Deutsches Programm der EU-Ratspräsidentschaft konsequent umsetzen

Dass es der Satz in das deutsche EU-Ratsprogramm geschafft hat, kann eigentlich niemanden verwundern. Auf Seite 16 steht dort: „Wir wollen im Rat auch europäische Handlungsansätze zur Erreichung der Klima- und Energieziele diskutieren, insbesondere die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS).“ Bereits im Klimaschutzprogramm 2030 vom 20. September 2019 hatten sich die Regierungsparteien von CDU/CSU und SPD darauf verständigt. Auch gibt es zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten, die sowohl einen Mindestpreis, wie auch eine Ausweitung des Emissionshandels einfordern. Neben Frankreich, das dies immer wieder im Zuge der deutsch-französischen Regierungskonsultationen deutlich gemacht und dies mit der Macron-Merkel-Initiative schriftlich vereinbart hat, fordern auch die Niederlande, Österreich (wo die Forderungen im Koalitionsvertrag festgelegt sind), Schweden und Dänemark.

Mindestpreis und einheitlicher CO2-Preis drohen nicht voranzukommen

Doch innerhalb der Bundesregierung fühlt sich wohl niemand wirklich für dessen Umsetzung verantwortlich. Auf eine schriftliche Frage eines Mitglieds des Deutschen Bundestages an das Bundeskanzleramt, welches Ressort innerhalb der Bundesregierung federführend ist, antwortet die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMU) Schwarzelühr-Sutter (SPD): „Die Frage der Federführung richtet sich nach der Geschäftsverteilung innerhalb der Bundesregierung. In den europäischen Gremien vertreten die nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung federführenden Ministerien die Bundesregierung. Im Bereich des Europäischen Emissionshandels ist dies entsprechend das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. (…).“ Die dort vertretenen Positionen würden mit allen betroffenen Ressorts abgestimmt. Die Betroffenheit sei von dem jeweiligen Dossier abhängig. Im Bereich des Emissionshandels seien neben dem Bundeskanzleramt typischerweise auch Bundeswirtschafts-, Bundesverkehrs, Bundeslandwirtschafts-, Bundesinnen-, Bundesfinanzministerium und Auswärtiges Amt. Doch Bundesumweltministerien Schulze (SPD) sagte bereits im Juni bei einer Veranstaltung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), dass sie die Diskussion zu Mindestpreis und einheitlichem EU-ETS im Wirtschafts- und Energieausschuss des EU-Parlaments verortet sehe(hier ab Min. 42:30). Und damit bei Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU). Der lies das Thema bei der Präsentation in den Ausschüssen des Europaparlaments aber vollständig aus. Schulze antwortete im Umweltausschuss des EU-Parlaments auf die Frage von Peter Liese (CDU), ob die Ausweitung des Emissionshandels auf Heizen und Verkehr in Deutschland nicht auch ein Modell für Europa sei, dass es einen ganzen Instrumentenkasten und nicht nur ein Instrument wie den CO2-Preis brauche. Die Vorschläge würden gesammelt und gebündelt vorgestellt. Konkret wurde sie nicht. Schulze erbat sich bei der Dena zudem Unterstützung durch Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Unternehmen. Anders formuliert: Ohne Druck auf der europäischen Ebene wird weder Schulze noch sonst jemand in der Bundesregierung aktiv. In Deutschland hatten sich bereits Unternehmen, Wissenschaftler der Leopoldina und der Energiewende-Monitoring-Kommission sowie Mitglieder des Bundestages dafür ausgesprochen, die Themen in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft voranzubringen.

Ziele wichtiger als Maßnahmen

Doch nicht nur in der Bundesregierung hakt es. Auch die EU-Kommission hat die Themen Mindestpreis und ETS-Ausweitung erst einmal auf Juni 2021 vertagt. Während auch der sozialdemokratische EU-Klimakommissar Frans Timmermans (SPE) kein Befürworter von Mindestpreisen ist (dazu siehe  auch Stefanie Hiesinger, im Kabinett von F. Timmermans ab Min. 24:30, 35:50 und 47:30), sondern stattdessen die Anpassung der Marktstabilitätsreserve befürwortet (warum diese allein nicht ausreicht siehe Positionspapier), halten die meisten deutschen Nichtregierungsorganisationen statt konkreter Maßnahmen die EU-Klimazielverschärfung für das innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft prioritäre Thema. Damit droht die Instrumentendebatte um ein Jahr verschoben zu werden. Dabei braucht es nichts wichtigeres als Maßnahmen, Maßnahmen, Maßnahmen! Und das auch, damit die 750 Milliarden Euro des EU Recovery Funds, auf das sich die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nach hartem Ringen geeinigt haben, auch in klimafreundliche Maßnahmen fließen können. Gerade ein CO2-Mindestpreis im EU-ETS sowie eine schnell angepasste Energiesteuerrichtlinie könnten hier ihre Lenkungswirkungen entfalten. Und das vor allem dann, wenn Klimaschutz nur die zweite Priorität ist, es aber keine klimaschädlichen Investitionen geben soll. Mit dem für September angekündigten Impact Assessment im Rahmen des Fahrplans „2030 Klimaziele“ und dem Konsultationsprozess zur Revision der Energiesteuerrichtlinie sowie zum CO2-Grenzausgleich bieten sich zumindest Anlässe, den CO2-Preis auf die Agenda zu hieven.

Bild: Umweltbundesamt, Bildautor: Sarah Le Clerk

Bundestagsabgeordnete Schuster (CDU) und Mindrup (SPD): „EU-Ratspräsidentschaft sollte CO2-Bepreisung über alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2- Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems voranbringen“

Berlin/Freiburg, 17. Juni 2020. Am 1. Juli 2020 beginnt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Neben den Folgen der Corona-Krise und der mittelfristigen Haushaltsplanung spielt der Green Deal eine zentrale Rolle, Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen. Das Leitinstrument für den Klimaschutz: Ein einheitlicher CO2-Preis über alle Sektoren. Im Rahmen eines parlamentarischen Frühstücks des Vereins COAbgabe e.V. haben sich die Bundestagsabgeordneten Armin Schuster (CDU) und Klaus Mindrup (SPD), Mitglieder des CO2 Abgabe e.V. im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft für eine CO2-Bepreisung über alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2– Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems ausgesprochen.

Bei einem heutigen parlamentarischen Frühstück in der Sitzungswoche des Deutschen Bundestages, das wegen der COVID-19-Krise online und unter dem Motto „Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Europa: Wie europäische und nationale Emissionshandelssysteme verzahnt werden können“ stattfand, sprachen sich Armin Schuster (CDU), Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim und Klaus Mindrup, Abgeordneter für den Wahlkreis Berlin-Pankow, beide Mitglieder des COAbgabe e.V. und Schirmherren der Veranstaltung, für eine einheitliche und sektorübergreifende CO2-Bepreisung aus.

Für die EU-Ratspräsidentschaft ist innerhalb der Bundesregierung im Gespräch, im Europäischen Rat insbesondere die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2– Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) zu diskutieren. Bereits mit den Beschlüssen der Bundesregierung zum Klimaschutzprogramm 2030 mit CO2– Mindestpreis und nationalem Brennstoffemissionshandel, der Merkel-Macron- Initiative für einen CO2-Mindestpreis sowie dem Green Deal zur u. a. Erweiterung des EU-Emissionshandels und der Evaluierung der EU-Energiesteuerrichtlinie hat sich die Bundesregierung für eine Weiterentwicklung des CO2-Bepreisungsinstrumentes ausgesprochen.

Armin Schuster, Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied des CO2 Abgabe e.V.: „Wir brauchen eine zukunftsorientierte Bepreisung von CO2, die sowohl klima- als auch sozialverträglich ist. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft bietet uns die Chance, für einheitliche Wettbewerbsbedingungen für unsere Unternehmen in Europa Sorge zu tragen. Eine einheitliche und sektorübergreifende CO2-Bepreisung inklusive eines CO2-Mindestpreises im Rahmen des europäischen Emissionshandels schafft dafür in Abstimmung mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetzes und anderen Instrumenten die Voraussetzung. Mit einem solchen Preis lassen sich die Energie- und Klimaziele zielgenau und verursachergerecht erreichen. Der Weg der Bundesregierung in die CO2-Bepeisung sowie den Beschlüssen zur Absenkung der EEG-Umlage zur Entlastung von Mittelstand und Haushalten zur Bewältigung der COVID-19-Folgen für die Wirtschaft sollte konsequent weiterverfolgt werden. Die Einnahmen aus einer einheitlichen CO2-Bepreisung über alle Sektoren können zur vollständigen Absenkung der EEG-Umlage genutzt werden und so Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger von weiteren Steuern und Umlagen im Energiebereich befreit werden.“

Klaus Mindrup, klimapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied des CO2 Abgabe e.V.: „Wir brauchen klare Spielregeln für die Transformation hin zu einer Gesellschaft, deren Wohlstand nicht länger auf der Verbrennung von fossilen Ressourcen basiert. Dafür brauchen wir Ordnungsrecht, Anreize und ein sinnvolles System von Steuern, Abgaben und Umlagen, damit sich klimaverträgliche Technologien auf der Basis von Erneuerbaren Energien, Effizienz und einer Kreislaufwirtschaft durchsetzen. Strom aus Erneuerbaren Energien wird dringend in Wärmenetzen (Großwärmepumpen), Verkehr und in der Industrie gebraucht. Deswegen ist eine Reform der EEG-Umlage dringend erforderlich. In ihrer augenblicklichen Ausgestaltung wirkt sie wie ein Schutzzoll für Erdöl und Erdgas. Deswegen ist es richtig, die Förderung der Erneuerbaren Energie-Anlagen zukünftig aus den Einnahmen der C02-Bepreisung und aus Steuern zu finanzieren.“

Dr. Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V.: „Unternehmen brauchen Planungs- und Investitionssicherheit. Um gerechte Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen, müssen alle bisherigen nationalen und europäischen Instrumente stärker aufeinander abgestimmt werden. Dazu gehören insbesondere der EU-Emissionshandel für die Energieerzeugung und Teile der Industrie, die Marktstabilitätsreserve zur Löschung von Emissionszertifikaten sowie das deutsche Bundesemissionshandelsgesetz und der Kohleausstieg. Die Weiterentwicklung der Marktstabilitätsreserve in eine wirksame Preisstabilitätsreserve wäre neben der von der EU-Kommission mit dem Green Deal geplanten Unterstützung der Industrie bei der Dekarbonisierung durch einen Grenzausgleich, eine Konsumabgabe oder sogenannter „Carbon Contract of Difference“ ein Schritt in die richtige Richtung. So würden die einzelnen Instrumente im Sinne eines fairen Wettbewerbs für Unternehmen besser auf einander abgestimmt und zu wirksameren Preissignalen für den Klimaschutz beitragen.“

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