Erwartung an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli übernimmt Deutschland von Kroatien die EU-Ratspräsidentschaft. Waren die Erwartungen aufgrund zahlreicher Brandherde vor der Corona-Krise an die Bundesregierung bereits hoch, so sind sie jetzt mit der Corona-Krise gewaltig. Erschwerend kommen organisatorische und technische Probleme hinzu. Weder verfügt man in Brüssel über genügend geeignete Räumlichkeiten, um bei größeren Verhandlungsdelegationen den physischen Mindestabstand einzuhalten, noch verlaufen Verhandlungsrunden im Videomodus so reibungslos wie gemeinsame Treffen. Von den politischen Auseinandersetzungen ganz zu schweigen. Denn es geht um viel Geld, Haftungsfragen und Solidarität in der Krise.

Neben den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der Verabschiedung eines EU-Haushalts wird die Klimakrise, neben Gesundheit, Digitalisierung und Biodiversität, auf der Agenda stehen. Zwei Punkte werden dabei besondere Relevanz haben: Ein EU-Klimaschutzgesetz und die Verschärfung des 2030-Zieles, die Treibhausgasemissionen um 50 bis 55 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Aus Sicht des Pariser Klimaabkommens wären mindestens 65 Prozent notwendig. Dennoch werden beide Punkte erheblichen Einfluss auf die Verteilung der Klimaschutzbeiträge der Mitgliedsstaaten sowie die Instrumente, mit denen diese erreicht werden sollen, haben. Und damit auch auf die Frage, welche Rolle der CO2-Preis künftig spielen soll. Bereits Mitte Mai machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Fragestunde im Deutschen Bundestag deutlich, dass Deutschland ein höheres Klimareduktionsziel nur dann befürworten könne, wenn alle Mitgliedsstaaten zu mehr Engagement bereit wären. Das gelte besonders für die EU-Lastenteilungsverordnung bei Heizen und Verkehr. Denn hier drohen Deutschland hohe Strafzahlungen wegen nicht Erreichens bereits der heutigen Ziele. Zudem steht die Revision der EU-Emissionshandelsrichtlinie erst für das Jahr 2021 auf der Agenda. Dennoch haben Frankreich und Deutschland im Rahmen ihrer Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Corona-Krise die Absicht bekundet, die Einführung einer CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) zu unterstützen und an der künftigen Einführung eines sektorenübergreifenden EU-ETS zu arbeiten.

Mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hatte sich die Bundesregierung für die Einführung eines moderaten CO2-Mindestpreises ausgesprochen. Auch die Niederlande, Schweden und Dänemark gelten als Befürworter von Mindestpreisen. Doch die EU-Kommission ist bislang gegen einen Mindestpreis und bevorzugt den Mechanismus der Marktstabilitätsreserve auszubauen. Wie beides verknüpft werden kann, hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ins Gespräch gebracht.

Sicher ist, dass der Green Deal zum Motor einer nachhaltigen Entwicklung werden soll. Einen ersten Entwurf bewerteten Experten vielversprechend. Wie sich allerdings die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verhält, wenn es konkret wird, bleibt abzuwarten. Während sie den von Macron und Merkel gemachten Vorschlag eines Recovery Funds in Höhe von 500 Milliarden Euro begrüßte, wurde in einem CDU/CSU-Positionspapier der Green Deal zurechtgestutzt. Mit Rückenwind für nachhaltige und die Konjunktur stützende Investitionen ist also nicht zwingend zu rechnen. Es bleibt demnach abzuwarten, ob Deutschland und die EU den Willen aufbringen, angesichts der Bedrohungen durch Corona- und Klimakrise entschlossen zu handeln (siehe Corona- & Klimakrise verzahnen). Ein Programm für die EU-Ratspräsidentschaft gibt es noch nicht. Und auch die verschobene UN-Klimakonferenz in Glasgow Ende des Jahres fällt als Druckmittel für zeitnahe Entscheidungen zunächst aus.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Beitrag vom April: Recovery Europe – mit und durch den Green Deal.

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