Michael, Du wirst mir fehlen…

Persönlicher Rückblick von Jörg Lange zur Vor- und Entstehungsgeschichte unseres Vereins anlässlich des Abschieds von Michael Sladek (* 1946  ✞ 2024)

„Fühle ich mich machtlos wie ein Muckenschiss im Weltall – oder sage ich: Auf mich kommt es an, ich will ins Handeln kommen? Das ist meine Wahl.“

Aus seinen Gedanken vom 18.6.2024 „MUT KANN MAN SPÜREN“
https://www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zum-glueck/mut-kann-man-spueren/

Ews

Bildnachweis: webseite der EWS

Wie es zur Vereinsgründung des CO2 Abgabe e.V. kam

Am 02. Juni 2016 hatte der Kreisverband Freiburg von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Grünhof Alexander Sladek (Elektrizitätswerke Schönau) und Dr. Thorsten Radensleben (badenova) eingeladen, um über die Frage „Wie schaffen wir die regionale Energiewende?“ zu diskutieren. Radensleben muss meine von Michael öfter als „etwas besserwisserische“ titulierte insistierende Art der Nachfragen im Rahmen der Diskussion aufgefallen sein. Jedenfalls sprach er mich nach der Veranstaltung an, was ich denn genau zu kritisieren hätte.

Um es abzukürzen: Wir kamen schnell auf das Thema CO2-Bepreisung. Am Ende meinte Radensleben, für eine effizientere Bepreisung könne er sich vorstellen, sich politisch einzusetzen. Es folgten Gespräche bei der badenova mit Ursula und Michael sowie Martin Ufheil, solares bauen, darüber, wie man das Thema voranbringen könnte. Neben der Diskussion inhaltlicher Gemeinsamkeiten stand auch die Gründung eines entsprechend bundesweit agierenden Lobbyvereins zur Debatte. Wenige Wochen vor der geplanten Vereinsgründung machte Radensleben für die badenova als Gründungsmitglied jedoch einen Rückzieher.

Mit Ursula und Michael diskutierten wir, ob wir es auch ohne die badenova angehen sollten. Ohne Ursula und Michael wäre es zur Vereinsgründung am 27.03.2017 beim SWR in Freiburg nicht gekommen. Viele Mitglieder kamen im Vertrauen zu den beiden hinzu und viele sind dem Verein trotz Umbenennung bis heute treu geblieben.

Vom Störfall zur Energie in Bürgerhand e.G.

Ursula und Michael ging es schon früh um die Rückeroberung der Stromnetze in Bürgerhand als Schlüssel, um eine ökologische Energieversorgung organisieren zu können. Um das Geld für den Kauf des Schönauer Stromnetzes zusammenzubekommen wurdet Ihr zum Störfall.

Eib

Bildnachweis: http://www.energie-in-buergerhand.de/Home.aktuelles0.0.html

2009 durfte ich Euch, Ursula und Michael persönlich kennen lernen. Anlass war die Gründung der Genossenschaft „Energie in Bürgerhand (EiB)“. Das Motto damals lautete: „An Stadtwerken beteiligen, Netze zurückholen, Energiewende umsetzen“. Anlass der Gründung war der anstehende Verkauf der Thüga seitens des Energieriesens E.ON.

Die anfängliche Euphorie wich relativ bald der Enttäuschung, dass konventionell aufgestellte Energieversorgungsunternehmen nur eingeschränktes Interesse haben, interessierte Bürger an Diskussionen und Unternehmensentscheidungen zu beteiligen.

Es ist Michael zu verdanken, dass die Netzkauf EWS EG bereit war, die nach der gescheiterten Thügabeteiligung ohne Geschäftsmodell bald schwächelnde EiB durch Verschmelzung deren Mitglieder aufzunehmen und damit den Genossenschaftsanteilen wieder einen Wert zu geben.

Lieber Michael, Deine menschenfreundliche Art, immer mit einem Lächeln auch auf Andersdenkende zuzugehen und ins Gespräch zu kommen, wird mir fehlen.

Vieles hätte ich mit Dir noch gerne besprochen und geteilt, z.B. die Frage, was Du eigentlich von der Los-Demokratie hältst. Sie wird gerade aktuell als Alternative zur Parteiendemokratie ins Gespräch gebracht wird. Könnte sie vielleicht helfen mit Hilfe der Kooperation über das Zufallsprinzip zusammenkommender Menschen mit ihren unterschiedlichen Einstellungen, Werten und Erfahrungen über den scheinbar unvermeidbaren und immer stärker werdenden Konkurrenzkampf der Parteien im Bundestag hinwegzukommen? Oder sollten wir noch beharrlicher als bisher auf parteiübergreifende Gesetzesinitiativen hinwirken?

Ich bin sicher, Du wirst, wo immer Du uns jetzt bist, wird uns Dein Mut „ins Handeln zu kommen“ auch zukünftig begleiten und unterstützen.

Der Nachruf und die Möglichkeit zu kondolieren findet sich auf der webseite EWS.
https://www.ews-schoenau.de/ews/wir-trauern-um-michael-sladek

P.S.: Vorgeschichte – Wie kommen ein Arzt und ein Gewässerkundler zum Thema Energiewende?

Auslöser für Ursulas und Michael Sladeks „energiewirtschaftliches Leben“ war die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 26. April 1986 um 01:23:44 Uhr. Erst zum ersten Mai-Wochenende sickerte das ganze Ausmaß der Katastrophe in Deutschland bei schönstem Frühlingswetter durch.

Ich kann mich an dieses Wochenende sehr gut erinnern. Zum Wintersemester war ich als Student der Biologie gerade von Darmstadt nach Freiburg gewechselt. Mit Studierenden der Biologie aus anderen Unistädten saßen wir am Katastrophenwochenende in und vor den Räumlichkeiten der ADW (Aktion Dritte Welt) in Freiburg und arbeiteten, damals noch mit Schreibmaschinen und Schere, um eine kritische Broschüre zur Gentechnologie fertig zu stellen. Die Katastrophe wurde zwar auch uns nach und nach bewusst, aber alles stehen und liegen zu lassen, wäre uns nicht in den Sinn gekommen. Und wohin hätten wir auch fliehen sollen vor dem unsichtbaren „Fall out“ der ersten 10 Tage nach dem, wie sich herausstellen sollte, vorhersehbaren „Unfall“.

Für mich als Student mit Schwerpunkt Gewässerkunde hatte 1986 noch eine weitere Katastrophe im Gepäck. Den Brand einer Lagerhalle in Basel am 1. November 1986.  Mit dem abfließenden Löschwasser gelangten rund 30 Tonnen Pflanzenschutzmittel in den Rhein. Es kostete u.a. die gesamte Aalpopulation im Rhein auf einer Länge von 400 km. Ähnlich wie bei der Atomkatastrophe wurden die Wasserwerke rheinabwärts erst am 3. November über das Ausmaß informiert.

Spätestens ab da war mir klar, dass sich vieles ändern muss, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Ähnlich muss es Euch, Ursula und Michael, bei der Gründung einer Bürgerinitiative gegangen sein, die fünf Jahre später 1991 in der Gründung der Genossenschaft den Elektrizitätswerken Schönau mündete.

Was ich damals nicht ahnte, war, dass es auch mich mal in die Irrungen energiewirtschaftlicher Fragestellungen führen würde. Aus dem Traum, ein Ökodorf zu gründen, wurde mein Engagement im Stadtteil Vauban in Freiburg. Mit der Konzeption des ersten viergeschossigen Passivhauses mit eigener Biogasanlage nahmen die Fragen der Energiewende gegenüber meinem Engagement zum Schutze des Rheins bis heute einen immer größeren Raum ein.

Strom und Wärme zusammendenken!

Freiburg/Berlin, 2. September 2024.

Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. legt Abschlussbericht vor zum Projekt „Kommunale sektor- und spartenübergreifende Energieleitplanung (KSSE)“

Der KiB e.V. ruft dazu auf, in einer verbände- und parteiübergreifenden Initiative zusammen mit Praktikern eine Flexibilitätsstrategie zu entwickeln, die zum einen Strom und Wärme umfasst und zum anderen Anreize für Flexibilisierungsmaßnahmen sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite schafft.

Mit der Novelle des Gebäudeenergie­ge­setzes (GEG) und dem neuen Wärme­planungs­ge­setz (WPG) liegt der Fokus auf der Wärmepumpe und nicht mehr auf der Ein­spa­rung von Primärenergie oder der Sanierung der Gebäude­hülle.

Manchen Befragten geht diese Fokussierung auf den Heizungstausch und allein auf erneuerbare Wärme zu weit. Die neue Situation aus Sicht der Praxis zu bewerten, war Gegenstand des Projektes.

„Es fehlen netz- und systemdienliche Signale, die den Anlagenbetreiber vor Ort anzeigen, wann er besser weniger Strom aus dem Stromnetz bezieht, weil es wenig erneuerbaren Strom gibt oder wann er z.B. seine Wärmepumpe betreiben kann, weil es viel Strom aus Sonne und Wind im Netz vor Ort gibt“, sagt Jörg Lange von Klimaschutz im Bundestag.

Bei größeren Gebäuden oder Gebäudenetzen ist laut KSSE-Projekt eine Kombination aus Photovoltaik, Wärmepumpe und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ideal. Im Vergleich z.B. mit einer ausschließlichen Wärmeversorgung über eine Wärmepumpe können bei der Kombination von PV, Wärmepumpe und KWK sowohl die Kosten als auch CO2-Emissionen für mindestens die nächsten 10 Jahre in sehr vielen Fällen am niedrigsten gehalten werden. Zukünftig ist sicher zu stellen, dass der Strom, wenn einmal nicht genug Solar- und Windstrom zeitgleich zum Bedarf zur Verfügung stehen (Residuallast), aus dezentralen Speicherkraftwerken kommt, die überwiegend mit erneuerbar erzeugten Brennstoffen wie z.B. Wasserstoff, Biomethan oder Ethanol betrieben werden.

Die umgestaltete BEG-Förderung bewertet bislang nicht, wie viele Emissionen ein Heizungstausch tatsächlich spart. Deshalb sollte die BEG-Förderung am Maßstab der Treibhausgase ausgerichtet werden, so eine Schlussfolgerung aus den KSSE-Projektergebnissen.

Im Rahmen des Projektes wurden

  • rund 339 Personen aus der Praxis der Wärmewende mittels 93 Fragen online befragt,
  • zahlreiche tiefergehende Interviews mit Personen aus ganz unterschiedlichen Praxisbereichen geführt,
  • etwa 70 der zu Beginn 2024 vorliegenden kommunalen Wärmepläne Baden-Württembergs analysiert,
  • zahlreiche Fallbeispiele hinsichtlich Emissionen, Residuallast und Kosten betrachtet sowie
  • die Residuallast aus mathematisch energetischer Sicht analysiert, wie zukünftig der Energiebedarf zu 100% aus erneuerbaren Energien (vorwiegend Sonnen- und Windstrom) gedeckt werden kann.

Die Dokumente (Endbericht, Kurzfassung, Thesen und Teilberichte) zum Projekt liegen auf folgender Projektwebseite zum Herunterladen vor:

https://klimaschutz-im-bundestag.de/ksse/

Eine Zusammenfassung der Thesen und konkreten Vorschläge finden sich in der
Kurzfassung des Endberichtes (pdf, 31 Seiten, 2 MB).

In zwei Webinaren werden die Ergebnisse zur Diskussion gestellt.

Teil I am Donnerstag, den 5.9. um 17 Uhr legt den Schwerpunkt auf die Diskussion der Analyseergebnisse: Ergebnisse aus der Online-Umfrage, den Gesprächen mit Menschen aus der Praxis und Darstellung ausgewählter Fallbeispiele.

Anmeldung zu Teil I unter
https://klimaschutz-im-bundestag.de/civicrm/event/register/?id=89&reset=1

Teil II am Donnerstag, den 12.9. um 17 Uhr legt den Schwerpunkt auf die Diskussion der Anforderungen z.B. an eine Neuordung des Strommarktes und der Netzentgelte, um mehr Flexibilität vor Ort in der Praxis zu ermöglichen.
Anmeldung zu Teil II unter
https://klimaschutz-im-bundestag.de/civicrm/event/register/?id=90&reset=1

KSSE in zehn Thesen

  1. Um die entsprechenden Flexibilitäten vor Ort zu ermöglichen, sollte die kommunale Wärmeplanung zu einer sektor- und spartenübergreifenden Energieleitplanung weiterentwickelt werden.
  2. Die Praxis bei Strom und Wärme folgt derzeit z.B. beim Ausbau von Wärmepumpen oder den Erneuerbaren weder den wissenschaftlichen Szenarien noch der Politik und ihren gesetzlichen Vorgaben.
  3. Die Stromversorgung mit Sonne und Wind unter Einbeziehung der Infrastrukturkosten (für Stromtransport und backup-Kraftwerke der saisonalen Speicherung) kostet aktuell mehr als die fortgesetzte Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber um ein vielfaches weniger als das Verfehlen der Klimaziele, wenn die externen Kosten berücksichtigt würden.
  4. Die Kosten für den derzeit geplanten Netzausbau, das Netzengpassmanagement, und den Bau emissionsarmer Residuallastkraftwerke könnten die Netzentgelte mehr als verdoppeln und damit eine sozialverträgliche Wärmewende gefährden.
  5. Lokale (nodale) Signale (Anreize) für mehr Flexibilität vor Ort sind ein Teil der Lösung, um den Ausbau der Stromnetze und der mit grünen Brennstoffen betriebenen Residuallastkraftwerken zu begrenzen.
  6. Biogasanlagen können in der Fläche durch Umbau zu Speicherkraftwerken zur Abdeckung saisonaler Residuallasten ausgebaut werden und gesicherte Leistung bereitstellen.
  7. Bilanzierung, Monitoring, Nachjustierung und Bewertung der Maßnahmen im Gebäudebereich anhand von Treibhausgasen tragen zur Effizienz und zur Einsparung von Treibhausgasen in den nächsten 10-15 Jahren bei.
  8. Die Sanierung der Gebäudehülle ist nur im Rahmen üblicher Sanierungszyklen wirtschaftlich darstellbar. Sie steht im Wettbe­werb zu weiteren technischen (z.B. Nach­justieren, Monitoring) und organisatorischen Maß­nahmen (z.B. gemeinschaftliche Ge­bäude­versorgung).
  9. Ohne Maßnahmen zur Wohnraum­suffizienz und einem dauer­haften Entziehen von Wohnungen aus dem gewinnorientierten Wohnungs­markt (Wiener Modell) werden die Kosten für Wohnraum weiter erheblich steigen und eine energetische Sanierung in vielen Fällen verhindern.
  10. Förderprogramme für die energetische Sanierung sollten an der tatsächlichen Einsparung von Treibhausgasemissionen und in der Höhe an sozialen Kriterien bemessen werden.

Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU-AZ 38842, Laufzeit Mai 2023-August 2024).

Pressekontakt

Dr. Jörg Lange

Klimaschutz im Bundestag e.V.

Alfred-Döblin-Platz 1

79100 Freiburg im Breisgau

Tel.: +49 (0)761 45 89 32 77 |

joerg.lange@klimaschutz-im-bundestag.de

Der Klimaschutz im Bundestag e.V. (ehemals CO2 Abgabe e.V.) ist ein Zusammenschluss von ca. 900 Unternehmen, Verbänden, Kommunen und Einzelpersonen, die sich für wirksame Klimaschutzmaßnahmen einsetzen.

Speichererfordernisse zur Abdeckung der Residuallastdurch Windkraft und Sonnenstrom

Kurzdarstellung der Analyse von unserem Beirat Dr. M. Seelmann-Eggebert.

Die Residuallast (Strom) ist definiert als die verbleibende Stromlast nach Abzug der aktuellen Leistung der nicht regelbaren erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse) von der aktuellen Gesamtlast (Stromverbrauch).

Die Bundesregierung hat das Ziel bis zum Jahr 2030 etwa 80% des Bruttostromverbrauchs im Jahresdurchschnitt durch Erneuerbare Energien zu decken. Bei der Bilanzierung bleibt unberücksichtigt, dass auf Grund der Schwankungen (der sog. Volatilität) von Wind- und Sonnenstrom ein großer Teil des Stroms keine Verwendung findet, weil er zu falschen Zeiten produziert wird. Da im Stromnetz zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch herrschen muss, wird dieser Strom heute noch weitgehend abgeregelt. Man bezeichnet dies auch als negative Residuallast.

Zu anderen Zeiten reicht das Angebot an Erneuerbarer Energie nicht zur Deckung des Strombedarfs aus und entsprechend muss das Defizit z.B. durch konventionelle Kraftwerke gedeckt werden, die sog. Positive Residuallast.

Die Residualleistung ist über das Jahr sehr unterschiedlich verteilt, abhängig vom Dargebot von den Erneuerbaren, vor allem Sonne und Windstrom. Die vorliegende statistisch mathematische Analyse der Residuallast von Seelmann-Eggebert (2024) untersucht, wieviel Erneuerbaren Strom und welche Speichererfordernisse erforderlich sind, um die Residuallast zu decken. Sie unterteilt die Residuallast dazu in zwei Anteile:

  • den „Interdies“-Anteil, der die Bilanz aus Tagesertrag und Tagesverbrauch widerspiegelt und die saisonale Abhängigkeit einschließt, sowie
  • den „Intradiem“-Anteil, der alle Tageszeiten mit Unterdeckung aufsummiert.

Unter der Vereinfachung, dass übers Jahr genauso viel Strom aus Erneuerbaren erzeugt wie verbraucht wird und sich die Tagesverbräuche relativ gleichmäßig über das Jahr verteilen, ergibt sich folgendes Bild.

Wann immer der Tagesertrag einer Solaranlage den Tagesverbrauch übersteigt, kann der Intradiem-Anteil der Residuallast z.B. vollständig durch Batteriespeicher ausgeglichen werden. Pro kWp installierte Leistung Solar ist dabei eine Kurzzeitspeicherkapazität von etwa 1,5 kWh notwendig.

Werden bei einer reinen Versorgung mit Solarstrom keinerlei Speicher oder Maßnahmen zur Lastverschiebung eingesetzt, so beträgt die Residual­last wegen dem großen Intradiem-Anteil bei bilanziell ausgeglichener Jahres­versorgung mehr als 60%. Kurzzeitspeicher sind in der Lage unter anderem die Nachtlücke auszugleichen und damit den nutzbaren Solarstrom zu verdoppeln!

Da der Wind auch nachts weht, zeigt Windstrom im Gegensatz zum Solarstrom durchschnittlich keine Korrelation mit der Tages­zeit und lediglich schwache saisonale Tendenzen. Grundsätzlich entstehen Unterdeckungssituationen Intradiem in deutlich geringerem Umfang. Bei einer reinen Windkraftversorgung, bei der in der Jahresbilanz genauso viel Windstrom erzeugt wie durch Lasten verbraucht wird, beträgt die Intradiem-Residuallast durchschnittlich etwa 7% und kann schon durch Batterien mit 10% bis 20% Kapazität einer durchschnittlichen Tageslast durchweg überbrückt werden. Über­raschender­weise ist die Interdies-Residuallast von Windkraft ähnlich hoch wie bei der Photo­voltaik. Auch hier können mehr als 30% des Stroms nicht direkt genutzt werden.

Ein selbstversorgendes System muss hinreichend Überschuss für die Produktion von synthetischem Brennstoff für Residuallastkraftwerke produzieren. Abhängig vom Wirkungsgrad für Rückverstromung gibt es einen Minimalwert für den notwendige Überschuss, um über einen Langzeitspeicher (wie z.B. eine Wasserstofferzeugung mit Rückverstromung) die Interdies-Residuallast zu decken. Dieser Minimalwert beträgt ein Vielfaches der Interdies-Residuallast.

Rechenbeispiel: Wieviel Erneuerbaren Strom braucht es, um die Residuallast vollständig über Kurz- und Langzeitspeicher zu decken?

Unter der vereinfachten Annahme, dass sich die Tagesverbräuche relativ gleichmäßig über das Jahr verteilen, braucht es zur Abdeckung eines Strombedarf von z.B. 750 TWh (100%) eine Ertragsmenge von 1014 TWh (135%) aus Windkraft und Sonnenstrom. Dabei können statistisch etwa 662 TWh des Stroms direkt oder über einen Kurzzeitspeicher (Batterie etc.) genutzt werden, der die Tagesschwankungen ausgleicht. Etwa 351 TWh (47%) des Stroms fallen statistisch zu Zeiten an, in denen er nicht genutzt werden kann

Residuallast

Die gesamte Analyse von unserem Beirat Diplom-Physiker Dr. M. Seelmann-Eggebert findet sich hier.

Treibhausgasneutrale Synthetische Brennstoffe

Beitrag zur Eignung der Energieträger Wasserstoff, Methan, Methanol und Ammoniak als saisonale chemische Energiespeicher von unserem Beirat M. Seelmann-Eggebert

Ein grundsätzliches Problem bei der Nutzung von Wasserstoff und daraus abgeleiteter sekundärer Energieträger zur Rückverstromung, liegt darin, dass zur elektrolytischen Herstellung als Energie der Brennwert aufgebracht werden muss, während in konventionellen Kraftwerken ledig­lich der Heizwert genutzt werden kann. Hierdurch reduziert sich in Kraftwerken, deren Wirkungs­grade üblicherweise in Bezug auf den Heizwert angegeben werden, die nutzbare Energie auf 85%. Brennstoffzellen basieren hingegen auf einer wässrigen Lösung, so dass dieses Problem für sie bei der Rückverstromung nicht existiert. Bei Blockheizkraftwerken lässt sich die Kondensationswärme zumindest thermisch nutzen.

Die untersuchten sekundären Energieträger werden alle in Formierungsreaktionen hergestellt, die exotherm verlaufen. Diese Energie steht für die eigentliche Verbrennungsreaktion nicht mehr zur Verfügung. Der damit verbundene (weitere) Energieverlust fällt für Methanol mit 12% am geringsten und für Methan mit 17% am höchsten aus (siehe Tabelle). Dieser Verlust besteht bei direkter Verwendung von Wasserstoff als Brennstoff nicht.

Wasserstoff, Methan und Ammoniak sind Gase, welche in Gasnetzen transportiert werden können. Für Methan kann das bestehende Erdgasnetz direkt weiterverwendet werden. Für Wasserstoff sind zur Vermeidung von Leckage umfängliche Nachbesserungen oder Neuverlegungen vorzunehmen.

Nutzbarkeit bezogen aufHeizwertBrennwert
Wasserstoff H2100%85%
Methan (CH4)83%70%
Methanol (CH3OH)88%75%
Ammoniak (NH3)87%74%
Tabelle zu Heiz- und Brennwerten verschiedener Energieträger bezogen auf Wasserstoff. Zur elektrolytischen Herstellung muss der Brennwert von 7,09 kWh pro Normkubikmeter eingesetzt werden. Als Energieinhalt von Wasserstoff wird der Heizwert angegeben.

Für einen Transport auf Schiffen ist eine hohe Dichte des Energieträgers erforderlich. Gasförmige Substanzen sind daher unter sehr hohem Druck zu verdichten oder durch Abkühlen zu verflüssigen. Der Kühlaufwand ist dabei für Wasserstoff mit Abstand am höchsten. Der Transport von Methan als LNG ist bereits großtechnisch üblich, aber ebenfalls aufwendig. Ammoniak wird hingegen schon bei relativ hohen Temperaturen flüssig und ist in dieser Form gut zu trans­portieren. Methanol ist indessen schon bei Zimmertemperatur flüssig, so dass mit diesem Stoff ein Raumproblem weder für den Transport noch für die Speicherung besteht.

Für die Speicherung von Erdgas existieren in Deutschland große Kavernenspeicher, die unver­ändert für Methan genutzt werden können. Für Methan ergibt sich eine nominelle Speicher­kapazität von 246 TWh, die in einer treibhausgasneutralen Wirtschaft als saisonaler Speicher aus­reichen dürfte. Theoretisch könnten die Kavernenspeicher auch für Wasserstoff genutzt werden, ein Praxistest steht aber noch aus. Wegen der geringen Energiedichte würde der vor­handene Speicher mit Wasserstoff aber nur für 74 TWh ausreichen. Diese Kapazität ist für einen saisonalen Speicher sehr wahrscheinlich zu gering. Dasselbe gilt für Ammoniak, das nur eine un­wesent­lich höhere Energiedichte als Wasserstoff hat.

Eine Energiewirtschaft, die auf Wasserstoff oder Ammoniak basiert, ist treibhausgasneutral, da bei der Verbrennung lediglich Wasser produziert wird. Bei der Verwendung von Methan, Methanol oder andere synthetische kohlenstoffbasierte Energieträger wie Kerosin muss sicher­gestellt sein, dass das zur Synthese verwendete Kohlendioxid aus einem zyklischen Kreislauf stammt. Dies kann entweder durch aufwendige Rückgewinnung von CO2 aus der Atmosphäre oder den Ozeanen oder durch eine dem Verbrennungsprozess direkt nachgelagerte Abschei­dung erreicht werden.

Bis zur Wiederverwendung muss das abgeschiedene CO2 allerdings vor Ort gelagert und/oder zu einer Lagerstätte transportiert werden. Eine treibhausgasneutrale Energiewirtschaft muss zu diesem Zweck für diesen Hilfsstoff zur Herstellung des sekundären Energieträgers eine zu­sätzliche umfängliche Infrastruktur schaffen. Hier ist grüner Ammoniak im Vorteil, denn Ammoniak bedient sich des Hilfsstoffs Stickstoff, der über die Atmosphäre direkt und jederzeit zur Verfügung steht.

Mit der Anwendung der Elektrolyse steht reiner Sauerstoff im großen Maßstab zur Verfügung. Dies ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb von Kraftwerken mit dem Oxyfuel Prinzip und damit die Abscheidung von Kohlendioxid.

Elektro­lyse, Formierungsanlage und Kraftwerk sollten künftig als Gesamtheit und in Verbindung mit Speichermöglichkeiten für die verwendeten chemischen Stoffe konzipiert werden. Dies hat den Vorteil, dass Wasserstoff und Sauerstoff direkt vor Ort weiterverarbeitet werden können. Da beim Betrieb jeder dieser Anlagen große Mengen an Abwärme anfallen, sollten sie an den Ein­speisepunkten von Wärmenetzen platziert werden. Zusammenfassend sprechen viele Argumente für die Verwendung von Methan oder Methanol als Energieträger an Stelle von Wasserstoff. Das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, um­fassende Investitionen für eine CO2-Infrastruktur zu tätigen. Netzausbau und Speicheraufbau sind hingegen auch beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in ähnlichem, wenn nicht höherem Umfang erforderlich.

Die gesamte Analyse finden sie hier.

Kriterien zur Wärmeleitplanung

Untersuchungen zur flächendeckenden Wärmeversorgung unter Berücksichtigung der Residuallast durch Kraftwerke und Blockheizkraftwerke

Beitrag von unserem Beirat M. Seelmann-Eggebert

Dem Projekt, in dessen Rahmen diese Studie entstand, lagen folgende Kernfragen zu Grunde

  • Welche Vor-/Nachteile hat eine eher dezentralere Abdeckung der Residuallast und welche Synergien lassen sich im Rahmen einer Berücksichtigung bei kommunalen Akteuren heben?
  • Welche Vor-/Nachteile haben demgegenüber große zentrale Residualkraftwerke auf der „grünen Wiese“?
  • Welche politischen Rahmenbedingungen sind für dezentrale oder eher zentralere Lösungen notwendig?
  • Wie kann eine sektor- und spartenübergreifende Energieleitplanung aus Praktikersicht aussehen?

Die hier vorgestellte Analyse betrachtet diese Kernfragen in erster Linie aus energetischer Sicht. Ziel war es, verschiedene treibhausgasneutrale Szenarien an Hand des erforderlichen Primärenergiebedarfs zu vergleichen und zu bewerten. Dabei wurden die einzelnen Teilaspekte, (wie z.B. Synergien von KWK und Wärmepumpe, saisonale Verfügbarkeit von Erneuerbarem Strom, Bedeutung von synthetischen Brennstoffen als Langzeitspeicher und deren Erzeugung, Notwendigkeit von Kurzzeitspeichern zum Ausgleich der im Tagesverlauf auftretenden Residuallasten) analysiert und quantitativ nachvollziehbar und transparent dargestellt. Die CO2 Emissionen, die mit einem Versorgungsszenario und der Transformation zur Treibhausgasneutralität verbunden sind, ergeben sich direkt aus dem Primärenergiebedarf multipliziert mit dem Emissionsfaktor des verwendeten Energieträgers (Stundenwerte). In der Realität sind Primärenergiebedarf und Treibhausgasemissionen nur zwei von verschiedenen maßgeblichen Kriterien. Verfügbarkeit von Wärmequellen vor Ort, bereits existierende Infrastruktur wie z.B. vorhandene Wärmenetze, die Siedlungsstruktur und wirtschaftliche Faktoren wurden an verschiedenen Stellen qualitativ betrachtet, aber nicht quantitativ bewertet.
In der Studie wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die zukünftige Primärenergieversorgung in Deutschland ganz überwiegend auf Windkraft, Sonnenstrom und grünem Wasserstoff beruht. Die Studie beschränkt sich auf die Gebäudewärme und zeigt Lösungsmöglichkeiten für ihre treibhausgasneutrale Vollversorgung auf. Es wurden verschiedene Szenarien untersucht, wie eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung quartiersweit oder deutschlandweit realisiert werden kann.
Die Ergebnisse der Studie hierzu sind:

  • Eine energetische Versorgung mit Sonnen- und Windstrom erfordert Residuallastkraftwerke, die den saisonalen Gang der Erneuerbaren ausgleichen können.
  • Die elektrische Effizienz der Kraftwerke bestimmt die Menge an Abwärme und den Grad ihrer Nutzung.
  • Die Anteile, die jeweils von KWK und Wärmepumpen bei regenerativer Vollversorgung, bereitzustellen sind, liegen (bei Minimierung des Primärenergieeinsatzes) weitgehend fest und hängen von dem angenommenen Verhältnis zwischen Wind und PV ab.
  • Ab einem Mindestbedarf an Residuallastkraftwerken ist KWK energetisch lohnend und macht Kraftwerke auf der grünen Wiese ohne Abwärmenutzung zur primärenergetisch ineffizienteren Lösung.
  • Energieimporte aus dem Ausland in Form von Wasserstoff oder anderen synthetischen Brennstoffen ist unter energetischen Aspekten unvorteilhaft und auch nicht erforderlich, denn eine regenerative Wärmevollversorgung ist innerhalb der Landesgrenzen möglich.
  • Auch dicht besiedelte Kommunen in Ballungsgebieten können eine regenerative Vollversorgung ihres Gebäudebestands mit Wärme erreichen, indem Umweltwärme mit Wärmepumpen möglichst intensiv genutzt wird und gleichzeitig ein massiver Ausbau auf allen Dächern und verfügbaren innerstädtischen Flächen forciert wird.
  • Zentrale und dezentrale Versorgung sind für die betrachteten Szenarien aus energetischer Sicht weitgehend gleichwertig, solange die Abwärme genutzt wird. Die jeweils bessere Lösung wird durch die Verfügbarkeit von Wärmequellen vor Ort vorgegeben.
  • An praktischen Beispielen wurde aufgezeigt, wie eine regenerative Vollversorgung auf Gebäudeebene, Quartiersebene oder das ganze Land gelingen kann und Kriterien hierfür benannt.
  • Grüner Wasserstoff (oder andere grüne Gase) oder daraus abgeleitete Brennstoffe sind vor allem für den Betrieb von Residuallastkraftwerken zum Ausgleich saisonaler Defizite erforderlich.
  • Die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff vor Ort ist lohnend, da die entstehende Abwärme genutzt und somit die Abhängigkeit von Energieimporten reduziert werden kann.
  • Kurzzeitspeicher sind ein essentielles Element der Energie- und Wärmewende und können den Primärenergiebedarf substantiell verringern.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Zum raschen Gelingen der Wärmewende sollte der Einsatz von Wärmepumpen gefördert, aber mit einer Forderung nach entsprechendem Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung vor Ort zur Deckung des Wärmepumpenstroms gekoppelt werden,

Die gesamte Analyse findet sich hier.

Steckersolargeräte: Was ändert sich 2024? Was können Unternehmen und Politik tun, damit auch Mietende profitieren?

Onlinediskussion vom 12.12.2023, 17 Uhr

Durch die Veranstaltung führte Lisa Wendzich, SunCrafter GmbH.

Eine Präsentation zur Veranstaltung finden Sie hier.

Die Veranstaltung kann in unserem Youtube-Kanal nachgesehen werden.

Worum es ging?

Beworben werden Steckersolargeräte unter anderem mit dem Argument, dass sich mit ihnen auch Mietende oder einkommensschwache Haushalte an der Energiewende beteiligen könnten.

Trotz Ausgestaltung nach sozialen Kriterien zeigen Förderprogramme für steckerfertige PV-Anlagen, wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, das erst wenige Mieter diese in Anspruch nehmen oder nehmen können. Während das Kontingent für Eigentümer (5 Mio. für 10.000 Anlagen) bereits nach kurzer Zeit erschöpft war, stehen „für Mieter noch für längere Zeit ausreichende Mittel“ (4,855 Mio. für 9.711 Anlagen, zum 30.11.23) zur Verfügung.

Wir haben diskutiert u.a. mit Christian Ofenheusle von machdeinenstrom.de woran das liegt und was Politik sowie betroffene Wohnungsunternehmen, Hausverwaltungen proaktiv unternehmen können, um Steckersolargeräte auch für Mieter attraktiv und umsetzbar zu machen.

Ein positives Beispiel gibt es dagegen aus der Stadt Damstadt zu berichten: Von 1.367 seitens der Stadt Darmstadt geförderderten Anlagen sind hier 264 (19,7%) bei Mieter*innen installiert worden.

Ein anderes Beispiel wurde von Roland Pareik vom Caritasverband Düsseldorf präsentiert. Dort gibt es für Düsselpass-Inhaber eine Sonderförderung Balkon-Solarkraftwerke für Geringverdiener im Rahmen des EnergieSparService der Caritas.

Bereits seit dem 27.10.23 gilt, dass Balkonsolaranlagen kein Bauprodukt mehr sind.
vgl. hierzu https://www.dibt.de/de/aktuelles/meldungen/nachricht-detail/meldung/aktualisiert-welche-bauaufsichtlichen-bestimmungen-gelten-fuer-photovoltaik-module-pv-module

Als Neuerungen in 2024 werden erwartet:

  • Eine Privilegierung von Steckersolargeräten im Wohnungseigentümergesetz und Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Gesetzesentwurf befindet sich im parlamentarischen Verfahren (Veröffentlichung im Amtsblatt wird im 2. Quartal 2024 erwartet).

Geplante Erleichterungen für Steckersolargeräte durch das Solarpaket I (1. Lesung 19.10.23, 2. und 3. Lesung am 15.12.23) sind:

  • Die Leistungsgrenze soll von 600 Watt auf 800 Watt erhöht werden.
  • Als Übergangslösung sollen auch “rückwärts drehende Zähler” erlaubt werden, um sie als Ablehnungs­grund für Steckersolargeräte zu vermeiden.
  • Nur noch eine möglichst vereinfachte Anmel­dung beim Marktstamm­daten­register

Ggf. ergibt sich auch mit der im Rahmen des Solarpaket I geplanten Änderung des §42b (EnWG) zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung die Möglichkeit, das Steckersolargeräte die an einem Wohnungszähler installiert sind, der auch die in öffentliche Netz eingespeiste Strommenge erfasst, dann für diesen Strom entsprechende eine EEG-Vergütung bekommen können, vgl. hierzu auch https://klimaschutz-im-bundestag.de/gemeinschaftliche_eigenversorgung/.

Was können Politik und Wohnungsunternehmen tun?

  • Abwägungskriterien für die Privilegierung (§ 554 BGB und § 20 Abs. 2 WEG) zur Umsetzung der baulichen Veränderung klarer als in den FAQs zu definieren.
  • Wohnungen für Steckersolargeräte fit machen, die Steckersolarreadyness von Wohnungen bzw. Balkonen gesetzlich regeln.
  • E-Check in Wohnungen auf Steckersolaranlagen erweitern.
  • In Förderprogrammen: Soziale Kriterien berücksichtigen.
  • Statische Nachweise fördern.
  • Aussensteckdosen ggf. fördern und nachrüsten.
  • Rechtliche Regelung für die Sanierung bei Neubau von Balkongeländer – Anbringung von herkömmlichen Solarmodule vorsehen.
  • Auf Hilfsangebote/Initiativen bei der Montage hinweisen und entsprechende Vorgaben seitens der Wohnungsunternehmen machen.
  • Hilfe & Geschäftsmodelle durch Nachfrage schaffen/fördern.
  • Statische Nachweise bei baugleichen Balkone zur Eignung von Steckersolargeräten proaktiv beauftragen.
  • Geeignete Montagesysteme seitens der Vermietenden proaktiv vorschlagen.

Sonstige Hinweise

Gemeinschaftliche Eigenversorgung in Kundenanlagen und nach dem geplanten §42b Energiewirtschaftsgesetz

Diskussionsbeitrag von
Jörg Lange, Klimaschutz im Bundestag e.V. und
Fabian Sprenger, Vauban Hausverwaltung GmbH & Co. KG

im Dezember auch erschienen als Beitrag in VDIVaktuell 08/23, Seite 46 ff.

Die Abgabe bzw. der Verkauf von Strom im räumlichen Zusammen­hang (auch Mieterstrom genannt) ist aufgrund hoher bürokratischer Hürden noch immer sehr aufwändig und wird von Hausverwaltungen bis­lang kaum umgesetzt.

Im Folgenden wird die gelebte Praxis einiger gemeinschaftlicher Eigenstromkonzepte im Rahmen einer Kundenanlage verglichen mit der von der Bundesregierung vorgelegten Regelung des §42b im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Rahmen des Solarpaket I[1]. Am Ende bleiben einige Fragen zu den Regelungen im §42b EnWG aus Sicht der Autoren offen.

Als Kundenanlagen werden kundeneigene Energieanlagen be­zeich­net, die mittels einer Summenmessung an ein öffentliches Energienetz angeschlossen sind und der Abgabe von Energie an Letztverbraucher dienen (§ 3 Nr. 24a oder b EnWG) (vgl. Abbildung 1).

Ziel des neuen Modells nach §42b EnWG ist es, „dass Strom aus solarer Strahlungsenergie ohne großen Bürokratieaufwand von Ver­mieterinnen und Vermietern oder einem Dritten für die Mietparteien innerhalb eines Gebäudes bereitgestellt werden kann. Die Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen müssen sich dabei hinter dem­selben Netzverknüpfungspunkt befinden, das heißt, es darf keine Durch­leitung durch ein Netz erfolgen.

Bisher gelebte gemeinschaftliche Konzepte zur Nutzung von Strom im Rahmen einer Kundenanlage sollen mit dem §42b EnWG weder erschwert oder gar verhindert werden, so die Versicherung von Politik und Verwaltung. In der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt es hierzu nur „Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung steht als eigen­ständiges Modell neben dem Mieterstrom gemäß § 42a EnWG.

Im Falle der Lieferung von Strom über das öffentliche Netz gilt die Rechts­lage bisher als eindeutig. Der Stromliefernde wird rechtlich zum Energieversorger (EVU) und hat eine Vielzahl an Pflichten zu erfüllen (z.B. Anmeldepflicht bei Übertragungsnetz­betreiber, Verteilnetzbe­treiber, BNetzA; Pflicht zu Vollstromliefer­verträgen; Stromkenn­zeichnung; jährliche Strom­mengen an Über­tragungs­netz­betreiber melden; Meldepflicht Mieter­stromzuschlag BNetzA; Mess­stellen­be­triebs­pflichten, Kunden­manage­ment­pflichten; Rechnungs­stellungs­pflichten; Stromsteuer­be­freiungen; …). Diese Pflichten können von einem „normalen“ Anlagenbetreiber (Privatpersonen, Industrie- und Handwerksbetrieb, Wohnungseigentümergemeinschaften) über die Hausverwaltung in den meisten Fällen nicht geleistet werden und erfordern einen entsprechend versierten Dienstleister.

1 Gelebte Praxis der gemeinschaftlichen Eigenversorgung in Kundenanlagen

Bei der Verteilung von Strom z.B. aus Solarstrom vom Dach eines Gebäudes oder des gemeinschaftlichen eingekauften Stroms aus dem öffentlichen Netz (Reststrom­bezug) innerhalb eines gebäude­eigenen Stromnetzes (Kundenanlage) gibt es bisher in der gelebten Praxis die rechtliche Auffassung, dass hierbei keine Stromlieferung vorliegt und die o.g. Pflichten damit wegfallen.

Denn viele der rechtlich mit einer Stromlieferung verbundenen bürokratischen Pflichten sind für die Nutzung und Verteilung von selbst erzeugtem Strom im Rahmen einer Kundenanlage aus ver­sorgungs­technischer Sicht nicht zu rechtfertigen und damit ent­behrlich. Die Stromerzeugung und -nutzung vor Ort könnte genauso betrachtet werden wie eine Energiesparmaßnahme, also z.B. wie die Investition in einen sparsameren Kühlschrank oder in eine LED-Beleuchtung. Auch diese werden ja bislang nicht mit Auflagen, wie z.B. Messeinrichtungen, belegt.

Konzepte und Vertragskonstellationen, die die Kosten aus einer ge­mein­schaftlich betriebenen Solaranlage und/oder gemeinschaftlich aus dem Netz bezogenen Reststrom z.B. über die Hausgeld­ab­rechnung auf die gemessenen Verbräuche der Allgemein- und Wohnungs­stromzähler umlegen, sind seit vielen Jahren gelebte Praxis. In einigen Vertragskonstellationen werden die Investitionskosten sowohl für PV als auch KWK-Anlagen in den Strompreis eingerechnet, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage zu haben (Abbildung 2). Zu Beschwerden von Mietenden oder Eigentümer:innen ist es in dieser Zeit in den uns bekannten Fällen nie gekommen, da die Strompreise immer deutlich unter denen der Stromlieferanten bzw. eines Mieterstrommodells lagen.

Vdiv Zählerschema 01

Abbildung 1: Schema/Konzept zur gemeinschaftlichen Gebäude/Eigenversorgung ohne Durchleitung durch das öffentliche Stromnetz. In Kundenanlagen gelebte Praxis ist ein realer Summenzähler mit realen Unterzählern und der jährlichen Umlage von Kosten nach Stromverbrauch gemäß Ablesung Zähler (A-C).

Musterabrechnung

Abbildung 2: Musterabrechnung

2 Neuregelungen des §42b EnWG im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung

Unter der Überschrift „Gemeinschaftliche Ge­bäude­versorgung“ räumt der §42b EnWG Letztverbrauchern die Möglichkeit ein, z.B. Solar­strom der in, an oder auf demselben Gebäude produziert wird zu nutzen, wenn

  1. die Nutzung ohne Durchleitung durch ein Netz erfolgt,
  2. die Strombezugsmengen des Letztverbrauchers viertelstündlich gemessen werden und
    (vgl. Abbildung 3)
  3. er einen Gebäudestromnutzungsvertrag mit dem Betreiber der Gebäudestromanlage abschließt, in dem Betrieb, die Erhaltung und die Wartung der Gebäudestromanlage und der Aufteilungs­schlüssel des Stroms aus der Anlage geregelt werden. Letzterer muss dem Netzbetreiber mitgeteilt werden. Darüberhinaus sind Regelungen über die entgeltliche Gegenleistung für die Nutzung der elektrischen Energie durch den teilnehmenden Letztver­braucher und deren etwaige Höhe in Cent pro Kilowattstunde zu treffen. Die freie Lieferantenwahl darf in dem Gebäude­strom­nutzungs­vertrag nicht eingeschränkt werden.

Die Definition (§3 Nr. 20a EnWG) des im §42b EnWG neu eingeführten Begriffs der Gebäudestromanlage eine Erzeugungsanlage, die aus solarer Strahlungsenergie elektrische Energie erzeugt, die ganz oder teilweise im Rahmen eines Gebäudestrom­­nutzungs­vertrags durch die teilnehmenden Letztverbraucher gemäß § 42b Absatz 1 verbraucht wird“ schränkt dabei die Regelung auf Solarstrom ein.

Nach §42b Abs.6 EnWG kann der Gebäudestromnutzungsvertrag durch einen WEG-Beschluss ersetzt werden, wenn die WEG die Gebäudestromanlage betreibt.

Vdiv Zählerschema 02

Abbildung 3: Schema/Konzept zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ohne Durchleitung durch das öffentliche Stromnetz nach § 42b EnWG. Dabei müssen die Zähler (A-C) intelligente Zähler sein, die für die Verteilung und Kostentragung eine Verrechnung von Viertelstundenwerten erlauben.

Aus Sicht der Autoren bleiben mit dem §42b EnWG folgende Fragen offen:

  • Welchen praktischen Fall genau will der §42b entbürokratisieren?
  • Wenngleich Politik und Verwaltung mit dem §42b EnWG bisher gelebte gemeinschaftliche Konzepte weder erschweren noch verhindern wollen bleibt die Frage, ob das zukünftige Rechtssprechung auch so bestätigt.
  • Die Nutzung virtueller Summenzähler wurde bereits im EnWG § 20 Absatz 1d Satz 2 ermöglicht, werden Sie mit dem §42b nun verbindlich vorgeschrieben und wenn ja für welche Konstellationen?
  • Kann die Regelung nach §42b unabhängig von einem EVU/Dienstleister z.B. durch eine Hausverwaltung umgesetzt werden? Wer nimmt die Saldierung der Zähler vor und wer sammelt die Daten der 15-minütigen Messung?
  • Im §42b (2) 2. ist über den Gebäudestromnutzungsvertrag eine Vereinbarung über entgeltliche Gegenleistung für die Nutzung der elektrischen Energie durch den teilnehmenden Letztver­braucher und deren etwaige Höhe in Cent pro Kilowattstunde zu treffen. Bedeutet dies, dass auch Investitionskosten für die PV-Stromanlage über diesen Vertrag umlegbar sind und wenn ja über welchen Abschreibungszeitraum?
  • Lässt sich das Modell nach §42b in Wohnungs­eigentümerge­mein­schaften aufgrund der beschränkten Vertragslaufzeit (2 Jahre) umsetzen? Ist das daraus entstehende wirtschaftliche Risiko für eine WEG tragbar?
  • Was genau meint §42b (3): „Die freie Lieferantenwahl darf in dem Gebäudestromnutzungsvertrag nicht eingeschränkt werden.“ Ist damit ein gemeinsamer Reststrombezug über den Gebäudestromnutzungsvertrag ausgeschlossen?
  • Wie kann ein WEG-Beschluss nach §42b (6) einen Vertrag zwischen der WEG als Betreiberin der Gebäudestromanlage und Mietern als Letztverbrauchern ersetzen? Wie sind die Mieter dabei einzubinden?
  • Lässt der §42b Raum für eine Entscheidung gegen das Gebäudestrommodell und den damit verbundenen Vorteilen (weniger Pflichten aus der Stromlieferung) gegenüber den Nachteilen (max. 2 Jahre Bindungsfrist)?

3 Vorschlag zu einer zusätzlichen einfachen Regelung über die Betriebskostenverordnung

Die Betriebskosten­verordnung sieht bisher die Umlagefähigkeit von Stromkosten (insbesondere für den Wohnungsstrom) bei gemein­schaftlichen Stromversorgungen nicht ausdrücklich im Katalog von § 2 BetrKV vor. Die Wohnungs­strom­kosten sind nur von Mietenden zu tragen, wenn dies ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart ist.

Bisher sieht die Betriebskostenverordnung auch keine Umlage von Investitions- oder Instandhaltungskosten von Stromerzeugungs­anlagen innerhalb einer Kundenanlage vor. Derzeit können Vermietende die Investitionskosten in PV oder KWK-Anlagen gesetzes­­konform nur über eine Mieterhöhung nach §§ 555b, 559 BGB umlegen. Den Mietern würde dadurch der gemeinschaftlich von der Wohnungs­­eigentümer­ge­meinschaft (WEG) oder einem Wohnungs­unternehmen erzeugte Strom zu einem sehr reduzierten Preis berechnet werden müssen. Bei einer PV-Anlage fallen dann aus­schließ­lich die Kosten für Reinigung und Versicherung der PV als Be­triebs­­kosten an, die man in den Strompreis gegenüber den Mietenden aufnehmen könnte. Damit würde der Strom extrem günstig, bei einer 20 kWp-Anlage läge der Strompreis bei ca. 2-3 Ct pro kWh. Dadurch würden Fehlanreize für den Stromverbrauch gesetzt. Zudem wird die Belastung der Mietenden mit den Stromge­stehungs­kosten im Wesentlichen nicht mehr vom Stromverbrauch, sondern über die Miet­erhöhung von der Größe der Wohnung abhängig sein. Mietende mit hohem Stromverbrauch und kleinen Wohnungen werden so von Mietenden mit geringem Stromverbrauch und großen Wohnungen „subventioniert“. Dieses Gerechtigkeitsproblem und das Problem des Fehlanreizes durch den sehr günstigen Strompreis besteht genauso bei selbstnutzenden Eigentümern.

Diese theoretische Möglichkeit der „Umlage“ von Stromer­zeugungs­kosten über eine Mieterhöhung findet damit auch in der Praxis soweit uns bekannt bislang keine Anwendung.

Eine Lösung besteht darin, in der Betriebskostenverordnung eine ge­setzliche Möglichkeit zu schaffen, die Investitions- und Reparatur­kosten für die gemeinschaftliche Eigenstromerzeugungsanlage einer WEG in den Strompreis einzurechnen und über die Betriebskosten abrechnen zu können. Bei einem Strom- oder Wärmecontracting werden diese Kosten auch vom Contractor eingepreist. Auch bei Nah- oder Fern­wärme­lieferungen werden selbstver­ständlich die In­vestitions­kosten des Lieferanten eingepreist, die Kosten sind inner­halb der Betriebs­kosten auch umlegbar.

Der Unterschied liegt allein darin, dass die Investitions- und Re­paratur­kosten nicht bei der WEG, sondern bei einem externen Dritten entstehen, von diesem eingepreist und in Rechnung gestellt werden und sich daraus eine Umlegbarkeit auf die Betriebskosten ergibt.

Contracting-Modelle sind aber für Mietende und selbstnutzende Eigentümer:innen deutlich teurer als die Investition und der Betrieb durch z.B. eine WEG. Die WEG hat keine Gewinnerzielungsabsicht und legt allein die tatsächlich anfallenden Kosten um. Die Gewinnmarge des Contractors oder des externen Lieferanten entfällt.

Sinnvoll wäre es z.B., die Investitionskosten für eine PV-Anlage über 20 Jahre verteilt in die Stromkosten aufnehmen zu können. Eine KWK-Anlage hat in der Regel eine kürzere Nutzungsdauer, hierfür sollte ein entsprechend kürzerer Zeitraum für die Refinanzierung der Investitionskosten möglich sein. Auch sollten für diese Anlagen die Kosten eines Vollwartungsvertrags in den Strompreis eingerechnet werden können.

Eine Gefahr, dass z.B. eine WEG den Mietenden zu hohe Strompreise in Rechnung stellt, sehen wir nicht. Es geht nur um die Verteilung von tatsächlich entstandenen Kosten für Erzeugungsanlagen innerhalb der Kundenanlage und dem Bezug von Reststrom.

Das grundlegende Recht für jeden Endverbrauchenden/Mietenden, den Stromanbieter frei zu wählen, bleibt davon unberührt und hält die WEG davon ab, unwirtschaftlich zu handeln und zu hohe Kosten zu verursachen. In Kundenanlagen wäre aus Sicht der Autoren somit eine Regelung über die Verteilung von Strom und deren Kosten über die Betriebs­kosten­­ver­ordnung eine einfache und transparente Lösung.


[1] Gesetz zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energie­erzeugung (https://dserver.bundestag.de/btd/20/086/2008657.pdf)

Aktuelles zu Steckersolargeräten

Das Thema „steckerfertige Solargeräte“ erfährt seit einigen Jahren eine anhaltende dy­namische Entwicklung. Viele gesetzliche Vereinfachungen für Steckersolargeräte sind nun im parlamentarischen Verfahren angekommen und einige Kommunen fördern jetzt auch nach sozialen Kriterien.

Klimaschutz im Bundestag e.V. hatte eine Petition zur an den deutschen Bundestag unterstützt, die mit über 100.000 Unterstützenden das Quorum für eine Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages am 8. Mai diesen Jahres erreicht hat. In der Folge und durch andere Initiativen (z.B. Positionspapier des VDE) oder der Photovoltaik-Strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz stehen zahlreiche Vereinfachungen für Steckersolargeräte kurz vor der rechtlichen Umsetzung.

Balkonsolaranlagen kein „Bauprodukt“ mehr!

Bisher galten die an Balkonen angebrachten Module von Steckersolargeräten als Bauprodukt und mussten die für Bauprodukte der Länder geltenden Regelungen einhalten. Glasmodule unterlagen so z.B. der Glasbaunorm 18008. Sie dient u.a. der Sicherheit von Passanten gegen herabfallende Glassplitter. Ihr zufolge durften bisher ab vier Metern Höhe über Grund (Oberkante der Glasfläche) nur Gasmodule mit einer „bauaufsichtlichen Zulassung“ (abZ) eingesetzt werden.

Die Fachgremien der Bauministerkonferenz der Länder haben nun entschieden, dass Balkonsolaranlagen („Balkonkraftwerke“) bauordnungsrechtlich nicht mehr als Bauprodukte zu behandeln sind, da sie anders als z.B. PV-Anlagen auf dem Dach nicht hergestellt werden, um dauerhaft in eine bauliche Anlage eingebaut zu werden. Somit benötigen sie keinen bauordnungsrechtlichen Verwendbarkeitsnachweis, also keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder Zustimmung im Einzelfall mehr.

Das von den Ländern gemeinsam betriebene Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) hat seine Information zu Photovoltaik-Modulen dazu am 27. Oktober geändert und führt zu den Stecker PV-Anlagen („Balkonkraftwerke“) aus:

Anders als bei PV-Anlagen, die mit dem Stromkreis fest verbunden werden und bei denen die Verbindung zwischen baulicher Anlage und Stromquelle nicht ohne weiteres aufzulösen ist, kann bei „Balkonkraftwerken“ die Verbindung zur baulichen Anlage im Hinblick auf die Energieeinspeisung durch das einfache Ziehen des Steckers wieder gelöst und das „Balkonkraftwerk“ beliebig durch den Nutzer (z.B. bei Auszug eines Mieters) vom Balkon einfach und ohne großen Aufwand abmontiert werden. Da in diesem Fall die PV-Module nicht dauerhaft in die bauliche Anlage eingebaut werden, sind sie keine Bauprodukte i.S.d. § 2 Abs. 10 Nr. 1 MBO.

Verwendbarkeitsnachweise scheiden demgemäß für PV-Module von „Balkonkraftwerken“ aus. Bauteile der baulichen Anlage, an denen die Montage der PV-Module von „Balkonkraftwerken“ erfolgen soll, müssen dafür geeignet sein (Aufnahme von Windlasten u.a.). Haben die PV-Module jedoch selbst eine Funktion für die bauliche Anlage, z.B. die Funktion der Absturzsicherung, sind sie Teil der baulichen Anlage und damit Bauprodukt i.S.d. § 2 Abs. 10 Nr. 1 MBO.

Die Konsequenz daraus ist, dass Balkonsolaranlagen dann „nur noch“ die allgemeinen Anforderungen an Sicherheit und Ordnung der jeweiligen Landesbauordnungen z.B. nach Musterbauordnung (MBO) §3 in eigener Verantwortung zu erfüllen haben:
Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden; dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Beseitigung von Anlagen und bei der Änderung ihrer Nutzung.

Unter dieser Maßgabe können nun auch klassische Solarmodule aus Glas ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung über vier Meter Balkonhöhe bei größeren Mehrfamilienhäusern eingesetzt werden, ohne gegen die jeweilige Bauordnung des Landes zu verstoßen.

Damit entfällt auch die aktuell noch gültige Begrenzung der Modulfläche auf 2m², und auch größere Module der kürzlich von führenden Herstellern vereinbarten Einheitsgröße von 2.382 mal 1.134 Millimeter (2,7m2) sind einsetzbar.

Die Verantwortung (Haftung) für die Sicher­heit z.B. der gewählten Module oder Montagelösungen hinsichtlich z.B. Wind- oder Traglasten, bleibt damit den­noch je nach Angaben bei Her­steller, An­bieter, dem Montierenden oder dem Nutzer selbst. Damit werden Angaben der Her­steller von Modulen oder Montage­lö­sungen zur Verwend­barkeit für den beab­si­ch­tig­ten Anbring­ungs­ort um so wichtiger.

Förderung von Steckersolargeräten nun auch nach sozialen Kriterien?

Bereits seit Beginn 2023 sind private PV Anlagen u.a. durch steuerliche Begünstigungen deutlich günstiger. Nach § 12 Absatz 3 UstG sind PV-Anlagen und Batteriespeicher mit einem Umsatzsteuersatz von 0 Prozent belegt. Dies gilt auch für Steckersolargeräte, vgl. Ausführungsbestimmungen des Bundesfinanzministerium vom 27.2.23. Hinzu kommen in vielen Städten Förderprogramme mit Fördersummen je nach Leistung des Wechselrichters zwischen 90-400 € für ein Steckersolargerät.

Beworben werden Steckersolargeräte unter anderem mit dem Argument, dass sich mit ihnen auch Mietende oder einkom­mens­schwache Haushalte an der Energie­wende beteiligen könnten.

Beim Förderprogramm für steckerfertige PV-Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern zeigt dies eine Kontingentierung nach Eigentümern und Mietern. Während das Kontingent für Eigentümer bereits nach kurzer Zeit erschöpft war, stehen „für Mieter noch für längere Zeit aus­reichende Mittel“ zur Verfügung.

Einige Städte, wie z.B. die Stadt Bonn, sehen eine Staffelung der Förderhöhe nach sozialen Kriterien vor. Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat in Kooperation mit der Bürgerstiftung und mit Förderung der Deutschen Postcode Lotterie sowie der Unterstützung der Caritas Düsseldorf die erste Balkonsolaranlage in einem Haushalt mit geringen Einkommen in Betrieb genommen.

Steckersolargeräte werden in den Katalog der sog. privilegierten baulichen Veränderungen aufgenommen.

Mit dem Gesetzesentwurf zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen werden Steckersolargeräte in den Katalog der sog. privilegierten baulichen Veränderungen in § 20 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) aufgenommen sowie im §554 des BGB verankert, über den der Mieter bauliche Veränderungen gegenüber dem Vermieter zur Stromerzeugung durch Steckersolargeräte verlangen kann. Sie werden damit ähnlich behandelt wie Wallboxen zum Aufladen von Elektroautos. Damit besteht ein Anspruch auf die Gestattung einer Balkonsolaranlage (das „Ob“). Aus optischen Gründen kann damit z.B. die Anbringung eines Steckersolargerätes am Balkongeländer, das zum Gemeinschaftseigentum einer WEG gehört, nicht mehr verhindern werden. Über das „Wie“, also die Details der Installation, braucht es auch weiterhin eine entsprechende Zustimmung des Vermieters bzw. der WEG.

Erleichterungen im Rahmen des Solarpakets I

Mit dem Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung stehen folgende Änderungen für Steckersolargeräte an:

  • Die Leistungsgrenze soll von 600 Watt auf 800 Watt erhöht werden, wie bereits in der restlichen EU, bei einer installierten Modulleistung von bis zu 2000 Watt.
  • Als Übergangslösung sollen auch “rückwärts drehende Zähler” erlaubt werden, um sie als Ablehnungsgrund für Steckersolargeräte zu vermeiden.
  • Zukünftig reicht auch eine Anmeldung beim Marktstammdatenregister aus, da die Netzbetreiber ohnehin Zugang zu den Anmeldedaten haben. Einige Netzbetreiber, wie die Netze BW, verzichten bereits auf eine gesonderte Anmeldung.

Im Markstammdatenregister waren mit Abruf zum 28.10.2023 PV-Anlagen einer Nennleistung von bis zu 800 Watt 363.279 Anlagen registriert. Bei den meisten davon dürfte es sich um Steckersolargeräte handeln. Branchenkundige schätzen die tatsächliche Zahl einschließlich nicht gemeldeter Geräte bis zum Ende 2023 auf bis zu einer Million.