Am Praxisbeispiel – Einfamilienhaus der Familie Hasenberg
Vor dieser Frage stehen viele Gebäudeeigentümer nicht erst seit der Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Ausgelöst durch Sanierungsquoten von unter 1% legt das aktuelle GEG einen Schwerpunkt auf die Heizungssanierung auch vor der Sanierung der Gebäudehülle. Bei beschränkten finanziellen Mitteln liegt es nahe sich für eine Lösung in Form einer Hybridheizung (Wärmepumpe + zweiter Erzeuger) zu entscheiden.
Individuelle Sanierungspläne empfehlen dennoch oft erst zu dämmen.
Aktuell werden noch immer individuelle Sanierungspläne erstellt, die vor der Heizungssanierung eine energetische Sanierung der Gebäudehülle empfehlen, den Stromverbrauch nicht berücksichtigen und falsche Hoffnungen bezüglich der Einsparung wecken.
Abbildung 1 zeigt das an einem konkreten im November 2024 erstellten Sanierungsfahrplan für ein Mehrfamilienhaus (Baujahr 1965) mit 774 m2 Wohnfläche. Er empfiehlt vor der Sanierung der Heizung (Erdgas) die Sanierung der Gebäudehülle mit Investitionen bis 2027 abzüglich der PV-Anlage in Höhe von etwa 1 Millionen € (ca. 1.300 € pro Quadratmeter) umgerechnet mehr als 1.300 €. Die allein durch die Sanierung der Gebäudehülle erreichte Einsparung an Endenergie und damit bei der erst vor wenigen Jahren erneuerten Erdgasheizung der Emissionen liegt laut Sanierungsfahrplan bei etwa 40%.
Abbildung 1: Individualisierter annonymisierter Sanierungsfahrplan für ein Mehrfamilienhaus in Südbaden, erstellt im November 2024.
Für die Heizungssanierung empfiehlt der Sanierungsfahrplan im Jahr 2030 den Anschluss an die Fernwärme mit dann unterstellten Energiekosten von 6.500 €.
Umgerechnet ergibt das einen Fernwärmepreis bezogen auf den unterstellten Endenergieverbrauch von 99.150 kWh/a in 2030 von rund 6,5 Cent/kWh. Ein Blick auf das aktuelle Preisblatt des ortsansässigen Fernwärmebetreibers ergibt einen Fernwärmepreis von insgesamt knapp 17 Cent/kWh.
Alternativen zum Fernwärmeanschluss werden im Begleittext zum Sanierungsfahrplan nicht diskutiert und es findet sich auch kein Hinweis darauf, dass es bislang für die Straße noch keinen konkreten Zeitplan für den Fernwärmeausbau gibt.
Die Alternative: Eine Heizungssanierung mit einer Hybridheizung aus Wärmepumpe, dem bestehenden (vor wenigen Jahren erneuerten) Erdgaskessel, einer Solarstromanlage (incl. Dachsanierung und -dämmung) würde mit einer Investition von etwa 280.000 € auskommen (entspricht ca. 362 €/m2) und deutlich mehr Emissionen einsparen.
Selbst bei dem unrealistisch günstigen Fernwärmepreis von 6,5ct/kWh und bei Abzug der im Sanierungsfahrplan angesetzten „Sowiesokosten“ von 368.000 € würde sich durch die verbleibenden Sanierungskosten in Höhe von rund 650.000 EUR die jährlichen Energiekosten nur um 10.000 EUR reduzieren. Das würde einer statischen Amortisation von mehr 65 Jahren entsprechen. Dafür wird man die Wohnungseigentümergemeinschaft mit geringen Rücklagen sicher nicht gewinnen können, zumal in diesem Fall die wenigsten Eigentümer ihre Wohnungen auch selbst nutzen.
Von der Ölheizung zur Pelletwärmepumpe – die Bilanz einer Hybridheizung mit Photovoltaik am Beispiel des Einfamilienhauses der Familien.
Welche Einsparung mit deutlich geringeren Investitionen bereits durch eine Heizungssanierung erzielt werden können, zeigt das Beispiel eines freistehenden Einfamilienhauses (5 Personen) mit Hybridheizung der Familie Hasenberg in Bempflingen, Baden-Württemberg.
Ein Anschluss an ein Wärmenetz oder ein Erdgasnetz stand am Standort im baden-württembergischen Bempflingen mit knapp 3.500 Einwohner ohnehin nicht als Möglichkeit zur Verfügung als die Hasenbergs über die energetische Sanierung ihres Hauses nachdachten.
Wenn Familie Hasenberg einen individualisierten Sanierungsfahrplan für ihr Haus hätte erstellen lassen, so wie jener für das Mehrfamilienhaus in Südbaden, er würde etwa wie in Abbildung 2 aussehen.
Abbildung 2: Fiktiver individualisierter Sanierungsfahrplan für das Einfamilienhaus
Alles falsch gemacht?
Würde man den in Abbildung 2 fiktiv erstellten Sanierungsfahrplan zur Grundlage nehmen, so hätte Familie Hasenberg alles falsch gemacht. Sie haben die Gebäudehülle zunächst nicht saniert und setzen trotz hohem spezifischen Wärmebedarf von etwa 200 kWh/m2 und Jahr zukünftig überwiegend auf eine Wärmepumpe zum Heizen ihres Gebäudes und für die Warmwasserbereitung.
Ausgangslage 3.700 Liter Ölverbrauch pro Jahr
Der Ausgangspunkt für die Heizungssanierung war der Verbrauch von 3.300 bis 3.700 Liter Heizöl pro Jahr. Das Einfamilienhaus ist aus den späten 70ern und hat eine Wohnfläche von 185 m2.
Die Energiekosen für das Gebäude lägen für Heizung und Strom (Heizöl 3.770€ + Reparaturen + Strom 1.224 €) bei rund 5.000 € (Preise 2024). Das entspricht etwa 400 € pro Monat.
Es bestand kein unmittelbarer Renovierungsbedarf. Eine erste vorsichtige Schätzung für ein neues Dach, Fassadendämmung, alle Fenster austauschen und Fußbodenheizung hätte Kosten von 180.000-200.000 € bedeutet (vgl. Abbildung 2). Also suchten die Hasenbergs nach einer anderen günstigen, aber auch treibhausgasarmen Lösung.
Die Lösung für die Energieversorgung ihres Hauses fanden sie in einer Hybridheizung mit Wärmepumpe, Pelletofen und Photovoltaik mit Investitionskosten von 57.000 €. Abzüglich der Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) blieben 41.000 €, die die Hasenbergs selbst aufbringen mussten.
Rund 80% weniger Betriebskosten
Von den monatlichen Betriebskosten für Heizung und Gebäudestrom in Höhe von 400 € blieben nach dem Heizungstausch noch 75 €. Das sind jedes Jahr also 4.400 € geringere Energiekosten.
Bezogen auf die Gesamtinvestition ohne Förderung (57.000 €) ergibt sich eine statische Amortisation von knapp 14 Jahren, bezogen auf die Investition mit Förderung (41.000 €) liegt sie bei knapp 10 Jahren.
Diese Rechnung berücksichtigt nicht, dass die Hasenbergs inzwischen auch knapp 3.000 kWh eigenen Solarstrom vom Dach für zwei Elektroautos über eine Wallbox nutzen. Das spart etwa 1.500 Liter Sprit ein.
Unter Berücksichtigung der Elektroautos lag der gesamte Stromverbrauch 2024 bei rund 15.250 kWh. Davon kamen bereits 52% von der eigenen Solarstromanlage (siehe Gesamtbilanz in Abbildung 3).
Eine Hybridheizung bedeutet Flexibilität
Normalerweise schaltet Hasenbergs Hybridheizung bei Außentemperaturen von weniger als 3°C um auf den Pelletofen. Die Hybridheizung ermöglicht es aber auch unabhängig von der Außentemperatur den Pelletkessel zu- und abschalten zu können. Das ist unter 3°C Außentemperatur interessant, wenn die Sonne scheint und die Photovoltaikanlage vom eigenen Dach genug Strom liefert. Dann ist es wirtschaftlicher die Wärmepumpe laufen zu lassen, trotz niedriger Effizienz.
Abbildung 3: Energie, Treibhausgasemissionen und Energiekosten vor und nach den Maßnahmen Photovoltaik, Hybridheizung, Wallbox, Elektroautos der Hasenbergs (1 Emissionsfaktor für Holzpellet von 20 gCO2äq/kWh zugrunde, 2Emissionsfaktor für Holzpellet von 344 gCO2äq/kWh, Berechnung der Emissionen siehe Anhang Tabelle 1)
Ausblick
Familie Hasenberg denkt derzeit über die Anschaffung eines Batteriespeichers nach. Mit einem Batteriespeicher wird sich der eigengenutzte Anteil des produzierten Solarstroms noch steigern lassen (vgl. Abbildung 4). Damit kann der Anteil des Pelletbedarfs weiter reduziert werden.
Spätere Maßnahmen zur energetischen Verbesserung der Gebäudehülle im Rahmen ohnehin anstehender Sanierungen werden den Wärmebedarf und damit auch die Emissionen weiter senken.
Darüber hinaus kann gegenüber dem bestehenden dynamischen Stromtarif, auch ein dynamischer Stromtarif genutzt werden, der nicht nur auf Grundlage des Spotmarktpreis an der Börse ausgerichtet ist, sondern auch die lokalen Emissionen des bezogenen Stroms mit einbezieht, wie z.B. dem Grünstromindex. Dieser erlaubt es in der Nacht oder bei Bewölkung vor allem dann Strom aus dem Netz zu beziehen, wenn z.B. der Windstromanteil hoch ist. Das würde zu weiteren Einsparungen bei den Treibhausgasen führen.
Hybridheizungen, intelligentes Laden des angedachten Batteriespeicher können bei breiterer Anwendung durch ihre geringere Gesamtleistungsaufnahme der Wärmepumpe an kalten Tagen den Netzausbau reduzieren oder ganz einsparen.
Abbildung 4: Monatliche Energiebilanz ohne Umweltwärme
Alle Angaben zu Energie und Kosten wurden dankenswerter von Volker Hasenberg zur Verfügung gestellt und der Lesbarkeit halber auf- oder abgerundet. Für Rückfragen steht Volker Hasenberg gerne per E-Mail unter hasenberg@ntz.de oder via LinkedIn zur Verfügung.
Das Praxisbeispiel der Familie Hasenberg bestätigt die im Rahmen des KSSE-Projektes vom KiB e.V. entwickelte Sanierungsstrategie bei beschränkten Ressourcen, wie z.B. Geld oder Fachkräfte.
Anhang
Berechnung der Treibhausgasemissionen vor (2021) und nach (2024) den Maßnahmen Photovoltaik, Hybridheizung, Wallbox, Elektroautos der Hasenbergs [(1) Emissionsfaktor für Holzpellet von 20 gCO2äq/kWh zugrunde, (2) Emissionsfaktor für Holzpellet von 344 gCO2äq/kWh.), Quellen für Emissionsfaktoren https://innovationorigins.com/de/die-herstellung-von-benzin-und-diesel-verursacht-mehr-co2-emissionen-als-wir-dachten/ und https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/emissionsbilanz-erneuerbarer-energietraeger-2023