Gastbeitrag von Lisa Badum MdB zu Klimaschutz und CO2-Preisen

Mehr Klimaschutz wagen

Ein Preis, der die ökologische Wahrheit sagt, der mehr soziale Gerechtigkeit schafft und der klimaneutrales Wirtschaften von morgen ermöglicht

Das Karlsruher Klimaschutzurteil hat uns einen klaren klimapolitischen Auftrag gegeben und ist gleichzeitig ein Appell. Klimaschutz schafft Freiheit und sorgt für Generationsgerechtigkeit – doch das ist kein Selbstläufer. Darum bedarf es eines durchdachten und konsequenten Instrumentenmix, der bereits heute Wirkung entfaltet, um das Morgen zu schützen. Dafür braucht es einen Dreiklang aus gezielter Förderung, Ordnungsrecht, das die notwendigen Standards setzt, und einem Preissignal, das Klimaschutz finanziell lohnend macht.

Der CO2-Preis ist dabei ein zentraler Baustein, um auf den Pariser Klimaschutzpfad von 1,5 Grad Celsius zu kommen. Der Kampf gegen die Klimakrise wird ohne steigende Preise für fossile Energien nicht funktionieren. Zugleich ist der Status Quo sozial ungerecht. Fossile Subvention in Milliardenhöhe steht einer umfassenden ökologisch-sozialen Transformation entgegen. Zeitgleich werden Klimaschäden vergesellschaftet und unter den Folgen der Klimakrise leiden bereits heute vor allem die Schwächsten unserer Gesellschaft. Zuschauen ist keine Option. Nicht für uns Grüne. Unser Konzept heißt mehr Klimaschutz wagen.

Den Status Quo gestalten, statt verwalten

Seit dem 1. Januar 2021 gilt das nationale Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) im Bereich Wärme, Verkehr und in jenen Teilen der Industrie, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen. Zugegeben, das BEHG in dieser Form war nicht unsere erste Wahl. Aber angesichts der fortschreitenden Klimakrise ist es wichtig, dass jetzt schnell ein wirksamer CO2-Preis für alle fossilen Brennstoffe in Kraft getreten ist. Nun gilt es, in der nächsten Wahlperiode die ökologische Lenkungswirkung des CO2-Preis zu stärken und gleichzeitig diesen sozial gerecht auszugestalten.

Dem CO2 einen Preis geben – für mehr soziale Gerechtigkeit und ein klimafreundliches Wachstum.

Jeden Euro der eingenommen wird, wollen wir direkt an die Menschen zurückverteilt – auf vielfache Weise. Wir schlagen vor, die Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorzuziehen. Danach soll der CO2-Preis so ansteigen, dass er im Konzert mit den Fördermaßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben die Erfüllung des neuen Klimaziels 2030 absichert. Damit die Erhöhung des nationalen CO2-Preises auch sozial gerecht wirkt, müssen die Einnahmen aus dem CO2-Preis direkt an die Menschen zurückgegeben werden. Das Energiegeld in Höhe von anfänglich 75 Euro pro Kopf wird den Bürgerinnen und Bürgern zu Jahresbeginn ausgezahlt. So geht der Staat in Vorleistung und die Auszahlung kann zum Beispiel über eine Verknüpfung mit der Steuer-ID erfolgen.

Auf diese Weise wird klimafreundliches Verhalten belohnt und es findet ein sozialer Ausgleich im System statt. Gerade Haushalte mit höheren Einkommen haben im Schnitt einen größeren CO2-Fußabdruck durch mehr Wohnraum, der zu heizen ist, oder PS-stärkere Autos. Sie zahlen also mehr. Viele Studien, zum Beispiel von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, zeigen, dass ein CO2-Preis mit einem fairen Ausgleich wie dem Energiegeld sozial gerecht wirkt. Unterm Strich werden damit vor allem Geringverdiener*innen und Familien entlastet. Bezieher*innen von Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe profitieren ebenfalls, da das Energiegeld nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden soll. Zusätzlich legen wir für besonders Betroffene einen Klimabonus-Fonds auf, der mit großzügigen Hilfen unterstützt, z.B. beim Kauf eines emissionsfreien Fahrzeugs.

Wichtig ist auch, dass im Zuge der Einführung des BEHG jetzt die Stromrechnung sinkt. Die Senkung der EEG-Umlage sorgt für einen fairen Ausgleich der zusätzlichen CO2-Kosten in Form sinkender Preise für Strom, der heute schon zu deutlich über 50 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt. Die Senkung der Strompreise ist gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ein wichtiges Entlastungssignal und schafft die Grundlage für eine Stärkung der Sektorkopplung.

Mieter-Vermieter Dilemma – die Lösung liegt auf dem Tisch

Wir denken den CO2 Preis ganzheitlich. Darum machen wir uns dafür stark, dass Mieter*innen nicht im Regen stehen gelassen werden, so wie es jetzt die Bundesregierung getan hat. Die SPD konnte sich nicht gegen die Union durchsetzen mit ihrer Forderung, den CO2– Aufpreis im Wärmebereich zu 50 Prozent von Vermieter*innen zahlen zu lassen. Nun tragen aktuell die Mieter*innen die kompletten CO2 Kosten, ohne den Energieträger beeinflussen zu können bzw. den Zustand des Gebäudes. Das ist sozial ungerecht, verantwortungslos und löst keine Investitionsimpulse im Gebäudebestand aus. Durch den CO2-Preis im Wärmebereich soll aber gerade eine Lenkungswirkung erzielt werden, die Klimaschutzanreize auslösen und die Umstellung auf erneuerbare Energien vorantreiben. Daher sind die Kosten gemäß dem Verursacher-Prinzip vollständig durch die Vermietenden zu übernehmen. Flankiert durch unser 9 Mrd. Euro Faire-Wärme-Programm schaffen wir so gerechten Klimaschutz in die vier Wände zu holen.

Die CO2-Bepreisung als Anreiz für klimafreundliche Alternativen und Verhalten

Ein kurzer Blick zurück. Verkündete der Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministerium Andreas Feicht noch Anfang 2019 auf dem Neujahrsempfang des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, dass es diese Wahlperiode keinen CO2 Preis mehr geben würde – müssen wir feststellen: Das war eine völlige Fehleinschätzung. Dank der Klimagerechtigkeitsbewegung und vielen gesellschaftlichen Akteuren, die für mehr Klimaschutz auf die Straße gingen, ist das Thema nicht mehr aus der öffentlichen Debatte wegzudenken.

Längst hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass mit dem Klima nicht zu verhandeln ist und gleichzeitig eine große Chance in einer zukunftsgewandten Klimapolitik liegt. Viele Unternehmen und Betriebe haben das bereits erkannt und sind oftmals viel weiter als ihre Branchenverbände und die Regierungspolitik. Diese Innovations- und Entwicklungskraft müssen und wollen wir Grüne nutzen und stärken. Ein wirksamer CO2-Preis sorgt dafür, dass Klimaschutzinvestitionen nicht erst in ein paar Jahren, sondern schon heute voll rentabel werden. Gleichzeitig gehen Innovation und Klimaschutz Hand in Hand. Aus diesem Grund wollen wir ein Investitions- und Transformationsprogramm für die nächste Dekade auflegen, das 500 Milliarden Euro umfasst und damit die Basis für eine grundlegende Modernisierung des Standorts Deutschland legt. Dieses umfasst Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Gesundheit und Pflege, Wohnen, Forschung und Innovation, Klimaschutz und Nachhaltigkeit und ermöglicht verlässliche Finanzzusagen für die Planungssicherheit der Wirtschaft.

Der CO2 Preis alleine ist keine Klimaschutz-Wunderwaffe und er wird auch keine ordentliche Sozialpolitik ersetzen können. Dennoch wird es unsere Aufgabe sein, den CO2 Preis in ein Gesamtkonzept der sozial-ökologischen Transformation zu integrieren und dem Klimaschutz zum Chancentreiber der Zukunft zu gestalten. Die Zeit ist jetzt gekommen – mehr Klimaschutz zu wagen.

Lisa Badum, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)


Diese und weitere Vorschläge für konkrete Ideen zum Klimaschutz finden Sie imm Klima-Chancen-Blog sowie unter www.wählbar2021.de