Der Bauturbo ist wie Sprengstoff: hochpotent und wirkungsvoll, aber auch gefährlich – man muss wissen, wie man damit umgeht. In diesem Text klären wir zunächst, welche Neuerungen auf uns zukommen. Anschließend ordnen wir sie ein: Welche Risiken, aber auch welche Chancen sind damit verbunden? Und zu guter Letzt präsentieren wir Heilungsansätze: Welche zusätzlichen Sicherheitsmechanismen braucht es, um die Vorteile zu bewahren und das Gefährdungspotenzial zu reduzieren?
Geschichte
Das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ – so heißt der Bauturbo offiziell – hat eine recht lange Vorgeschichte. Schon 2017 gab es den Versuch, Planungsverfahren beim Wohnungsbau radikal zu verkürzen. Mit der Einführung des § 13b BauGB (im Folgenden wird auf den Zusatz „BauGB“ verzichtet, da sich alle Paragraphen auf das Baugesetzbuch beziehen, falls nicht anders kenntlich gemacht) konnten Kommunen bei der Aufstellung von Bauplänen mit weniger als 10.000 m² auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten. 2023 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geurteilt, dass eine solche Pauschalierung nicht mit EU-Recht vereinbar sei, und diese Rechtsgrundlage gekippt. Die Ampelregierung hat sich seit Ende 2023 mit dem Bauturbo beschäftigt. Da es zu vorgezogenen Neuwahlen kam, konnte das Projekt in der letzten Legislaturperiode nicht abgeschlossen werden. Die aktuelle Regierung hat den Bauturbo nun zu ihrem Vorzeigeprojekt auserkoren. Im Koalitionsvertrag haben sich die beiden Regierungsfraktionen darauf geeinigt, dieses Gesetz in den ersten 100 Tagen der Regierungszeit durch das Parlament zu bringen. Da nun die Sommerpause dazwischenkommt, wird die Regierung diesen Zeitplan nicht einhalten können – aber das Vorhaben genießt weiterhin höchste Priorität.
Rechtliche Neuerungen
Die §§ 9 und 216a beschäftigen sich mit der Frage, ob Gewerbe- und Wohnzwecke näher zusammenrücken können. Bislang hat die TA (Technische Anleitung) Lärm strikte Vorgaben gemacht, wie laut es maximal in einem Gebiet mit Wohnraum sein darf. Diese Stringenz wird nun aufgebrochen. Zum einen gibt es für die Planer*innen eine größere Flexibilität, wie mit Lärm umgegangen wird: Nicht nur an der Schallquelle kann angesetzt werden, sondern ebenso am Ausbreitungsweg und am schutzwürdigen Wohngebäude. Letzteres ist insbesondere für heranrückende Bebauung relevant, da ein bestehender Gewerbebetrieb eine geringe Motivation für schallisolierende Maßnahmen haben könnte. Zum anderen kann sich die Kommune entscheiden, auf Regelungen der TA Lärm zu verzichten – natürlich muss der Grundsatz gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse weiterhin eingehalten werden, aber auch hier ergeben sich neue Freiheiten.
Durch die Neufassung des § 31 Absatz 3 bekommen die Gemeinden die Möglichkeit, von Festsetzungen im Bebauungsplan in erforderlichem Umfang abzuweichen. Das heißt, auf ein Planänderungsverfahren bzw. eine Neuaufstellung kann verzichtet werden. Diese Regelung ist zeitlich nicht befristet.
Für den nicht beplanten Innenbereich kommt eine ähnliche Regelung. Dort ist bis dato das Einfügungsgebot maßgeblich. Das heißt, dass anhand von vier Faktoren geprüft wird, ob sich ein (Um)Bauprojekt in die nähere Umgebung einfügt.
- Nutzungsart (gewerblich, zu Wohnzwecken)
- Kubatur (Höhe, Form)
- Bauweise (offen, geschlossen)
- Überbaute Fläche
Durch den neuen Absatz 3b im § 34 darf die Kommune von dem Einfügungsgebot abweichen. Öffentliche und nachbarliche Belange müssen weiterhin gewahrt werden.
Kommen wir nun zum Kernstück der Novelle: der Experimentierklausel § 246e (manchmal wird auch nur dieser Paragraph als Bauturbo bezeichnet). Mit diesem Instrument wird die Gemeinde ermächtigt, auf (fast) alle Regelungen aus dem Bauplanungsrecht zu verzichten. Der Anwendungsbereich ist nicht auf den Innenbereich beschränkt. Er wird über den räumlichen Zusammenhang mit den bebauten Ortsteilen definiert. In der Begründung wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber diesen räumlichen Zusammenhang bis zu einer Entfernung von 100 m als gegeben ansieht. Neben Wohngebäuden können auf dieser Grundlage auch soziale Infrastrukturen (Kitas, Schulen) geschaffen werden. Die Effekte dieser Experimentierklausel werden vom Bauministerium beobachtet und spätestens 2029 evaluiert. So kann über den Verbleib entschieden werden – denn die Gültigkeit ist zunächst auf 2030 begrenzt.
Weiterhin werden zwei befristete Paragraphen um 5 Jahre verlängert:
§ 201a regelt die Ausweisung von angespannten Wohnungsmärkten. Die Länder können ihre Kommunen nun bis 2031 ermächtigen, gewisse Instrumente zur Bekämpfung der Wohnungsnot wie z.B. Vorkaufsrechte und Baugebote anzuwenden.
Ebenfalls verlängert wird der § 250. Dieser besagt, dass in angespannten Wohnungsmärkte Mietwohnungen nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen. Dies schützt Mieter*innen z.B. vor Eigenbedarfskündigungen.
Einordnung
Die vorliegende Gesetzesnovelle kann mit Fug und Recht als der größte Eingriff in das Bauplanungsrecht seit Einführung des Baugesetzbuchs im Jahr 1960 bezeichnet werden. Schauen wir zunächst auf die Risiken, die sich aus den Änderungen ergeben.
Risiken
Seit der erste Entwurf des Gesetzes vor 1,5 Jahren veröffentlicht wurde, herrscht unter Umweltverbänden eine große Skepsis. Und auch die Bauernverbände sehen in dem Bauturbo eine große Gefahr.
Um die Flächenproblematik besser zu verstehen, braucht es einige Hintergrundinformationen: Deutschland hatte sich ursprünglich bis 2020 vorgenommen, den Flächenverbrauch auf 30 ha pro Tag zu begrenzen. Da dies nicht gelungen ist, wurde das Ziel kurzerhand auf 2030 verschoben. Aktuell stehen wir bei einem täglichen Verbrauch von 52 ha. Und obwohl dieses Ziel auf der Bundesebene angesiedelt ist, gibt es keinerlei Bundes-Governance, um dieses Ziel zu erreichen. Die Entscheidung zur Flächeninanspruchnahme wird vor Ort in den Kommunen getroffen.
Ein großer Teil des Flächenkonsums ist auf den Wohnungsbau zurückzuführen. Das hört sich zunächst sinnvoll an, aber eine Studie von Empirica legt nahe, dass 40% der Neubauten in Gegenden mit übersättigtem Markt stattfinden (Empirica, 2024).
Der große Flächenverbrauch geht zu Lasten der Biodiversität in Deutschland und der landwirtschaftlichen Erzeugungsflächen. Gerade in turbulenten Zeiten, in denen selbst Lebensmittel zurückgehalten werden, um geopolitische Ziele zu erreichen, ist eine große und starke heimische Landwirtschaft ein Faktor, um wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit zu bewahren. Die Landwirt*innen stehen ohnehin schon unter Druck. Mit dem Bauturbo wird nun jedwede landwirtschaftliche Fläche im räumlichen Zusammenhang mit einem Ortsteil zum Spekulationsobjekt. Es braucht nur die Zustimmung der Gemeinde, und aus landwirtschaftlicher Fläche wird Bauland.
Umwelt- und Bauernverbände sind sich einig, dass die aktuelle Ausgestaltung des Gesetzes eine Gefahr für eine geordnete städtebauliche Entwicklung der Kommunen in Deutschland ist. Es gibt keinerlei Vorgaben, die sicherstellen würden, dass der Außenbereich nur in absolut notwendigen Fällen angefasst wird.
Vielmehr ist es so, dass sich der Bauturbo in Richtung unkontrollierter Zersiedelung entwickelt hat. In früheren Versionen wurde die Anwendung des § 246e auf Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt und auf Gebäude mit mindestens 6 Wohneinheiten beschränkt. In den letzten Wochen hat sich die Union in den Verhandlungen mit der SPD jedoch durchgesetzt und diese Sicherheitsmechanismen abgeschüttelt.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der § 246e in 35% der Fälle im Außenbereich angewandt wird, begründet aber nicht wieso. Da viele (Um)Bauten im Innenbereich jedoch auf Grundlage der §§ 31 Abs. 3 und § 34 Abs. 3b realisiert werden könnten, ist es wahrscheinlich, dass der §246e vornehmlich im Außenbereich zur Anwendung kommt und dort zu einer unkontrollierten Zersiedlung der Landschaft führen könnte. Dort ist eben auch der größte Beschleunigungseffekt zu erwarten: Die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans dauert in der Regel 1,5 – 2 Jahre – bei komplexen Vorhaben oder Personalmangel mitunter erheblich länger.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier vor allem ein Umstand zum Tragen kommt: Die Vorgängerregierung hat ein Wohnungsbauziel von 400.000 deklariert und damit eine Metrik geschaffen, an der die Opposition, die Öffentlichkeit, die Bürger*innen, die Bauindustrie, aber auch die Politik selbst ihre Leistung gemessen hat. Auch wenn die aktuelle Regierung kein offizielles Wohnungsbauziel festgelegt hat, scheint es so, als hätte sie sich das Ziel gesetzt zumindest besser (im Hinblick auf die Messzahl) zu performen als die Vorgängerregierung, also mehr Wohnungen zu bauen. Da in der Berichterstattung immer die Neubauzahl für Gesamtdeutschland kursiert, ist es der Regierung anscheinend egal wo Wohnraum entsteht. Hauptsache es wird mehr genehmigt und fertiggestellt als unter der Vorgängerregierung.
Auch das Thema Mauschelei und Korruption muss gewürdigt werden. Im Rahmen des konventionellen Bauplanungsprozess wird die Öffentlichkeit recht früh und umfassend über Neubaugebiete informiert. Dies kann durch die Neuregelungen komplett entfallen. Dies können aggressive Investor*innen oder auch Menschen mit Seilschaften in der Verwaltung für sich nutzen. Bevor sich eine BI (Bürgerinitiative) mit einem berechtigten stadtentwicklungstechnischen Anliegen formiert, kann schon eine wirksame Baugenehmigung ausgestellt sein. Zwar wird beim Bauturbo immer die Zustimmung der Gemeinde vorausgesetzt. Es liegt aber nicht in der gesetzgeberischen Kompetenz des Bundes, dies näher zu regeln. Ob bei einem Antrag nach §246 e immer der Gemeinderat eingebunden wird, oder ob das Baudezernat selbst entscheidet, hängt von den entsprechenden Landesverordnungen ab. Eine obligatorische Zustimmung des Gemeinderats wäre wünschenswert, um bei diesen wichtigen Entscheidungen ein Mindestmaß an Stadtgespräch, politischer Kontrolle und Partizipation zu gewährleisten – gerade, weil die Frage nach Bauland im Außenbereich keine rein juristische ist, sondern viele Facetten der Stadtgesellschaft tangiert.
Ein anderes Risiko liegt in der Art der Nachverdichtung. Die Aufstockung von Gebäuden ist grundsätzlich eine sehr gute und ressourcenschonende Art und Weise, zusätzlichen Wohnraum in angespannten Märkten zu schaffen. Gleichwohl erlaubt der Bauturbo auch eine flächenintensive Nachverdichtung, wie z.B. ein Bauen in zweiter Reihe oder die Bebauung des Gartens. Hier ist es wichtig die Gefahren von Starkregenereignissen nicht aus den Augen zu verlieren. Im Innenbereich ist jede unversiegelte Fläche wertvoll, um die Auswirkungen von Extremwetterereignissen abzuschwächen. Natürlich kann es auch in „grünen“ Stadtteilen zu Überschwemmungen kommen, aber auch dort gilt: Je mehr Sickerfläche besteht, desto geringer ist die Wucht und desto schneller können die Wassermassen auch wieder versickern. Weiterhin gewinnt durch die fortschreitende Erderwärmung das Thema Stadtklima an Bedeutung. Grünflächen sind ein ganz wichtiger Faktor, um erträgliche Temperaturen zu gewährleisten. Zum einen gewährleisten sie eine gute Durchlüftung. Zum anderen erzeugen Grünflächen Kaltluft und reduzieren die Umgebungstemperatur durch Schattenwurf und Verdunstungskälte. Ein Bauturbo, der die Versieglung von städtischen Grünflächen begünstigt, kann eine ernsthafte Gefahr für die Lebensqualität und Zukunftstauglichkeit unserer Städte darstellen.
Chancen
Neben diesen Risiken bietet die Novelle des BauGB auch viele Handlungspotenziale. Positiv ausgedrückt: Die Kommunen können die nächsten Jahre nutzen, um ihre Städte grundlegend umzubauen.
Fangen wir bei den Lockerungen im Bereich der TA Lärm an. Es ist aus stadtentwicklungstechnischer Perspektive wünschenswert, dass Gewerbe und Wohnen näher aneinander heranrücken. Das Idealbild der Stadt der kurzen Wege kann so besser verfolgt werden. Bis dato waren die Regelungen aus der TA Lärm sehr stringent. Wurden Grenzwerte für bestimmte Gebietstypen überschritten, war die Planung von Wohnanlagen ausgeschlossen. Planer*innen haben jetzt die Möglichkeit auf die Herausforderung Lärm flexibler zu reagieren. Es muss nicht immer die Schallquelle gedämpft werden. Die Planer*innen können auch auf dem Weg der Ausbreitung Maßnahmen ergreifen oder direkt beim schutzwürdigen Wohnobjekt – letzteres ist besonders relevant für die heranrückende Wohnbebauung. Verständlicherweise ist ein bestehender Gewerbebetrieb eher nicht bereit, Geld für die neuen Nachbar*innen auszugeben. Solange die Grundsätze des gesunden Arbeitens und Wohnens gewährleistet sind, kann ein flexibler Umgang mit dem Thema Lärm neue Potenziale in den Städten zugänglich machen. Wenn über die Lärmbelastung Transparenz besteht, können Zuziehende auch selbst entscheiden, ob sie diese Situation eingehen möchten. Für Berufstätige kann das Wohnen auch direkt über einem schallemittierenden Betrieb attraktiv sein. Wenn man tagsüber ohnehin unterwegs ist und erst nach Hause kommt, sobald die lärmintensiven Prozesse vorbei sind, kann auch ein Gewebegebiet ein geeigneter Rückzugsort sein.
Vorgaben aus dem Bebauungsplan können Nachverdichtungsaktivitäten und Neukonfigurationen von bestehendem Wohnraum verunmöglichen. Nehmen wir das Beispiel der Einfamilienhäuser. Ein signifikanter Anteil der Einfamilienhausbesitzer*innen würde sich gerne verkleinern. Das geht z.B., indem eine Wohneinheit abgetrennt wird. In manchen Bebauungsplänen ist aber die Höchstzahl der Wohneinheiten pro Grundstück vorgegeben; für Eigenheimbesitzer*innen, die sich verkleinern möchten, ein absoluter Hemmschuh. Ein anderes Anliegen kann die Aufstockung von Wohngebäuden sein, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Oft ist dies bauphysikalisch kein Problem. Der deutsche Gebäudebestand hat im Schnitt Traglastreserven von 1,3 zusätzlichen Stockwerken, jedoch begrenzen die Bebauungspläne in vielen Fällen die Anzahl dieser (Der dichte Bau, n.d.).
Der neue § 31 Abs. 3 erlaubt der Gemeinde, flexibel von Vorgaben aus dem Bebauungsplan abzuweichen. Dabei können sich Beschlüsse auf ganze Straßenzüge erstrecken.
Beim unbeplanten Innenbereich ist, wie weiter oben geschildert, das Einfügungsgebot maßgebend. Konkret ist es dadurch nicht möglich, in einem Einfamilienhausgebiet ein Mehrfamilienhaus zu errichten, obwohl dies absolut zielgerichtet sein kann – wenn darin z.B. kleine, barrierefreie Wohneinheiten als Alternativen im Alter geschaffen werden. Im urbanen Umfeld kann die Umnutzung von Garagen ebenfalls sehr vorteilhaft sein. Wird der Platz nicht mehr für einen Pkw gebraucht, kann dort durch eine Überbauung geteilte Infrastruktur entstehen (Veranstaltungsräume, Gästezimmer) oder zusätzlicher Wohnraum. Genau solche Initiativen wurden bis jetzt aber durch den § 34 ausgebremst. Mit dem neuen § 34 Absatz 3b kann die Gemeinde ab jetzt das volle Potenzial von Garagenhinterhöfen ausschöpfen und auch in einförmigen Siedlungsabschnitten wertvolle Komplementärbauten realisieren.
Weiterhin ist das Bauplanungsrecht strikt bei dem Verbot von Wohnraum in Gewerbegebieten. Es gibt zwar Ausnahmen für Werkswohnungen: Der Hausmeister darf z.B. über der Betriebshalle wohnen, aber die Anwendungsfälle sind sehr beschränkt. Der §246 e erlaubt von Regelungen des BauGB in erforderlichem Maß abzuweichen: Wohnraum in Gewerbegebieten ist damit grundsätzlich möglich. Das ist insbesondere dort interessant, wo Brachen entstanden sind, weil Industrien sich verlagert haben oder gar ganz verschwunden sind. Der Umbau und die Umnutzung von gewerblichen Gebäuden sind damit kein Problem mehr – vorausgesetzt die Gemeinde erachtet es als wünschenswerten Entwicklungsschritt.
Verbesserungsansätze
Abschließend wollen wir auf Entwicklungspfade eingehen, die die Handlungspotenziale durch das Gesetz erhalten, dabei aber die nicht gewünschten Effekte reduzieren.
Der einfachste Ansatz wäre die Beschränkung des § 246 e auf den Innenbereich. Damit hätte die Gesellschaft die Gewissheit, dass keine weiteren landwirtschaftlichen Flächen im Außenbereich im Schnellverfahren versiegelt werden.
Alternativ wäre es denkbar, die Anwendung des § 246e an Voraussetzungen zu knüpfen. Die Kommunen sollten verpflichtet werden, zunächst alle Reserven im Bestand zu quantifizieren. Für Gesamtdeutschland kommt ein Forscherteam zu dem Ergebnis, das in unserem Bestand 330.000 Wohneinheiten pro Jahr schlummern (BBSR, 2023). Relevant ist aber welche Potenziale vor Ort existieren – Wohnungsmärkte sind hoch regionalisiert. Erst wenn klar ist, dass alle Potenziale aus Aufstockungen auf Wohngebäuden, Aufstockungen auf Nichtwohngebäuden, Aktivierung von Leerstand, Teilung von Einfamilienhäusern/großen Wohnungen, Umnutzung von Büroflächen, Umbau von Industriebrachen, Gemeinschaftliches Wohnen nicht ausreichen, um den prognostizierten Bevölkerungsanstieg zu kompensieren, sollte die Kommune auf den Außenbereich zugreifen.
Ebenfalls sollten die Erleichterungen im Innenbereich (§§ 31, 34) nur für Projekte zum Tragen kommen, die sparsam mit den innenstädtischen Flächen umgehen. Also für Projekte, die mit der bereits versiegelten Fläche zurechtkommen bzw. nicht im nennenswerten Umfang erhöhen (geringe Anteile für Außentreppen oder Aufzüge sind natürlich sinnvoll und stellen keine wesentliche Versieglung dar). Dies würde die Entwicklung von bereits versiegelten Flächen priorisieren. Die Potenziale, die z.B. über Parkplätzen von Supermärkten bzw. Baumärkten herrschen, sind erheblich. Dies würde einerseits die Ausbaudynamik unterstützen, gleichzeitig aber gewährleisten, dass städtebauliche Grundsätze sicher eingehalten werden.
Fazit
Im Kern ist der vorliegende Gesetzentwurf eine erhebliche Kompetenzverlagerung von der Bundesebene auf die kommunale. Wie wir gesehen haben, kann das in vielen Fällen zu einem wünschenswerten Umbauturbo führen. Andererseits besteht die Gefahr, dass in den nächsten Jahren insbesondere an den Siedlungsrändern Baulasten entstehen, die in den kommenden Jahren erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen – ohne das dadurch die Wohnungsnot gelindert wird. Die Kommunen sollten schnellstmöglich einen Umgang mit dem Werkzeug finden, um die Vorteile zu nutzen und die Nachteile weitestgehend auszuschließen. Dies kann mit entsprechenden Grundsatzbeschlüssen gelingen. Weil wir hier potenziell über einen Umbauturbo sprechen, sollten die Kommunen jetzt auch früh und offensiv mit den Bürger*innen in den Dialog treten. Denn jeder Stadtumbau – auch wenn er dringend benötigten Wohnraum schafft – ist zunächst eine Veränderung, für die die Betroffenen gewonnen werden müssen. Aber mit der richtigen Kommunikation und einer Strategie, die alle städtebaulichen Ziele berücksichtigt, ist ein nachhaltiger und breit getragener Stadtumbau möglich.
Hier finden Sie den Gesetzentwurf, der am 18.06. vom Kabinett verabschiedet wurde: https://klimaschutz-im-bundestag.de/wp-content/uploads/2025/06/Bauturbo-vom-Kabinett-beschlossen-Stand-18.06.2025.pdf