Wie weiter mit dem Europäischen Emissionshandel?

Im Juli will die Europäische Kommission mit dem „ Fit for 55“-Paket ihre Vorschläge zum Green Deal unterbreiten. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Weiterentwicklung des bestehenden Emissionshandels für Energieerzeugung und Teile der Industrie und seine Ausweitung auf die Sektoren Gebäude und Mobilität ein. Die EU Kommission hat mittlerweile angedeutet, dass sie ein separates System für ein vielversprechende Option hält. Wie dies umgesetzt werden könnte haben das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Brüsseler Think Bruegel im Kontext des Kopernikus-Projekts Ariadne in einer neuen Studie untersucht.

Kommt die Ausweitung des EU-Emissionshandels zu spät für das Erreichen der Klimaziele?

Doch was genau wäre dafür an regulatorischen Änderungen erforderlich und welche Chancen und Risiken bestehen insgesamt? Was bedeutet das für die deutsche Industrie, den nationalen Brennstoffemissionshandel und die nationalen Klimaschutzziele? Wie kann das heutige, von Ausnahmen geprägte Handelssystem bereits kurzfristig zu mehr Wirksamkeit in Sachen Klimaschutz führen? Und welche konkreten Schritte sind im Einzelnen in den 27 Mitgliedsstaaten der EU notwendig, die verschiedenen Sektoren tatsächlich zu einem System zu verschmelzen?

Digitales parlamentarisches Frühstück vom 19. Mai zum Thema wie weiter mit dem EU-Emissionshandel?

Am 19. Mai diskutierten unter der Schirmherrschaft von Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU), Klaus Mindrup (SPD), Dr. Christoph Hoffmann (FDP) und Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen), welche nächsten Schritte erforderlich sind, den Emissionshandel weiterzuentwickeln. Ulf Sieberg, Leiter des Berliner Büros des CO2 Abgabe e.V. plädierte dabei zunächst für einen CO2-Mindestpreis im bestehenden EU-Emissionshandel, die Weiterentwicklung der Marktstabilitätsreserve und eine CO2-basierte Reform der Energiebesteuerungsrichtlinie, um zu zügigen Treibhausgasreduktionen zu gelangen. Sieberg betonte zudem die zahlreichen offenen Fragen und Risiken, die mit einer Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Wärme und Verkehr verbunden seinen, die politisch schwer umsetzbar sei und sehr viel Zeit in Anspruche nehmen könne. Zeit, die es angesichts der Klimakrise nicht gebe.

Separater Emissionshandel für Heizen und Verkehr erfordert Preiskorridor ohne feste Cap

Dr. Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) skizzierte anschließend, wie der weitere Weg hin zu einem sektorübergreifenden EU-Emissionshandel aussehen könnte. Dabei wurde deutlich, dass es keine Blaupause geben wird. Vielmehr beürfe es einzelner Reformschritte, die über den Zeitverlauf erst zu einem separaten und dann zu einem übergreifenden Emissionshandel führen könnten. Wann es soweit sei, sagte Pahle nicht. Dies hängt vom politischen Willen und Pfadabhängigkeiten der Mitgliedsstaaten genauso wie von der Lastenteilung ab.

Die Einführung eines separaten Emissionshandels für Heizen und Verkehr erfordere zunächst einen Preiskorridor mit Mindest- und Höchstpreis. Allerdings kann es in einem solchen System keine feste Begrenzung der Verschmutzungsrechte (Cap) geben – eigentlich die Stärke eines Handelssystems. Wird nämlich der Höchstpreis erreicht, müssen zusätzliche Zertifikate (über die Cap hinaus) ausgegeben werden. Damit garantiert ein solcher Emissionshandel nicht mehr, dass das Klimaziel erreicht wird. Einen Höchstpreis braucht es aber, um eine vorgezogene Preisintegration zu verhindern. Ansonsten drohen z.B. Hausbesitzende zulasten von Pendelnden die Zertifikate wegzukaufen. Oder bei einem sektorübergreifendem Emissionshandelssystem beide Gruppen zulasten der Industrie. Und das nicht nur in Deutschland selbst, sondern vor allem bei einem EU-Emissionshandel zwischen den unterschiedlichen Mitgliedsstaaten mit ihren unterschiedlichsten Preiselastizitäten. Zahlreiche Fragen sind hier ungeklärt, die Risiken nicht unerheblich.

Emissionshandel und CO2-basierte Energiesteuer nähern sich an

Löst man das Problem durch eine graduelle Anpassung des Höchstpreises nach oben, dann muss die Politik auch hier wie bei einer CO2-basierten Energiesteuer nachsteuern. Dann aber greift das Primat der Politik, nämlich nachzusteuern, auch noch auf dem Weg zu einem rein marktgetriebenen Handelssystem. Die Logik, das Handelssystem bedürfe keiner Nachsteuerung, gilt damit genauso wenig wie bei einer CO2-basierten Energiesteuer. Und es bräuchte auch weiterhin zusätzliche ordnunsgrechtliche Maßnahmen und Förderung, mit denen die klimapolitischen Ziele erreicht werden, eben auch weil es keine festeCap gibt.

Ausweitung des Emissionshandels kostet Zeit – die niemand hat

Die Ausweitung des Emissionshandes kostet damit Zeit, die angesichts der Klimakrise niemand hat. Und spätestens mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sollte deutlich geworden sein, dass es auf die Treibhausgasreduktion der nächsten Jahre ankommt. Ohne schnell wirksamere Maßnahmen sind alle Ziele nichts. Die CO2-Bepreisung ist dabei die wichtigste ökonomische Grundlage. Aber nicht die „eierlegende Wollmilchsau“, für die sie so mancher verkaufen will. All das gilt es sich ehrlich vor Augen zu halten gerade auch im Hinblick auf die Bundestagswahl und die nächste Legislaturperiode.

Zu den Vortragsfolien hier

Positionspapier Treiber für mehr Klimaschutz und gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa (06/2020)

Diskussionspapier Grenzausgleich: Von Ausnahmen zu verursacher- und klimagerechten Produktpreisen (10/2020)

Anhörung im Bundestag zum Schutz der Industrie vor Abwanderung

Am 3. Mai 2021 fand im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zum Verordnungsentwurf der Bundesregierung im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes zum Schutz vor Abwanderung der Industrie (BEHG- Carbon Leakage-Verordnung, BECV) statt. Der CO2 Abgabe e.V. war als Sachverständiger geladen. Ulf Sieberg, Leiter des Berliner Büros des CO2 Abgabe e.V. lobte zwar grundsätzlich, dass erstmals Beihilfen für Unternehmen an Bedingungen zum Klimaschutz geknüpft würden. Gleichzeitig kritisierte er aber die zahlreichen Schlupflöcher die es erschwerten, die Industrie auf ihrem Weg hin zu einer treibhausgasneutralen Produktion zu unterstützen.

Die Anhörung kann hier nachverfolgt werden. Die Beiträge von Ulf Sieberg ab Minuten 32:20, 59:16, 1:27:38, 1:53:36 & 2:00:53.

Zum Vortrag der Anhörung im Deutschen Bundestag vom 3. Mai.

Zur Stellungnahme für die Anhörung im Deutschen Bundestag vom 3. Mai

EU-Trilog muss Klimazielverschärfung zustimmen

MEDIENINFO 05/2021

Zur morgigen Fortsetzung der Trilogverhandlungen zum EU-Klimagesetz zwischen Europäischem Parlament, der EU-Kommission und dem EU-Rat der Staats- und Regierungschefs erklärt Ulf Sieberg, Leiter Büro Berlin des CO2 Abgabe e.V.:

Das EU-Klimagesetz muss im Trilog noch einmal angeschärft und ambitionierte Klimaziele von mindestens 60% CO2-Reduktion bis 2030 enthalten. Bundesregierung sowie Staats- und Regierungschefs müssen sich endlich bewegen. Denn selbst der Vorschlag des Parlaments sowie einiger Mitgliedsstaaten reichen noch immer nicht, um auf einen CO2-Reduktionspfad zu kommen, der mit dem Pariser Klimaschutzabkommen in Einklang steht. Ein höheres Reduktionsziel darf aber nicht auf Kosten einer Netto-Zielvereinbarung erfolgen. Denn die Klimaleistungen von natürlichen CO2-Senken wie Mooren schwanken extrem. Würden sie bei der Zielerreichung angerechnet, besteht die Gefahr, dass die notwendigen Minderungsleistungen in anderen Bereichen wie der Wirtschaft schöngerechnet werden.

Klar ist, dass alle Ziele ohne wirksamere Maßnahmen nicht erreichen werden können. Im Rahmen des EU-Green Deal braucht es deswegen schnelle und wirksamere Maßnahmen als bisher. Dazu gehören ein CO2-Mindestpreis im EU-Emissionshandel, eine CO2-basierte Energiebesteuerung fossiler Brenn- und Kraftstoffe, einen Grenzausgleich und das Ende der kostenlosen Zuteilung von Verschmutzungsrechten für die Industrie. Aufgrund ungesicherter Methoden und Daten muss eine Einbeziehung von Quellen und Senken im Bereich Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) in die CO2-Bepreisung verhindert werden.“

Hintergrund: Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen die Treibhausgase gegenüber dem Jahr 1990 lediglich um mindestens 55 Prozent bis 2030 senken. Die bisherigen Zusagen der EU- und UN-Staatengemeinschaft zu Emissionsminderungen und der Schaffung von CO2-Senken reichen bei weitem noch nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Dies betrifft auch die bisherigen Ziele und Maßnahmenpläne der EU-Mitgliedsstaaten. Um deutlich unter 2 °C zu bleiben, müsste das Reduktionsziel seitens der EU-Mitgliedsstaaten mindestens auf 70 % angehoben und eine Kohlenstoffsenken-Ökonomie etabliert werden.

Allerdings führt bereits die Zielverschärfung auf mindestens 55 % dazu, dass im EU-Emissionshandel (EU-ETS) der jährliche Reduktionsfaktor von derzeit 2,2% pro Jahr deutlich erhöht und das Cap für Obergrenze an Verschmutzungsrechten (Zertifikate) stärker als bisher sinken muss. In der Folge werden die CO2-Preise im EU-ETS ansteigen bzw. Überschüsse an Zertifikaten schnell abgebaut werden. Jedoch hat das EU-Parlament jüngst einen Initiativbericht zum Grenzausgleich mit der Forderung verbunden, an der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für die Industrie festzuhalten. Dass reicht aber weder zur Klimazielerreichung noch zum Schutz vor Abwanderung der Industrie (Carbon Leakage) aus. Statt kostenfreier Zuteilung von Verschmutzungsrechten, Strompreiskompensation und Befreiungen von Steuern und Umlagen braucht es stattdessen den Grenzausgleich und gezielte Unterstützung bei der Dekarbonisierung der Industrie. So können Wettbewerbsverzerrungen vermieden und die rund 700 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen in den Blick genommen werden, für die die EU-Mitgliedsstaaten über Produktimporte und ihren Konsum über die rein territorialen Emissionen hinaus mit verantwortlich sind.

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Länder wollen Wirkung des CO2-Preis begrenzen

MEDIENINFO 04/2021

Zur heutigen Verabschiedung eines Entschließungsantrags des Bundesrates zu Ausnahmen der CO2-Bepreisung für Industrie und Unternehmen vom Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung – BECV, CO2-Preisgesetz für Heizen und Verkehr) erklärt Ulf Sieberg, Leiter Büro Berlin des CO2 Abgabe e.V.:

„Die Forderung der Länder, die sowieso schon geringe Wirkung des CO2-Preises für Industrie und Unternehmen zu begrenzen, schadet dem Standort Deutschland. Wer glaubt, mit Ausnahmen ließe sich die Wirtschaft dauerhaft schützen, irrt. Robust und wettbewerbsfähig bleiben Industrie und Unternehmen nur dann, wenn sie Anreize haben, in klimaneutrale Produktion und Produkte zu investieren. Denn es sind die Unternehmen in Deutschland, die auf 77 Prozent der Treibhausgasemissionen einen Einfluss haben. Statt sie von den Regelungen auszunehmen, sollten Unternehmen mit hohen CO2-Vermeidungskosten finanziell unterstützt werden.

Der Wunsch der Länder nach noch pauschalerer Ausgestaltung der Entlastungsregelungen schmälert die Lenkungswirkung des CO2-Preises weiter und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, die wegen hoher CO2– Emissionen am dringendsten in Klimaschutz investieren müssen. Bei dem laut Entwurf vorgesehenen Entlastungsniveau handelt es sich schon jetzt um mehr als ein angemessenes Verhältnis zu dem vom Brennstoffemissionshandel verursachten Carbon Leakage-Risiko. Denn die Unternehmen werden 3-fach entlastet: Über die bestehende Strompreiskompensation in Höhe von zwei Milliarden Euro, die Absenkung der EEG-Umlage aus den Einnahmen der CO2– Bepreisung sowie über die geplanten Beihilfezahlungen von bis zu 95 % des CO2-Preies.

Ausnahmen sollten die Ausnahme bleiben. Beihilfen sollten nur für Unternehmen gezahlt werden, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Sie sind nur dann zu rechtfertigen, wenn als Gegenleistung in Klimaschutz investiert wird. Bleiben Ausnahmen beschränkt, bedeutet das weniger Bürokratie.“

Hintergrund: Am 11. Februar 2021 hat das Bundesumweltministerium die Verbände- und Länderanhörung zum Referentenentwurf einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung –BECV) eingeleitet. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sollen Unternehmen künftig im Rahmen des nationalen Brennstoffemissionshandels einen finanziellen Ausgleich beantragen dürfen, sofern ihnen durch den CO2-Preis Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Das Bundesumweltministerium hatte bereits vor Weihnachten einen Entwurf zur Abstimmung an die anderen Bundesministerien versandt, der keine Zustimmung in den anderen Ministerien fand, um die Verbändeanhörung zu starten. Und noch immer ist der Entwurf nicht ressortabgestimmt. Ursprünglich hatte der Deutsche Bundestag in einem Entschließungsantrag gefordert, die Carbon Leakage-Verordnung noch im Jahr 2020 und damit vor Inkrafttreten des Brennstoffemissionshandelsgesetzes am 1.1.2021 zu verabschieden. Nach der am 25. Februar beendeten Länder- und Verbändeanhörung muss sich die Bundesregierung nun einigen und einen Kabinettsbeschluss fassen. Anschließend hat der Bundestag acht Wochen Zeit, Einspruch gegen die Verordnung einzulegen.

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Referentenentwurf zum Schutz vor Abwanderung von Unternehmen da

MEDIENINFO 03/2021

Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung – BECV, CO2-Preisgesetz für Heizen und Verkehr) erklärt Ulf Sieberg, Leiter Büro Berlin des CO2 Abgabe e.V.:

„Die gestartete Verbändebeteiligung zu dem nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmten Entwurfs zeigt die Doppelzüngigkeit von Teilen der Regierung beim Klimaschutz. Zwar ist der Schutz zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen für die von Abwanderung betroffenen Unternehmen richtig. Er darf aber nicht wie von den unionsgeführten Bundesministerien gewollt dazu führen, dass durch pauschale Ausnahmen ganzer Branchen die Lenkungswirkung des CO2-Preises geschmälert wird. Die Aufnahme weiterer Sektoren in die Carbon Leakage-Liste muss daher verhindert werden. Insbesondere der Güterverkehr darf nicht in die Liste aufgenommen werden, da hier im letzten Jahrzehnt CO2-Einsparungen nicht erbracht wurden und Anreize dringend geboten sind.

Der Vorwurf, der Nachweis des Carbon Leakage-Risikos führe zu Bürokratie, ist eine Folge des von CDU/CSU durchgefochtenen Mechanismus eines Brennstoffemissionshandels. Mit einer CO2-basierten Energiesteuerreform hätte der bürokratische Aufwand zur Einführung von CO2-Preisen für fossile Brenn- und Kraftstoffe einfacher, unbürokratischer und rechtssicherer erfolgen können.

Die unternehmensbezogene Prüfung von Carbon Leakage-Risiken ist aber eine zwingende Notwendigkeit. Nur mit ihr können Ausnahmen begrenzt und Kompensationen an Investitionen in klimafreundliche Technologien geknüpft werden. Beihilfezahlungen werden damit wie Fördermittel an ein Antragsverfahren gebunden. An der Fokussierung der Förderung an tatsächliche Carbon-Leakage-Risiko ist daher festzuhalten. Studien hatten hier bereits aufgezeigt, dass das Risiko sowieso nur für wenige Branchen gilt. Zudem muss die Absenkung der EEG-Umlage auf Kompensationszahlungen an Unternehmen allein aufgrund des EU-Beihilferechts angerechnet werden, um Doppelentlastungen zu vermeiden (§ 10 BECV).

Sollten bei den Klimaschutzmaßnahmen als Gegenleistungen der Unternehmen neben der Kapitalwertmethode zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit auch die Amortisationsdauer in Betracht kommen, würde dies Maßnahmen mit einer langen Lebensdauer benachteiligen (§ 12 Abs. 1 BECV). Die Amortisationsmethode, welche Klimaschutzmaßnahmen mit größerer Wirkung schlechter stellt, sollte daher nicht zur Betrachtung der Wirtschaftlichkeit gelten.

Hintergrund: Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sollen Unternehmen künftig im Rahmen des nationalen Brennstoffemissionshandels einen finanziellen Ausgleich beantragen dürfen, sofern ihnen durch den CO2-Preis Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Das Bundesumweltministerium hatte bereits vor Weihnachten einen Entwurf zur Abstimmung an die anderen Bundesministerien versandt, der keine Zustimmung in den anderen Ministerien fand, um die Verbändeanhörung zu starten. Der Deutsche Bundestag hatte in einem Entschließungsantrag gefordert, die Carbon Leakage-Verordnung noch im Jahr 2020 und damit vor Inkrafttreten des Brennstoffemissionshandelsgesetzes am 1.1.2021 zu verabschieden.

Nach der Verbändeanhörung bis zum 25. Februar muss sich die Bundesregierung einigen und einen Kabinettsbeschluss fassen. Anschließend hat der Bundestag acht Wochen Zeit, Einspruch gegen die Verordnung einzulegen.

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CO2-Bepreisung startet: Klimaschutzwirkung und  Sozialverträglichkeit mangelhaft

MEDIENINFO 20/2020

Zum Inkrafttreten des nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) für Heizen und Verkehr am 1. Januar 2021 erklärt die Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland, dessen Mitglied der CO2 Abgabe e.V. ist: CO2-Bepreisung startet: Klimaschutzwirkung und Sozialverträglichkeit mangelhaft

Am 1. Januar 2021 startet der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr. Damit wird auf fossile Brenn- und Kraftstoffe erstmals ein CO2-Preis erhoben. „Eine nationale CO2-Bepreisung kann einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Jedoch hat die Bundesregierung die Chance verpasst, ein klimapolitisch wirksames und sozial gerechtes Modell auf den Weg zu bringen. Sie muss nun dringend nachbessern”, fordert Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland.

„So, wie die Bundesregierung den nationalen Emissionshandel jetzt einführt, leistet er nicht den notwendigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele”, kritisiert Averbeck. Der CO2-Preis startet lediglich mit wenigen Cent mehr an Kosten für klimaschädliches Benzin und Heizöl. Allen Expertinnen und Experten ist klar, dass der im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) bisher vorgesehene Preispfad zu niedrig angelegt ist, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Bundesregierung schwächt die Wirksamkeit des Instruments durch weitreichende Ausnahmen für ganze Industriezweige zusätzlich ab. „Das gefährdet die Glaubwürdigkeit und die Unterstützung für den CO2-Preis”, betont Averbeck.

Die Klima-Allianz Deutschland kritisiert, dass die Bundesregierung den Klimaschutz auf die lange Bank schiebt, da sie auf einen sprunghaft ansteigenden Preis nach 2026 setzt. „Klimaschutz muss sich schon jetzt auszahlen. Dazu ist es notwendig, dass ein investitionsrelevanter CO2-Preis bereits in den kommenden fünf Jahren planbar ansteigt”, fügt Averbeck hinzu. Das zivilgesellschaftliche Bündnis sieht die Bundesregierung in der Pflicht, Anreize für klimafreundliche Investitionen und Verhaltensweisen zu setzen. Um eine ausreichende ökologische Lenkungswirkung zu entfalten und Planungssicherheit für alle Akteure zu bieten, fordert die Klima-Allianz Deutschland, die Internalisierung der externen Kosten bis 2030 an den vom Umweltbundesamt sehr konservativ berechneten Schadenskosten in Höhe von rund 200 Euro pro Tonne CO2 auszurichten[1]. Dafür soll ein ansteigender Mindestpreis im nationalen Emissionshandel eingeführt werden. Ordnungsrechtliche und Marktinstrumente müssen hierfür kombiniert werden. Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen vieler Expertinnen und Experten.

„Die CO2-Bepreisung kann nur dann ein wirksames und akzeptiertes Klimaschutzinstrument sein, wenn sie soziale Gerechtigkeit, ökonomische Effizienz und effektiven Klimaschutz miteinander in Einklang bringt. Dieser Anspruch ist bei der Regelung der Bundesregierung nicht erkennbar”, stellt Averbeck fest und erläutert: „Die vorgesehene Verwendung der Erlöse aus der CO2-Bepreisung für die Reduktion der EEG-Umlage ist sozialpolitisch unzureichend. Die geplante Anhebung der Pendlerpauschale führt zu ökologischen Fehlanreizen und schwächt damit die Lenkungswirkung weiter ab. Um die Sozialverträglichkeit der CO2-Bepreisung zu gewährleisten, muss bei den Ausgleichsmechanismen dringend nachgesteuert werden. Dies könnte zum Beispiel über eine sogenannte Klimaprämie geschehen, also eine Rückverteilung der Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürger, wie sie bereits in anderen europäischen Ländern praktiziert wird[2].”

Die aktuelle Regelung verschärft den Druck auf Mieterinnen und Mieter, da die Vermietenden die Kosten des CO2-Preises nach geltendem Mietrecht an die Mietenden weitergeben können. „Die Bundesregierung hat bisher versäumt, in diesen wichtigen Fragen eine Lösung herbeizuführen. Neben der Förderung für Wärmedämmung und den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen braucht es eine faire und verursachergerechte Kostenaufteilung, die auch soziale Härtefälle stärker berücksichtigt”, betont Averbeck.

[1]Aus Sicht des CO2 Abgabe e.V. ist ein einheitlicher Preis über alle Sektoren, der moderat ansteigt wichtiger als eine schnelle Erreichung der tatsächlichen Klimaschadenskosten in Höhe von 180 Euro je Tonne CO2 (vgl. CO2 Abgabe e.V. 2019a).

[2] Der CO2 Abgabe e.V. bevorzugt die Absenkung bestehender Steuern und Umlagen aus dem Energiebereich wie die EEG-& KWGK-Umlage auf null sowie die Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß, da eine Klimadividende die Chance eines Bürokratieabbaus bei bestehenden Steuern, Umlagen und Ausnahmen vergibt und im  Gegenteil selbst mit erhöhtem bürokratischen Aufwand verbunden ist, nicht zwingend für die Energiewende und den Klimaschutz eingesetzt wird und zu Rebboundeffekten führen kann (vgl. CO2 Abgabe 2019b, Kap. 3.1 ff.)

 

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Ulf Sieberg, Leiter Büro Berlin CO2 Abgabe e.V.

Tel. 0152 553 70 200, Ulf.Sieberg@klimaschutz-im-bundestag.de

Ausnahmen vom CO2-Preis verhindern

MEDIENINFO 19/2020

Zur geplanten Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (CO2-Preisgesetz für Heizen und Verkehr) erklärt Dr. Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V.:

„Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), weitreichende Ausnahmen vom CO2-Preisgesetz für Unternehmen durchzusetzen, muss verhindert werden. Gutachten zeigen, dass das Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) keine Carbon Lakage-Risiken birgt. Es darf weder pauschale Ausnahmen ganzer Branchen des verarbeitenden Gewerbes oder des Verkehrssektors noch Beihilfen ohne umfangreiche Gegenleistungen zum Klimaschutz geben. Ein CO2-Preis, der am Ende für Mieter, aber für große Teile der Unternehmen nicht durch CO2-mindernde Maßnahmen wirksam wird, ist nicht nur sozial ungerecht, er läuft auch dem Zweck des BEHG zuwider. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und damit besonderen Härten unterliegen, sollten nicht ausgenommen, sondern wie vom Bundesumweltministerium geplant, bei der Umsetzung von Klimaschutz finanziell unterstützt werden. So muss am Entwurf der Carbon-Leakage-Verordnung festgehalten werden, dass mindestens 80 Prozent der Ausgleichszahlungen in Klimaschutz fließen müssen.

Gutachten der Bundesregierung zeigen, dass die Liste der beihilfeberechtigten Unternehmen entgegen dem BMU-Entwurf weiter eingeschränkt werden sollte. Die Großzügigkeit Kompensationszahlungen an Unternehmen zu leisten, selbst wenn diese an Bedingungen geknüpft werden, ist unberechtigt. So zeigt das DIW-Gutachten, dass lediglich die Gipsindustrie gemäß Brennstoffemissionshandelsgesetz im internationalen Wettbewerb steht und beihilfeberechtigt ist.“

Hintergrund: Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sollen Unternehmen künftig im Rahmen des nationalen Brennstoffemissionshandels einen finanziellen Ausgleich beantragen dürfen, sofern ihnen durch den CO2-Preis Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Letzte Woche Mittwoch würde ein Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums an die anderen Bundesministerien versandt mit dem Wunsch, am Donnerstagmittag die Länder- und Verbändeanhörung zu starten mit dem Ziel, am 16.12. einen Entwurf im Bundeskabinett zu verabschieden. Der Deutsche Bundestag hatte in einem Entschließungsantrag gefordert, die Carbon Leakage-Verordnung noch in diesem Jahr und damit vor Inkrafttreten des Brennstoffemissionshandelsgesetzes am 1.1.2021 zu verabschieden. Das Bundeswirtschaftsministerium hat jedoch gegen den Start der Anhörung ein Veto eingelegt. Heute soll es dazu auf Staatssekretärsrunde Gespräche geben. Ob eine Einigung zustande kommt und es die Verordnung damit am Mittwoch ins Bundeskabinett schaft, ist fraglich. Allerdings hätte eine spätere Verabschiedung durch das Bundeskabinett keine Konsequenzen für das Inkrafttreten des Brennstoffemissionshandelsgesetzes.

Das BMU plant mit dem Entwurf der CL-VO als Gegenleistung begünstigten Unternehmen zu verpflichten, ein Energiemanagementsystem zu betreiben und Maßnahmen umzusetzen, die die Energieeffizienz verbessern und CO2-Emissionen verringern. Die nach § 11 Abs. 3 des BEHG vorgesehene CL-VO richtet sich dabei nicht an die berichtspflichtigen Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen, sondern an Unternehmen, die diese Brennstoffe im Produktionsprozess einsetzen, die zusätzlichen CO2-Kosten jedoch aufgrund der Wettbewerbssituation mit ausländischen Anbietern nicht über die Produktpreise an Endverbrauchende weitergeben können. Die Anzahl der beihilfeberechtigten Unternehmen sowie das Gesamtbeihilfevolumen entscheidet dabei über die Lenkungswirkung des Brennstoffemissionshandels für den Klimaschutz.

Bereits die beihilfeberechtigte Liste im BMU-Entwurf ist durch die Verknüpfung mit dem EU-Emissionshandel sehr lang. Ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesfinanzministeriums war zu dem Ergebnis gekommen, dass anfänglich eines CO2-Preises in Höhe von 25 Euro je Tonne nur die Gipsindustrie beihilfeberechtigt sein dürfte. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Umweltbundesamt.

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Entwurf zur Carbon Leakage-Verordnung des BEHG

MEDIENINFO 17/2020

Zum heute bekannt gewordenen Entwurf* einer Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Leakage durch den nationalen Brennstoffemissionshandel (CO2-Preisgesetz für Heizen und Verkehr) erklärt Dr. Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V.:

„Die Bundesregierung sollte mit Ausnahmen sehr sparsam umgehen. Denn jede Ausnahme schmälert die Lenkungswirkung für den Klimaschutz. Positiv zu bewerten ist, dass der vorliegende Entwurf zur Vermeidung von Carbon Laekage und zum Erhalt der grenzüberschreitenden Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen einen angemessenen Ausgleich findet und Beihilfen an Gegenleistungen knüpft. So müssen Investitionen in Höhe von 80 Prozent der Kompensationszahlungen aus dem Vorjahr in Klimaschutzmaßnahmen fließen. Daran ist unbedingt festzuhalten. Wir fordern, dass die Unternehmen Anfang 2022 einen Transformationsfahrplan vorlegen müssen, der Auskunft darüber gibt, wie gezahlte Beihilfen innerhalb der nächsten vier Jahre zur Reduktion von CO2-Emissionen eingesetzt werden sollen.

Verbesserungsbedarf besteht vor allem bei der Höhe der Kompensationsleistungen insgesamt und der Anrechnung der Strompreisentlastung. So ist der Kompensationsgrad betroffener Unternehmen von bis zu 95 Prozent zu hoch bemessen. Die Anrechnung der EEG-Umlagenabsenkung auf die Beihilfe in Höhe von 1,37 Cent je Kilowattstunde ist zu niedrig angesetzt. In beiden Fällen ist eine angemessene Beteiligung der Unternehmen am Klimaschutz notwendig. So sollte der Kompensationsgrad stärker gedeckelt und die EEG-Umlagenabsenkung mit 3,15 Cent vollständig von der Beihilfe abgezogen werden. Damit würden die CO2-Preiseinnahmen in Höhe von 10,8 Mrd. Euro angerechnet.

Der Entwurf der Verordnung, wie er dem CO2 Abgabe e.V. vorliegt, zeigt, dass die Bundesregierung mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz und seinen dreizehn Verordnungen den Weg des größtmöglichen bürokratischen Aufwandes gewählt hat. Statt Ausnahmen sollten stattdessen Instrumente greifen, welche die Unternehmen bei der Dekarbonisierung unterstützen. Dazu gehören Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference) genauso wie der von der EU-Kommission vorgeschlagene CO2-Grenzausgleich. Zudem sind zeitnah noch genauere Folgenabschätzungen für betroffene Unternehmen einzuholen.

Hintergrund: Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sollen Unternehmen künftig im Rahmen des nationalen Brennstoffemissionshandels einen finanziellen Ausgleich beantragen dürfen, sofern ihnen durch den CO2-Preis Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Als Gegenleistung sollen die begünstigten Unternehmen verpflichtet werden, ein Energiemanagementsystem zu betreiben und Maßnahmen umzusetzen, die die Energieeffizienz verbessern und CO2-Emissionen verringern. Die nach § 11 Abs. 3 des BEHG vorgesehene Carbon-Leakage-Verordnung richtet sich dabei nicht an die berichtspflichtigen Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen, sondern an Unternehmen, die diese Brennstoffe im Produktionsprozess einsetzen, die zusätzlichen CO2-Kosten jedoch aufgrund der Wettbewerbssituation mit ausländischen Anbietern nicht über die Produktpreise an Endverbrauchende weitergeben können. Die Anzahl der beihilfeberechtigten Unternehmen sowie das Gesamtbeihilfevolumen entscheidet dabei über die Lenkungswirkung des Brennstoffemissionshandels für den Klimaschutz.

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MEDIENINFO zur Verabschiedung der Novelle des Brennstoffemissionshandels durch den Bundestag am 8.10.2020

MEDIENINFO 12/2020

Pressestatement zur Verabschiedung der Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) durch den Bundestag am 8.10.2020

Der CO2 Abgabe e.V. begrüßt grundsätzlich die Anhebung des anfänglichen CO2-Preises von auf 25 € pro Tonne CO2e. im Rahmen der Novelle des BEHG. Wir bedauern aber, dass mit dem BEHG der Berg an Komplexität und an Bürokratie weiter zunimmt. Eine Ausnahmen und Fehlanreiz abbauende Steuer- und Umlagenreform sowie ein Abbau klimaschädlicher Subventionen mit der Gießkanne stehen nach wie vor aus. Ebenso wie die Lösung des Mieter/Vermieter Dilemmas, ohne die im Gebäudebereich CO2-Preise nur eine sehr eingeschränkte Wirkung entfalten werden. Im Verkehrsbereich sind die CO2-Preise ohnehin zu gering, um die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes (ca. weniger 40 % Benzin und Dieselverbrauch) bis 2030 erreichen zu können.
Dr. Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V. erklärt dazu:

Die gestern verabschiedete Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetz wird ihre Lenkungswirkung im Gebäudebereich nur sehr eingeschränkt entfalten können. Der momentanen Sachlage nach kommen die mit dem CO2-Preisaufschlag erhöhten Energiepreise bei Mietern an, die keinen Einfluss auf Heizungserneuerung und Gebäudesanierung haben, während Vermieter die erhöhten Preise ohne handeln zu müssen einfach durchreichen können. Darüberhinaus fehlt dem BEHG eine Perspektive, wie man den Schutz vor Abwanderung von Unternehmen (Carbon Leakage) weg von bürokratischen Ausnahmen und Kompensationszahlungen hin zu einem praktikablen CO2-Grenzausgleich entwickelt und mit dem europäischen Emissionshandel abstimmt.

Hintergrund:

Mit dem BEHG wird die Einigung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom Dezember 2019 für höhere CO2-Preise umgesetzt. Teile der Einnahmen dienen dazu, die EEG-Umlage abzusenken. Höhere Preise und  Einnahmen könnten zu einer Absenkung der EEG-Umlage auf null verwendet werden und zu Strompreisentlastungen von Haushalten und vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen führen. Gleichzeitig könnten mit BEHG- und EEG-Novelle zahlreiche Ausnahmetatbestände und Meldepflichten im EEG entfallen und die Energiewende entbürokratisieren. Mit dem Festhalten und Ausweiten des bestehenden Systems von Ausnahmen und Kompensationen wird Bürokratie auf- statt abgebaut.

Pressekontakt: Kathinka Gaess, Referentin Kommunikation, CO2 Abgabe e.V., Tel. +49 (0)761 45 89 32 77, info@klimaschutz-im-bundestag.de
Weiterführende Informationen des CO2 Abgabe e.V.:

Grenzausgleich: Von Ausnahmen zu verursachergerechten und klimagerechten Produktpreisen

Ein CO2-Grenzausgleich und Differenzverträge zur Finanzierung treibhausgasarmer Produktionsprozesse sowie einheitliche wirksame CO2e-Preise ermöglichen die Abkehr von einer Politik der Ausnahmen hin zur gezielten Förderung treibhausgasarmer Produkte.

Videoaufzeichnung Impulsvortrag Online-Seminar zur Energiebesteuerungsrichtlinie & zum Grenzausgleich am 6.10.2020

Präsentation (en)
Präsentation (de)

Diskussionspapier
Grenzausgleich – Von Ausnahmen zu verursachergerechten und klimagerechten Produktpreisen (de)
Carbon-boarder-adjustment-mechanism (en)

1        Einführung

Am 23. Juli 2020 leitete die Europäische Kommission (EU-Kommission) zwei wichtige Vorhaben mit öffentlichenKonsultationen im Rahmen des European Green Deal ein. Alle interessierten Parteien (Bürger*innen und Institutionen) wurden per Fragebogen aufgefordert, sich zur Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie und einem neuen CO2-Grenzausgleichssystem über die folgenden beiden separaten Konsultationen zu äußern. Zu beiden Vorhaben möchte die EU-Kommission bis Mitte 2021 Vorschläge vorlegen.

Beide Vorhaben stehen, zusammen mit der Reform des europäischen Emissionshandel (EU-ETS), in einem engen inhaltlichen Zusammenhang und eröffnen die Möglichkeit einer Abkehr der bisherigen Politik das Risiko der Abwanderung von Produktion und Emissionen z.B. ins außereuropäische Ausland (des Carbon Leakage) vorwiegend mit Ausnahmen zu lösen.

Zu den bisherigen Ausnahmen gehören die kostenfreie Zuteilung von Verschmutzungsrechten im Rahmen des EU-ETS, die Strompreiskompensation oder Erleichterungen bei Steuern und Umlagen (wie z.B. auch der Besonderen Ausgleichsregelung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes in Deutschland).

Dadurch sind weder die importierten Treibhausgasemissionen von Produkten noch große Teile der Industrieemissionen der Europäischen Union (EU) tatsächlich mit einem CO2-Preis belegt.

Inzwischen hat sich die EU-Kommission insofern bereits positioniert, als dass sie die CO2-Bepreisung für die Bereiche Gebäude und Verkehr im Rahmen einer Erweiterung des EU-ETS nach dem Vorbild des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) als mögliche Lösung hervorhebt (EU 2020EU-2020-1EU-2020-2). Deutschland beschreitet allerdings mit dem nationalen Brennstoffemissionshandel für Gebäude und Verkehr gegenüber allen anderen EU-Staaten, die CO2-Preiskomponenten über ihre nationalen Energiesteuern realisiert haben oder planen, einen Sonderweg.

1.1        Hintergrund Pariser Klimaschutzabkommen und Green Deal

Die EU und ihre Mitgliedstaaten zählen zu den über 190 Vertragsparteien des Übereinkommens von Paris (Pariser Klimaabkommen) von 2015. Die EU hat das Übereinkommen am 5. Oktober 2016 formell ratifiziert. Nachdem es mindestens 55 Länder, die für mindestens 55 % der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, ratifiziert haben, ist das Abkommen seit dem 4. November 2016 in Kraft.

Die bisherigen Zusagen der Staatengemeinschaft zu Emissionsminderungen und der Schaffung von CO2-Senken reichen bei weitem noch nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Dies betreffen auch die bisherigen Ziele und Maßnahmenpläne der EU-Mitgliedsstaaten.

Daher schlägt die EU-Kommission nun im Rahmen des EU Green Deal und auf Grundlage der Bewertung der nationalen Energie- und Klimapläne den Mitgliedstaaten bis Jahresende vor, ein neues Klimaziel zu beschließen – im Gespräch ist seitens der EU-Kommission eine Reduktion der Treibhausgase um 55% (EU 2020EU-2020-1EU-2020-2), das Europäische Parlament hat sich für 60% bis 2030 statt bisher 40% (zu 1990) ausgesprochen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss im EU-ETS der jährliche Reduktionsfaktor von derzeit 2,2% pro Jahr deutlich erhöht und die Cap für die Obergrenze an Verschmutzungsrechten (Zertifikate) stärker als bisher sinken. In der Folge werden die CO2e-Preise im EU-ETS ansteigen bzw. Überschüsse an Zertifikaten schnell abgebaut werden.

Spätestens dann werden die bisherigen Maßnahmen bzw. Ausnahmen zum Schutz vor Carbon Leakage, wie die kostenfreie Zuteilung von Verschmutzungsrechten, die Strompreiskompensation und Befreiungen von Steuern und Umlagen, nicht mehr ausreichen. Daher schlägt die EU-Kommission die Einführung eines Grenzausgleiches vor, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und damit ein Carbon Leakage zu verhindern.

2        Europäischen Energiebesteuerungsrichtlinie 2003/96

Die Energiebesteuerungsrichtlinie 2003/96 enthält die EU-Vorschriften für die Besteuerung von Kraft- oder Heizstoffen sowie von elektrischem Strom.
Bereits 2011 wollte die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag die Richtlinie u.a. dahingehend ändern, dass

  • die steuerliche Belastung der einzelnen Brennstoffe, einschließlich erneuerbarer Energieträger, auf Basis des Energieinhalts und der CO2-Emissionen umverteilt wird und
  • ein Rahmen für die CO2-Besteuerung im Binnenmarkt geschaffen wird, der CO2-Emissionen, die nicht durch des EU-ETS erfasst werden, einen Preis gibt.

Die Höhe der CO2-abhängigen Mindeststeuerbeträge sollte dabei der Entwicklung des Marktpreises für die CO2-Emissionszertifikate des EU-ETS folgen. Die Novelle der Richtlinie wurde damals von der Tagesordnung genommen u.a., weil Luxemburg, Polen und auch Deutschland dem nicht zugestimmt hätten.

Der Europäische Rat hat die Kommission nun am 29.11.2019 formell beauftragt (Dok.-Nr. 14608/19), die Richtlinie 2003/96/EG (Energiesteuerrichtlinie) zu überarbeiten.

Mit der oben bereits erwähnten Hervorhebung der Möglichkeit, den EU-ETS auf die Bereiche Gebäude und Verkehr auszudehnen, widerspricht die EU-Kommission ihrem Vorschlag von 2011, über die Energiesteuerrichtlinie den CO2-Emissionen, die nicht durch den EU-ETS erfasst werden, einen an den Treibhausgasen orientierten Preis zu geben. Zudem steht der Vorschlag den CO2-Steuerregelungen von zwölf EU-Mitgliedsstaaten entgegen, die bereits zusätzlich zum EU-ETS nationale CO2-Preise eingeführt haben (vgl. Germanwatch 2019).

Die Erweiterung um die Bereiche Gebäude und Verkehr in den Handel mit Verschmutzungsrechten im Rahmen des EU-ETS würde, wie das nationale deutsche Beispiel BEHG mit 13 Verordnungen zeigt, auch auf der europäischen Ebene zu deutlich mehr bürokratischem Aufwand als eine CO2-Bepreisung im Rahmen einer europäischen Energiesteuer-und Umlagenreform führen (CO2 Abgabe e.V. 2020).

Unabhängig von der Frage, wie (Erweiterung EU-ETS oder Steuerlösung) einheitliche mit dem EU-ETS abgestimmte CO2e-Preise auch im Bereich von Gebäude und Verkehr eingeführt werden, müsste der CO2e-Preis bei Gebäude und Verkehr durch einen starken ordnungsrechtlichen Rahmen begleitet sein, um bei anfänglich niedrigeren Zertifikatspreisen wirksam zu werden. Denn neben dem CO2e-Preissignal braucht es weitere Maßnahmen, um die CO2-Vermeidungsoptionen von Mietenden und Berufspendelnden zu verbessern. So wäre der CO2e-Preis, der weit unter den Vermeidungskosten liegt, allein für viele Autofahrende kein ausreichender ökonomischer Anreiz, um z.B. auf alternative Antriebe (Elektro, Wasserstoff oder E-Fuels) zu wechseln. Zumal dann, wenn die gleichzeitig mit der Gießkanne verteilten klimaschädlichen Subventionen (Fehlanreize), wie die Entfernungspauschale, das Dienstwagenprivileg oder hohe Aufschläge für erneuerbaren Strom wie in Deutschland bestehen bleiben. Allerdings können Mietende und Pendelnde durch Handlungsoptionen in anderen Bereichen (Konsum, Strom, Wärme) durchaus CO2-Emissionen vermeiden und dadurch Kosten senken.

Eine Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie, die zu Preisen führt, die mehr als bisher die wahren Kosten der fossilen Energien in den Endprodukten sichtbar werden lässt, würde auch den Druck auf alle Staaten steigern, staatlich veranlasste Preisbestandteile aneinander anzugleichen, um Wettbewerbsverzerrungen wie es der Internationale Währungsfond gefordert hat (IMF 2019) insgesamt zu vermeiden. So schwanken die aktuellen Energiesteuersätze in den EU-Mitgliedsstaaten bei den Kraftstoffen zwischen 33 und 61,7 Eurocent, bei den Heizstoffen zwischen 2,1 und 50,4 Eurocent je Einheit und beim Strom zwischen 0,1 und 12,5 Eurocent je Kilowattstunde.

3        Grenzausgleich als Schutz vor Carbon Leakage

Im Zuge des Green Deal schlägt die EU-Kommission mit einem Grenzausgleich auch ein bereits seit Jahrzehnten umfangreich diskutiertes grundlegend anderes Instrument zum Schutz vor Carbon Leakage vor. Der Grenzausgleich ist in erster Linie ein Mechanismus für den Schutz vor Carbon Leakage und bewirkt nicht automatisch höhere CO2-Preise oder die Defossilisierung der Grundstoffindustrie.

Die bisherigen Maßnahmen zum Schutz vor Carbon Leakage im EU-ETS (kostenfreie Zuteilung und Strompreiskompensation sowie verringerte Energiesteuer- und Umlagensätze für viele Unternehmen) sind nicht geeignet, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um bis zu 60 % bis 2030 zu erreichen. Ausnahmen von staatlich veranlassten Preisbestandteilen oder eine Deckelung der Industriestrompreise lasten zudem die Kosten der Transformation hin zu klimaneutralen Produktionsverfahren nicht den eigentlichen Verursachern wie z.B. dem Käufer eines Autos, das Aluminium oder Stahl enthält an, sondern der Allgemeinheit.

Für alle Varianten eines Grenzausgleichs, um das Risiko des Carbon Leakage zu lösen gilt:

  • ein Wechsel von einer rein territorial und produktionsbasierten Emissionsbetrachtung und ggf. Erfassung hin zu einer Betrachtung, die auch außereuropäische oder konsumbasierte Emissionen (Emissionsfußabdruck) zur Grundlage der Bepreisung bzw. eines Grenzausgleichs macht.
  • der CO2-Gehalt bzw. besser das Treibhausgaspotential von betroffenen Gütern und Dienstleistungen muss mehr oder weniger detailliert erfasst und es muss entschieden werden, wie stark Vorleistungen (Lieferketten) einbezogen werden.
  • die Frage, wie man mit den unterschiedlichen Emissionen der Stromerzeugung (indirekte Emissionen) und dem Risiko eines „Resource Shuffling“ umgeht? Produzenten im Ausland könnten ihren „grünen“ Strom oder recycelte Materialien für die EU-Waren ausweisen, aber weiterhin die restliche Produktion mit fossilen Energien betreiben (vgl. DIW 2020).

Die Idee und theoretische Wirkungsweise der verschiedenen Varianten sind damit gar nicht weit auseinander, sondern es kommt primär auf einen praktikablen schnellen Einstieg mit überschaubarem Aufwand an.

Alle derzeit diskutierten Mechanismen zum Grenzausgleich, sei es über eine Steuer an der Grenze, über die Verpflichtung zum Kauf von Zertifikaten auf Importe von Grundstoffen oder über eine Abgabe auf Endprodukte, lassen sich je nach Ausgestaltung prinzipiell kompatibel zum Welthandels- und Europarecht ausgestalten (vgl. SWP 2018). Dazu dürfen importierte Produkte nicht schlechter behandelt werden als gleichartige einheimische Waren. Dies bedeutet vor allem, dass der Grenzausgleich auf Importe nicht höher ausfallen darf als die Besteuerung der einheimischen Waren.

Folgende grundsätzliche Ausgestaltungsvarianten eines Grenzausgleichs sind derzeit in der Diskussion:

  • Verpflichtung zum Kauf von EU-ETS Zertifikaten auf Importe:
    Unternehmen, die treibhausgasintensive Grundstoffe nach Deutschland importieren, müssen nach den gleichen Regeln EU-ETS Zertifikate kaufen.
  • Grenzsteuerausgleich (Carbon Border Tax):
    Steuer in Höhe z.B. des EU ETS- Zertifikatepreises für energieintensive Grundstoffe beim Übertritt an der Grenze nach dem Prinzip des Mehrwertssteuerausgleichs.
  • Endproduktabgabe [Konsum- oder Klimaabgabe (z.B. DIW 2020)]:
    Abgabe auf Endprodukte (wie z.B. Autos) mit einem hohen Anteil von emissionsintensiven Grundstoffen in Kombination mit der kostenfreien, aber „dynamischen Zuteilung“ von EU-ETS Zertifikaten (für den Treibhausgasausstoß, der über den Produktbenchmarks liegt und mit der Zeit durch höhere Produktbenchmarks und eine absinkende Cap an Zertifikaten sinkt) und Differenzverträgen (Carbon Contract for Difference, CCFDs) (vgl. Kap. 5.4) zur Finanzierung klimaneutraler Produktionsverfahren.

Ziel eines geeigneten Mechanismus zum Grenzausgleich sollte es sein, die wahren „Kosten“ zum Beispiel der Chemie-, Stahl- oder Zementherstellung in die Endprodukte einpreisen zu können. Die Preissignale sollten beim Nutzer eines Produktes ankommen, um ggf. auch eine andere Produktentscheidung treffen zu können.

Der effektivste Weg, um sicherzustellen, dass Preissignale den Verbraucher erreichen, ist über das Endprodukt. Gleichzeitig muss jedoch der Anreiz für die Produzenten, Treibhausgase einzusparen, erhalten bleiben. Dies kann z.B. durch die kostenlose „dynamische Zuteilung“ (vgl. DIW 2020 S. 5) von EU-ETS-Zertifikaten entsprechend den steigenden Anforderungen, z.B. durch Produktbenchmarks und ein absinkenden der Cap an Zertifikaten, erreicht werden.

Die lückenlose Bilanzierung von CO2e-Emissionen über die gesamte Wertschöpfungs-Lieferkette ist daher mittel- bis langfristig ein wichtiger Schritt, um Treibhausgase in den Produkten sichtbar zu machen und zu reduzieren. SAP hat angekündigt, seinen Kunden nicht nur die Transparenz über den CO2e-Ausstoß über die gesamte Wertschöpfungskette zu liefern, sondern auch zu simulieren, welche Maßnahmen gerade in der Beschaffung, Fertigung und Logistik zu einem niedrigeren CO2e Ausstoß führen. Die Value Balancing Alliance (VBA), an der sich Konzerne wie BASF, Bosch, SAP usw. beteiligen, geht noch einen Schritt weiter und will in den kommenden drei Jahren eine Methodik erarbeiten, mit der Unternehmen neben den wirtschaftlichen auch die sozialen und ökologischen Wertbeiträge der Unternehmen untereinander vergleichbar und für Investoren transparenter werden lassen. Unternehmerischer Erfolg ist damit nicht mehr nur an ökonomischen Indikatoren messbar.

Die Treibhausgasemissionen der Primärenergieträger zu bestimmen, die in Grundstoffprodukten zum Einsatz kommen, ist mit durchschnittlichen Werten zur CO2e-Intensität von Grundstoffprodukten bereits heute möglich. Zum Einstieg kann ein Grenzausgleich darauf beschränkt werden. Der Nachweis der Treibhausgase durch alle Produktionsschritte sowie des Transports vieler Zwischen- und Endprodukte (Life-Cycle-Assessment) für Produkte ist dann eine sinnvolle Weiterentwicklung.

Ein funktionierender Grenzausgleich ist ein notwendiger Baustein zum Schutz gegen Carbon Leakage, aber noch kein hinreichendes Instrument zur Finanzierung von (Sprung-)Investitionen in klimaneutrale Produktionsverfahren mit hohen CO2-Vermeidungskosten. Hierzu bedarf es zusätzlicher Bausteine und einer Langfriststrategie zur Weiterentwicklung des EU-ETS wie z.B. durch CCFD.

Auch mit einem funktionierenden Grenzausgleich, der die wahren Kosten in den Endprodukten sichtbar werden lässt, und der Finanzierung teurer emissionsintensiver Produktionsprozesse durch Differenzverträge würde der Druck auf alle Staaten wachsen, wettbewerbsverzerrende Preisbestandteile aneinander anzugleichen:

Unterschiedliche Emissionsintensitäten von eingeführten im Vergleich zu inländischen Waren und Dienstleistungen sollten in „Emissionsrucksäcken“ zum Ausdruck kommen, wie sie die Wissenschaft seit langer Zeit fordert (Glen et al. 2010Global Carbon Project 2019). Der CO2e-Fußabdruck der Waren und Dienstleistungen ist abhängig von ihrer Herkunft und den Produktionsbedingungen wie z.B. der Art der Strom- und Wärmeerzeugung vor Ort. Sie bleiben in den bisherigen Statistiken von Eurostat unberücksichtigt (vgl. EU 2020).

Bei der Berücksichtigung der unterschiedlichen Emissionsintensitäten sind die 27 Mitgliedsstaaten der EU mit rund 700 Millionen Tonnen COder weltweit größte Nettoimporteur von virtuellen CO2-Emissionen über Importe von Waren und Dienstleistungen, die in Drittstaaten emittiert werden (vgl. Felbermayr & Peterson 2020). Es ist nicht nur aus Gesichtspunkten gleicher Wettbewerbs­bedingungen ein folgerichtiger Schritt, diese Emissionsimporte in gleicher Höhe mit den Klimaschadenskosten zu belasten wie die EU-eigenen Emissionen im Sinne des Territorialprinzips. Dadurch würde auch die Klimarelevanz der internationalen Liefer- und Wertschöpfungsketten für den Klimaschutz stärker in den Blick rücken.

4        Fazit

Die EU sollte zum Schutz ihrer Industrie bis Ende 2021 einen CO2-Grenzausgleich einführen. Der effektivste Weg dies zu tun und um sicherzustellen, dass die Preissignale den Verbraucher erreichen, ist über eine Endproduktabgabe (Konsum- oder Klimaabgabe). Der Anreiz für die Produzenten, Treibhausgase einzusparen, muss durch fortlaufend steigende Produktbenchmarks erhalten bleiben. Der Grenzausgleich sollte zunächst für energieintensive Grundstoffe u.a. wie Stahl, Zement und Chemikalien gelten und nach und nach in der gesamten Produkt- und Wertschöpfungs- bzw. Lieferkette abgebildet werden. Mithilfe von Differenzverträgen (Carbon Contract for Difference) muss die Umstellung der Industrie auf klimaneutrale Produktionsverfahren unterstützt werden.

Gleichzeitig müssen die staatlich induzierten Preisbestandteile bei den Energiesteuern und Umlagen an den Klimaschadenskosten ausgerichtet werden. Zusammen mit einem europäischen Grenzausgleich sind ihre einheitliche Ausrichtung die entscheidenden Schritte, um die bisherigen bürokratische Ausnahmeregelungen bei Steuern und Umlagen sofort abzubauen.

Die Bilanzierung der Treibhausgasemissionen durch die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette stellt durch die Sichtbarkeit der Treibhausgasemissionen im Endprodukt für den Klimaschutz einen Mehrwert da und ist daher gerechtfertigt. Im Gegensatz zur bisherigen Bürokratie der Ausnahmen- und Rückerstattungsregelungen fällt der Erfüllungsaufwand durch die fortschreitende Digitalisierung geringer aus.

Parallel zur Einführung eines Grenzausgleiches muss der EU-ETS reformiert und die Cap an den Pariser Klimazielen ausgerichtet werden.

 

5        Begriffserklärungen
5.1        Was bedeutet Treibhausgaspotential (CO2e)?

Länder wie die Schweiz bemessen ihren CO2-Preis anhand des Kohlenstoffgehaltes der fossilen Energieträger. CO2 ist das bekannteste und wichtigste, aber nicht das einzige anthropogene Treibhausgas. Beispielsweise heizen auch Methan und Lachgas (Distickstoffmonoxid) das Klima auf, dies jedoch pro Kilogramm oder Tonne sehr viel stärker als CO2. Um die verschiedenen Treibhausgase vergleichbar zu machen, werden sie hinsichtlich ihrer Klimaschädlichkeit (Erwärmungspotentials) in Kohlendioxidäquivalente (CO2e) umgerechnet.

Spätestens angesichts der Diskussion um die Vorketten und Leckageemissionen aus verschiedenen Quellen genutzten Erdgases, müssen die Berechnungen einheitlicher Preise auf Treibhausgas sich auf Faktoren beziehen, die die Vorkettenemissionen und die Wirkung der Treibhausgase über die Zeit in der Atmosphäre (Global Warming Potencial GWP) angemessen berücksichtigen.

5.2        Was sind Externalitäten?

Die „ökologische Wahrheit“ in den Preisen spür- und sichtbar werden zu lassen, bleibt eine der zentralen Aufgaben der Politik. Dies gilt nicht nur in Form von wirksamen Preisen auf Treibhausgase, sondern kann sich auch auf andere Externalitäten beziehen. Externalitäten werden hier verstanden als Schadenskosten für die Umwelt, die bei Produktion und Konsum entstehen, jedoch nicht beim Verursacher anfallen.

Klimaschadenskosten in den Bereichen Gebäude, Industrie und insbesondere beim Verkehr nur eine Externalität, die es als Umweltschadens- und Gesundheitskosten zu berücksichtigen gilt. So haben Modellrechnungen ergeben, dass sich die Kosten der Energiewende mit dem Verzicht auf fossile Brennstoffe sich alleine durch die geringeren Gesundheitskosten durch saubere Luft amortisieren könnte (Shindell 2020). Im Verkehr werden auch die Infrastrukturkosten nicht gesondert ausgewiesen, wie beispielsweise bei den Netzentgelten beim Gas- oder Stromnetz.

Unterschiedliche Externalitäten in verschiedenen Sektoren:

Externalitäten

 

 

 

 

Die Bepreisung von Externalitäten, wie ein CO2-Preis, kann nicht nur bei der Produktionsweise, sondern auch bei der Nachfrage, z.B. Holz statt Stahl oder Beton als Baustoff zu verwenden, zu mehr Nachhaltigkeit führen. Idealerweise werden über kurz oder lang alle Umweltexternalitäten eingepreist, um nicht die eine Umweltbelastung (z.B. Treibhausgase) in eine andere (z.B. Artensterben durch Staudämme) zu verschieben.

1.1        Was meint Carbon Leakage?

Energieintensive oder treibhausgasintensive Unternehmen können durch Kosten, die durch nicht einheitliche Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, wie z.B. der Teilnahme an einem Emissionshandel oder durch Beteiligung an der EEG-Umlage entstehen, gegenüber Konkurrenten in anderen Ländern Wettbewerbsnachteile haben, wenn die Kosten nicht an die Kunden weitergegeben werden können.
Für sie herrscht daher ein Risiko, ihre Produkte aufgrund höherer Kosten nicht mehr verkaufen zu können, und damit droht die Verlagerung von Produktion und folglich auch von Treibhausgasemissionen an Standorte im Ausland oder Unternehmen, die nicht den gleichen Anforderungen unterliegen. In diesem Falle spricht man von einem „Carbon-Leakage-Risiko“. Eine direkte Betroffenheit vom Carbon-Leakage-Risiko wird angenommen, wenn z.B. durch die Teilnahme am EU-ETS höhere Kosten entstehen, die wegen des intensiven Wettbewerbsdrucks gegenüber Unternehmen außerhalb der EU nicht an die Kunden weitergereicht werden können. Von einem indirekten Carbon-Leakage-Risiko ist die Rede, wenn Unternehmen eine besonders hohe Stromintensität (Anteil Stromverbrauch am Produkt) aufweisen und höhere Strompreise zahlen müssen als ein vergleichbares Unternehmen im Ausland.
Das Carbon-Leakage-Risiko ist umso größer, je weniger Länder wirksame CO2e-Preise eingeführt haben und je größer die Unterschiede bei den CO2e-Preisen zwischen Regionen oder Ländern sind, je treibhausgasintensiver die Produktion von Gütern oder Dienstleistungen ist, je wettbewerbsintensiver die Märkte sind und je weniger Unternehmen höhere Kosten an die Nutzer weitergeben können, je niedriger „Handelskosten“ wie Zölle oder Transportkosten oder andere regulatorische Hindernisse (Bürokratie) sind, und je stärker die Nachfrage auf Preisänderungen (Preiselastizität) reagiert und z.B. durch andere Produkte ersetzbar ist (vgl. auch Felbermayr & Peterson 2020).

 1.2        Was sind Carbon Contracts for Difference?

In der Regel sind Umstellungen von Produktionsprozessen in der Industrie mit erheblichen Sprunginvestitionen verbunden (z.B. Ersatz von Erdgas als Energieträger durch grünen Wasserstoff). Sprunginvestitionen zeichnen sich bei kompletten Verfahrensumstellungen oft durch überdurchschnittlich hohe Finanzierungsvolumina mit entsprechend hohen Risiken und Fremdfinanzierungsbedarf aus. Die zugrundliegenden CO2-Vermeidungskosten der Umstellung sind deutlich höher, als die auch bei gestiegenem Minderungspfad steigenden CO2-Preise im EU-ETS erwarten lassen. Damit bleibt eine Finanzierungslücke bei treibhausgasintensiven Unternehmen bestehen, die z.B. durch Verträge zwischen dem Staat und dem investierenden Unternehmen geschlossen werden kann (Differenzverträge oder Carbon Contracts for Difference, CfD). Hierzu schließt der Staat mit einem Industrieunternehmen einen Vertrag, in dem er Zuschüsse zahlt, solange der Preis für Treibhausgase zu niedrig ist, um in klimaneutrale Produktionsanlagen investieren zu können oder die Betriebskosten wie z.B. den Einkauf von grünem Wasserstoff decken zu können. Wenn der CO2-Preis schließlich ansteigt, zahlt das Unternehmen an den Staat zurück. Beispiel: Angenommen die Vermeidungskosten (abzgl. eingesparte Betriebskosten) eines neuen klimaneutralen Produktionsverfahrens in der Chemie über Grünen Wasserstoff liegen bei 170 € pro Tonne CO2e, der Preis des EU-ETS aber nur bei 50 € pro Tonne. So fehlen dem Unternehmen 120 € pro Tonne, die er nicht z.B. über den Verkauf von entsprechend nicht benötigten EU-ETS Zertifikaten einnehmen kann. Diese stellt der Staat so lange zur Verfügung, bis die EU-ETS-Preise die Höhe von 170 € pro Tonne CO2e erreicht haben. Auf diese Weise kann das Unternehmen sofort mit der klimaneutralen Produktion seines Grundstoffes beginnen und muss nicht erst warten, bis die CO2-Preise das entsprechende Niveau erreicht haben. (vgl. auch DIW 2019).

2        Weiterführende links

Cembureau (2020) Carbon Border Mechanisms – Ena-bling the Industry to Deliver Carbon Neutrality Invest-ments. Online: https://cembureau.eu/media/s1rpi15i/17542-cembureau-position-paper-carbon-border-mechanisms-2020-april.pdf

Cosbey, Wooders, Droege, Fischer, Reinaud, Stephenson, Weischer (2012) A Guide fort he Concerned: Guidance on the elaboration and implementation of border carbon adjustment.
https://www.iisd.org/publications/guide-concerned-guidance-elaboration-and-implementation-border-carbon-adjustment

DIW (2020a) Border Carbon Adjustments and Alternative Measures for the EU-ETS: An Evaluation.
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3561525

DIW (2020b) Time-Consistent Carbon Pricing: The Role of Carbon Contracts for Differences. https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3576402

Eurostat (2020): Greenhouse gas emission statistics – carbon footprints
https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Greenhouse_gas_emission_statistics_-_carbon_footprints#Net_emission_balance_due_to_trade

FÖS (2020): EU Grenzausgleich für den CO2-Preis –  Chance für Klimaschutz und Wettbewerb“
https://foes.de/publikationen/2020/2020-10_FOES_Grenzausgleich_Policy_Brief.pdf

IfW (2020) Economic assessment of Carbon Leakage and Carbon Border Adjustment.
https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2020/603501/EXPO_BRI(2020)603501_EN.pdf

IMF POLICY PAPER (2019): Fiscal Policies for Paris Climate Strategies—From Principle to Practise
https://www.imf.org/en/Publications/Policy-Papers/Issues/2019/05/01/Fiscal-Policies-for-Paris-Climate-Strategies-from-Principle-to-Practice-46826

Mehling; van Asselt; Das: Droege (2019) What a European „Carbon border tax” might look like.
https://voxeu.org/article/what-european-carbon-border-tax-might-look

Neuhoff et al. (2016) Ergänzung des Emissionshandels: Anreize für einen klimafreundlicheren Verbrauch emissionsintensiver Grundstoffe. DIW Wochenbericht Nr. 27.2016
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.537960.de/16-27-1.pdf

Neuhoff et al. (2016) Eine Option für den Emissionshandel nach 2020: Einbeziehung des Konsums emissionsintensiver Materialien. DIW Berlin: Politikberatung kompakt 111
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.534227.de/diwkompakt_2016-111.pdf

Neuhoff et al. (2018) Klimafreundliche Herstellung und Nutzung von Grundstoffen: Bündel von Politikmaßnahmen notwendig. DIW Wochenbericht Nr. 26/2018
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.592920.de/18-26-3.pdf

Neuhoff et al. (2019) Klimapfand für eine klimafreundlichere Industrie. DIW Wochenbericht Nr. 18/2019
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.620375.de/19-18-4.pdf

Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE (2020): Klimaneutrale Industrie: Mögliche Varianten für einen zukunftsfesten Carbon-Leakage-Schutz im Vergleich –Diskussionspapier
https://www.arbeit-umwelt.de/wp-content/uploads/Diskussionspapier_Carbon-Leakage_Schutz_StAU.pdf

SWP (2018) Mobilising Trade Policy for Climate Action under the Paris Agreement
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/research_papers/2018RP01_dge_etal.pdf

SWP (2020) Die CO2-Grenzabgabe der EU – Klima oder Fiskalpolitik?
https://www.swp-berlin.org/publikation/die-co2-grenzabgabe-der-eu-klima-oder-fiskalpolitik/

William Nordhaus (2019) Climate Change: The Ultimate Challenge for Economics
https://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/aer.109.6.1991