Konversion statt Kündigung: Florenzer Arbeiter kämpfen mit der Klimabewegung für eine nachhaltige Fabrik

Seit über zwei Jahren wehren sich die Beschäftigten des Zulieferwerks von der Firma GKN gegen eine plötzliche Kündigung und setzen sich zusammen mit der Klimabewegung für eine Konversion des Werkes ein. Was dahintersteckt, ein paar Eindrücke von meinem Besuch dort über Silvester und was es jetzt auch aus Deutschland braucht, findest Du in diesem Artikel.  

Die damaligen 422 Beschäftigten des GKN-Werks bei Florenz haben bis Juli 2021 Achswellen produziert. Dann kam übers Wochenende die plötzliche Kündigung aller Beschäftigten. Die fuhren am nächsten Montag jedoch trotzdem zur Fabrik und starteten eine unbefristete Betriebsversammlung, quasi eine legale Form der Fabrikbesetzung. Diese läuft seitdem ununterbrochen und immerhin 185 der ursprünglichen Beschäftigten sind noch dabei. Vor Gericht gewannen sie gegen ihren Arbeitgeber, da die kurzfristigen Kündigungen unrechtmäßig waren. 

Florenz, 31. Dezember 2023 in der „Bar“, dem sozialen Mittelpunkt der Fabrik: Die Kollegen (inzwischen sind es tatsächlich nur noch Männer) hatten zur Silvesterfeier eingeladen und zur Verteidigung der Fabrik aufgerufen, denn sie sollten zum 01.01.24 erneut gekündigt werden. Wenige Tage zuvor kam jedoch die gute Nachricht: 

Das Gericht hat wieder dem Fabrikkollektiv rechtgegeben und die Kündigungen sowie die Räumung des Fabrikgeländes so verhindert. Die Begründung: Weder die Stadt noch der Arbeitgeber haben einen vernünftigen Plan zur Reindustrialisierung vorgelegt. Im Gegensatz zu den Beschäftigten.  

Zurück in der Bar: Diego kommt rein und grüßt mit einer Geste einen der GKN-Beschäftigten, der wie so oft in der in der Ecke neben einem Heizstrahler sitzt, kaum spricht und anscheinend schwer hört. Diego ist Lehrer aus dem Norden Italiens und einer der wenigen vor Ort, der gut Englisch spricht. Noch am Abend zuvor haben wir lange mit ihm diskutiert, wie wir mehr Menschen für sozial-ökologische Projekte gewinnen können – etwas, was dem colletivo di Fabrica schon erstaunlich gut gelungen ist: 

Im September nach der Kündigung rief das Fabrikkollektiv zusammen mit Unterstützer*innen zur Demonstration in Florenz auf und rund 40 000 Personen kamen – darunter Arbeiter*innen, Klimaaktivist*innen, kirchliche Akteure und viele weitere Organisationen und Einzelpersonen.  

An der Theke der Bar steht neben einigen Kollegen und Unterstützer*innen auch die Florentiner Stadträtin Antonella Bundu, die den Kampf schon lange aktiv unterstützt und ein bekanntes Gesicht und regelmäßiger Gast auf dem Fabriksgelände ist. Sie hat uns später am Mittag mit dem Auto mit in die Stadt genommen und dabei von den verschiedenen Herausforderungen der Stadtpolitik und rund um die Fabrik erzählt. Sobald die Genossenschaft gegründet ist und ökologische Produkte produziert werden, will sie ihr Amt als Stadträtin niederlegen, um in der Fabrik zu arbeiten. 

Das Kollektiv hat nämlich gemeinsam mit Wissenschaftler*innen und der Klimabewegung einen Plan zur Konversion der Fabrik ausgearbeitet: Als Genossenschaft wollen sie Lastenräder und Photovoltaikmodule zusammenbauen. So können die Arbeitsplätze erhalten werden und gleichzeitig entsteht die erste sozial integrierte Fabrik Italiens mit einer ökologisch sinnvollen Produktion. 

Die Stimmung in der Bar ist gut und kurze Zeit später kommt Dario, der Betriebsrat, aus seinem Büro in die Bar und die Aufbauarbeiten für die Veranstaltung am Abend beginnen. Mit für deutsche Verhältnisse wenig Plan und viel Diskussion bauen wir Pavillons und Ausschanktische auf. 140 Helfer*innen haben sich für den Tag gemeldet, die meisten jedoch erst für verschiedene Schichten am Abend. Trotz des leichten Chaos merkt man, dass die Kollegen und regelmäßige Unterstützer*innen viel gemeinsam durchgemacht haben. Man kennt sich und verlässt sich aufeinander.  

Diesen Zusammenhalt werden die Kollegen weiterhin brauchen, denn dieser Kampf ist noch nicht vorbei: da es jetzt keinen Lohn mehr gibt, muss das „colletivo“ möglichst schnell das nötige Kleingeld zusammenbekommen, mit dem sie als Genossenschaft das Fabrikgelände und die Geräte kaufen können: Insgesamt sind das über 20 Millionen Euro, um mit der Produktion starten zu können. Zum Glück gibt es verschiedene öffentliche und genossenschaftsbankliche Töpfe, mit denen dieses Ziel erreichbar wird. Trotzdem braucht es ein gewisses Eigenkapital: Eine Million Euro sammelt das Projekt noch bis Juni 2024 über Genossenschaftsanteile, die Bürger*innen, Vereine, Arbeitnehmer*innen und solidarische Gruppen für je 100€ erwerben können. Ab fünf Anteilen wird man zum Genossenschaftsmitglied und erhält Stimmrecht in den Versammlungen. Es wird es eine Möglichkeit geben, von Deutschland aus online an den Versammlungen teilzunehmen. 

All das scheint angesichts der wachsenden internationalen Unterstützung sehr erreichbar. Entsprechend ausgelassen, aber auch kämpferisch war die Party am Abend und die Demonstration um Mitternacht an Silvester. Es wurde durchgehend gesungen – vor allem „occupiamola“ („Lasst sie uns besetzen“) – ein Lied, das einer der Beschäftigten, Snupo, nun schon in etlichen Versionen mit den vielen Instrumenten, die er spielt, aufgenommen hat und von dem es bald auch eine deutsche Version geben wird.  

Damit das Fabrikkollektiv und die Genossenschaftsgründung von diesem beispielhaften sozial-ökologischen Projekt erfolgreich sein können, braucht es jetzt viel Unterstützung. Teile die Geschichte der Beschäftigten und, falls möglich, kaufe Genossenschaftsanteile.  
Weitere Informationen: https://www.insorgiamo.org/germany 


Kontext des Beitrags: Die Autorin Greta Waltenberg ist Mitarbeiterin bei Klimaschutz im Bundestag e.V. und setzt sich ehrenamtlich unter anderem für eine stärkere Kooperation zwischen Gewerkschaften und Klimabewegung ein. Im Dezember hat sie das Werk bei Florenz das erste Mal besucht, hatte aber schon vorher Kontakt zu der dortigen Bewegung. Jetzt unterstützt sie die deutsche Kampagne und wird selbstverständlich auch selber Genossenschaftsmitglied.

Bildquelle: https://insorgiamo.org/germany