Wie weiter mit dem Europäischen Emissionshandel?

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Im Juli will die Europäische Kommission mit dem „ Fit for 55“-Paket ihre Vorschläge zum Green Deal unterbreiten. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Weiterentwicklung des bestehenden Emissionshandels für Energieerzeugung und Teile der Industrie und seine Ausweitung auf die Sektoren Gebäude und Mobilität ein. Die EU Kommission hat mittlerweile angedeutet, dass sie ein separates System für ein vielversprechende Option hält. Wie dies umgesetzt werden könnte haben das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Brüsseler Think Bruegel im Kontext des Kopernikus-Projekts Ariadne in einer neuen Studie untersucht.

Kommt die Ausweitung des EU-Emissionshandels zu spät für das Erreichen der Klimaziele?

Doch was genau wäre dafür an regulatorischen Änderungen erforderlich und welche Chancen und Risiken bestehen insgesamt? Was bedeutet das für die deutsche Industrie, den nationalen Brennstoffemissionshandel und die nationalen Klimaschutzziele? Wie kann das heutige, von Ausnahmen geprägte Handelssystem bereits kurzfristig zu mehr Wirksamkeit in Sachen Klimaschutz führen? Und welche konkreten Schritte sind im Einzelnen in den 27 Mitgliedsstaaten der EU notwendig, die verschiedenen Sektoren tatsächlich zu einem System zu verschmelzen?

Digitales parlamentarisches Frühstück vom 19. Mai zum Thema wie weiter mit dem EU-Emissionshandel?

Am 19. Mai diskutierten unter der Schirmherrschaft von Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU), Klaus Mindrup (SPD), Dr. Christoph Hoffmann (FDP) und Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen), welche nächsten Schritte erforderlich sind, den Emissionshandel weiterzuentwickeln. Ulf Sieberg, Leiter des Berliner Büros des CO2 Abgabe e.V. plädierte dabei zunächst für einen CO2-Mindestpreis im bestehenden EU-Emissionshandel, die Weiterentwicklung der Marktstabilitätsreserve und eine CO2-basierte Reform der Energiebesteuerungsrichtlinie, um zu zügigen Treibhausgasreduktionen zu gelangen. Sieberg betonte zudem die zahlreichen offenen Fragen und Risiken, die mit einer Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Wärme und Verkehr verbunden seinen, die politisch schwer umsetzbar sei und sehr viel Zeit in Anspruche nehmen könne. Zeit, die es angesichts der Klimakrise nicht gebe.

Separater Emissionshandel für Heizen und Verkehr erfordert Preiskorridor ohne feste Cap

Dr. Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) skizzierte anschließend, wie der weitere Weg hin zu einem sektorübergreifenden EU-Emissionshandel aussehen könnte. Dabei wurde deutlich, dass es keine Blaupause geben wird. Vielmehr beürfe es einzelner Reformschritte, die über den Zeitverlauf erst zu einem separaten und dann zu einem übergreifenden Emissionshandel führen könnten. Wann es soweit sei, sagte Pahle nicht. Dies hängt vom politischen Willen und Pfadabhängigkeiten der Mitgliedsstaaten genauso wie von der Lastenteilung ab.

Die Einführung eines separaten Emissionshandels für Heizen und Verkehr erfordere zunächst einen Preiskorridor mit Mindest- und Höchstpreis. Allerdings kann es in einem solchen System keine feste Begrenzung der Verschmutzungsrechte (Cap) geben – eigentlich die Stärke eines Handelssystems. Wird nämlich der Höchstpreis erreicht, müssen zusätzliche Zertifikate (über die Cap hinaus) ausgegeben werden. Damit garantiert ein solcher Emissionshandel nicht mehr, dass das Klimaziel erreicht wird. Einen Höchstpreis braucht es aber, um eine vorgezogene Preisintegration zu verhindern. Ansonsten drohen z.B. Hausbesitzende zulasten von Pendelnden die Zertifikate wegzukaufen. Oder bei einem sektorübergreifendem Emissionshandelssystem beide Gruppen zulasten der Industrie. Und das nicht nur in Deutschland selbst, sondern vor allem bei einem EU-Emissionshandel zwischen den unterschiedlichen Mitgliedsstaaten mit ihren unterschiedlichsten Preiselastizitäten. Zahlreiche Fragen sind hier ungeklärt, die Risiken nicht unerheblich.

Emissionshandel und CO2-basierte Energiesteuer nähern sich an

Löst man das Problem durch eine graduelle Anpassung des Höchstpreises nach oben, dann muss die Politik auch hier wie bei einer CO2-basierten Energiesteuer nachsteuern. Dann aber greift das Primat der Politik, nämlich nachzusteuern, auch noch auf dem Weg zu einem rein marktgetriebenen Handelssystem. Die Logik, das Handelssystem bedürfe keiner Nachsteuerung, gilt damit genauso wenig wie bei einer CO2-basierten Energiesteuer. Und es bräuchte auch weiterhin zusätzliche ordnunsgrechtliche Maßnahmen und Förderung, mit denen die klimapolitischen Ziele erreicht werden, eben auch weil es keine festeCap gibt.

Ausweitung des Emissionshandels kostet Zeit – die niemand hat

Die Ausweitung des Emissionshandes kostet damit Zeit, die angesichts der Klimakrise niemand hat. Und spätestens mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sollte deutlich geworden sein, dass es auf die Treibhausgasreduktion der nächsten Jahre ankommt. Ohne schnell wirksamere Maßnahmen sind alle Ziele nichts. Die CO2-Bepreisung ist dabei die wichtigste ökonomische Grundlage. Aber nicht die „eierlegende Wollmilchsau“, für die sie so mancher verkaufen will. All das gilt es sich ehrlich vor Augen zu halten gerade auch im Hinblick auf die Bundestagswahl und die nächste Legislaturperiode.

Zu den Vortragsfolien hier

Positionspapier Treiber für mehr Klimaschutz und gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa (06/2020)

Diskussionspapier Grenzausgleich: Von Ausnahmen zu verursacher- und klimagerechten Produktpreisen (10/2020)

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