Ruf nach grundlegender Energiesteuerreform wird lauter

Die Bundesregierung kommt nicht mehr hinterher. So vergeht bald kein Tag, an dem der Ruf nach einer grundlegenden Energiesteuerreform und einer stärkeren Senkung energiebedingter Steuern und Umlagen nicht ertönt. Mitte Mai meldeten sich zuerst die Energieminister der Länder zu Wort, man solle die „Absenkungen, die über die in den nächsten Jahren steigenden Beiträge des Bundesemissionshandelsgesetzes (BEHG) hinausgehen, (…) kurzfristig mit Zuschüssen aus dem Haushalt“ gegenfinanzieren. Es folgte die Umweltministerkonferenz, welche eine „deutliche Senkung der EEG-Umlage, die Schaffung von Investitionsanreizen und ein zukunftsfähiges System zur Finanzierung der Energiewende“ fordert. Dann formulierte der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): „Wenn im Rahmen eines Konjunkturprogramms Steuer-und Abgabensenkungen vorgenommen werden sollen, bietet sich eine Finanzierung der EEG-Umlage durch Haushaltsmittel und eine Senkung der Stromsteuer an, weil sie nicht nur die Kaufkraft der Haushalte stärken, sondern auch den Umstieg auf Wärmepumpen und Elektromobilität fördern würden. Sie würden auch viele Unternehmen entlasten und im Industriesektor den Umstieg in Richtung klimaschonender Produktionsverfahren befördern.“ Das Schwarz-Gelb-Grün regierte Schleswig-Holstein befeuert die Diskussion mit einem weiteren Entschließungsantrag im Bundesrat. Jüngst folgte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch bekannt als „Wirtschaftsweise“, in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung, „mit einer zügigen und umfangreichen Energiepreisreform“ Haushalte und Unternehmen spürbar zu entlasten, um mit einem niedrigeren „Strompreis die Transformation hin zu einem klimafreundlicheren Energiesystem“ zu beschleunigen.

Allerdings brauchte das Bundeskabinett allein fünf Monate, um die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag vom Dezember 2019 zur Erhöhung der CO2-Preise für Heizen und Verkehr zusammen mit einer Absenkung der EEG-Umlage zu beschließen. Bei wenigen Änderungen im bestehenden Recht. Erst vor der Sommerpause sollen die Gesetzesentwürfe zum BEHG und zur Erneuerbaren Energien-Verordnung zur ersten Lesung in den Bundestag gehen. Nach der Sommerpause sollen sie dann verabschiedet werden. Doch ob die geplante Entlastung über die Senkung der EEG-Umlage von Mittelstand und Haushalten wie geplant zum 1. Januar 2021 tatsächlich Eintritt, bleibt fraglich. Denn durch das langatmige Handeln des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums ist Gefahr in Verzug.

So müssen die Übertragungsnetzbetreiber laut Gesetz bis zum 15. Oktober den Anstieg der EEG-Umlage für 2021 melden. Liegt jedoch kein Bundeshaushalt vor, drohen die Meldung und die Senkung zu scheitern. Und das, obwohl im Rahmen der Diskussion um konjunkturelle Hilfen Teile der Wirtschaft eine weitreichendere bis hin zu einer vollständigen Absenkung der EEG-Umlage fordern, und die beihilferechtlichen Probleme überwunden ohnehin gelöst werden müssen. Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag von April:Energiepreisentlastungen und Bürokratieabbau als nachhaltiger Konjunkturmotor“.

Die Krise für eine sozialökologische Transformation nutzen

Einige Unternehmen werden trotz staatlicher Kredite und Auffangmaßnahmen die Krise nicht überleben. Einige der europäischen und globalen Lieferketten werden angepasst und umgebaut werden müssen. Ein wirksamer einheitlicher CO2-Preis, der unnötige Transportwege vermeidet, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Es spricht vieles dafür, dass Deutschland gute Voraussetzungen (vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit, hohes Niveau realen und gefühlten Wohlstands, hohe soziale Absicherung) hat, um sich relativ schnell zu erholen. Neben einer neuen Corona-Welle mit erneutem Lock-Down ist es vor allem die Klimakrise eine für alle Länder noch viel größere Herausforderung. Ernten vernichtende Heuschreckenschwärme in Afrika, die globale Regenwaldvernichtung oder Dürren in Europa lassen sich allenfalls kurzfristig verdrängen. Deutschland hat wie nur wenige Länder die Möglichkeiten und die Verpflichtung nun für eine grundlegende Veränderung unserer Lebens- und Wirtschaftsweise zu sorgen (siehe auch unsere Veranstaltung „Corona- & Klimakrise verzahnen“ auf den Digitalen Energietagen am 4. Juni u.a. mit dem Soziologen Prof. Armin Nassehi von der LMU München).

Unsere Vorschläge: Steuern als machtvolles Lenkungsinstrument neu entdecken statt sie als bloße Belastung zu diffamieren. Umweltschädliche Subventionen abschaffen statt neue Abwrackprämien für Benziner und Diesel zu fordern. Kurzfristige konjunkturelle Impulse sind für eine erfolgreiche sozialökologische Transformation zu nutzen. Wohlstand braucht andere Messinstrumente als das Bruttoinlandsprodukt, und Wachstum kann angesichts der Klimakrise nur noch grünes Wachstum sein. Wenn die Pandemie zumindest zu Beginn den Verantwortlichen parteiübergreifendes Handeln abverlangte, so gilt dies um so mehr für die Klimakrise. Die Liste der Sachverständigen in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages (siehe unter Terminen in unserem Newsletter) zum „Neustart für die Wirtschaft“ lässt allerdings befürchten, dass die Fraktionen im Deutschen Bundestag auch weiterhin in Grabenkämpfen verharren. Vielversprechender sind da die Ansätze der Agora Energiewende, eines Gutachtens im Auftrag des BMU, des Rates für nachhaltige Entwicklung, der „Umweltweisen“ oder des Wissenschaftlichen Beirats für globale Umweltveränderungen. Und auch die Europäische Union plant mit ihrem „Green Deal“ einen Neustart.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Beitrag vom April: „Grüne“ Wege aus der Krise.

Erwartung an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli übernimmt Deutschland von Kroatien die EU-Ratspräsidentschaft. Waren die Erwartungen aufgrund zahlreicher Brandherde vor der Corona-Krise an die Bundesregierung bereits hoch, so sind sie jetzt mit der Corona-Krise gewaltig. Erschwerend kommen organisatorische und technische Probleme hinzu. Weder verfügt man in Brüssel über genügend geeignete Räumlichkeiten, um bei größeren Verhandlungsdelegationen den physischen Mindestabstand einzuhalten, noch verlaufen Verhandlungsrunden im Videomodus so reibungslos wie gemeinsame Treffen. Von den politischen Auseinandersetzungen ganz zu schweigen. Denn es geht um viel Geld, Haftungsfragen und Solidarität in der Krise.

Neben den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise und der Verabschiedung eines EU-Haushalts wird die Klimakrise, neben Gesundheit, Digitalisierung und Biodiversität, auf der Agenda stehen. Zwei Punkte werden dabei besondere Relevanz haben: Ein EU-Klimaschutzgesetz und die Verschärfung des 2030-Zieles, die Treibhausgasemissionen um 50 bis 55 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Aus Sicht des Pariser Klimaabkommens wären mindestens 65 Prozent notwendig. Dennoch werden beide Punkte erheblichen Einfluss auf die Verteilung der Klimaschutzbeiträge der Mitgliedsstaaten sowie die Instrumente, mit denen diese erreicht werden sollen, haben. Und damit auch auf die Frage, welche Rolle der CO2-Preis künftig spielen soll. Bereits Mitte Mai machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Fragestunde im Deutschen Bundestag deutlich, dass Deutschland ein höheres Klimareduktionsziel nur dann befürworten könne, wenn alle Mitgliedsstaaten zu mehr Engagement bereit wären. Das gelte besonders für die EU-Lastenteilungsverordnung bei Heizen und Verkehr. Denn hier drohen Deutschland hohe Strafzahlungen wegen nicht Erreichens bereits der heutigen Ziele. Zudem steht die Revision der EU-Emissionshandelsrichtlinie erst für das Jahr 2021 auf der Agenda. Dennoch haben Frankreich und Deutschland im Rahmen ihrer Initiative zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Corona-Krise die Absicht bekundet, die Einführung einer CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) zu unterstützen und an der künftigen Einführung eines sektorenübergreifenden EU-ETS zu arbeiten.

Mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hatte sich die Bundesregierung für die Einführung eines moderaten CO2-Mindestpreises ausgesprochen. Auch die Niederlande, Schweden und Dänemark gelten als Befürworter von Mindestpreisen. Doch die EU-Kommission ist bislang gegen einen Mindestpreis und bevorzugt den Mechanismus der Marktstabilitätsreserve auszubauen. Wie beides verknüpft werden kann, hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ins Gespräch gebracht.

Sicher ist, dass der Green Deal zum Motor einer nachhaltigen Entwicklung werden soll. Einen ersten Entwurf bewerteten Experten vielversprechend. Wie sich allerdings die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verhält, wenn es konkret wird, bleibt abzuwarten. Während sie den von Macron und Merkel gemachten Vorschlag eines Recovery Funds in Höhe von 500 Milliarden Euro begrüßte, wurde in einem CDU/CSU-Positionspapier der Green Deal zurechtgestutzt. Mit Rückenwind für nachhaltige und die Konjunktur stützende Investitionen ist also nicht zwingend zu rechnen. Es bleibt demnach abzuwarten, ob Deutschland und die EU den Willen aufbringen, angesichts der Bedrohungen durch Corona- und Klimakrise entschlossen zu handeln (siehe Corona- & Klimakrise verzahnen). Ein Programm für die EU-Ratspräsidentschaft gibt es noch nicht. Und auch die verschobene UN-Klimakonferenz in Glasgow Ende des Jahres fällt als Druckmittel für zeitnahe Entscheidungen zunächst aus.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Beitrag vom April: Recovery Europe – mit und durch den Green Deal.

Recovery Europe – mit und durch den Green Deal

Europa ist eine der schlimmsten von der Corona-Krise betroffenen Regionen. Zehntausende Tote zeugen schon jetzt davon. Doch statt Solidarität zu zeigen, waren sich die EU-Mitgliedsstaaten zunächst erst einmal selbst am nächsten. Italien wurde anfangs mit der Krise allein gelassen und ohne Abstimmung wurden Grenzen geschlossen. Die harte Diskussion um Finanzhilfen zeigt, dass auf höchster politischer Ebene eine Einigung schwierig werden könnte. Zwar ist ein erstes Hilfspaket geschnürt, um die Wiederaufbauhilfen wird aber weiter gerungen. Erst Mitte Mai soll es dazu einen Vorschlag von EU-Ratspräsident Michel vorgelegt werden.

Große Hoffnungen liegen daher auf der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Erste Entwürfe des Programms lassen den „Green Deal“ allerdings höchstens als Beiwerk den als Dreh- und Angelpunkt erscheinen. Dagegen fordern zahlreiche EU-Umweltminister und die „Green Recovery Alliance“ des EU-Parlaments, den „Green Deal“ als zentrale wirtschaftliche Aufbaustrategie nach der Coronakrise in den Mittelpunkt zu stellen. Jetzt hat Bundeskanzlerin Merkel auf dem Petersberger Klimadialog deutlich gemacht, dass der Klimaschutz nicht hinten angestellt werden darf. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sie ihren Worten auch Taten folgen lässt. Eine Sondersitzung des Bundeskabinetts hat das Programm erörert. Gleichzeitig sprach sie sich erneut dafür aus, die Klimaziele der EU auf 50 bis 55 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber 2007 anzuheben. Die Konsultationsfrist für das geplante EU-Klimaschutzgesetz endet am 1. Mai. Umweltverbände fordern 65 Prozent Reduktion bis zum Jahr 2030, um die Ziele mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen.

Auch zahlreiche Unternehmen, Gewerkschafter und Nichtregierungsorganisationen aus ganz Europa haben sich dem Aufruf für einen grünen Wiederaufbau der EU-Politik angeschlossen. Ob den vollmundigen Ankündigungen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für einen „Marshallplan für Europa“ Taten folgen, bleibt allerdings abzuwarten. So wurden einige der „Green Deal-Vorhaben“ bereits wieder zurückgestellt.

Energiepreisentlastungen und Bürokratieabbau als nachhaltiger Konjunkturmotor

Der CO2 Abgabe e.V. will die Energiesteuern und -umlagen durch eine Neuausrichtung am Klimaschutz grundlegend reformieren. Dazu sollen die Einnahmen aus den CO2-Preisen in die Gegenfinanzierung von EEG- und KWKG-Umlage, Heizöl- und Heizgassteuer sowie der Stromsteuer fließen. Die Fehlanreize des jetzigen Energiesteuer- und -umlagensystems würden so beseitigt und es würden endlich Anreize für nachhaltigen Investitionen gesetzt und Bürokratie durch den Wegfall zahlreicher Ausnahmetatbestände und Meldepflichten abgebaut. Vor allem Mittelstand und einkommensschwache Haushalte würden entlastet.

Nun bietet sich nach Eindämmung der Coronakrise und den damit verbundenen Konjunkturhilfen ein neuer Anknüpfungspunkt. Mitte März hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erneut eine weitreichende Senkung der EEG-Umlage gefordert (Newsletter März). Bereits im Oktober hatten die Bundesländer auf Initiative von Schleswig-Holstein in einer Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, die Steuern und Umlagen im Energiebereich grundlegend zu überarbeiten. Daran anknüpfend diskutiert der informelle Kreis der Energieminister der Länder am 4. Mai einen Beschluss, um die hohen Strompreise weiter zu senken und die Sektorenkopplung zu befördern. Einen Tag später ist die Autolobby zu Gast im Bundeskanzleramt. Sie würde ebenfalls von Strompreissenkungen über die EEG-Umlage profitieren. Mitte Mai kommt dann auch die Umweltministerkonferenz der Länder zusammen.

Durch die Coronakrise ist der Stromverbrauch in Deutschland massiv eingebrochen. Es wird befürchtet, dass dadurch die Belastung durch staatlich induzierte Preisbestandteile und insbesondere die EEG-Umlage massiv auf bis zu zehn Cent je Kilowattstunde steigen wird. Der CO2 Abgabe e.V. schlägt daher vor, die EEG-Umlage komplett gegen zu finanzieren. Zunächst könnte dies aus Steuermitteln erfolgen. Später dann aus einem einheitlichen, sektorübergreifenden CO2-Preis in EU-Emissionshandel und im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) oder doch noch mit einer einfacheren Energiesteuerreform bei Wärme und Verkehr, wenn sich das BEHG als verfassungswidrig erweisen sollte. Wege im Umgang mit EU-Beihilferecht hat die Stiftung Umweltenergierecht aufgezeigt. Sie stellen aus Sicht der beteiligten Ministerien keine Hürde dar. Nach derzeitigen Plänen will das Bundeskabinett die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag und die bislang geplante Entlastung über die EEG-Umlage mit einer Novelle des BEHG nach mehrmaliger Verzögerung im Mai umsetzen. Bislang ist geplant, die EEG-Umlage ab 2021 laut Berechnungen des Bundesfinanzministeriums um 2,08 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Im Jahr 2022 soll sie dann um 1,73 Cent, 2023 um 1,84 Cent, 2024 um 2,71 Cent und 2025 um 3,42 Cent fallen. Zusammen mit dem Wirtschaftsflügel der Union (Dr. Pfeifer, Linnemann, Dr. Nüßlein, Bareiß) hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) bisher verhindert, dass das Bundeswirtschaftsministerium einen Entwurf zur Absenkung der EEG-Umlage vorlegen konnte. Die Ministeriumsgespräche dauern daher an. Ob es im Mai tatsächlich zu einer Einigung kommt, ist weiter unklar.

„Grüne“ Wege aus der Krise

Die Politik kämpft mit den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Plötzlich werden Gelder mobilisiert, die vor kurzem noch undenkbar schienen. Über 1.000 Milliarden Euro sind bereits bereitgestellt, um Arbeitslosigkeit und Insolvenzen von Unternehmen zu verhindern. Stehen Liquiditätshilfen und die Verhinderung von Übernahmen derzeit noch im Fokus, läuft die Diskussion längst, nach den Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie die wirtschaftliche Wiederbelebung mit einem Klima-Konjunkturpaket zu verknüpfen.

Zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft, dem Verband Kommunaler Unternehmen, der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz sowie über 180 weiteren Verbänden und Unternehmen hat der CO2 Abgabe e.V. einen Aufruf an die Bundesregierung unterzeichnet, Klimaschutzlösungen zum Konjunkturmotor der wirtschaftlichen Erholung zu machen. Ziel ist ein nachhaltiger Neustart unserer Wirtschaft nach der Coronakrise. Die Agora Energiewende hat vorgeschlagen, ein erstes Konjunkturprogramm in Höhe von 110 Milliarden Euro zu schnüren. Mit 22 Milliarden Euro soll der Strompreis durch das Abschmelzen der EEG-Umlage über die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat hinaus gesenkt werden.

Doch wie schon nach der Finanzkrise 2009 sehen die üblichen Verdächtigen in „grünen“ Wegen aus der Krise nur eine Mehrbelastung der angeschlagenen Wirtschaft. Vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag, dem Unionsnahen Verein Wirtschaftsrat e.V. bis hin zum Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung und parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministeriums, Thomas Bareiß (CDU) reichen die Stimmen, die Bekämpfung von Corona- und Klimakrise nicht miteinander zu verbinden. Viele Unternehmen sind längst weiter. Bundeskanzlerin Merkel hat auf dem Petersberger Klimadiaolog deutlich gemacht, dass sie den Klimaschutz nicht hinten an stellen will.

Im Februar hat die Mitgliedsversammlung des CO2 Abgabe e.V. das Arbeitsprogramm bis zur Bundestagswahl 2021 verabschiedet. Darin enthalten ist auch unsere Unterstützung der Initiative „German Zero„. Mit ihr wollen wir die Voraussetzung im nächsten Bundestag schaffen für ein 1,5°-Klimaschutzgesetz. Denn der Bundestag, wie er heute besetzt ist, kommt dem Ziel nur ungenügt nach. Unser Mitglied, die Schreinerei Wittich, unterstützt jeden Euro an German Zero mit einem zusätzlichen Euro.

Buchbesprechung „Klimapolitik“ von Edenhofer / Jakob, Beck Verlag, 128 Seiten, 2017

„Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten – darum lohnt sich Klimaschutz.“

Buchrezension von Dr. Joachim Nitsch

Dieser Satz steht auf S. 52 des neu erschienenen Buches „Klimapolitik“ von Ottmar Edenhofer und Michael Jakob vom Berliner Mercator-Klimaforschungsinstitut. Es beschreibt in nüchternen, sehr gut lesbaren Formulierungen die wesentlichen Ursachen des Klimaproblems, formuliert knapp aber vollständig eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Klimapolitik und nennt die Ziele und die möglichen Wege zur Eindämmung des Klimawandels. Das nüchterne Fazit des ersten Buchteils lautet: Wird mit einer globalen Klimapolitik – deren Konturen Ende 2015 in Paris sichtbar wurden – nicht ernst gemacht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zum Ende dieses Jahrhunderts die globale Mitteltemperatur um ca. vier Grad über das vorindustrielle Niveau steigen. Dies dürfte zur Zerstörung von Ökosystemen, zu massivem Artensterben, zu einem Einbruch der weltweiten Nahrungsmittelproduktion, zu weltweiten Flüchtlingsströmen und in der Folge zu unübersehbaren Auseinandersetzungen und zwischenstaatlichen Konflikten führen.

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Keine Ausnahme für Niemanden

Seit dem im Jahr 2000 in Kraft getretenen ersten Erneuerbare Energien Gesetz – kurz EEG – bekommen Betreiber von z.B. Wind- oder Solaranlagen für 20 Jahre feste Vergütungssätze für den erzeugten Strom – finanziert von uns allen über die EEG-Umlage auf unseren Stromrechnungen. Von uns allen? Nein.

Hintergrund / Faktencheck zum Film „Keine Ausnahme für Niemanden“

Auf Druck der energieintensiven Industrien, die bei zu hohen Strompreisen mit Abwanderung ins Ausland und Verlust von Arbeitsplätzen drohten, reagierte die Politik mit einer fast vollständigen Befreiung von allen Umlagen, Steuern und Netzentgelten. Eine fundierte unabhängige Bewertung, wie viele Arbeitsplätze im Einzelfall tatsächlich ohne Befreiungen von Umlagen, Steuern und Netzentgelten verloren gehen könnten, wird nicht vorgenommen. Die Beträge, um die die energieintensive Industrie befreit ist, zahlen alle anderen Endverbraucher und Unternehmen mit. Nach einer Kurzstudie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) summieren sich die Befreiungen von Steuern, Umlagen, Netzentgelten usw. auf  Energie- und Strompreisen für die Industrie im Jahr 2016  auf 17 Milliarden €. Etwa zwei Drittel davon tragen die privaten Haushalte sowie kleinere Unternehmen.

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