Rolle des CO2 Preises und nötige Veränderungen der Abgaben und Umlagen
Bei allen Debatten um den sog. „CO2-Preis“ muss man sich vergegenwärtigen, dass das Ziel einer Regulierung die schnelle und deutliche Reduzierung der Emissionen aller klimaschädlichen Gase sein muss. Am Ende dieses Prozesses muss dies wahrscheinlich auch durch ordnungsrechtliche Verbote flankiert werden. Neben CO2 dürfen dabei die anderen klimaschädlichen Gase nicht vergessen werden, z.B. auch Narkosegase, die man inzwischen auffangen und aufbereiten kann. Hier muss deutlich schneller wirksames Ordnungsrecht wirken.
In der Übergangszeit bis zur völligen Durchsetzung klimafreundlicher Alternativen geht es darum, die externen Kosten der CO2-Emissionen Schritt für Schritt wirksam werden zu lassen, um damit klimafreundlichen Techniken bessere Marktchancen einzuräumen.
Das Ziel darf dabei nicht sein, möglichst hohe Einnahmen aus CO2-Bepreisungs-Systemen zu erhalten, sondern diese Einnahmen möglichst schnell auf Null zu führen, indem sich klimafreundliche Techniken durchsetzen. Deswegen ist es auch sinnvoll, dass die Einnahmen aus den CO2-Bepreisungssystemen (Europäischer Emissionshandel und Nationaler Brennstoff-Emissionshandel) nicht in den allgemeinen Haushalt fließen. Sie gehen im Augenblick in den Energie- und Klimafonds und fließen über Förderprogramme, Reduzierung der EEG Umlage sowie Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zurück. Diesen Ansatz teile ich voll.
Zwischen der COVID-Pandemie und der Klimakrise gibt es zahlreiche Parallelen, der größte Unterschied ist der zeitliche Verlauf. Die Klimakrise läuft im Vergleich zur Pandemie in Zeitlupe ab, mit der Gefahr, dass irreversible Kipppunkte nicht wahrgenommen werden. Die Parallelität besteht darin, dass wir inzwischen durch Innovationen in der Lage sind, auf beide Krisen angemessen zu reagieren und dies weltweit.
Was die Impfstoffe zur Bekämpfung der Pandemie sind, sind die Erneuerbaren Energien PV und Wind sowie eine ökologische Kreislaufwirtschaft für eine klimafreundliche Wirtschaft.
Wind und PV werden Jahr für Jahr effektiver und damit kostengünstiger. Es stimmt auch nicht, dass wir in der EU und Deutschland nicht genügend Potentiale haben, um uns selbst mit Energie zu versorgen. Wichtig ist, dass man erkennt, dass es nicht bloß darum geht, fossile Kraftwerke im Stromsektor durch Erneuerbare zu ersetzen. Elektrisch angetriebene Prozesse werden stark zunehmen und somit der Stromverbrauch steigen. Durch die größere Effizienz elektrisch anstatt thermisch angetriebener Prozesse wird parallel der Endenergieverbrauch sinken. Dies wird man ganz deutlich im Bereich der Elektromobilität sehen. Der Energieverbrauch von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen liegt ungefähr bei einem Drittel eines Verbrenners. Weiterhin ist die Technik eines batterieelektrischen Autos deutlich einfacher als die eines fossilen Verbrenners. Mit sinkenden Kosten der Batterien und steigenden Effizienzen in der Serienfertigung ist klar, dass in wenigen Jahren batterieelektrische Fahrzeuge in Anschaffung und Betrieb kostengünstiger als die fossilen Alternativen sein werden. Eine ähnlich dynamische Entwicklung sehen wir gerade bei den Wärmepumpen, die immer effizienter und günstiger werden. In der chemischen Industrie laufen gerade die Planungen für die Umstellung von Hochtemperaturprozessen von Gas auf Strom an. Auch in der Wasserstoff-Wirtschaft wird es in den nächsten Jahren große Fortschritte geben. Im Energiesystem werden die Anwendungen stark in Richtung Strom (Elektronen) verschoben werden, aber auch auf Moleküle wie Wasserstoff wird man nicht verzichten können.
Wegen der deutlich höheren Effizienz von PV (ca. Faktor 50) gegenüber Energiepflanzen macht es Sinn, diese Anwendung massiv zu fördern, da sie auch für den Boden- und Artenschutz erhebliche Vorteile hat (von Haaren 2021).
Bedingt durch den deutlich höheren Einsatz von Strom in den Sektoren Verkehr und Wärme muss das Energiesystem der Zukunft anders als heute ganzheitlich geplant werden. Zwingend ist ein dezentraler, zellulärer Ansatz, auch für die Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien.
Dieser Ansatz muss um eine ökologische Kreislaufwirtschaft ergänzt werden. Gemeinsam mit Polina Gordienko habe ich am 01.09.2020 veröffentlicht, warum wir neue Regeln brauchen.
Warum wir die Doppelte Klimabuchführung brauchen – Tagesspiegel Background
„Die Klimaschutzpolitik – national wie international – ist geprägt vom Quellprinzip, was bedeutet, dass die Treibhausgasemissionen jeweils dem Sektor zugeordnet werden, in dem sie physisch in die Atmosphäre entweichen. Dieses System hat allerdings große Schwächen und muss mit dem Verursacherprinzip und klaren Kriterien zum Schutz der biologischen Vielfalt und der Kreislaufwirtschaft verbunden werden.
….,
Ähnlich wie in der Betriebswirtschaft nur die doppelte Buchführung zu guten Ergebnissen führt, sollte man auch in der Klimapolitik eine Berichterstattung aus unterschiedlichen Perspektiven implementieren.
Wenn man nur das Quellprinzip isoliert anwendet, scheint beispielsweise im Gebäudesektor die Schwerpunktsetzung auf die Gebäudedämmung die wichtigste Maßnahme zu sein. Wenn man aber das Verursacherprinzip anwendet, dann wird klar, dass auch der „ökologische Rucksack“ der Baumaterialien betrachtet werden muss und dass ab einer bestimmten Dämmstärke – je nach Material – die Klimabilanz der Dämmung über die Lebenszeit sogar negativ wird. Weiterhin sollte man analysieren, ob die eingesetzten Materialien die biologische Vielfalt bedrohen oder gegen Prinzipien der Kreislaufwirtschaft verstoßen.“
Die Initiative Bauhaus der Erde, die ich als Botschafter unterstütze, zeigt die Alternativen für eine umfassende Bauwende auf. Home | Bauhaus der Erde
Warum erwähne ich diese Beispiele in einem Artikel über CO2-Bepreisung? Ich möchte deutlich machen, dass die CO2-Bepreisung ein wichtiges Steuerungsinstrument ist, dass aber klug in einem Gesamtkonzept einer sozial-ökologischen Steuerreform eingesetzt werden muss, um möglichst kosteneffizient und sozialverträglich die notwendige Umstellung auf eine klimafreundliche Gesellschaft zu erreichen.
Jenseits der Frage der Exporte, wird der Einsatz von Bauholz in Deutschland mehrfach benachteiligt. Holz, das verbrannt wird, ist anders als Bauholz mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz begünstigt. Die Baustoffe, mit denen Holz konkurriert, sind zwar – vor allem im ETS – integriert, bekommen dort aber kostenlose Zuteilungen von CO2-Zertifikaten, da sie nicht nur in Konkurrenz zu Holz, sondern auch in Konkurrenz zu Importprodukten außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes stehen.
Im Bereich der Baustoffe werden wir unsere Klimaziele erst dann erreichen, wenn in der EU eine faire Bepreisung erfolgt und über den CO2-Grenzausgleich Umweltdumping durch Importe verhindert wird. Erst dann wird es in der EU eine faire „Materialkonkurrenz“ und Raum für Innovation in Richtung z.B. auf moderne Carbonfasern geben.
Im Bereich der Sektoren-Kopplung sieht es ähnlich aus. Die SPD hat gegen große Widerstände des Ministeriums für Wirtschaft und Energie durchgesetzt, Photovoltaik-Anlagen bis 30 Kilowatt und Speicher, wie durch EU-Recht vorgegeben, nicht mehr mit Abgaben und Umlagen zu belasten. Diese Lösung muss im nächsten Schritt auch auf Mehrfamilienhäuser, Gewerbetriebe, Quartiere und Dörfer übertragen werden. Dies würde die Energie-Revolution auslösen, die wir dringend brauchen. Verbunden werden muss dies mit der Möglichkeit der dezentralen Vermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien, die nur zu einem kleinen Teil an zentralen Plattformen vermarktet gehört.
Parallel muss die Diskrimierung von Großspeichern beendet werden, sie verschieben die Nutzung von Strom zeitlich und sind keine Verbraucher. Weiterhin sind sie notwendig, damit Strom aus PV und Wind terminmarktfähig wird. Volatile Erneuerbare brauchen die Speicher als Zwilling. Damit würde dieser Strom sofort konkurrenzfähig. Aktuell liegt der CO2 Preis im ETS bei ca. 50 €/t CO2. Der Terminmarktpreis für Strom liegt gerade für das Kalenderjahr 2022 bei knapp über 69 €/MWh. Allerdings ist bereits für das Kalenderjahr 2023 der Preis bei unter 63 €/MWh und für das Kalenderjahr 2024 bereits nur bei ca. 58 €/MWh. Das zeigt, dass hier im Jahr 2022 besondere Faktoren einspielen (u.a. Abschaltung von großen Kraftwerksblöcken) die allerdings nur temporären Einfluss auf den Terminmarktpreis haben sowie die Erwartungshaltung der Märkte, dass der Zubau erneuerbarer Kapazitäten zu einer Senkung der Strompreise führt.
Ein wichtiger erster Schritt ist deswegen die schnelle Abschaffung der EEG-Umlage, weil sie sofort einen Befreiungsschlag für die Sektoren-Kopplung auslösen würde, z.B. bei Großwärmepumpen und Stromanwendungen in der Industrie. Verbunden werden muss dies mit einem Zukunftspakt für die Energiewende mit Bund, Ländern und Kommunen, um endlich ambitionierte Ausbaupfade sowie Flächenzusagen zu vereinbaren, mit denen wir unsere Klimaziele wirklich erreichen können.
Dies sollte man koppeln an einen Mindestpreis für CO2 im ETS, wobei angesichts der Kostendegression bei PV und Wind und Speichern wahrscheinlich sogar 50 €/t CO2 verbunden mit der Abschaffung der EEG Umlage ausreichend sind.
Die Kosten der Erneuerbaren und der Speicher werden weiter sinken, dies gilt dann auch für die Wasserstoff-Erzeugung. Damit werden die klimafreundlichen Alternativen in fast allen Anwendungsgebieten deutlich unter einem CO2-Preis Emissionen 180 Euro2016 pro Tonne Kohlendioxid (t CO2), den das Umweltbundesamt als zentralen Kostenansatz für die Klimakosten ermittelt hat, kostengünstiger als die fossilen Alternativen. Wichtig ist es jetzt dezentrale Transformationsdialoge in den Städten und Gemeinden und mit den Unternehmen unter Einbezug der Tarifpartner zu organisieren, um konkrete Modellprojekte für 100% Klimaschutz umzusetzen und dazu in der Übergangsphase auch noch die Mittel aus dem Energie- und Klimafonds zu nutzen.
Parallel muss die Abschaffung der EEG Umlage mit einer umfassenden sozial-ökologische Steuer-Reform verbunden werden, die konsequent auf den CO2-Ausstoß und eine ökologische Kreislaufwirtschaft ausgerichtet ist. Dann werden die klimafreundlichen Alternativen sich deutlich schneller durchsetzen, zugleich wird die Wertschöpfung in unserem Land gesteigert und die negativen Folgekosten gesenkt.
Klaus Mindrup, MdB (SPD)
Quelle: CO2 Kosten: Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen | Umweltbundesamt
Diese und weitere Vorschläge für konkrete Ideen zum Klimaschutz finden Sie im Klima-Chancen-Blog sowie unter www.wählbar2021.de