Neue Koalition: Befriedungsversuch statt Masterplan

Schwarz-Rot steht. Die Vereinbarung wurde schnell beschlossen, damit Deutschland nicht ruderlos im stürmischen Meer der internationalen Politik zwischen Russland und den USA umhertreibt. Einen Masterplan kann man unter dem Zeitdruck vielleicht nicht erwarten. Dennoch: Was haben wir da bekommen – einen Befriedungsversuch möglichst vieler Einzelinteressen? Ein Blick auf die Klimapolitik von Craig Morris.

Dass Details fehlen, ist für eine Koalitionsvereinbarung nichts Außergewöhnliches. Der Vertrag (PDF) soll ja Leitplanken, nicht alle Straßenschilder aufstellen. Beispiel: „Den Rad- und Fußverkehr werden wir als Bestandteil nachhaltiger Mobilität stärken und fördern.“ Konkrete Vorhaben? Fehlanzeige, aber immerhin gibt es ein Bekenntnis zum Ziel von Null-Toten im Verkehr: „Im Straßenverkehr orientieren wir uns am Zielbild der Vision Zero“.

Das größte Manko, das nicht nur die Klimapolitik betrifft: Alles scheint unter Finanzierungsvorbehalt zu stehen. Und da die Steuereinnahmen unterm Strich eher sinken werden, dürfte das eine oder andere Vorhaben doch nicht umsetzbar sein.

Dem Staat werden künftig u.a. durch eine höhere Pendlerpauschale, niedrigere Industriestrompreise, niedrigere Umlagen bei Strom und Gas, und niedrigere Netzentgelte bei Strom Einnahmen fehlen. Flugtickets und Führerscheine sollen günstiger werden. Die Liste zeigt, dass nicht konsequent am Klimaschutz entlang gedacht wurde. Fehlanreize sind wahrscheinlich; auch die Subventionierung von Industriestrompreisen schützt Branchen, von denen sich Deutschland mittel- oder langfristig verabschieden muss. Die heikle Diskussion darüber, welche Branchen das konkret sind und auf welche man sich konzentrieren sollte, scheut die Politik.

Das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) war ein Zankapfel während der Ampel-Koalition. „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen” steht nun im Vertrag; dieses Wahlkampfversprechen der Union hat für Unruhe im Markt gesorgt. Im Vertrag heißt es, das GEG soll „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Allerdings ist das GEG heute schon technologieoffen; es gibt jedenfalls eine Reihe von Erfüllungsoptionen. CDU-Politiker Tilman Kuban sagte dennoch im Deutschlandfunk (ab 39:20), das „Gefühl ist entstanden,“ dass Wärmepumpen Pflicht wären. Schade, dass führende Politiker*innen nicht konsequent zur Aufklärung beitragen, sondern auf der Basis von (auch falschen) Eindrücken Politik machen.

In einer GEG-Novelle soll nun der zentrale Maßstab umgestellt werden. Im Augenblick muss die Wärme in neuen Heizsystemen zu mindestens 65% erneuerbar sein. Bald sollen stattdessen CO2-Emissionen als Metrik gelten: „Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden.”

Es gibt kaum Klima-NGOs, die diese Umstellung befürworten – außer uns (zumindest im Kern, der Teufel steckt im Detail). In unserem Projekt KSSE sind wir auch zum Schluss gekommen, dass sich das GEG an Emissionen orientieren sollte. Kuban spricht auch von Hybrid-Heizungen: Die Wärmepumpe sorgt für die Grundlast (80% des Wärmebedarfs in seinem Beispiel), und die alte fossile Heizung springt an, um Spitzlasten zu decken. Unsere Modellierungen im KSSE zeigen tatsächlich, dass Hybrid-Heizungen Emissionen schneller und kostengünstiger senken, als mit rein “monovalenten” Systemen, in denen eine Wärmepumpe die komplette Heizlast decken muss. Hier wird es wieder auf die konkrete Ausgestaltung ankommen, aber die Pläne von Schwarz-Rot müssen nicht zu einer Verunsicherung des Markts führen, wenn die Koalition die Kommunikation verbessert.

Dass die Kommunikation besser werden soll, geht kryptisch aus Seite 144 (von 146) des Vertrags hervor. Dort steht, dass die Ressortabstimmung nach fünf Werktagen beginnen kann, nachdem die Frühkoordinierung eingeleitet wurde. Das ist eine Lektion aus der Ampel-Koalition: Das GEG wurde als Entwurf geleakt, nachdem es lange in der Schwebe lag. Durch diese Beschleunigung hofft die neue Koalition, dass solche Leaks seltener vorkommen.

Der Koalitionsvertrag zeigt sich erstaunlich offen für Erdgas. Im Stromsektor sollen bis 2030 ganze 20 Gigawatt an Gaskraftwerken hinzu gebaut werden. Bis auf die Firmen, die davon profitieren, möchte das kaum jemand. Stattdessen wollen die meisten technologieoffen auf viele Flexibilitätsoptionen setzen – vor allem Lastverschiebungen und Batteriespeicher. Man lese und staune: „Wir wollen Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland nutzen.“ Befürchtet wird ein fossiler Lock-In.

Zu den positiven Nachrichten gehören die Verlängerung des Deutschland-Tickets ohne Kostensteigung bis 2028, ein Bekenntnis zur Bürgerenergie, und Investitionen in die Bahn. Die Negativ-List ist aber lang. Im Klima- und Transformationfonds (KTF) sollen “Kleinstprogramme mit perspektivisch weniger als 50 Millionen Euro Fördervolumen auslaufen”. (Betroffen sind bis zu 80 Programme, so eine interne Analyse der Klima-Allianz.) Weil so viel Geld aus dem KTF für die Entlastung der Industrieunternehmen verwenden wird, könnten die Klimaausgaben sogar sinken. Alleine die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte wird mit rund 12 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche schlagen. Streckt man die 100 Milliarden für den KTF über 12 Jahre, sind das nur 8,3 Milliarden pro Jahr. (Siehe diese Gesamtanalyse vom ZDF.)

Sozialverbände vermissen Soziales. Die Erhöhung der Penderpauschale kommt Besserverdienenden zugute; ebenso die Förderung von E-Autos. Beim Deutschland-Ticket fehlt das Sozialticket; auch 58 Euro im Monat fürs D-Ticket sind mehr, als im Bürgergeld für Mobilität vorgesehen.

Die Technologieoffenheit ist groß – manchmal zu groß. Ein Tabu fällt dabei: CO2-Speicher (CCS) wird im Zusammenhang mit Erdgaskraftwerken erwähnt. Bei der zentralen Frage des Strommarktdesigns heißt es: „Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest.“ Die Einheitszone wird aber mit jedem Monat schwerer zu rechtfertigen. Sonst solle die “Strommarktintegration der Erneuerbaren” optimiert werden, aber sie muss ohnehin laut EU-Richtlinie angepasst werden. Dafür wird die Magnetschwebebahn als Innovation erwähnt. Emissionsgutschriften aus dem Ausland sollen anrechenbar sein, wenn wir unsere Emissionen zu Hause nicht schnell genug senken. (Laut einer aktuellen Analyse von Carbon Market Watch ist nur eine von 27 CO2-Gutschriften wirksam.) Beim Bekenntnis zum Ziel im Jahr 2045 steht ein merkwürdiges Verb: “wir… verfolgen das Ziel der Klimaneutralität 2045.” Und wenn wir es nicht schaffen, kaufen wir einfach wirkungslose Gutschriften aus dem Ausland ein?

Am Ende ist der Koalitionsvertrag kein Durchbruch. Manche sehen ihn eher als Kapitulation. Wieder werden jedenfalls einzelne Posten nicht auf ihre Auswirkung aufs Klima untersucht, der Klimaschutz und die Energiewende werden nicht vom Ziel her gedacht. So geht es teilweise bei den Strompreisen um kurzfristige Entlastungen für Branchen, die mit der Zeit immer mehr Subventionen brauchen werden. Nötig wäre eine Unterstützung für zukunftsfähige Arbeitsplätze, die immer besser ohne Subventionen auskommen. Das beißt sich mit der vielgelobten „Technologieoffenheit“ – die sollte man aber zumindest in Teilen ad acta legen. Es ist ja nicht so, als wüssten wir gar nicht, wo die Reise hingeht.

Kurz: Der Koalitionsvertrag gibt uns genug Versprechen, an die man die neue Bundesregierung erinnern kann – und genug Gesprächsstoff für die nächsten vier Jahre.

Ergebnisse von #wählbar25

Am 20.1.2025 startete der persönliche Wahlcheck für die Bundestagswahl. Gut 30 Tage lief die Umfrage. Welche Antworten gab es auf die acht Fragen, die die fünf NGOs gestellt haben? Wichtig: #wählbar25 war anders als fast alle anderen Wahlchecks, denn es ging hier um die Erststimme, nicht um das abgestimmte Parteiprogramm. Von Craig Morris.

Auf der #wählbar25-Webseite kann man sowohl die Fragen nachlesen. als auch die Antworten finden. Kandidierende kann man nach Namen oder PLZ bzw. Wahlkreis suchen – oder man schaut sich die Ergebnisse nach Partei an. Heute will ich jedoch andere Ergebnisse vorstellen, die man bei einer Gesamtanalyse feststellt.

Zunächst eine Klarstellung: An Wahlchecks hat es auch diesmal nicht gemangelt. Doch bei fast allen anderen ging es um die aktive, persönliche Meinung der Kandidierenden. Als Beispiel kann der Wahlcheck des Rainer-Lemoine-Kollegs gelten: Die Expert*innen vom RLK haben die Wahlprogramme der Parteien analysiert und ihre Ergebnisse visualisiert. Die Politiker*innen müssen nicht teilnehmen, nachdem die Parteien ihre Programme veröffentlicht haben. Solche Wahlchecks geben für die Zweitstimme Orientierung. Der bekannteste dieser Art ist das Wahl-O-Mat.

Für die Erststimme ist es jedoch nützlich, die persönliche Meinung einzuholen. Das erfordert die aktive Teilnahme der Person. Im Grundgesetz heißt es ohnehin, dass Abgeordnete nicht der Parteidisziplin verpflichtet sind („an Aufträge und Weisungen nicht gebunden”), sondern “nur ihrem Gewissen unterworfen” sind. #wählbar25 war in dieser Hinsicht eine gute Ergänzung für die Erststimme zu den vielen anderen Wahlcheks für die Zweitstimme.

Insgesamt waren die Teilnehmenden leider linkslastig: Die Grünen, SPD und Linke machen rund 85% der Antworten aus. „Bleibt“ in der Graphik unten bedeutet, dass die Personen zur Wiederwahl standen.

Teilnahme

Die acht Fragen wurden mit den Projektpartnern zusammengestellt: German Zero, Together for Future, Bürgerlobby Klimaschutz, und Bund der Energieverbraucher. Bei jeder Frage könnten die Teilnehmenden einen Freitext schreiben oder eine der von uns formulierten Antworten ankreuzen.

Bei der ersten Frage zur Klimaneutralität bis 2045 zeigte sich eine große Bereitschaft dafür, dass das Ziel beibehalten oder sogar vorgezogen wird. Die FDP sprach sich im Freifeld dafür aus, dass das deutsche Ziel dem europäischen fürs Jahr 2050 angepasst wird – de facto eine Lockerung des Ziels.

Klimaneutralität 2045

Bei der zweiten Frage ging es um Strompreiszonen. Deutschland hat nur eine Preiszone, Brüssel (bzw. die Netzbehörde ACER) hat 2-5 für Deutschland modelliert, diskutiert wird aber auch ein System mit Dutzenden oder mehr Preiszonen. Hier zeigte sich, dass die Politik kaum für den Vorschlag aus Brüssel offen ist: Entweder wollen die Politiker*innen eine Einheitszone beibehalten, oder sie wollen lokale, dynamische Preise (siehe dazu unseren Vorschlag).

Strompreiszonen

Bei der dritten Frage ging es darum, ob neuer Wohnraum wie bisher vorwiegend durch Neubau hinzukommen oder durch Alternativen im Bestand entstehen soll. Hier zeigt sich in der Graphik eine große Offenheit für den Umbau im Bestand. Bei einem näheren Blick in „Andere“ wird klar, dass viele sich beide Optionen wünschen: Neubau und Umbau gleichzeitig (siehe dazu unsere Arbeiten).

Neuer wohnraum

Bei der vierten Frage ging es darum, ob Kommunen – wo Maßnahmen für den Klimaschutz und -anpassung ohnehin vorwiegend stattfinden – finanziell für die Aufgaben ausgestattet werden sollten, indem diese Maßnahmen zur Pflicht gemacht werden. Die meisten Teilnehmenden waren dafür. Übrigens: KiB hat 2022 ein Webinar zu diesem Thema gemacht.

Klimaschutz gemeinschaftsaufgabe

Die Schuldenbremse ist inzwischen bereits reformiert worden. Als wir danach fragten, waren die Parteien links der Mitte dafür, die anderen eher dagegen. Bei der CDU sprachen sich 8 von 10 Teilnehmenden dagegen aus, wenn man die Antworten im Freitext dazu zählt.

Reform der schuldenbremse

Klimaschädliche Subventionen im Verkehr sind in den letzten Jahren oft kritisiert worden. Die meisten Teilnehmenden sind für eine Reform, viele weisen jedoch auf die Notwendigkeit eines sozialen Ausgleichs hin.

Reform der verkehrssubventionen

Dann kam die Frage zum Stromspar-Check. In diesem Programm werden Langzeitarbeitslose dazu ausgebildet, in einkommensschwachen Haushalten Stromspar-Tipps zu geben. Der Konsens, dass das Programm verstetigt werden sollte, war sehr groß. In den Freitexten haben wir jedoch erkannt, dass einige Teilnehmende das Programm vorher nicht kannten. Mit #wählbar25 konnten wir also ein gutes Programm bekannter machen.

Stromspar check

Damit sind wir bei der letzten Frage angekommen: Sind Sie für einen nationalen Mindestpreis im EU-ETS 2? Diese Frage war wohl die komplexeste, weswegen es die meisten Antworten als Freitext gab. Hintergrund: Die CO2-Abgabe auf Wärme und Verkehr hat Deutschland bereits, bis 2027 muss sie aber in den europäischen Emissionshandel II (EU-ETS II) überführt werden. Die deutsche CO2-Abgabe ist fix, die europäische wird (wie im ETS I für Strom) fluktuieren. Hier gab es wenige feste Antworten, sondern eher ausweichende: Man müsse vor allem die Abgabe sozialer gestalten, wenn sie höher steigt.

Nationaler mindestpreis im eu ets 2

Fazit insgesamt

Die fünf NGOs hinter #wählbar25 haben sich auf acht kurze Fragen verständigt, um uns an eine neue Vereinbarung der demokratischen Parteien zu halten. Am 5.12. verabredeten die Parteien, dass jede Partei fünf Verbände/Vereine nominieren darf, um Wahlchecks einzureichen. Insgesamt sollten es also nicht mehr als 30 Wahlchecks geben (2021 gab es offenbar rund 850). Außerdem durften die Fragen nicht länger als 300 Zeichen lang sein. Wir haben uns vorauseilend daran gehalten in der Hoffnung, dass mehr Kandidierende teilnehmen – denn #wählbar25 wurde nicht nominiert.

Insgesamt haben 283 Kandidierende teilgenommen. 2021 waren es bei #wählbar2021 1.119. Allerdings lief die Umfrage 2021 gut 100 Tage. Pro Tag haben diesmal rund 16% weniger Kandidierende als 2021 teilgenommen: 9,4 pro Tag statt 11,1 damals.

Der Rückgang hat vor allem zwei Gründe. Neben der oben erwähnten Vereinbarung fehlten in der Liste der Kandidierenden, die wir von einem Verlag gekauft haben, zwei wichtige Parteien, weil sie noch im Dezember unter der 5%-Hürde lag: Das BSW und die Linke (bis auf 12 Kandierende). Wir haben bei den kleinen Parteien die Parteizentralen gebeten, unsere Einladung intern an alle weiterzuleiten, aber der Erfolg blieb leider mäßig – bis auf die Linke. Am Ende konnten wir 2025 nicht so viele einladen, wie vor dreieinhalb Jahren teilgenommen hatten – wir kamen einfach nicht an die Daten.

2021 war die Teilnahme auch linkslastig, aber zumindest haben 147 aus der FDP teilgenommen. Diesmal fehlte die FDP fast komplett. Bereinigt um die kürzere Zeit war die Teilnahme bei der Union dieses Mal sogar besser: 10 Antworten im Vergleich zu 25 im Jahr 2021 mit einer gut dreimal längeren Projektlaufzeit.

Auch wenn die Teilnahme bei der SPD und den Grünen stärker war, so richtig individuell haben viele nicht geantwortet. Recht oft fanden wir denselben Freitext bei diesen Parteien, der einfach kopiert worden war.

Trotzdem finden wir, dass es einen solchen Wahlcheck für die Erststimme geben sollte. German Zero hat mit seinen Local Zero Ortsgruppen etwas ähnliches auf Wahlkreisebene gemacht. Thematisch breiter aufgestellt hat es auch abgeordnetenwatch gemacht. Falls die Parteien bei den nächsten Bundestagswahlen wieder vereinbaren, nur auf nominierte Wahlchecks zu reagieren, könnten sich die Klima-NGOs vorher zusammentun, um einen Wahlcheck für die Erststimme gemeinsam zu gestalten, und um eine Nominierung werben.

Klimaschutz im Bundestag wendet sich mit Prüfauftrag an die Verhandlungsführer*innen von CDU, SPD und CSU

Seit Donnerstag 18 Uhr (13.3.) verhandeln 16 Arbeitsgruppen über die Inhalte einer nächsten möglichen Regierung aus Union und SPD. Mit einem offenen Brief hat sich Klimaschutz im Bundestag e.V. an die Arbeitsgruppe 4 „Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ gewandt.

Darin wird gefordert, dass ein Prüfauftrag für regionale Potenzialanalysen für Wohnraum im Bestand in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. In einer Studie im Auftrag des BBSR wird für das gesamte Bundesgebiet eine Reserve von 330.000 WE jährlich angegeben, diese Information ist für die Kommunen aber noch nicht operationalisierbar, heißt sie kann bei den täglichen Entscheidungen für oder gegen Versieglung und Flächenverbrauch nicht berücksichtigt werden. Für die Kommunen ist es entscheidend zu wissen, wie viel zusätzlicher Wohnraum ohne Flächenverbrauch vor Ort geschaffen werden kann – das gilt in besonderer Weise für Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt.

Der Bund sollte die Kommunen mit standardidisierten Verfahren und Fördermitteln unterstützen regionale bzw. lokale Wohnraumpotenzialanalysen durchzuführen. Dies wäre ein großer Schritt in Richtung Flächenneutralität. Denn wenn in der Analyse herauskommt, dass durch Aufstockungen auf Wohn- bzw. Nichtwohngebäuden, Aktivierung von Leerständen, Teilungen von großen Wohnungen (inkl. Häusern), Ingangsetzung von Umzugsketten genügend Wohneinheiten für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs geschaffen werden können, könnten Gemeinderäte in Zukunft auf einer fundierten Wissensbasis über Neubaugebiete beraten.

Wir als Gesellschaft hätten dadurch viel gewonnen. Biotope und Wälder könnten dann öfter geschützt werden. Auch die Landwirtschaft würde massiv profitieren: Die meisten Betriebe sind zwischen 20-50 ha groß. Der Flächenverbrauch liegt in Deutschland bei rund 52 ha täglich. Das heißt rein rechnerisch wird jeden Tag ein mittelgroßer landwirtschaftlicher Betrieb verdrängt. Das bedroht die Existenzgrundlage der Landwirt*innen und unser aller Lebensgrundlage, weil die regionale Lebensmittelversorgung damit zusehends erschwert wird.

Für eine systematische und nachhaltige Siedlungsentwicklung ist die Kenntnis über die versieglungsfreien Wohnraumpotenziale unerlässlich. Klicken Sie hier, um den Brief an Ina Scharrenbach (CDU, Bauministerin in NRW), Klara Geywitz (SPD, amtierende Bundesbauministerin) und Ulrich Lange (CSU, Bundestagsabgeordneter) zu lesen.

Bundestags-Petition zum netz- und systemdienlichen Betrieb von kleinen Stromspeichern

Pressemitteilung, Freiburg/Berlin, 28. Februar 2025.

Pressemitteilung als pdf

Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. unterstützt E-Petition im Bundestag zum netz-und systemdienlichen Betrieb von kleinen Stromspeichern.

Kleine Batteriespeicher erfreuen sich großer Beliebtheit.

Die Leistung und Kapazität von kleinen Stromspeichern (bis 30 kWh Speicherkapazität) hat sich seit 2020 mehr als verzehnfacht. Aktuell sind im Marktstammdatenregister Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von 15,4 Gigawattstunden registriert (https://battery-charts.rwth-aachen.de), und jeden Monat kommen derzeit etwa 0,5 Gigawattstunden hinzu.

Bereits heute könnte damit rechnerisch der Stromverbrauch in Höhe von durchschnittlich etwa 15 GWh pro Stunde von allen Haushalten (2024 waren es insgesamt 133 TWh) für eine Stunde zwischengespeichert werden. Diese Kapazität wird bislang vor allem dazu genutzt, den Eigenstromanteil zu erhöhen.

Kleine Batteriespeicher können flexibel betrieben werden.

Batteriespeicher können mit den neuen Regelungen des im Januar verabschiedeten „Solarspitzengesetzes“ flexibler betrieben werden. Sie dürfen Netzstrom zwischenspeichern und gezielt wieder ins Netz einspeisen. Diese Neuerung soll helfen, Stromspitzen zu glätten und Netzauslastungen besser zu managen.

Die Petition fordert nun finanzielle Anreize (lokale Strompreise), die in den Tools der Hersteller zum Energiemanagement der Batteriespeicher genutzt werden können, um die Speicher nicht nur auf Eigenstrom zu optimieren, sondern auch netz- und systemdienlich betreiben zu können.

Mit netzdienlich ist gemeint, Netzausbau einsparen zu können, indem z.B. die Speicher in den Mittagsstunden geladen werden, um solare Einspeisespitzen zu dämpfen.

Mit systemdienlich ist gemeint, den geladenen Strom aus dem Speicher vor allem dann zu nutzen, wenn damit fossile Kraftwerksleistung vor Ort eingespart werden kann.

Anreize für einen netz- und systemdienlichen Betrieb fehlen!

Es braucht geeignete lokale Preissignale. So entsteht ein ökonomischer Anreiz, günstigen erneuerbaren Strom zu speichern und diesen dann in teuren Zeiten selbst zu verbrauchen oder Überschüsse einzuspeisen. Damit würden Stromkosten eingespart und zugleich das Netz entlastet. Dies ist über ein Zusammenspiel lokaler variabler Netzentgelte und dynamischer Strompreise möglich, die die jeweilige Situation im lokalen Stromnetz abbilden.

Wie die technischen und regulatorischen Hindernisse zur Einbindung von lokalen Preissignalen in ein Energiemanagement zum netz- und systemdienlichen Betrieb von Kleinspeichern überwunden werden können, zeigt eine Kurzstudie des KiB e.V. auf, die im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes des Balkonsolar e.V. erstellt wurde.

Die gestern freigeschaltete E-Petition an den Bundestag wurde von den Mitgliedern der AG Balkonkraftwerke erarbeitet und über den bekannten YouTuber Andreas Schmitz a.k.a. Akkudoktor eingereicht.

Die Petition läuft noch bis zum 10. April und kann unter folgendem Link unterzeichnet werden: https://petition.akkudoktor.net/

Weitere Infos unter https://akkudoktor.net/pub/balkonsolar-und-heimspeicher-petition

Die aktuelle Petition baut auf einer erfolgreichen Petition zur Privilegierung von Steckersolargeräte aus dem Jahr 2023 auf und möchte Menschen unterstützen, die einen Teil ihrer Energieversorgung mit Photovoltaik und Batteriespeicher selbst in die Hand nehmen wollen.

Informationen zu Petitionen im Deutschen Bundestag finden sich hier. Hat eine Petition innerhalb der Mitzeichnungsfrist von 6 Wochen (42 Tagen) das Quorum von 30.000 Unterstützungen erreicht, so wird die Petentin bzw. der Petent regelmäßig in öffentlicher Ausschusssitzung angehört. Um eine Petition mitzeichnen zu können, muss man sich hier registrieren

Pressekontakt

Dr. Jörg Lange
Tel.: +49 (0)761 45 89 32 77
joerg.lange@klimaschutz-im-bundestag.de

Im Netzwerk des Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. haben sich unter den mehr als 900 Mitgliedern, zahlreiche Praktiker aus Unternehmen, Verbänden, Kommunen und Einzelpersonen zusammengeschlossen, um u.a. die bundespolitischen Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Energiewende vor Ort und damit der Klimaschutz schneller, unbürokratischer und systemdienlicher umgesetzt werden kann. Der KiB e.V. versteht sich als Netzwerk zwischen Praktikern und Politik.

Nach eigenen Schätzungen sind aktuell in Deutschland mehr als zwei Millionen Steckersolargeräte in Betrieb. Die Stromerzeugung über Steckersolargeräte liegt bei etwa einer Milliarde Kilowattstunden.

Mit der gesetzlichen Privilegierung der Steckersolargeräte kann Mietenden ein Balkonkraftwerk in der Regel nicht mehr verwehrt werden.

Bisher werden nur wenige Steckersolargeräte mit einem Kleinspeicher kombiniert betrieben (<5%). Mit einem Kleinspeicher wird es möglich den Eigenstromanteil von 20-30% auf 70% und mehr zu steigern.

Nach eigenen Schätzungen sind aktuell in Deutschland mehr als zwei Millionen Steckersolargeräte in Betrieb. Die Stromerzeugung über Steckersolargeräte liegt bei etwa einer Milliarde Kilowattstunden. Mit der gesetzlichen Privilegierung der Steckersolargeräte kann Mietenden ein Balkonkraftwerk in der Regel nicht mehr verwehrt werden. Bisher werden nur wenige Steckersolargeräte mit einem Kleinspeicher kombiniert betrieben (<5%). Mit einem Kleinspeicher wird es möglich den Eigenstromanteil von 20-30% auf 70% und mehr zu steigern.

Erst Dämmen oder erst die Heizung sanieren?

Am Praxisbeispiel – Einfamilienhaus der Familie Hasenberg

Vor dieser Frage stehen viele Gebäudeeigentümer nicht erst seit der Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Ausgelöst durch Sanierungsquoten von unter 1% legt das aktuelle GEG einen Schwerpunkt auf die Heizungssanierung auch vor der Sanierung der Gebäudehülle. Bei beschränkten finanziellen Mitteln liegt es nahe sich für eine Lösung in Form einer Hybridheizung (Wärmepumpe + zweiter Erzeuger) zu entscheiden.

Individuelle Sanierungspläne empfehlen dennoch oft erst zu dämmen.

Aktuell werden noch immer individuelle Sanierungspläne erstellt, die vor der Heizungssanierung eine energetische Sanierung der Gebäudehülle empfehlen, den Stromverbrauch nicht berücksichtigen und falsche Hoffnungen bezüglich der Einsparung wecken.

Abbildung 1 zeigt das an einem konkreten im November 2024 erstellten Sanierungsfahrplan für ein Mehrfamilienhaus (Baujahr 1965) mit 774 m2 Wohnfläche. Er empfiehlt vor der Sanierung der Heizung (Erdgas) die Sanierung der Gebäudehülle mit Investitionen bis 2027 abzüglich der PV-Anlage in Höhe von etwa 1 Millionen € (ca. 1.300 € pro Quadratmeter) umgerechnet mehr als 1.300 €. Die allein durch die Sanierung der Gebäudehülle erreichte Einsparung an Endenergie und damit bei der erst vor wenigen Jahren erneuerten Erdgasheizung der Emissionen liegt laut Sanierungsfahrplan bei etwa 40%.

Sanierungsfahrplan Mfh

Abbildung 1:    Individualisierter annonymisierter Sanierungsfahrplan für ein Mehrfamilienhaus in Südbaden, erstellt im November 2024.

Für die Heizungssanierung empfiehlt der Sanierungs­fahr­plan im Jahr 2030 den Anschluss an die Fernwärme mit dann unterstellten Energiekosten von 6.500 €.

Umgerechnet ergibt das einen Fernwärmepreis bezogen auf den unterstellten End­energieverbrauch von 99.150 kWh/a in 2030 von rund 6,5 Cent/kWh. Ein Blick auf das aktuelle Preisblatt des ortsansässigen Fernwärmebetreibers ergibt einen Fernwärmepreis von insgesamt knapp 17 Cent/kWh.

Alternativen zum Fern­wärme­an­schluss werden im Begleittext zum Sanierungsfahrplan nicht diskutiert und es findet sich auch kein Hinweis darauf, dass es bislang für die Straße noch keinen konkreten Zeitplan für den Fernwärmeausbau gibt.

Die Alternative: Eine Heizungssanierung mit einer Hybridheizung aus Wärmepumpe, dem bestehenden (vor wenigen Jahren erneuerten) Erdgaskessel, einer Solarstrom­anlage (incl. Dachsanierung und -dämmung) würde mit einer Investition von etwa 280.000 € auskommen (entspricht ca. 362 €/m2) und deutlich mehr Emissionen einsparen.

Selbst bei dem unrealistisch günstigen Fernwärmepreis von 6,5ct/kWh und bei Abzug der im Sanierungsfahrplan angesetzten „Sowiesokosten“ von 368.000 € würde sich durch die verbleibenden Sanierungskosten in Höhe von rund 650.000 EUR die jährlichen Energiekosten nur um 10.000 EUR reduzieren. Das würde einer statischen Amortisation von mehr 65 Jahren entsprechen. Dafür wird man die Wohnungs­eigentümer­ge­mein­schaft mit geringen Rücklagen sicher nicht gewinnen können, zumal in diesem Fall die wenigsten Eigentümer ihre Wohnungen auch selbst nutzen.

Von der Ölheizung zur Pelletwärmepumpe – die Bilanz einer Hybridheizung mit Photovoltaik am Beispiel des Einfamilienhauses der Familien.

Welche Einsparung mit deutlich geringeren Investitionen bereits durch eine Heizungssanierung erzielt werden können, zeigt das Beispiel eines freistehenden Einfamilienhauses (5 Personen) mit Hybridheizung der Familie Hasenberg in Bempflingen, Baden-Württemberg.

Ein Anschluss an ein Wärmenetz oder ein Erdgasnetz stand am Standort im baden-württembergischen Bempflingen mit knapp 3.500 Einwohner ohnehin nicht als Möglichkeit zur Verfügung als die Hasenbergs über die energetische Sanierung ihres Hauses nachdachten.

Wenn Familie Hasenberg einen individualisierten Sanierungsfahrplan für ihr Haus hätte erstellen lassen, so wie jener für das Mehrfamilienhaus in Südbaden, er würde etwa wie in Abbildung 2 aussehen.

Sanierungsfahrplan Efh

Abbildung 2:    Fiktiver individualisierter Sanierungsfahrplan für das Einfamilienhaus

Alles falsch gemacht?

Würde man den in Abbildung 2 fiktiv erstellten Sanierungsfahrplan zur Grundlage nehmen, so hätte Familie Hasenberg alles falsch gemacht. Sie haben die Gebäudehülle zunächst nicht saniert und setzen trotz hohem spezifischen Wärmebedarf von etwa 200 kWh/m2 und Jahr zukünftig überwiegend auf eine Wärmepumpe zum Heizen ihres Gebäudes und für die Warmwasserbereitung.

Ausgangslage 3.700 Liter Ölverbrauch pro Jahr

Der Ausgangspunkt für die Heizungssanierung war der Verbrauch von 3.300 bis 3.700 Liter Heizöl pro Jahr. Das Einfamilienhaus ist aus den späten 70ern und hat eine Wohnfläche von 185 m2.

Die Energiekosen für das Gebäude lägen für Heizung und Strom (Heizöl 3.770€ + Repara­turen + Strom 1.224 €) bei rund 5.000 € (Preise 2024). Das entspricht etwa 400 € pro Monat.

Es bestand kein unmittelbarer Renovierungsbedarf. Eine erste vorsichtige Schätzung für ein neues Dach, Fassadendämmung, alle Fenster austauschen und Fußbodenheizung hätte Kosten von 180.000-200.000 € bedeutet (vgl. Abbildung 2). Also suchten die Hasenbergs nach einer anderen günstigen, aber auch treibhausgasarmen Lösung.

Die Lösung für die Energieversorgung ihres Hauses fanden sie in einer Hybridheizung mit Wärmepumpe, Pelletofen und Photovoltaik mit Investitionskosten von 57.000 €. Abzüglich der Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle (BAFA) blieben 41.000 €, die  die Hasenbergs selbst aufbringen mussten.

Rund 80% weniger Betriebskosten

Von den monatlichen Betriebskosten für Heizung und Gebäudestrom in Höhe von 400 € blieben nach dem Heizungstausch noch 75 €. Das sind jedes Jahr also 4.400 € geringere Energiekosten.

Bezogen auf die Gesamtinvestition ohne Förderung (57.000 €) ergibt sich eine statische Amortisation von knapp 14 Jahren, bezogen auf die Investition mit Förderung (41.000 €) liegt sie bei knapp 10 Jahren.

Diese Rechnung berücksichtigt nicht, dass die Hasenbergs inzwischen auch knapp 3.000 kWh eigenen Solarstrom vom Dach für zwei Elektroautos über eine Wallbox nutzen.  Das spart etwa 1.500 Liter Sprit ein.

Unter Berücksichtigung der Elektroautos lag der gesamte Stromverbrauch 2024 bei rund 15.250 kWh. Davon kamen bereits 52% von der eigenen Solarstromanlage (siehe Gesamtbilanz in  Abbildung 3).

Eine Hybridheizung bedeutet Flexibilität

Normalerweise schaltet Hasenbergs Hybridheizung bei Außentemperaturen von weniger als 3°C um auf den Pelletofen. Die Hybridheizung ermöglicht es aber auch unabhängig von der Außentemperatur den Pelletkessel zu- und abschalten zu können. Das ist unter 3°C Außentemperatur interessant, wenn die Sonne scheint und die Photovoltaikanlage vom eigenen Dach genug Strom liefert. Dann ist es wirtschaftlicher die Wärmepumpe laufen zu lassen, trotz niedriger Effizienz.

Efh Vorher Nachher

Abbildung 3:   Energie, Treibhausgasemissionen und Energiekosten vor und nach den Maßnahmen Photovoltaik, Hybridheizung, Wallbox, Elektroautos der Hasenbergs (1 Emissionsfaktor für Holzpellet von 20 gCO2äq/kWh zugrunde, 2Emissionsfaktor für Holzpellet von 344 gCO2äq/kWh, Berechnung der Emissionen siehe Anhang Tabelle 1)

Ausblick

Familie Hasenberg denkt derzeit über die Anschaffung eines Batteriespeichers nach. Mit einem Batteriespeicher wird sich der eigengenutzte Anteil des produzierten Solarstroms noch steigern lassen (vgl. Abbildung 4). Damit kann der Anteil des Pelletbedarfs weiter reduziert werden.

Spätere Maßnahmen zur energetischen Verbesserung der Gebäudehülle im Rahmen ohnehin anstehender Sanierungen werden den Wärmebedarf und damit auch die Emissionen weiter senken.

Darüber hinaus kann gegenüber dem bestehenden dynamischen Stromtarif, auch ein dynamischer Stromtarif genutzt werden, der nicht nur auf Grundlage des Spot­markt­preis an der Börse ausgerichtet ist, sondern auch die lokalen Emissionen des bezogenen Stroms mit einbezieht, wie z.B. dem Grünstromindex. Dieser erlaubt es in der Nacht oder bei Bewölkung vor allem dann Strom aus dem Netz zu beziehen, wenn z.B. der Windstromanteil hoch ist. Das würde zu weiteren Einsparungen bei den Treibhausgasen führen.

Hybridheizungen, intelligentes Laden des angedachten Batteriespeicher können bei breiterer Anwendung durch ihre geringere Gesamtleistungsaufnahme der Wärmepumpe an kalten Tagen den Netzausbau reduzieren oder ganz einsparen.

Efh Monatliche Energiebilanz

Abbildung 4:   Monatliche Energiebilanz ohne Umweltwärme

Alle Angaben zu Energie und Kosten wurden dankenswerter von Volker Hasenberg zur Verfügung gestellt und der Lesbarkeit halber auf- oder abgerundet. Für Rückfragen steht Volker Hasenberg gerne per E-Mail unter hasenberg@ntz.de oder via LinkedIn zur Verfügung.

Das Praxisbeispiel der Familie Hasenberg bestätigt die im Rahmen des KSSE-Projektes vom KiB e.V. entwickelte Sanierungsstrategie bei beschränkten Ressourcen, wie z.B. Geld oder Fachkräfte.

Sanierungsstrategie

Anhang

Berechnung der Treibhausgasemissionen vor (2021) und nach (2024) den Maßnahmen Photovoltaik, Hybridheizung, Wallbox, Elektroautos der Hasenbergs [(1) Emissionsfaktor für Holzpellet von 20 gCO2äq/kWh zugrunde, (2) Emissionsfaktor für Holzpellet von 344 gCO2äq/kWh.), Quellen für Emissionsfaktoren https://innovationorigins.com/de/die-herstellung-von-benzin-und-diesel-verursacht-mehr-co2-emissionen-als-wir-dachten/ und https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/emissionsbilanz-erneuerbarer-energietraeger-2023

Efh Anhang Tabelle Emissionen

#wählbar25 oder: Klimaschutz in Erinnerung rufen

In Zeiten von Inflation, Wohnungsnot, Krieg und einer hitzigen Debatte um Migration ist der Klimaschutz etwas in den Hintergrund geraten. Mit unserem neuen Online-Werkzeug #wählbar25 können Sie Kandidierende an die Klimakrise erinnern – und sehen, wie die Teilnehmenden sich positioniert haben. Gleichzeitig beleuchten die Fragen die Schwerpunkte der fünf teilnehmenden NGOs.

2021 hat CO2 Abgabe e. V. (der Vorgänger von Klimaschutz im Bundestag e. V.) die Kampagne #wählbar2021 gestartet. Damals haben immerhin 1.119 Kandidierende Stellung bezogen. 332 von ihnen wurden gewählt, womit wir eine Mehrheit der demokratischen Abgeordneten erreicht hatten.

Wir dachten Anfang November 2024 über eine Fortsetzung für die Bundestagswahlen im September 2025 nach, als die Koalition sich auflöste. Unter hohem Zeitdruck haben wir #wählbar25 auf die Beine gestellt. Am 20.1. wurden über 900 Kandidierende eingeladen, sich zu positionieren. Weitere kommen jeden Tag hinzu.

Was macht #wählbar25 wichtig?

In anderen Wahlchecks wie dem Wahl-O-Mat werden Parteiprogramme von externen Analyst*innen verglichen. Wir setzen am Individuum an – schließlich gibt es eine Erst- und Zweitstimme. Außerdem sind Abgeordnete laut Grundgesetz „nur ihrem Gewissen unterworfen“. Wahlkämpfe stellen also eine seltene Gelegenheit dar: es gibt keine Koalitionsvereinbarung, an die man sich halten müsste, und die Parteiprogramme selbst gehen nicht ins Detail.

Wir haben mit German Zero, Together for Future, Bund der Energieverbraucher, und Bürgerlobby Klimaschutz zusammengearbeitet, um acht Fragen zum Klimaschutz zu formulieren. Die Ergebnisse – es kommen jeden Tag weitere hinzu – kann man hier vergleichen. Die Suchfunktion filtert nach Name, PLZ, Partei und einiges mehr.

Auch wichtig: Wenn sich jemand noch nicht positioniert hat, können Sie die Person aus dem Werkzeug heraus direkt anschreiben und bitten, sich zu beteiligen. Gerade Anschreiben von Bürger*innen aus dem eigenen Wahlkreis können erfolgreicher sein, als unsere Standard-Einladung.

Am Montag, dem 3.2., halten wir dazu eine Pressekonferenz von 13.30 bis 14.30. Sie können den Livestream verfolgen. Ich zeige dann, wie man das Werkzeug bedient, und jede NGO erklärt den Hintergrund zur eigenen Frage oder Fragen.

Klimaschutz in Erinnerung rufen

Wenn Sie die Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis anschreiben, unterstreichen Sie die Wichtigkeit des Themas. Aus Umfragen wir der Sonntagsfrage vom ARD wissen wir, dass der Klimaschutz auf dem vierten Platz hinter Zuwanderung, Wirtschaft, und Krieg liegt. Der Krieg in der Ukraine macht uns allen Sorgen. Aber hat nicht die Zuwanderung mit Klimaschutz zu tun – gibt es nicht immer mehr Klimageflüchtete? Und müssen wir uns nicht gerade bei der Wirtschaft um klimafreundliche, zukunftsfähige Technologien kümmern?

Ja, die aktuelle Strategie lautet: Klimaschutz kommunikativ an den Sachen aufhängen, die die Menschen bewegen. Viviane Raddatz vom WWF kommentiert die neue Umfrage der Klima-Allianz zu Klimaschutz so: „Klimaschutz ist Zukunftssicherung mit modernen, sanierten Schulgebäuden, mit Bussen und Bahnen, die zuverlässig fahren, sowie eine leistungsfähige Energieinfrastruktur“. 53% der Befragten finden, dass die nächste Regierung mehr für den Klimaschutz tun sollte.

Aber während die Klima-Allianz die 53% als „eine Mehrheit für mehr Klimaschutz“ deutet, findet der Journalist Jörg Staude im obigen Bericht diese Mehrheit „denkbar knapp.“

Bei unseren zwei Fragen in #wählbar25 beziehen wir uns auf aktuelle Arbeiten:

  • „Wie soll das Strommarktdesign aussehen?“ Diese Frage bezieht sich auf unser Projekt Kommunale sektor- und spartenübergreifende Energieleitplanung (KSSE) und Folgearbeiten.
  • „Sollte Wohnraum vorwiegend im Bestand oder im Neubau entstehen?“ Hier geht es um unsere laufende Webinar-Reihe und neue Broschüre zu Wohnraumsuffizienz – alles hier zusammengefasst.

Noch haben wir drei Wochen, um der Politik klarzumachen, wie wichtig uns der Klimaschutz ist. Ein Werkzeug haben wir dafür bereitgestellt. Wir freuen uns, wenn Sie es rege nutzen!

Klimaschutz im Bundestag 12 – Wohnraumsuffizienz und (Re)Kommunalisierung

Die Diskussion fokussierte sich auf Wohnraumsuffizienz, soziale Wohnpolitik und Rekommunalisierung. Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linken, und Dr. Anke Frieling, CDU-Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, beleuchteten diese Themen aus unterschiedlichen politischen Perspektiven, konnten aber auch gemeinsame Positionen identifizieren.


1. Soziale Wohnungsfrage und bezahlbarer Wohnraum:

  • Caren Lay:
    • Sie betonte die soziale Krise auf dem Wohnungsmarkt, bedingt durch steigende Mieten und den Rückgang von Sozialwohnungen.
    • Sie schlug vor, Sozialwohnungen dauerhaft als solche zu binden („einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung“), um Gentrifizierung und Verdrängung entgegenzuwirken.
    • Lay forderte eine stärkere Rekommunalisierung und den Ausbau gemeinwohlorientierter Wohnungswirtschaft, wie sie in Wien erfolgreich praktiziert wird. Öffentliche Mittel sollten nicht der Rendite privater Investoren dienen.
    • Zudem müsse die energetische Gebäudesanierung sozial abgefedert werden, da die aktuelle Kostenverlagerung auf Mieter*innen oft zu Existenzängsten führt.
  • Dr. Anke Frieling:
    • Sie hob die Bedeutung des Neubaus hervor, insbesondere in wachsenden Städten wie Hamburg, um den Wohnungsmarkt zu entlasten.
    • Sie sieht in der strategischen Nachverdichtung und Nutzung ungenutzter Flächen entlang von Hauptstraßen großes Potenzial, warnt jedoch vor übermäßiger Regulierung.
    • Sie betonte, dass private Initiativen entscheidend seien, um Innovationen und Investitionen im Wohnungsbau voranzutreiben.

2. Vorkaufsrecht und rechtliche Rahmenbedingungen:

  • Caren Lay:
    • Sie kritisierte die Abschwächung des kommunalen Vorkaufsrechts durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, was viele Städte daran hindert, spekulativen Verkäufen entgegenzuwirken. Sie forderte eine Wiederherstellung und Erweiterung dieses Instruments.
    • Das Recht auf Wohnungstausch wurde von ihr als pragmatische Möglichkeit betont, um bestehende Wohnungen effizienter zu nutzen.
  • Dr. Anke Frieling:
    • Sie zeigte sich offen für eine Reform des Vorkaufsrechts, betonte jedoch die Notwendigkeit eines Ausgleichs zwischen staatlichen Eingriffen und privater Freiheit.
    • Zum Wohnungstausch äußerte sie Skepsis, da viele Menschen an ihrer Wohnung emotional hängen und ein Wechsel oft organisatorisch schwierig sei.

3. Nachhaltigkeit und Bestandssanierung:

  • Caren Lay:
    • Neubau sei häufig am Bedarf vorbeigeplant und umweltschädlich. Stattdessen müsse die Umnutzung bestehender Gebäude (z. B. Büros in Wohnraum) stärker vorangetrieben werden.
    • Sie kritisierte, dass Fördermittel vor allem in den Neubau fließen, obwohl die energetische Sanierung des Bestands für den Klimaschutz entscheidend sei.
  • Dr. Anke Frieling:
    • Sie betonte, dass Hamburg Schritte in Richtung Bestandssanierung unternimmt, wobei jedoch finanzielle und bürokratische Hürden oft Fortschritte verzögern.

Gemeinsamkeiten und Differenzen:

Während Lay eine stärkere Regulierung und staatliche Steuerung forderte, setzte Frieling auf die Einbindung privater Investoren.

Beide Referentinnen erkannten die Notwendigkeit bezahlbaren Wohnraums an und sprachen sich für eine stärkere Nachverdichtung und Bestandssanierung aus.


Impuls zu Wohnraumsuffizienz und (Re)Kommunalisierung, Philipp George, Politischer Referent, Klimaschutz im Bundestag e.V.

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Aufzeichnung der Online-Veranstaltung

Wie gestalten wir die zukünftige Energieversorgung von Gebäuden?

Dokumentation zur Veranstaltung am 16.1.2025 von 17-18 Uhr

webinar in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Klimaschutz e.V.

Präsentation von Erik Berge zur Vorstellung des BVKS hier

Präsentation von Jörg Lange hier

Dokumentation des Chats hier

u.a. zu folgenden Fragen

  • Sanierung der Gebäudehülle vor Heizungstausch?
  • Wann erfolgt der Fernwärmeanschluss?
  • Woher kommt der Strom für die Wärmepumpe?
  • Welche zukunftsweisenden Gesamtlösungen gibt es?

Hintergrund
Mit der Novelle des Gebäudeenergie­ge­setzes (GEG) und dem neuen Wärme­planungs­ge­setz (WPG) liegt der Fokus auf der Wärmepumpe und nicht mehr auf der Ein­spa­rung von Primärenergie oder der Sanierung der Gebäude­hülle.
Die neue Situation aus Sicht der Praxis zu bewerten, war Gegenstand des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts „Kommunale sektor- und spartenübergreifende Energieleitplanung (KSSE)“

Schlummert der große Sprung noch da draußen?

Aktuelle Metastudien leiten Politikvorschläge aus der Analyse weltweiter politischer Maßnahmen ab. So werden best practices identifiziert. Aber der vorläufige Befund kann nicht das Ende der Fahnenstange sein – es muss weitergedacht werden. Dieser Text erschien auf Tagesspiegel Background.

1968 trat Dick Fosbury bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt beim Hochsprung an. Bis dahin hatte niemand mit der Technik von Fosbury eine Medaille gewonnen: Er sprang rücklings. Den Sprung hatte er nicht erfunden; es hatte lediglich niemand vor ihm viel Erfolg damit gehabt. Fosbury gewann Gold. Wenige Jahre später waren alle anderen Sprungarten im Hochsprung verschwunden. Hätte sich Fosbury aber 1967 alle bisherigen Techniken angeschaut und ihre Effektivität in der Praxis (nicht ihr Potenzial) gemessen, wäre er nicht darauf gekommen, dass dem Rücklings-Sprung die Zukunft gehört.

Neuerdings gibt es immer mehr Versuche, in Metastudien die beste Klimapolitik aus vergangenen Implementierungen abzuleiten. Über eine Studie in „Nature Communications“ vom Mai hieß es in einer Pressemeldung des MCC-Klimainstituts, der CO2-Preis sollte das Leitinstrument sein, das beweise die Empirie:

„Von der Politik wird ja die Idee, den Treibhausgas-Ausstoß über den Preis zu drosseln, immer wieder in ihrer Wirksamkeit angezweifelt, und man fokussiert sich stattdessen oft übermäßig auf Verbote und Vorschriften. Sicherlich braucht es in der Regel einen Policy-Mix – doch der Glaubensstreit darüber, was das klimapolitische Leitinstrument sein sollte, lässt sich mit Fakten klären.“

Da ich gerne eine eierlegende Wollmilchsau in der Klimapolitik hätte, war ich enttäuscht zu lesen, dass die Studie CO2-Preise mit anderen Instrumenten gar nicht verglich. Es ging nur um die beste Ausgestaltung von CO2-Preisen.

CO2-Preis wichtiges Werkzeug neben anderen

In einer zweiten Metastudie vom August in „Science“ wurde tatsächlich die ganze Bandbreite an Politikinstrumenten verglichen. Hier ist die Hauptbotschaft in der Pressemitteilung des PIK allerdings vorsichtiger:

„So reicht es zum Beispiel nicht, auf Subventionen oder Regulierung allein zu setzen, nur im Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, wie etwa CO2- und Energiesteuern, können Emissionen wirklich maßgeblich gesenkt werden.“

Der CO2-Preis ist hier weniger das „Leitinstrument“ als ein wichtiges Werkzeug neben anderen. Aber wer ruft nach „Subventionen oder Regulierung allein“? Dass die Politik für Preisanreize nicht offen wäre, scheint ein Strohmann-Argument zu sein: Jedenfalls wird nie jemand konkret mit einer prinzipiellen Ablehnung der CO2-Bepreisung zitiert. Dass wir diese CO2-Bepreisung bereits haben (ETS 1 und Brennstoffemissionshandelsgesetz), spricht eher dafür, dass die Politik das Werkzeug wichtig findet.

Auch diese zweite Metastudie sei nicht das letzte Wort, sagt eine Autorin selbst: Die Studie verringere – nicht schließe – die Wissenslücke. Und ein letzter Aspekt ist für sie entscheidend: „wie ehrgeizig der politische und gesellschaftliche Wille zum Klimaschutz generell ist.“

Mutlosigkeit messen

In einer Kurve der globalen Emissionen erkennt man nämlich einige große Wirtschaftskrisen, aber keine Klimapolitik – auch nicht Paris 2015. Man kann den Meta-Studien zugutehalten, dass sie messen, was real umsetzbar war und vielleicht ist. Die Kehrseite: Sie messen unsere Mutlosigkeit. Die Gefahr bei solchen Metastudien ist also, dass sie unser Denken einschränken – auf alles, was bisher gewagt wurde. Politik muss aber mutiger denken dürfen.

Mit dem Vorschlag eines Policy-Mix rennen die Wissenschaftler:innen ohnehin überall offene Türen ein, denn Politikvorschläge klingen meist so wie 2020 von Agora Energiewende in „Klimaneutrales Deutschland“ formuliert: „Ein Instrumentenmix [ist] in der Politik erforderlich, der marktbasierte AnreizeFörderung und Ordnungsrecht intelligent kombiniert.“ Auch im Update vom Oktober empfiehlt Agora „einen ausgewogenen Politikmix“.

Die drei von Agora genannten Kategorien haben jeweils konkrete Aufgaben, keine kann alles:

  • Eine Bepreisung macht Ungewolltes teurer (tax the bads).
  • Technologien, die noch nicht wettbewerbsfähig sind, kann man fördern.
  • Und wenn der Umstieg von Ungewolltem auf Neues ohne Förderung klappen kann, ist das Ordnungsrecht (Verbote und Richtlinien) effektiv.

Ein Nachteil beim ETS 1 ist, dass die Preise nicht vorhersehbar sind. Ein planbar ansteigender CO2-Preispfad hingegen lässt sich effizient mit einem gegenläufig absteigenden Förderpfad unterstützen. Nicht jede alternative Technologie ist beim selben CO2-Preis konkurrenzfähig. Ein Mix ist generell gut, weil jede Politikmaßnahme mit einer Flankierung effektiver ist.

Flankierung hilft

Kein Radweg der Welt wird allein durch einen CO2-Preis incentiviert. Verbote sind vor allem dann wirksam, wo Alternativen bereitstehen – siehe das Montreal-Protokoll von 1987 zum Ozonloch. (Das Beispiel wird übrigens nicht in den Meta-Studien zur Klimapolitik erwähnt, obwohl sich viele Klimaschützer:innen schon lange ein Äquivalent zum Montreal-Protokoll fürs Klima wünschen.) Ohne sofortige Alternativen sind Verbote allerdings problematisch; der Auslauf von Verbrennerautos braucht Ladesäulen, den Ausbau des ÖPNV und Radwege.

Schlummert da draußen also ein Leitinstrument in der Klimapolitik – so etwas wie Fosburys Sprung rücklings? Vielleicht, aber auch Fosbury konnte seine Technik nur zum Erfolg verfeinern, weil eine flankierende Maßnahme zuvor implementiert worden war: Man hatte beim Hochsprung begonnen, Weichbodenmatten für die Landung hinzulegen.

Politik trifft auf Wirklichkeit

Wie gestalten wir die Energieversorgung von morgen?

Muss der kostenintensive Stromnetzausbau wie geplant vollzogen werden oder sollte man eher verstärkt Anreize setzen, die ein lokal orientiertes, selbstbestimmtes Energiemanagement der Haushalte und Unternehmen fördern?

Welche Rahmenbedingungen braucht es, um Unsere Anlagen zur Energieerzeugung und -verbrauch (wie z.B. PV, Wärme und Stromspeicher, KWK-Anlagen, Wärmepumpen) netz- und systemdienlich zu betreiben?

Wie sind zeitlich und räumlich differenzierte Preissignale auszugestalten, um einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Nutzen für das Gemeinwohl (Sparen von Netzausbau und Residuallastkraftwerken) und dem Nutzen zum Eigenwohl (Eigenstromnutzung und -erzeugung)?

Im Folgenden werden dazu die bisherigen Planungen der Politik den möglichen Entwicklungen in der Praxis stichwortartig gegenübergestellt?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung an info@klimaschutz-im-bundestag.de.

Soll es bei den folgenden Planungen der Ampelkoalition bleiben?
  • Strombedarf: Bis 2030 wird gegenüber 2023 (454 TWh) mit einem Mehrstrombedarf durch Wärmepumpen, Elektroautos und der Industrie von 50% (200-250 TWh) gerechnet. Zur Minderung von Treibhausgasen, muss dieser Mehrstrombedarf mindestens aus emissionsarmen besser aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden.
  • Strommarkt: Deutschlands Politik hält bisher an einer einheitlichen nationalen Strompreiszone fest.
  • Stromnetzausbau: Die Netzbetreiber schätzen den Investitionsbedarf bis 2033 auf 110 Mrd. € und bis 2045 auf mehr als 200 Mrd. Noch höhere Zahlen werden auf Grundlage des Netzentwicklungsplanes genannt (vgl. Drucksache 20/12078, IMK 2024). Hinzu kommen Investitionen in den Ausbau der Verteilnetze in ähnlicher Größenordnung.
  • Netzentgelte: Die bereits heute mit mehr als 11 Cent/kWh hohen Netzentgelte könnten sich bis 2045 verdreifachen (Langfristszenarien 2024, S. 12, Ruhr GmbH 2024). Über eine Senkung der Netzentgelte, finanziert über den Steuerhaushalt wird bereits seitens der Politik nachgedacht.
  • Kraftwerksstrategie – Abdeckung der Residuallast: Es wird festgehalten am geplanten Bau von großen Gaskraftwerken zur Abdeckung der Residuallast durch ein Kraftwerkssicherheitsgesetz und ab 2028 einem (kombinierten?) Kapazitätsmarkt mit zusätzlichen Kosten von etwa 1 Mrd. €/a und finanziert über eine neue Umlage.
  • Erneuerbares Energiegesetz (EEG): Wie bisher erfolgt die Refinanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien durch Erlöse aus dem bestehenden Grenzkostenmarkt. Niedrige Strombörsenpreise führen zur Belastung des EEG-Kontos und müssen z.B. durch Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gegenfinanziert werden.
  • Wasserstoff: Das Wasserstoffkernnetz wird bis 2037 parallel zum Erdgasnetz mit angenommenen Kosten von 20 Mrd. € gebaut und soll vor allem in der Industrie Erdgas ersetzen.
  • Heizungssanierung: Viele auch nicht gut gedämmte Gebäude (insbesondere Ein-Dreifamilienhäuser) sollen zunehmend mit monovalent betriebenen Wärmepumpen beheizt und mit Warmwasser versorgt werden oder an die Fernwärme angeschlossen werden.
  • Förderprogramme erfolgen weiterhin überwiegend mit der Gießkanne und stehen auch Menschen zur Verfügung, die sich z.B. eine Wärmepumpe auch ohne Förderung leisten könnten.
Oder sollte die Politik auf die sich abzeichnende Praxis und Anforderungen mit entsprechenden Anpassungen reagieren?
  • Die auf Eigenstromerzeugung optimierten Anlagen (kleine Batteriespeicher, PV-Anlagen etc.) boomen. Die Leistung und Kapazität von kleinen Stromspeichern hat sich seit 2020 mehr als verzehnfacht. Und die Preise für Speicher sinken absehbar weiter.
  • Flexible Verbraucher, Erzeuger und Speicher, wie Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und Batterien, übernehmen den Ausgleich von Tagesschwankungen der Erzeugung erneuerbarer Energien.
  • Dezentrale – im Vergleich zu den heutigen Residuallastkraftwerken kleinere – Speicherkraftwerke übernehmen die lokale Residuallasterzeugung in Phasen geringer erneuerbarer Energieerzeugung über mehrere Tage (z.B. Kalte Dunkelflaute). Ihr Betrieb erfolgt mit zunehmenden Anteilen von Biogas, Biomethan, Wasserstoff (Elektrolyse) und ggf. Methanisierung über das bestehende Erdgasnetz.
  • Lokale Strompreise, z.B. heute schon orientiert am Grünstromindex, und zeitnah einzuführende lokale zeitvariable Netzentgelte können für Haushalte und Unternehmen Anreize schaffen, ein systemdienliches und wirtschaftliches Energiemanagement vor Ort zu betreiben. Damit helfen sie teuren, von der Allgemeinheit zu tragenden Stromnetz- und Kapazitätsausbau zu minimieren.
  • Die Sanierung der Gebäudehülle erfolgt vorwiegend im Rahmen üblicher Sanierungszyklen bzw. bei „Sowieso-Maßnahmen“, wie z.B. dem Streichen der Fassade oder einem undichten Dach.
  • Heizungssanierung: Schlecht gedämmte Ein bis Dreifamilienhäuser werden zügig mit Wärmepumpen-Hybridheizungen im bivalent-teilparallelen Betrieb saniert, um einerseits schnell Treibhausgasemissionen einzusparen aber auch flexibel genug zu sein, um auf lokale Strompreissignale reagieren zu können. Größere Gebäude, Gebäudenetze und Wärmenetze werden wirtschaftlich und emissionsarm über PV, KWK (zunehmend weniger und ausschließlich zur Abdeckung der Residiuallast mit grünen Gasen betrieben) und Wärmepumpen mit Energie versorgt.
  • Eine Förderung erfolgt zukünftig konsequent nach dem individuellen Bedarf (orientiert z.B. an den Persona des Sozialklimarates) und nach der real erreichten Einsparung von Treibhausgasemissionen.

Gut zu wissen…

Im Folgenden einige zusammengestellte Zahlen und Argumente zu den oben angesprochenen Themen:

Die Hinweise nehmen zu, dass die Anschlüsse von Solarstromanlagen, Wärmepumpen oder Ladestationen mancherorts auf Engpässe im Stromnetz treffen und von Verteilnetzbetreibern nur noch schleppend genehmigt werden.

Die Bundesnetzagentur hat am 28. August 2024 eine Festlegung zur Verteilung der hohen Kosten in Netzen mit geringen Verbrauchswerten, aber hoher Einspeisung von erneuerbaren Energie und Umlage der Kosten über die bisherige § 19 StromNEV-Umlage getroffen (BNA 2024). Diese Umlage erhöht sich um 0,917 Cent/kWh von 0,643 Cent/kWh (2024) auf 1,56 ct/kWh in 2025. Die Netzentgelte liegen damit 2025 im Durchschnitt je nach Netzbetreiber zwischen 8,2 und 13 Cent/kWh. Der Anteil für das Übertragungsnetz (Höchst- und Umspannungsnetz) steigt durchschnittlich 2025 auf 6,65 Cent gegenüber 6,43 Cent im Jahr 2024.

Netzkosten 2015 2024

Bisherige Investitionen und Aufwendungen für die Stromnetzinfrastruktur der Netzbetreiber (in Mrd. €) Quelle: BNA Monitoringbericht 2024.

Laut Bundestags – Drucksache 20/12078 belaufen sich die geplanten Investitionen der Übertragungsnetzbetreiber nach dem Netzentwicklungsplan (NEP) 2037/2045 (2023) bis 2037 auf bis zu 284 Mrd. € (vgl. Tabelle).

Geplante Investitionen der Übertragungsnetzbetreiber bis 2037 nach dem Netzentwicklungsplan (NEP) 2037/2045 (2023)

Studien befürchten eine Verdreifachung der Netzentgelte bis 2045 (Ruhr GmbH 2024, Langfristszenarien 2024, S.12). Ihre Kosten werden verallgemeinert und bislang nicht verursachergerecht umgelegt. Wenn kleine und mittlere Erzeuger und Verbraucher beispielsweise nur eine Netzebene in Anspruch nehmen, um sich den Strom zu liefern, fallen Netzentgelte für alle Netzebenen an. Großverbraucher erhalten bislang Rabatte (§ 19 Absatz 2 StromNEV) statt netz- und systemdienliche Leistungspreise, die auch die Treibhausgase in den Blick nehmen.

Netzentgelte Deutschland

Sondernetzentgelte für Industriekunden

Die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur hat mit Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers am 24.07.2024 gemäß §§ 21 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 lit. f), S. 5; 29 Abs. 1 EnWG ein Verfahren für eine von § 19 Abs. 2 StromNEV abweichende Festlegung zur Setzung systemdienlicher Anreize durch ein Sondernetzentgelt für Industriekunden eingeleitet. Im veröffentlichten Text heißt es wörtlich: „Die Reform der Netzentgeltrabatte für Industrie- und Gewerbekunden ist aus Sicht der Beschlusskammer unausweichlich. Aktuell gelten für diese Kundengruppen gemäß § 19 Abs. 2 der Stromnetzentgeltverordnung die sog. atypsiche Netznutzung und die Bandlastprivilegierung. Diese Regelungen entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines Stromsystems, das von hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung geprägt ist.“ (Bundesnetzagentur 2024, zuletzt abgerufen am 30.07.2024).

Zahlreiche Szenarien gehen von einem bis 2030 stark ansteigenden Stromverbrauch in der Größenordnung von 750 TWh in Deutschland durch Zunahme durch Wärmepumpen und Stromverbrauch (Gassubstitution) in der Industrie und Zunahme der Elektromobilität aus (vgl. z.B. ISE 2024). Real beobachten wir einen abnehmenden Stromverbrauch bei Haushalten, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Industrie seit 2017 vgl. Abbildung).

Strombedarf

Endenergieverbrauch Strom in Deutschland nach Sektoren (AGEB-Auswertungstabellen). Aufgrund der großen Menge an dezentralen Einzelanlagen liegt keine gesetzliche Vollerfassung vor. Die eigenerzeugten und selbst verbrauchten Strommengen sind als Schätzung enthalten. Der Selbstverbrauch aus Photovoltaikanlagen wird für 2023 auf etwa 7,5 bis 8,0 TWh abgeschätzt (Mitteilung Thomas Nieder, 4.11.24).

In den ersten neun Monaten 2024 lag der Stromverbrauch nach Angaben des BDEW um 7 TWh (2,1%) höher als 2023.

Photovoltaik und Kleinspeicher: Der Zubau auf Eigenstromerzeugung optimierter Anlagen (kleine Batteriespeicher, PV-Anlagen etc.) boomt. Die Leistung und Kapazität von kleinen Stromspeichern hat sich seit 2020 mehr als verzehnfacht.

Entwicklung der Speicherleistung in Deutschland. Quelle: Battery Charts RWTH Aachen auf Grundlage Meldungen MaStR. Figgener et al., The development of battery storage systems in Germany: A market review (status 2023), 2023

In den aktuellen Statistiken zum Stromverbrauch wird der Eigenstromanteil bislang nur grob abgeschätzt. Die Zahl der Kilowattstunden, auf die Netzentgelte umgelegt werden, sinkt. Eine sich selbst verstärkende Entwicklung hat bereits eingesetzt. Speicher verkaufen sich u.a. aufgrund des Bedürfnisses, unabhängiger von hohen Strompreisen werden zu wollen. Die Aussage des Umweltbundesamtes „Batteriespeicher bei Steckersolargeräten unrentabel“ ist entweder nicht mehr aktuell oder spielt bei der Kaufentscheidung nicht die entscheidende Rolle (UBA 26.11.2024).

Die Folge: Die Kosten der Stromnetzinfrastruktur werden auf immer weniger Schultern (kWh) umgelegt.

Strom aus Photovoltaik: 2025 wird in Deutschland die Marke von 4 Millionen PV-Anlagen mit einer elektrischen Spitzenleistung von mehr als 90 GWpeak erreicht. Die theoretisch mögliche Einspeiseleistung liegt damit mehr als doppelt so hoch wie die Minimallast z.B. an An Sonn- und Feiertagen in Deutschland von 30 bis 40 GW. Die Hälfte der Anlagen haben eine Leistung unter 100 KWel., die meisten davon speisen ungeregelt ein. So besteht bereits heute an sonnigen Sonn- und Feiertagen die Gefahr von Netzüberlastungen.

Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sorgt sich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 16. November 2024 über die Geschwindigkeit des Ausbaus von Solar- und Windstromanlagen (faz: 17.11.24). Ein großer Teil der installierten Solaranlagenleistung bis 100 kWel. lassen sich von den Netzbetreibern nicht in ihrer Einspeiseleistung herunterregeln.

Eine von Netzbetreibern geäußerte Befürchtung ist: An sonnenreichen Sonn- und Feiertagen könnte die Einspeisleistung dieser ungeregelten Anlagen bereits in 2025 den Verbrauch übersteigen und damit zu partiellen Abschaltungen im Netz führen.

Die Ampelkoalition wollte im Rahmen einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes gegensteuern, indem die Netzbetreiber auch Zugang zu kleineren Anlagen bekommen und diese abregeln können, die Pflicht zur Direktvermarktung auf Anlagen ab 25 Kilowatt (kW) Leistung abzusenken und dass die Betreiber in Zeiten negativer Preise keine Vergütung mehr bekommen. Ob solche Regelungen noch vor der Bundestagswahl umgesetzt werden und wann sie greifen bleibt unklar.

Der Youtuber Andreas Schmitz, bekannt als akkudoktor, zeigt in seinem Video vom 29.11.2024 anhand von der Einspeisekurve von 80 Anlagen, dass Heimspeicher die o.g. Problematik bei derzeitigem Betrieb eher noch verschärfen.

Eine Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen u.a. durch die Analyse einer empirischen Stichprobe von 947 einjährigen Lastprofilen von Haushaltsbatteriespeichersystemen. Es zeigt
sich, dass eine eigenverbrauchsfördernde Regelung zu einem Betrieb von
Batteriespeichern führt, der für das Energiesystem insgesamt so gut wie keinen
zusätzlichen Wohlfahrtsnutzen bringt, während die Batteriebesitzer davon profitieren. „In Einzelfällen führt diese Regelung sogar zu zusätzlichen Kosten, die unter den Energieverbrauchern sozialisiert werden“ (Semmelmann et al. 2024).

Die Studie ist eine weitere Begründung für die Notwendigkeit auch Heimspeicher netz- und systemdienlich anhand zeitlich und räumlich differenzierte Preissignale zu betreiben.

Statt weiterer rechtlicher Eingriffsregelungen könnte dieses Problem auch durch lokale Anreize (dynamische Strompreise, zeitvariable Netzentgelte) gelöst werden, um die zunehmende Anzahl an Batteriespeichern so zu laden, dass sie die Einspeisespitzen abfangen.

Großspeicher: Eine ähnliche Entwicklung wie bei den Kleinspeichern zeichnet sich derzeit auch bei den Großspeichern ab. Aktuell sind in Deutschland nur Batteriegroßspeicher mit einer Leistung von etwa 1,4 GW installiert. Bei den Übertragungsnetzbetreibern liegen inzwischen Anschlussbegehren für Batteriespeicher mit einer Leistung von insgesamt 161 Gigawatt vor (Johannsen 2024). Angetrieben werden die Nachfragen durch die täglichen Schwankungen des Strompreises. Die mittlere tägliche Standardabweichung lag 2023 bei rund 4 Cent/kWh, der maximale tägliche Spread beim Day-Ahead-Preis bei knapp 10 Cent/kWh und beim viertelstündlichen kontinuierlichen Intraday-Handel bei mehr als 20 Cent/kWh (FfE 13.3.2024).

Was sich in Deutschland abzeichnet, scheint in anderen Ländern bereits eine enorme Dynamik zu entwickeln. So hat die USA inzwischen Groß-Batteriespeicher mit einer Leistung von mehr als 22 GW am Netz. Davon wurden allein 6,7 GW in den ersten 3 Quartalen 2024 in Betrieb genommen (EIA). Weit überwiegend handelt es sich dabei um Lithium-Ionen-Batterien.

Aber auch Natrium-Ionen-Batterien sind in naher Zukunft am Markt zu erwarten, sie sind noch einmal um etwa 30% günstiger. In Guangxi, im Südwesten Chinas, wurde eine 10-MWh-Natrium-Ionen-Batteriespeicher in Betrieb genommen als erste Phase hin zu einem 100-MWh-Projekt (Zhang 2024). Die seit mehr als 10 Jahren die Politik bestimmende These, dass Netze billiger als Speicher sind, muss aus Sicht des KiB e.V. überdacht werden (These 4,5 Agora 2013).

Autobatterien: Ein bereits existierendes Potential schlummert auch noch in den bereits verkauften Autobatterien mit einer Kapazität von bis zu 100 GWh (vgl. Mobility Charts).

Netzebenen

Ein sehr großer Teil des Stromverbrauchs findet auf der Niederspannungsebene statt. Wie viel genau, darüber gibt es bislang keine genauen Angaben. Ebenso hängt der weitaus überwiegende Anteil an Stromerzeugungsanlagen und Stromspeicherkapazität am Niederspannungsnetz.

Es macht also Sinn darüber nachzudenken, wie man bereits auf der Niederspannungsebene des Stromnetzes regenerative und residuale Erzeugung und Verbrauch zeitgleich oder über Speicher in Deckung bringt.

Anreize wie lokale dynamische Strompreise gibt es bislang nur von wenigen einzelnen Anbietern. Eine gesetzliche Grundlage dafür gibt es bislang nicht. Im Gegenteil die Politik favorisiert nach wie vor die einheitliche Preiszone für Deutschland. Dahinter steht die Hoffnung, die energieintensive Industrie an den bestehenden Standorten vor allem im Süden halten zu können und ihnen über den Strommarkt günstige Strompreise anbieten zu können.

Wann kommen lokale zeitvariable Netzentgelte als Anreitz zum netzdienlichen Betrieb von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen?

Laut einer Umfrage bei Netzbetreibern nutzen in der Mittelspannung 36% und im Niederspannungsnetz 23% der Unternehmen hochaufgelöste Messdaten zur Berechnung der Auslastung ihrer Stromnetze (Envelio & energate 2024).

Zu transparenten Daten oder entsprechenden Anreizen wie zeitvariablen Netzentgelten mit denen Haushalte und Unternehmen ihre Anlagen, wie Photovoltaik, Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, Wärmepumpen und Speicher netzdienlich betreiben könnten, liegen also noch große Herausforderungen.

Es gibt jedoch Ansätze, wie sich mit wenigen Messdaten, sinnvoll verteilt im Verteilnetz, die Auslastung des Netzes bestimmen und aus der Wetter- und anderen Daten aus der Vergangenheit lernen lässt, wie sich die Netzauslastung in den nächsten Stunden entwickeln könnte (z.B. Koster 2024).

In einem ersten Schritt könnten diese Prognosedaten den Willigen, die ihre Anlagen auch netzdienlich betreiben wollen, transparent zugänglich gemacht werden.

Im einem zweiten Schritt könnten darauf aufbauend Anreize in Form lokaler zeitvariabler Netzentgelte entwickelt werden, um Anlagen netzdienlich zu betrieben und damit Netzausbau einsparen zu helfen.

Niedrige und negative Strompreise entstehen in einem Grenzkostenmarkt am Kurzfristmarkt Spotmarkt (day ahead, intraday), wenn die Dampfkessel fossiler Kraftwerke keine schnellen Temperaturgradienten vertragen, und daher „angeheizt“ bleiben müssen, auch wenn der Strombedarf gleichzeitig durch Erneuerbare gedeckt werden könnte. Statt Flexibilität anzuregen, führt der Grenzkostenmarkt deshalb bei hohen Anteilen an erneuerbaren Energien zu geringen und negativen Strompreisen.

Je höher die erneuerbaren Stromanteile steigen, um so weniger werden sich die Investitionskosten in einem Grenzkostenmarkt refinanzieren können. Im Gegensatz zu vielen konventionellen Kraftwerken kann man Solar- und Windkraftwerke nahezu ohne Aufwand und Kosten schadlos herunterfahren (bei PV „aus dem Arbeitspunkt regeln“, bei Wind „aus dem Wind drehen“ bzw. Blattwinkel verstellen). Daher müssen andere Wege als ein bundeseinheitlicher Grenzkostenmarkt mit negativen Strompreisen gefunden werden, um den Ausbau und die Finanzierung der Erneuerbaren langfristig abzusichern.

Der Spotmarktpreis der einheitlichen Strompreiszone setzt in vielen Fällen aus Sicht des Klimaschutzes ein falsches Signal.

Fallbeispiel 1: Wenn Betreiber von hochflexiblen KWK-Anlagen in Süddeutschland ihre Anlagen aufgrund niedriger oder gar negativer Erlöse am Spotmarkt (z.B. bei hoher Winderzeugung im Norden oder Osten Deutschlands) für den eingespeisten Strom abregeln, müssen dort stattdessen Wärme und Strom getrennt und mit höheren Emissionen erzeugt werden (z.B. Wärme über Gas- und Strom über Kohlekraftwerke).

Fallbeispiel 2: Bei niedrigen oder negativen Strombörsenpreisen können Nutzende eines dynamischen Strompreises innerhalb von Sekunden ihren Batteriespeicher auf Laden setzen. Tun das in einer Region, in der das Netz bereits ausgelastet ist, gleichzeitig Viele, dann kann es zu Netzüberlastungen und im Extremfall zu Netzausfällen kommen. Häufiger aber noch kann es dazu kommen, dass in einer Region, in der gerade weder Wind weht noch die Sonne scheint, aufgrund der Batterieladungen ein fossiles Kraftwerk hochgefahren werden muss, mit entsprechend höheren Treibhausgasemissionen. In diesem Fall wird das Netz weder entlastet noch überschüssiger erneuerbarer Strom gespeichert, um zu anderen Tageszeiten fossilen Strom zu ersetzen.

Gemäß § 41 EnWG sind Stromanbieter zur Bereitstellung dynamischer Stromtarife verpflichtet.
§ 3 Nr. 31b EnWG legt dabei eine Orientierung an Börsenpreisen (EPEX Spot) fest, die keine lokalen Preissignale unterstützen.

Fixe Strompreisbestandteile Freiburg

Der GrünstromIndex liefert über das Internet eine frei verfügbare Vorhersage (forecast) der lokalen Emissionen des stündlichen Strommixes abrufbar nach Postleitzahlen.

Auf der gleichnamigen Internetplattform findet sich der absolute Wert sowie eine dreistufige, stündlich aufgelöste, farbige Darstellung. Grau bedeutet „wenig regenerativer Strom verfügbar“ und damit die Empfehlung, Geräte mit großem Stromverbrauch nicht zu nutzen. Gelb steht für einen durchschnittlichen Anteil an regenerativ erzeugtem Strom und rät dazu, mit Strom sparsam umzugehen, und Grün zeigt an, dass ein hoher Anteil des bezogenen Stroms aus regenerativen Quellen stammt.

Stromkunden können so ihre variablen Stromverbraucher, wie Wärmepumpen, Waschmaschinen etc., möglichst emissionsarm betreiben und Erzeugungsanlagen (BHKW) netzdienlich aktivieren (vgl. z.B. https://gruenstromindex.de/waermepumpe.html).

Energieversorger können den Grünstromindex als Basis für eigene zeitvariable dynamische Stromtarife nutzen, die den Anteil des erneuerbar erzeugten Strombezuges in der Region des jeweiligen Kunden anzeigen. Der Index kann mit einer Fair Use Policy postleitzahlenscharf per API abgerufen werden.

Die über eine API-Schnittstelle für Forschungszwecke verfügbaren Daten (https://corrently.io/books/grunstromindex) schaffen so Transparenz und eine Grundlage für dezentral organisierte Flexibilität (Ausgleich von erneuerbarer Erzeugung und Verbrauch) und Anreize zur Verbrauchssteuerung, Lastverschiebung, Suffizienz etc.

Entwickelt wurde der GrünstromIndex von dem Unternehmen STROMDAO, das über „Corrently“ selbst einen entsprechenden Tarif als Energieversorger anbietet und stetig weiterentwickelt.

Der Index verarbeitet über Algorithmen folgende Daten:

  • Daten zur aktuellen und erwarteten Stromerzeugung von Übertragungsnetzbetreibern, Energieerzeugern und Aggregatoren.
  • Wetterinformationen von meteorologischen Diensten und Wettervorhersagemodellen, wie Windgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung und Niederschlagsmenge, werden verwendet, um die erwartete Leistung der erneuerbaren Energiequellen vorherzusagen.
  • Historische Stromerzeugungs- und Verbrauchsdaten, um Muster und Trends via Machine Learning mit Hilfe eines Graphenmodells zu analysieren.
  • Weitere Betriebsdaten von Kraftwerken, wie z.B. geplante Wartungsarbeiten, geplante Einspeisungen erneuerbarer Energien, zur Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit.

Aufgabe eines Strommarkts der Zukunft muss es sein, die Informationsverarbeitung privater Plattformen wie dem Grünstromindex auf eine rechtliche Grundlage zu stellen, die stetig für eine wissenschaftlich abgesicherte Datenbasis sorgt. Lokale Informationen und Preissignale sollten so weiterentwickelt werden, dass auch z.B. Kombinationen vor Ort aus Solarstromanlagen, KWK-Anlagen, Wärmepumpen und Speichern treibhausgasarm und netz- und systemdienlich betrieben werden und die Kosten für die Netzinfrastruktur bezahlbar bleibt.

Bereits heute ist es auch für viele Mietende technisch möglich, ihre Energieversorgung teilweise selbst in die Hand zu nehmen. Mit der gesetzlichen Privilegierung der Steckersolargeräte kann Mietenden z.B. ein Balkonkraftwerk in der Regel nicht mehr verwehrt werden.

Kleinspeicher sind technisch inzwischen nicht nur in der Lage, den eigenen Solarstrom zwischenzuspeichern und damit den Eigenstromanteil zu erhöhen, sondern auch dann Strom aus dem Netz zu beziehen, wenn er gerade günstig ist (dynamische Strompreise müssen ab dem 1.1.2025 angeboten werden).

Sterckersolar

Die Frage, wieviel Haushalte und Unternehmen zukünftig ihre Energieversorgung mit Photovoltaik, Batteriespeicher, Wärmepumpe zumindest teilweise selbst in die Hand nehmen, wird darüber entscheiden, wieviel Stromnetzausbau notwendig ist und wie teuer die Energiewende für alle wird. Im Internet wird dafür inzwischen mit Slogans wie „Balkonkraftwerk-Speicher zum Black Friday: 50-Prozent-Aktion bringt ihn in jeden Haushalt“ geworben.

Wenn sich der sich abzeichnende Trend fortsetzt, wird der Gesetzgeber mit lokalen Preissignalen reagieren müssen, um die vielen Speicher auch netz- und systemdienlich einzusetzen. Dann werden aber auch Netzausbau und Kraftwerksstrategie überdacht werden müssen.

Damit die Energiepreise oder notwendige Sanierungen für viele Menschen nicht zur unzumutbaren finanziellen Belastung werden, sind bedarfsorientierte Maßnahmen dringend notwendig, um Armut zu reduzieren und einkommensschwachen Haushalten eine Teilhabe an der Transformation zu ermöglichen. Wie sich aus den statistisch ermittelten Persona des Sozial-klimarates ergibt, ist der Förderbedarf je nach Person sehr unterschiedlich.

Die nachfolgenden den Persona zugeordneten Fragen und aus ihnen abgeleiteten Schlussfolgerungen stammen nicht vom Sozial-Klimarat sondern vom Autor dieses Beitrages.

So bräuchte Magda Meyer (die hier für etwa 15% der Bevölkerung steht und im Eigentum lebt) z.B. entweder ein Angebot für eine bezahlbare Wohnung in der Nachbarschaft und ggf. Umzugshilfe oder ein z.B. bis zum Lebensende tilgungsfreies zinsgünstiges Darlehen und entsprechende Unterstützung bei der Auswahl und der Betreuung der Handwerker in der Sanierungsphase.

Personamagdameyer

https://www.sozial-klimarat.de/post/auf-dem-weg-zu-einem-klimapolitischen-lagebild, abgerufen 14.11.2024

Im Fall der mietenden Alia Yücel mit geringem Einkommen (die für 14% der Bevölkerung steht) sind dagegen eher Anreize gefragt, die den Wohnungseigentümer zu einer bezahlbaren Sanierung motivieren. Dazu gehört auch ein gesetzlicher Rahmen, der verhindert, dass hohe Fernwärmepreise allein auf die Mietenden abgewälzt werden können.

Personaaliayuecel

https://www.sozial-klimarat.de/post/auf-dem-weg-zu-einem-klimapolitischen-lagebild, abgerufen 14.11.2024

Viele Fernwärmepreise liegen inzwischen deutlich über den Energiekosten für eine Hybridlösung (z.B. Wärmepumpe + Gaskessel) (vgl. https://waermepreise.info/preisuebersicht/)

Bislang war beim Heizungstausch der Austausch eines alten Heizkessels durch einen neuen der Regelfall. Mit dem Gebäudeenergiegesetz will die Politik einen Paradigmenwechsel einläuten und mit dem Einsatz der Wärmepumpe und dem Einsatz von „grünem Strom“ statt fossiler Brennstoffe schnell Treibhausgasemissionen einsparen.

Mit der Wärmepumpe stellen sich deutlich mehr Fragen als beim Heizkessel.

Wp Strom Im Blick

In der Auslegung und dem Betrieb einer Wärmepumpe liegen aber auch eine Menge Chancen, bei beschränkten Ressourcen (Arbeitskraft und Budget) Treibhausgase und Geld gleichermaßen einzusparen, sofern sie Flexibilität durch Kombination mit anderen Wärmeerzeugern erlaubt.

In der Kombination mit einem Gaskessel beispielsweise kann auch in kleineren Gebäuden die Heizungsregelung auf Strompreissignale regarieren und immer dann die Wärme erzeugen und ggf. in einem Pufferspeicher zwischenspeichern, wenn der Strom entweder von der Solarstromanlage vom eigenen Dach oder gerade günstig und treibhausgasarm aus dem Netz bezogen werden kann.

Daraus ergibt sich z.B. bei beschränktem Budget eine flexiblere Sanierungsstrategie gegenüber der bisher von vielen favorisierten Lösung, zunächst zu dämmen und erst dann die Heizung zu tauschen.

Sanierungsstrategie

Ein Szenario vor dem gewarnt wird ist die fehlende Kapazität an Kraftwerken, wenn der Strombedarf einmal über mehrere Tage hoch ist.

Beispiel: An vier aufeinanderfolgenden Tagen Anfang November lieferte Wind- und Solaranlagen kaum Energie. Die Nachfrage konnte zwar gedeckt werden aber mit hohen Preisschwankungen an den Börsen. Insbesondere Abends zwischen 17-18 Uhr waren die Strombörsenpreise hoch und stiegen bis auf 80 Cent/kWh.

Smard 4.11. 10.11.2024 2

Die Bundesregierung hat das Ziel bis zum Jahr 2030 etwa 80% des Bruttostromverbrauchs im Jahresdurchschnitt durch Erneuerbare Energien zu decken. Bei der Bilanzierung bleibt unberücksichtigt, dass auf Grund der Schwankungen (der sog. Volatilität) von Wind- und Sonnenstrom ein großer Teil des Stroms keine Verwendung findet, weil er zu falschen Zeiten produziert wird. Da im Stromnetz zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch herrschen muss, wird dieser Strom heute noch weitgehend abgeregelt. Über Abregelungen informiert z.B. die Netzampel. Man bezeichnet dies auch als negative Residuallast.

Die positive Residuallast (Strom) ist definiert als die verbleibende Stromlast nach Abzug der aktuellen Leistung der nicht regelbaren erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse) von der aktuellen Gesamtlast (Stromverbrauch).

Erneuerbare Strommengen, die abgeregelt werden müssen, obwohl sie zwar an anderen Orten fossile Erzeugung ersetzen könnten, aber nicht über das Stromnetz zum Ort des Verbrauchs transportiert werden können bezeichnet man als Redispatch (vgl. netztransparenz.de)

Zu anderen Zeiten reicht das Angebot an Erneuerbarer Energie nicht zur Deckung des Strombedarfs aus und entsprechend muss das Defizit z.B. durch konventionelle Kraftwerke gedeckt werden.

Die Residualleistung ist über das Jahr sehr unterschiedlich verteilt, abhängig vom Dargebot von den Erneuerbaren, vor allem Sonne und Windstrom.

Eine vorliegende statistisch mathematische Analyse der Residuallast hat untersucht, wieviel Erneuerbaren Strom und welche Speichererfordernisse erforderlich sind, um die Residuallast zu decken (Seelmann-Eggebert 2024). Sie unterteilt die Residuallast dazu in zwei Anteile:

  • den „Interdies“-Anteil, der die Bilanz aus Tagesertrag und Tagesverbrauch widerspiegelt und die saisonale Abhängigkeit einschließt, sowie
  • den „Intradiem“-Anteil, der alle Tageszeiten mit Unterdeckung aufsummiert.

Unter der Vereinfachung, dass übers Jahr genauso viel Strom aus Erneuerbaren erzeugt wie verbraucht wird und sich die Tagesverbräuche relativ gleichmäßig über das Jahr verteilen, ergibt sich folgendes Bild:

  • Wann immer der Tagesertrag einer Solaranlage den Tagesverbrauch übersteigt, kann der Intradiem-Anteil der Residuallast z.B. vollständig durch Batteriespeicher ausgeglichen werden. Pro kWp installierte Leistung Solar ist dabei eine Kurzzeitspeicherkapazität von etwa 1,5 kWh notwendig.
  • Werden bei einer reinen Versorgung mit Solarstrom keinerlei Speicher oder Maßnahmen zur Lastverschiebung eingesetzt, so beträgt die Residual­last wegen dem großen Intradiem-Anteil bei bilanziell ausgeglichener Jahres­versorgung mehr als 60%. Kurzzeitspeicher sind in der Lage unter anderem die Nachtlücke auszugleichen und damit den nutzbaren Solarstrom zu verdoppeln!
  • Da der Wind auch nachts weht, zeigt Windstrom im Gegensatz zum Solarstrom durchschnittlich keine Korrelation mit der Tages­zeit und lediglich schwache saisonale Tendenzen. Grundsätzlich entstehen Unterdeckungssituationen Intradiem in deutlich geringerem Umfang. Bei einer reinen Windkraftversorgung, bei der in der Jahresbilanz genauso viel Windstrom erzeugt, wie durch Lasten verbraucht wird, beträgt die Intradiem-Residuallast durchschnittlich etwa 7% und kann schon durch Batterien mit 10% bis 20% Kapazität einer durchschnittlichen Tageslast durchweg überbrückt werden. Über­raschender­weise ist die Interdies-Residuallast von Windkraft ähnlich hoch wie bei der Photo­voltaik. Auch hier können mehr als 30% des Stroms nicht direkt genutzt werden. 

Ein selbstversorgendes System muss hinreichend Überschuss für die Produktion von synthetischem Brennstoff für Residuallastkraftwerke produzieren. Abhängig vom Wirkungsgrad für Rückverstromung gibt es einen Minimalwert für den notwendige Überschuss, um über einen Langzeitspeicher (wie z.B. eine Wasserstofferzeugung mit Rückverstromung) die Interdies-Residuallast zu decken. Dieser Minimalwert beträgt ein Vielfaches der Interdies-Residuallast.

Rechenbeispiel: Wieviel Erneuerbaren Strom braucht es, um die Residuallast vollständig über Kurz- und Langzeitspeicher zu decken? 

Unter der vereinfachten Annahme, dass sich die Tagesverbräuche relativ gleichmäßig über das Jahr verteilen, braucht es zur Abdeckung eines Strombedarf von z.B. 750 TWh (100%) eine Ertragsmenge von 1014 TWh (135%) aus Windkraft und Sonnenstrom. Dabei können statistisch etwa 662 TWh des Stroms direkt oder über einen Kurzzeitspeicher (Batterie etc.) genutzt werden, der die Tagesschwankungen ausgleicht. Etwa 351 TWh (47%) des Stroms fallen statistisch zu Zeiten an, in denen er nicht genutzt werden kann (Seelmann-Eggebert 2024). Dieser Strom kann aber z.B. über Wasserstoff oder Biomethanerzeugung und Rückverstromung um die Interdies-Residuallast dezentral zu erzeugen.

Seit dem 1. Januar 2024 dürfen Netzbetreiber den Strombezug der steuerbaren Verbrauchseinrichtung, wie nicht private Ladepunkte für Elektro-Autos (Wallboxen), Wärmepumpen, Kälte-/Klimaanlagen und Stromspeicher mit Anschluss am Niederspannungsnetz temporär auf bis zu 4,2 kW (Mindestleistung) reduzieren. Damit soll eine Überlastung des lokalen Stromnetzes abgewendet werden. Der Haushaltsstrom ist davon nicht betroffen. Dazu müssen zukünftig alle regelbaren Verbrauchseinrichtungen mit einem intelligenten Zähler incl. Smart Meter Gateway ausgerüstet sein. Als „Gegenleistung“ erhalten die Betreibenden eine Netzentgeltreduzierung für den Strombezug dieser variablen Verbrauchsanlagen (vgl. Bundesnetzagentur). Bei der Netzentgeltreduzierung kann der Betreibende aus 3 Optionen (Modulen) eine auswählen. Option bietet eine jährliche pauschale Reduzierung (etwa zwischen 110-190 €), Option 2 gewährt ein prozentuale Reduzierung der Netzentgelte (auf 40% des Netzentgelt Arbeitspreises) und Option schließlich ein zeitvariables Entgelt, das seitens des Netzbetreibers auch gekoppelt mit Option 1 angeboten werden kann. Das Beispiel von zwei Netzbetreibern zeigt wie unterschiedlich Option 3 ausgestaltet werden kann. Der Netzbetreiber bnnetze macht den Strom in der Nacht z.B. für Wärmepumpen extrem günstig und Netze BW um die Mittagszeit.

Variable Netzentgelte des Verteilnetzbetreiber Netze BW

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Variable Netzentgelte des Verteilnetzbetreiber bnnetze

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Über 554.000 Kilometer Erdgasleitungen verteilen 703 Verteilnetzbetreiber (VNB Gas) jährlich etwa 800 TWh Gas über die 11 Mio. Ausspeisepunkte an Letztverbraucher, Weiterverteiler oder nachgelagerte Netze der Netzbetreiber.

Laut Monitoringbericht 2024 (S. 44) der Bundesnetzagentur betrugen die Investitionen und Aufwendungen für die Erhaltung und Wartung der Netzinfrastruktur Gas (Übertragungsnetz & Verteilnetz) im Jahr 2023 zusammen etwa 2,5 Mrd. Euro. Das entspricht bei einem Erdgasverbrauch im Jahr 2023 von etwa 800 TWh einem Erhaltungsaufwand von etwa 0,31 Cent/kWh. Sollte z.B. der Bedarf an Erdgas, Biomethan oder Gemischen mit Wasserstoff auf z.B. 200 TWh zurückgehen ist aus volkswirtschaftlicher Sicht das Gasnetz mit Erhaltungskosten von unter 2 Cent/kWh eine im Gegensatz zum Stromnetz kostengünstige Infrastruktur.

Ganzheitliche Kosten-Nutzen-Rechnungen fehlen noch weitgehend, ob es sinnvoller ist lokale Überschüsse an Erneuerbarer Energie über das Stromnetz oder über chemische Energiespeicher zu transportieren. Erste Untersuchungen zeigen, dass es in der Gesamtbetrachtung kostengünstiger ist, Windenergie direkt auf See über Elektrolyseanlagen in Wasserstoff zu verwandeln und über eine Gaspipeline zu transportieren, als über eine Stromleitung (Schwaeppe et al. 2024).

In der Systementwicklungsstrategie 2024 des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) heisst es „Nach 2045 verbleibt ein umfangreiches Gasfernleitungsnetz, dessen Nutzung unklar ist.“ Das BMWK geht davon aus, dass große Anteile der heutigen Gas
verteilnetze, die nicht für die Umstellung auf Wasserstoff, andere klimaneutrale Gase oder den CO2Transport benötigt werden, stillgelegt werden. Mannheim hat bereits verkündet dass sie als erste deutsche Großstadt bis 2035 sein Gasnetz stilllegen will. Mannheim verfügt über ein ausgedehntes Fernwärmenetz.

Die Festlegung der Bundesnetzagentur erlaubt bereits ab 2022 den Netzbetreibern kürzere Nutzungsdauern (Abschreibungsdauern) als bisher. So können aktuell Teile von Gasnetzen in Ausnahmefällen bis zum Jahr 2035, in der Regel bis 2045 abgeschrieben werden. Zusätzlich werden in besonderen Fällen degressive Abschreibungen mit einem Satz von bis zu 12 Prozent erlaubt (Bundesnetzagentur 2024). Die Netzentgelte hängen auch vom Gasverbrauch ab, wenn dieser fällt steigen die Netzentgelte. Geringerer Gasverbrauch und geringere Abschreibungsdauern führen auch 2025 zu deutlich höheren Netzentgelten der Gasnetze.

Die Internetplattform VisuFlex zeigt, wie weit die Flexibilisierung einiger Biogasanlagen in Deutschland vorangebracht wurde. Mit einer bis zu fünfmal höheren elektrischen Leistung als bei einem gleichmäßigen Betrieb über das ganze Jahr reagieren die bisher in geringer Anzahl flexibilisierten Biogasanlagen im Wesentlichen auf den Börsenstrom- preis (VisuFlex), um höhere Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Bisher können sie so vor allem Tagesschwankungen von Strombedarf und -erzeugung ausgleichen.
Mit dieser Art der Flexibilisierung zum Ausgleich von Tagesschwankungen treten die Biogas- anlagen zunehmend in Konkurrenz mit vermutlich auf Dauer deutlich günstigeren Batterie- speichern.

Biogasanlagen hätten aber noch deutlich mehr Optionen zur Flexibilität, wie z.B.:

  • die Speicherung vor Ort über mehrere Tage.
  • den Anbau und Lagerung der Einsatzstoffe über viele Monate. Biogasanlagen können zeitweise mehr Substrat oder weniger umsetzen. Silagen aus nachwachsenden Rohstoffen können zwischen einem und zwei Jahren gelagert werden. Manche Biogasanlagen können zeitweise bis auf eine Minimalleistung von 10-20% ihrer maximalen Leistung heruntergefahren werden. Diese minimale Leistung deckt über kleine KWK-Anlage gerade den Wärmebedarf zur Aufrechterhaltung der Temperatur.
  • die Einspeisung (Speicherung) von Biomethan im Erdgasnetz.
  • biologische oder katalytische Methanisierung in Kombination mit Elektrolyse- Wasserstoff: Biogas besteht in der Regel aus ca. 55 % Methan und 45 % Kohlenstoffdioxid. Durch die Reaktion von Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid (Methanisierung) kann der Methangehalt auf bis ca. 95 % gesteigert werden, womit das Biogas im Prinzip einspeisefähig für das Gasnetz wird. Mit der Methanisierung kann somit aus grünem Wasserstoff (erzeugt aus grünem Überschussstrom) Methan erzeugt werden, welches in der vorhanden Gasinfrastruktur genutzt und in gewissem Umfang gespeichert werden kann. Die Effizienz der Biomassenutzung in Biogasanlagen wird somit erhöht.
  • die flexible Nutzung von Biogas, Biomethan, Wasserstoff und Erdgas in den überbauten KWK-Anlagen an Biogasstandorten durch entsprechend lokale Preissignale, die einerseits die Residuallast und andererseits Netzengpässe vor Ort adressieren.

Ein solcher Ausbau zur Abdeckung von saisonaler Residuallast erfordert:

  • einen Stromnetzanschluß. Biogas kann Strom liefern, wenn PV und Wind dies nicht ausreichend tun. Es kann durch entsprechende Verträge und technische Einrichtungen so abgesichert werden, dass es zeitgleich nicht mit diesen um die Einspeisemöglichkeit konkurriert. Die Netzausbaukosten könnten so reduziert werden. Die installierte Leistung (KW) muss dazu eine 8-10fache Überbauung zulassen, um nur 1000 – 1500 Stunden Strom im Jahr zu produzieren, wenn PV und Wind nicht liefern können.
  • einen Gasnetzanschluß. Für eine Dunkelflaute sollte aus dem Gasnetz sicher zusätzliche Energie geliefert werden. Moderne KWK-Anlagen können jede Mischung aus Biogas, Biomethan und Wasserstoff zu Strom und Wärme umwandeln. Die verbrauchten Mengen werden durch Zähler erfasst und lassen sich umrechnen.
  • Eine entsprechende Biogasaufbereitungstechnik. Im Sommer Teilmengen und zu Stromüberschußzeiten im Sommer und Winter voll, könnte Biomethan in lokalen Speichern oder im großen Gasnetz gespeichert und bei Bedarf gehandelt, genutzt oder rückgespeist werden. Dazu müssten Anlagenbetreibern ähnliche Bedingungen gewährt werden, wie auch anderen Großkraftwerken.
  • Dezentrale Elektrolyseure und biologische oder katalytische Methanisierungsanlagen an Biogasstandorten. Aus einem Anteil Kohlendioxid (CO2) und vier Anteilen Wasserstoff (H2) werden ein Anteil Methan (CH4) und ein Anteil Wasser (H2O).
  • Die Erschließung von Wärmesenken, z.B. über kommunale Energieleitpläne bzw. überörtliche Infrastrukturplanung. Bisher fehlt die Einbeziehung von flexibilisierten Biogasstandorten in der kommunalen Wärmeplanung.
Speicherkraftwerk

Schematische Darstellung zur Ausgestaltung von Speicherkraftwerken, um die mehrtägige Residuallast abzudecken.