Klimaschutz – kein „nice to have“, aber #waehlbar2021

Archiv Klimablog Wolkengrafik Januar 2021 Schwarz 1 980x500

-Ein Beitrag von Jörg Lange, CO2 Abgabe e.V.

Bei der nächsten Bundestagswahl geht es darum, die Kandidat:innen für unsere Volksvertretung mit ökologischen Mindestanforderungen für zukünftige Geschäftsmodelle zu konfrontieren und glaubwürdig dafür zu gewinnen, diese zu vertreten, um #wählbar2021 zu sein. Im Falle der Klimakrise sind alle Kandidat:innen aufgerufen, sich nicht hinter den Positionen ihrer Parteien, Wahlprogramme oder Fachpolitikern zu verstecken, sondern sich selbst eine Meinung zu bilden und zu vertreten. Denn sie sind nach Art 38 (1) Grundgesetz „…nur ihrem Gewissen unterworfen „ und als zukünftiger Teil des Gesetzgebers nach GG Art. 20a verpflichtet, „…auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen…“ zu schützen.
Klimaschutz und die konsequente Umsetzung der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen von Paris sind kein „nice to have“, sondern eine partei- und akteursübergreifende Verpflichtung, die keinen weiteren Aufschub mehr duldet. Doch worauf genau müssen wir unsere Schwerpunkte legen?

Mehr als die Hälfte der Emissionen an Treibhausgasen, für die die Menschheit verantwortlich ist, wurden in den vergangenen dreißig Jahren ausgestoßen. Seit mehr als dreißig Jahren wissen wir aber auch, welche Auswirkungen das haben kann und was zu tun ist. Wir sind also spät dran.

Die guten Nachrichten

  1. Wir haben sowohl das Geld als auch das Know-how für wirksamen Klimaschutz und ständig kommen neue Lösungsoptionen hinzu.
  2. Bei der Umsetzung fallen jede Menge Arbeit und Jobs an.
  3. Je schneller wir handeln, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, den Wettlauf mit der Erwärmung zu unseren Gunsten zu entscheiden.

Die Handlungsnotwendigkeiten sind klar
Selbstverständlich müssen der Fleischkonsum und Tierbestand in Deutschland infrage gestellt und Flugverkehr und Schiffsreisen auch nach Corona reduziert bleiben. Und auch die von einigen propagierte Hoffnung, man könne weiter so viele Autos produzieren und fahren wie bisher, nur eben elektrisch, kann die Klimakrise nicht ausreichend entschärfen. Unsere aktuelle Lebensweise halten wir zudem auf Kosten anderer aufrecht, indem wir beispielsweise den Verbrauch von Rohstoffen und Land sowie die Entsorgung von Abfällen teilweise in andere Länder auslagern. Klimaschutz bedeutet daher auch die Verantwortung für all die Emissionen zu übernehmen, die wir auch außerhalb von Deutschland verursachen.

Bei einem Anteil der Energiewinnung von Sonne (484 PJ) und Wind (215 PJ) am Primärenergieverbrauch 2020 in Deutschland (11691 PJ) von rund 6 % werden weder synthetische Kraftstoffe noch E-Mobilität unseren motorisierten Individualverkehr im bisherigen Ausmaß ermöglichen (Daten AGEB 2021).

Die jüngst erschienenen Szenarien des Wuppertal Institut oder der gemeinsamen Studie von Agora, Ökoinstitut, Wuppertalinstitut, Prognos und Stiftung Klimaneutralität wiederholen die Grundaussagen vieler Studien der letzten 30-40 Jahre: Eine sozialökologische Transformation wird nicht an wirtschaftlichen oder technischen Möglichkeiten scheitern. Und in jedem Fall ist es preiswerter, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten, als sie zu ruinieren.

Selbstverständlich geht es um größere Veränderungen und es wird nicht ausreichen, wenn sich nur der freie Konsument ändert oder anders entscheidet. Es geht um die Durchsetzung geeigneter Rahmenbedingungen für Alle ohne Ausnahmen.

Notwendigkeiten erfahren zunehmend Zustimmung
Eine weitere gute Nachricht ist, dass Notwendigkeiten zunehmend überzeugen und mehrheitlich Zustimmung erfahren, seien es ehrgeizige Klimaschutzziele, ein Tempolimit oder der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Aufgabe und Kunst von Politik ist es, den regelnden Rahmen und Grenzen so zu gestalten, dass die Menschen, Unternehmen und Kommunen ins Handeln kommen, ohne überfordert zu sein.

Das Beispiel der neuseeländischen Ministerpräsidentin Jacinda Ardern gibt Hoffnung, dass ein innovatives Wissensmanagement (Lebenslanges Lernen) mit Empathie vorgetragen, dazu beitragen kann, für Handlungsnotwendigkeiten und den dafür notwendigen Regelungsrahmen auch politische Mehrheiten zu bekommen.

Bisher machen wir uns das Handeln unnötig schwer
Für erneuerbaren Strom, der unmittelbar vor Ort erzeugt oder gespeichert werden könnte, muss man jede Menge Abgaben bezahlen, komplexe Messtechnik einbauen und viel Bürokratie in Kauf nehmen. Das muss nicht so sein, wenn die zukünftig Verantwortlichen erkennen, dass eine dezentralere flexiblere Abdeckung der nachgefragten elektrischen Leistung (Last) mit immer höheren Anteilen erneuerbaren Stroms, vergleichbar ist zu einer Energieeinsparung. Sie führt volkswirtschaftlich zu geringeren Kosten und handlungsbereiteren Unternehmen, Kommunen und Bürgern.

Der Philosoph Bernward Gesang spitzt es in seinem Kommentar in der Taz vom 4.1.2021 zum Konsumverzicht zu: „ Genieße deine Spaßfahrt im SUV und tue gleichzeitig alles, damit die Politik allen Akteuren, also auch dir, solche Spaßfahrten verbietet.

Das klingt widersprüchlich und ist es auch, aber es nimmt menschliches Verhalten ernst und fordert auf von der Politik an Notwendigkeiten angepasste gesellschaftliche Regeln einzufordern an die sich alle halten müssen oder sollten.

„Der wahre Preis“
Ein zentraler Lösungsansatz ist, dass wir überall dort, wo und sobald wir es können, unseren Alltagsprodukten ihren „wahren Preis“ mitgeben. Das versetzt Konsument:innen in die Lage, die Alternativen zu erkennen, und Produzent:innen, in der Lieferkette Emissionen und ggf. Kosten einzusparen. Dazu braucht es unsere Fähigkeiten, soziale und ökologische Werte und Risiken der Geschäftsmodelle in der Unternehmensbilanz richtig zu bewerten, zu bilanzieren und in den Buchhaltungsprogrammen bis zum Endprodukt mitzuführen.

Grenzen setzen, wo wahre Preise nicht ausreichen
Ein zweiter Lösungsansatz ist es, Grenzen dann zu setzen, wenn die wahren Preise alleine nicht ausreichen. Dahinter steckt die Erfahrung erfolgreicher Umweltpolitik vergangener Tage, die vor allem durch die Verschärfung von Grenzwerten zum Erfolg führte, sei es bei der Gewässerverschmutzung durch den verpflichtenden Ausbau von Kläranlagen, dem „Waldsterben“ in den 70er Jahren durch Entschwefelung von Abgasen, oder dem Verbot von Substanzen, die die Ozonschicht schädigen.

Die Regelungen dienen im Kern dazu, Geschäftsmodelle der Vergangenheit, die auf der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufbauen (z.B. durch Verbrennung fossiler Energieträger) durch Geschäftsmodelle zu ersetzen, die unsere Lebensgrundlagen nicht nur erhalten, sondern Gemeinwohl für alle ermöglichen.

Der Wille der Menschen als transformatives Fundament
Ob wir diese Transformation schaffen, hängt nicht vom technischen oder ökonomischen Potential ab, sondern davon, ob Menschen, die bisher keine Notwendigkeiten sahen, diese nun erkennen und entsprechend zur Bundestagswahl 2021 Regeln einfordern, die ein schnelles Handeln ermöglichen. Wirksamer Klimaschutz wird nur mit neuen Regeln funktionieren, die als überwiegend vorteilhaft gleichermaßen von Unternehmen und Verbraucher:innen wahrgenommen werden.

Eine kürzlich vom Umweltbundesamtes veröffentlichte Studie (UBA 2020) zeigt eindrücklich wieviel Einfluss die Änderungen unseres Lebensstils einerseits und ressourceneffiziente Ansätze (Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie) andererseits auf die Treibhausgasemissionen und den Bedarf an Rohstoffen haben. So spart der ambitionierteste Transformationspfad gegenüber einem weniger ambitionierten Pfad bis 2050 insgesamt 4,8 Mrd. Tonnen CO2e bis 2050 und 5,7 Mrd. Tonnen Primärrohstoffe ein.

Um Menschen dafür zu gewinnen, ist ein riesiges generationenübergreifendes Motivations-, Aus- und Weiterbildungsprogramm, man könnte es auch Wissensmanagement nennen, notwendig. Es kann Menschen in die Lage versetzen, aus Arbeitsbereichen wie der Automobilindustrie in andere Bereiche wie Bioökonomie, Gebäudesanierung, Heizungsbau, Erneuerbare, Gesundheit/Pflege, Digitalisierung etc. zu wechseln. Bereiche, die Spekulation oder leistungslose Einkommen ermöglichen, müssen dazu begrenzt/besteuert werden, um Fehlanreize und Reboundeffekte abzubauen und die Transformation finanzieren zu können. Wie schnell die notwendige sozialökologische Transformation umgesetzt werden kann, hängt also im Wesentlichen am politischen Willen der Menschen, in notwendige Veränderungen persönlich und finanziell zu investieren.


Diese Zeilen sind ein Auszug aus dem Vorwort unseres Diskussionsvorschlages mit dem Arbeitstitel „Unternehmen Klima ohne wenn und aber“ von Dr. Jörg Lange, welches voraussichtlich im März auf dieser Website veröffentlicht wird. Er soll das Fundament unserer für dieses Jahr geplanten Wählbar-Kampagne bilden.

Lesen Sie hier weitere informative Blockbeiträge rund ums Klima: https://klimaschutz-im-bundestag.de/klima-chancen-blog/ oder unseren Oktober-Beitrag zum Thema „2035 oder 2050? Ohne schnell wirksamere Maßnahmen sind alle Ziele nichts

Zur Übersicht