Buchbesprechung „Opa, du hast es doch gewusst!“

„- Antworten und Einsichten eines Großvaters zum Klimawandel“
Buch von Achim Bubenzer

Erschienen im oekom Verlag

Portrait Achim Bubenzer 1

Unser Gründungsmitglied und Großvater Achim Bubenzer setzt sich im ersten von sechs Kapitel mit der eigenen Verantwortung und der Männer seiner Generation auseinander.

Die Inspiration zu seinem Buch beschreibt Bubenzer wie folgt: „Die heute lebenden Menschen haben als erste und einzige Generation in der Menschheitsgeschichte die Chance und die Pflicht, mit ihrem Handeln die Weichen für das weitere Überleben der Menschheit zu stellen.“ …

… „Es geht um Kinder, Enkel und Urenkel. Sie sollen eine Zukunft haben – eine Zukunft, die sie durch ihre eigene Leistung gestalten können.“

Ähnliche Wünsche und Gedanken werden Eltern und Großeltern auch vor, während und nach Kriegen gehabt haben.

„Kriege kamen und gingen, und es kommen Neue. Die globale Erderhitzung kommt seit einem Jahrhundert, erst auf leisen Sohlen, dann aber immer lauter. Und sie geht nicht wieder, seit etwa 30 Jahren wird sie immer stürmischer, immer bedrohlicher. Die mittlere globale Temperatur steigt unaufhaltsam.“ So Bubenzer.

„Wir, die Väter und Großväter, die Männer dieser Welt, viele darunter schon in der fortgeschrittenen zweiten Lebenshälfte, waren und sind maßgeblich beteiligt an der Erderhitzung, der eine mehr, der andere weniger. Ganz besonders gilt das natürlich für die sogenannten Leistungsträger und Entscheider, also die Mächtigen unter uns: die CEOs, die Vorstandsvorsitzenden, Aufsichtsräte, Geschäftsführer, Controller, Aktionärsvertreter, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, die Minister und Ministerpräsidenten, die Staatssekretäre, Ministerialbeamten, Amtsleiter, Banker, Parlamentarier, Parteifunktionäre, Lobbyisten, Staatspräsidenten, Kanzler, Bürgermeister.“

Bubenzer selbst u.a., als Berater und Teilhaber im mittelständischen Unternehmen der eigenen Familie, als Hochschulrektor und Hochschullobbyist in der Landespolitik: „Ich gebe zu: Ich bin gerne mitgeschwommen in diesem Männer-Führungs-Pool.“

Bubenzer beschreibt Parallelen zu seinem Vater und dem „Scherbenhaufen“ nach dem zweiten Weltkrieg und ist sicher, dass er beim Polenfeldzug, Holland oder Frankreichfeldzug gewusst hat, dass die Dinge „nicht recht sind“.

Die Antwort des Vaters auf die Frage zu den Verbrechen der Nazis: „Was hast Du dir damals gedacht?“ war ernüchternd: „Wenn ich nach drei Monaten endlich mal wieder auf Heimaturlaub bei deiner Mutter war, hatte ich weiß Gott keine Lust, ihr von toten Juden zu erzählen – oder von Schüssen auf der Zitadelle in Posen. Und im Übrigen: Wenn ich das getan hätte, was du offenbar von mir erwartet hättest, wärst du als Nachkriegskind heute sehr wahrscheinlich nicht auf der Welt!“

„Und es wissen inzwischen zumindest in unserem Land fast alle, dass sich unser über Jahrtausende weitgehend stabiles globales Klimasystem durch von menschlichen Aktivitäten freigesetzte Treibhausgase erhitzt und dass es sich an der Grenze zu einem unumkehrbaren Kollaps befindet.“

Im Zweiten Kapitel beschreibt Bubenzer seine eigene 4-Punkte-Strategie zur Frage „Klimawandel, was kann ich tun?“

  1. Erkennen, worum es geht.
  2. Streiten für das Klima – für Wissenschaft, gegen Ausreden und für Mut statt Resignation.
  3. Sich selbst am Ende des Tages im Spiegel anschauen können.
  4. Über den Klimawandel sprechen.

Bubenzer möchte ermutigen, sich den vermeintlich so einfachen und plausiblen Argumenten (Leugnen, Ausweichen, Relativieren) der allgemeinen Skepsis gegenüber notwendigen Veränderungen, entgegenzustellen. Er verweist auf die Erfolge und Erkenntnisse moderner Klimakommunikation (www.klimafakten.de).

Im Kapitel 3 folgt eine gute Nachricht: Wir wissen längst, was zu tun ist. Aber sind wir auch selbst davon überzeugt? Die Zukunft ist möglich – wenn wir es wollen und entsprechend handeln. Als ein Beispiel führt Bubenzer den nahezu vollständigen Verzicht auf russisches Erdgas an.

Grundsatzdiskussionen über Konsumverzicht oder Kapitalismus hält Bubenzer derzeit nicht für zielführend, denn für viele Menschen steht an erster Stelle „das kurzfristige gute Leben“ – für andere dagegen auch „das tägliche Überleben“.

Konkret bedeutet das für Bubenzer: Energieversorgung auf Basis fluktuierender erneuerbarer Energien muss funktionieren – jederzeit, sicher und finanzierbar.

Dass dies chemisch und physikalisch möglich ist, steht technisch außer Frage. Die vier wesentlichen Säulen sind nach Bubenzer: 1. Wind und Sonne, 2. ein chemischer Energieträger, wie der grüne Wasserstoff, 3. CO2 Senken und 4. Kooperation und Flexibilität in der Stromnutzung.

Bei Punkt 1-2 sind in Deutschland gegen alle Widerstände viele notwendige Schritte inzwischen erfolgt.

Punkt 3, wie sich z.B. beim Erhalt der Moore zeigt, steht dagegen noch am Anfang und vor enormen Herausforderungen.

Und insbesondere Punkt 4 ist zentral, um die Energiewende bezahlbar zu halten.

Um Kooperation und Flexibilität in den Fokus zu rücken, braucht es für Verbraucher Anreize, auf das Angebot von Wind- oder Solarstrom zu reagieren. Eines der wichtigsten derzeitigen Anliegen des Klimaschutz im Bundestag e.V. ist es, umsetzbare Vorschläge für geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen für diese Anreize in die Politik zu tragen.

Kapitel 3 endet mit einem Plädoyer für eine CO2-Bepreisung.

In Kapitel 4 richtet Bubenzer den Blick zunächst auf die verschiedenen persönlichen Perspektiven auf die Klimakrise, die ihm begegnet sind. So z.B. nennt er eine Entwicklungshelferin, die in Afrika Elend und Hunger erlebt hat und für die Klimaschutz als Luxus der Reichen erscheint. Alle diese Menschen, so Bubenzer, haben aus ihrer Perspektive in gewisser Weise recht. Die gesellschaftliche Kunst besteht nun darin, die Komplexitätsfalle, die in den verschiedenen Lösungsansätzen aus unterschiedlichen Perspektiven droht, zu lösen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das Verbundprojekt Ariadne (https://ariadneprojekt.de).

Es muss dabei schnell gehen. Bubenzers subjektive Vorliebe bei den Möglichkeiten und Maßnahmen zur schnellen Begrenzung des Klimawandels ist dabei der massive dezentrale und innerhalb von Jahren realisierbare weitere Ausbau photovoltaischer Stromerzeugung. Er betont dabei die wichtige Rolle der Finanzbranche und kritisiert in diesem Zusammenhang die auf EU-Ebene beschlossenen Kriterien im Rahmen der Taxonomieverordnung, die Atomkraft und Erdgasaktivitäten als sogenannte »Übergangsaktivitäten« zum Schutz des Klimas für nachhaltig erklärt.

Für Bubenzer erfordert die Begrenzung der Erderhitzung Maßnahmen, „die zwar möglich, in ihrer Tragweite aber historisch ohne Vorbild sind. Die Strategie von Kompromissen ist für diese Lösungen nicht (mehr) anwendbar. Mit dem Klima, letztlich der Natur, kann man keine »Deals« aushandeln. Die Natur ist der Boss. Und der ist völlig leidenschaftslos, weder gut noch böse. Aber: Er ist fair und berechenbar.“

Unter anderem durch Greta Thunberg inspiriert führt Bubenzer aus „Wir, die Älteren, Erfahrenen, also Eltern, Großeltern, Führungskräfte, Politiker, Professoren, Unternehmer, Ärzte, Lehrer, Journalisten und viele andere (an dieser Stelle meine ich vor allem uns Männer), wir konnten das alles wissen und danach handeln – wenn wir nur wollten.“

Dabei wird es „extrem anstrengend, mühsam und in vielen Fällen auch aussichtslos, allen Menschen reinen Wein einzuschenken. Ihnen zu erklären, warum die große Transformation zur Klimaneutralität notwendig ist – und vor allem, dass sie möglich ist.“

Kapitel 5 beschäftigt sich mit den „fabelhaften Geistern der Technik“ und den verführerischen Versprechungen der Technologien zum Herausfiltern des CO2 aus der Atmosphäre und den alten und neuen Erzählungen der Atomkraft. Aus Sicht von Bubenzer bleibt es dabei. Die Kernenergie ist zu alt und zu langsam, zu teuer und zu gefährlich.

In Kapitel 6 schließlich gibt Bubenzer u.a. seine Antwort auf die Frage, ob es noch Hoffnung gibt, dass wir die Erderhitzung stoppen können. Er zitiert dazu den Regimekritiker Václav Havel: „Hoffnung ist eben nicht Optimismus, ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“

In diesem Sinne ist seine Antwort ein Ja. „… denn alles, was wir zur Begrenzung der Erderhitzung unternehmen, all dies macht in jedem Fall Sinn, ganz gleich, ob wir die Grenzen von Paris einhalten werden oder nicht.“

Am Ende des Buches kommt Bubenzer mit einem Epilog zu den Begriffen Einigkeit, Recht und Freiheit aus der deutschen Nationalhymne wieder zum Anfang des Buches zurück.

Für Bubenzer steht fest:

„Klimaschutz braucht die zivilgesellschaftlichen Strukturen, braucht den politischen Wettbewerb und die freien Medien, um klimapolitische Defizite offenzulegen, um über die besten Lösungen streiten zu können und politisches Handeln einzufordern.“

Es ist vor allem die Freiheit des Rechtstaates in Deutschland die es uns ermöglicht zu entscheiden: „Handle ich persönlich, wirtschaftlich, politisch für ein Klima, in dem auch meine Kinder und Kindeskinder noch gut leben können, oder handle ich nicht?“

„Wie entscheidend und einzigartig dieses Privileg der menschlichen Freiheit ist, wird erst ganz deutlich, wenn sie nicht mehr da ist oder massiv eingeschränkt wird.“

Leicht verständlich geschrieben fasst das Buch vieles zusammen, dass uns auch im Klimaschutz im Bundestag bewegt und immer wieder motiviert. Danke dafür!

Jörg Lange, Klimaschutz im Bundestag e.V.

Signatur Buch
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