Klimaschutz im Bundestag wendet sich mit Prüfauftrag an die Verhandlungsführer*innen von CDU, SPD und CSU

Seit Donnerstag 18 Uhr (13.3.) verhandeln 16 Arbeitsgruppen über die Inhalte einer nächsten möglichen Regierung aus Union und SPD. Mit einem offenen Brief hat sich Klimaschutz im Bundestag e.V. an die Arbeitsgruppe 4 „Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ gewandt.

Darin wird gefordert, dass ein Prüfauftrag für regionale Potenzialanalysen für Wohnraum im Bestand in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. In einer Studie im Auftrag des BBSR wird für das gesamte Bundesgebiet eine Reserve von 330.000 WE jährlich angegeben, diese Information ist für die Kommunen aber noch nicht operationalisierbar, heißt sie kann bei den täglichen Entscheidungen für oder gegen Versieglung und Flächenverbrauch nicht berücksichtigt werden. Für die Kommunen ist es entscheidend zu wissen, wie viel zusätzlicher Wohnraum ohne Flächenverbrauch vor Ort geschaffen werden kann – das gilt in besonderer Weise für Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt.

Der Bund sollte die Kommunen mit standardidisierten Verfahren und Fördermitteln unterstützen regionale bzw. lokale Wohnraumpotenzialanalysen durchzuführen. Dies wäre ein großer Schritt in Richtung Flächenneutralität. Denn wenn in der Analyse herauskommt, dass durch Aufstockungen auf Wohn- bzw. Nichtwohngebäuden, Aktivierung von Leerständen, Teilungen von großen Wohnungen (inkl. Häusern), Ingangsetzung von Umzugsketten genügend Wohneinheiten für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs geschaffen werden können, könnten Gemeinderäte in Zukunft auf einer fundierten Wissensbasis über Neubaugebiete beraten.

Wir als Gesellschaft hätten dadurch viel gewonnen. Biotope und Wälder könnten dann öfter geschützt werden. Auch die Landwirtschaft würde massiv profitieren: Die meisten Betriebe sind zwischen 20-50 ha groß. Der Flächenverbrauch liegt in Deutschland bei rund 52 ha täglich. Das heißt rein rechnerisch wird jeden Tag ein mittelgroßer landwirtschaftlicher Betrieb verdrängt. Das bedroht die Existenzgrundlage der Landwirt*innen und unser aller Lebensgrundlage, weil die regionale Lebensmittelversorgung damit zusehends erschwert wird.

Für eine systematische und nachhaltige Siedlungsentwicklung ist die Kenntnis über die versieglungsfreien Wohnraumpotenziale unerlässlich. Klicken Sie hier, um den Brief an Ina Scharrenbach (CDU, Bauministerin in NRW), Klara Geywitz (SPD, amtierende Bundesbauministerin) und Ulrich Lange (CSU, Bundestagsabgeordneter) zu lesen.

Klimaschutz im Bundestag 12 – Wohnraumsuffizienz und (Re)Kommunalisierung

Die Diskussion fokussierte sich auf Wohnraumsuffizienz, soziale Wohnpolitik und Rekommunalisierung. Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linken, und Dr. Anke Frieling, CDU-Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, beleuchteten diese Themen aus unterschiedlichen politischen Perspektiven, konnten aber auch gemeinsame Positionen identifizieren.


1. Soziale Wohnungsfrage und bezahlbarer Wohnraum:

  • Caren Lay:
    • Sie betonte die soziale Krise auf dem Wohnungsmarkt, bedingt durch steigende Mieten und den Rückgang von Sozialwohnungen.
    • Sie schlug vor, Sozialwohnungen dauerhaft als solche zu binden („einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung“), um Gentrifizierung und Verdrängung entgegenzuwirken.
    • Lay forderte eine stärkere Rekommunalisierung und den Ausbau gemeinwohlorientierter Wohnungswirtschaft, wie sie in Wien erfolgreich praktiziert wird. Öffentliche Mittel sollten nicht der Rendite privater Investoren dienen.
    • Zudem müsse die energetische Gebäudesanierung sozial abgefedert werden, da die aktuelle Kostenverlagerung auf Mieter*innen oft zu Existenzängsten führt.
  • Dr. Anke Frieling:
    • Sie hob die Bedeutung des Neubaus hervor, insbesondere in wachsenden Städten wie Hamburg, um den Wohnungsmarkt zu entlasten.
    • Sie sieht in der strategischen Nachverdichtung und Nutzung ungenutzter Flächen entlang von Hauptstraßen großes Potenzial, warnt jedoch vor übermäßiger Regulierung.
    • Sie betonte, dass private Initiativen entscheidend seien, um Innovationen und Investitionen im Wohnungsbau voranzutreiben.

2. Vorkaufsrecht und rechtliche Rahmenbedingungen:

  • Caren Lay:
    • Sie kritisierte die Abschwächung des kommunalen Vorkaufsrechts durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, was viele Städte daran hindert, spekulativen Verkäufen entgegenzuwirken. Sie forderte eine Wiederherstellung und Erweiterung dieses Instruments.
    • Das Recht auf Wohnungstausch wurde von ihr als pragmatische Möglichkeit betont, um bestehende Wohnungen effizienter zu nutzen.
  • Dr. Anke Frieling:
    • Sie zeigte sich offen für eine Reform des Vorkaufsrechts, betonte jedoch die Notwendigkeit eines Ausgleichs zwischen staatlichen Eingriffen und privater Freiheit.
    • Zum Wohnungstausch äußerte sie Skepsis, da viele Menschen an ihrer Wohnung emotional hängen und ein Wechsel oft organisatorisch schwierig sei.

3. Nachhaltigkeit und Bestandssanierung:

  • Caren Lay:
    • Neubau sei häufig am Bedarf vorbeigeplant und umweltschädlich. Stattdessen müsse die Umnutzung bestehender Gebäude (z. B. Büros in Wohnraum) stärker vorangetrieben werden.
    • Sie kritisierte, dass Fördermittel vor allem in den Neubau fließen, obwohl die energetische Sanierung des Bestands für den Klimaschutz entscheidend sei.
  • Dr. Anke Frieling:
    • Sie betonte, dass Hamburg Schritte in Richtung Bestandssanierung unternimmt, wobei jedoch finanzielle und bürokratische Hürden oft Fortschritte verzögern.

Gemeinsamkeiten und Differenzen:

Während Lay eine stärkere Regulierung und staatliche Steuerung forderte, setzte Frieling auf die Einbindung privater Investoren.

Beide Referentinnen erkannten die Notwendigkeit bezahlbaren Wohnraums an und sprachen sich für eine stärkere Nachverdichtung und Bestandssanierung aus.


Impuls zu Wohnraumsuffizienz und (Re)Kommunalisierung, Philipp George, Politischer Referent, Klimaschutz im Bundestag e.V.

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Aufzeichnung der Online-Veranstaltung

Klimaschutz im Bundestag 11 – Wohnraumsuffizienz – Wie entwickeln wir die Potenziale im Bestand?

Online-Veranstaltung vom 7. Oktober 2024

Mit Politik und Wissenschaft haben wir über folgendes Thema gesprochen:

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Der klassische Neubau hat aber gravierende Nachteile: Ein hohes Maß an Flächenversieglung, CO2-intensiv und hohe Mieten. Darum werfen wir einen Blick auf die Potenziale im Bestand. Studien gehen davon aus dass durch folgende Maßnahmen bis zu 330.000 Wohnungen zusätzlich im Bestand hergestellt werden können: Teilung von Einfamilienhäusern zu kleineren Wohneinheiten, die Umwidmung und der Umbau von Bürogebäuden zu Wohnraum, die Aufstockung von Wohngebäuden und die Aufstockung von Nichtwohngebäuden. Daneben gehen wir auf aktuelle politische Entwicklungen ein: Der aktuelle Haushalt sieht die Streichung des Förderprogramms „Altersgerecht Umbauen“ vor, welches 2024 noch mit einem Etat von 150 Millionen Euro eingeplant. Und wir diskutieren welche Vorteile durch die angekündigte Baugesetzbuchnovelle in Bezug auf die leichtere Umsetzung von Umbauprojekten zu erwarten sind.

Wissenschaft:

Anja Bierwirth: Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel am Wuppertal Institut, Projektleiterin „OptiWohn„, Architektin, Umweltwissenschaftlerin, Tischlerin

Politik:

Hanna Steinmüller: MdB (Grüne), Berichterstatterin für Wohnen und Bauen, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Bauen, Stadtentwicklung und Kommunen

Moderation: Philipp George, Politischer Referent, Klimaschutz im Bundestag e.V.

Fragen und Antworten aus dem Chat

Unser Mitarbeiter Philipp George hat für Sie die Fragen beantwortet, die im Chat während der Veranstaltung aufgetreten sind, in der Publikumsphase aber nicht behandelt werden konnten.

Thumbnail (fragen Und Antworten)

Aufzeichnung

Folien Anja Bierwirth, Wuppertal Institut

Titelseite Folien 2024 10 07 Bierwirth

Klimaschutz im Bundestag 10 – Wohnraumsuffizienz – Welche Instrumente brauchen wir, um Wohnraum besser zu verteilen?

Seit den 50er Jahren wächst die Pro-Kopf-Wohnfläche in Deutschland kontinuierlich. Gleichzeitig erleben wir, dass immer mehr Menschen in zu kleinen oder zu großen Wohnungen leben – ein klarer Hinweis darauf, dass unser Wohnraum zunehmend schlecht verteilt ist. Dies wirft die Frage auf: Haben wir genug Wohnraum, der nur ineffizient genutzt wird?
In unserer Online-Podiumsdiskussion werden wir tiefgehend erörtern, welche Chancen darin liegen, den Wohnungsmarkt stärker bedarfs- und weniger finanzorientiert zu gestalten. Wir diskutieren mögliche Lösungsansätze und Instrumente wie:

  • Die in der Schweiz bei Genossenschaften und kommunalen Wohnungsunternehmen praktizierte n+1 Regel, die eine Obergrenze für die Zimmeranzahl in Relation zur Haushaltsgröße setzt.
  • Eine Wohnraumsteuer, die Wohnflächen z.B. über 50 qm pro Person besteuert.
  • Kommunale Dienstleistungen wie Umzugsboni, Beratung, Tauschbörsen etc.

Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, den Wohnraum gerechter zu verteilen und dabei soziale wie ökologische Politikziele zu erreichen.

Diskutant*innen:

  • Jonas Lage, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Norbert Elias Center for Transformation Design & Research der Europa-Universität Flensburg, forscht an der Schnittstelle von Energiewissenschaften, Transformationswissenschaften und Soziologie.
  • Franziska Mascheck, SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Leipzig-Land, ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen und stellvertretende Sprecherin der gleichnamigen SPD-Arbeitsgruppe, engagiert sich in der SPD-Begleitgruppe „Klimaschutz und Transformation”.
  • Moderation: Philipp George, politischer Referent, Klimaschutz im Bundestag e.V.

Aufzeichnung

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Folien

Wohnraumsuffizienz Welche Instrumente brauchen wir, um Wohnraum besser zu verteilen?, Jonas Lage, Europa-Universität Flensburg

Klimaschutz Im Bundestag Wohnraumsuffizienz Lage Seite 1 1

Living on Less Sufficiency-enabling Policies as a Lever for a Social and Ecological Housing Transition in Germany, Carolina Niewöhner, TU Delft

1st Slide Presentation Carolina Niewoehner 1

Fragen aus dem Chat (mit Antworten vom Team „Klimaschutz im Bundestag“ und Franziska Mascheck)

Frage Antwort Chat Wohnraumsuffizienz 06.06.2024 1