal zurechtgestutzt. Mit Rückenwind für nachhaltige und die Konjunktur stützende Investitionen ist also nicht zwingend zu rechnen. Es bleibt demnach abzuwarten, ob Deutschland und die EU den Willen aufbringen, angesichts der Bedrohungen durch Corona- und Klimakrise entschlossen zu handeln (siehe Corona- & Klimakrise verzahnen). Ein Programm für die EU-Ratspräsidentschaft gibt es noch nicht. Und auch die verschobene UN-Klimakonferenz in Glasgow Ende des Jahres fällt als Druckmittel für zeitnahe Entscheidungen zunächst aus.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Beitrag vom April: Recovery Europe – mit und durch den Green Deal.

Das war der April: Lesen Sie jetzt unseren aktuellen Newsletter!

COVID-19 hält die Welt weiter in Atem. Für die Welt nach Corona sollte gelten, mit den positiven Seiten weiter zu machen wie in der Krise: Mit mehr Zeit für die Familie, weniger Emissionen und mehr Raum für die Natur.
Mehr zum Petersburger Klimadialog, den Green Deal, den Umgang mit der EEG-Umlage und einer Spendenaktion eines Mitgliedes für GermanZero finden Sie jetzt in unserm April Newsletter.

Recovery Europe – mit und durch den Green Deal

Europa ist eine der schlimmsten von der Corona-Krise betroffenen Regionen. Zehntausende Tote zeugen schon jetzt davon. Doch statt Solidarität zu zeigen, waren sich die EU-Mitgliedsstaaten zunächst erst einmal selbst am nächsten. Italien wurde anfangs mit der Krise allein gelassen und ohne Abstimmung wurden Grenzen geschlossen. Die harte Diskussion um Finanzhilfen zeigt, dass auf höchster politischer Ebene eine Einigung schwierig werden könnte. Zwar ist ein erstes Hilfspaket geschnürt, um die Wiederaufbauhilfen wird aber weiter gerungen. Erst Mitte Mai soll es dazu einen Vorschlag von EU-Ratspräsident Michel vorgelegt werden.

Große Hoffnungen liegen daher auf der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Erste Entwürfe des Programms lassen den „Green Deal“ allerdings höchstens als Beiwerk den als Dreh- und Angelpunkt erscheinen. Dagegen fordern zahlreiche EU-Umweltminister und die „Green Recovery Alliance“ des EU-Parlaments, den „Green Deal“ als zentrale wirtschaftliche Aufbaustrategie nach der Coronakrise in den Mittelpunkt zu stellen. Jetzt hat Bundeskanzlerin Merkel auf dem Petersberger Klimadialog deutlich gemacht, dass der Klimaschutz nicht hinten angestellt werden darf. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sie ihren Worten auch Taten folgen lässt. Eine Sondersitzung des Bundeskabinetts hat das Programm erörert. Gleichzeitig sprach sie sich erneut dafür aus, die Klimaziele der EU auf 50 bis 55 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber 2007 anzuheben. Die Konsultationsfrist für das geplante EU-Klimaschutzgesetz endet am 1. Mai. Umweltverbände fordern 65 Prozent Reduktion bis zum Jahr 2030, um die Ziele mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen.

Auch zahlreiche Unternehmen, Gewerkschafter und Nichtregierungsorganisationen aus ganz Europa haben sich dem Aufruf für einen grünen Wiederaufbau der EU-Politik angeschlossen. Ob den vollmundigen Ankündigungen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für einen „Marshallplan für Europa“ Taten folgen, bleibt allerdings abzuwarten. So wurden einige der „Green Deal-Vorhaben“ bereits wieder zurückgestellt.