Ausnahmeregelungen für das produzierende Gewerbe bei Energie- und Strompreisen

Seit dem im Jahr 2000 in Kraft getretenen ersten Erneuerbare Energien Gesetz – kurz EEG – bekommen Betreiber von z.B. Wind- oder Solaranlagen für 20 Jahre feste Vergütungssätze für den erzeugten Strom – finanziert von uns allen über die EEG-Umlage auf unseren Stromrechnungen. Von uns allen? Nein.

Auf Druck der energieintensiven Industrien, die bei zu hohen Strompreisen mit Abwanderung ins Ausland und Verlust von Arbeitsplätzen drohten, reagierte die Politik mit einer fast vollständigen Befreiung von allen Umlagen, Steuern und Netzentgelten. Inzwischen belaufen sich die Ausnahmeregelungen für das produzierende Gewerbe bei Energie- und Strompreisen  für das Jahr 2016 ein finanzielles Volumen von rund 17 Mrd. Euro (Kurzstudie FÖS).

Eine fundierte unabhängige Bewertung, wie viele Arbeitsplätze im Einzelfall tatsächlich ohne Befreiungen von Umlagen, Steuern und Netzentgelten verloren gehen könnten, wird nicht vorgenommen. Die Beträge, um die die energieintensive Industrie befreit ist, zahlen alle anderen Endverbraucher und Unternehmen mit.

 

  1. Beispiel: In der Liste der von der EEG-Umlage im Jahr 2016 befreiten energieintensiven Unternehmen finden sich unter dem Stichwort Backwaren sieben Industriebetriebe. Einige davon sind spezialisiert auf industriell gefertigte Teiglinge, die tiefgefroren ausgeliefert später in Discount-Backshops aufgebacken werden. Nach eigenen Angaben produziert allein ein Betrieb aus Brandenburg pro Jahr 500 Mio. Tiefkühlbackwaren mit insgesamt 270 Mitarbeitern[1]. Der Rest der etwa 12.500 Bäckereibetrieben mit mehr als 200.000 Arbeitsplätzen hat zwar auch vergleichsweise hohe Stromkosten, steht aber, so das Bundewirtschaftsministerium, nicht im internationalen Wettbewerb. Und vermutlich ist die Umlagebefreiung auch nicht der Hauptgrund für die Konzentration der Produktion von tiefgefrorenen Backwaren in wenigen Industriebetrieben. Aber man sollte und darf schon hinterfragen, ob im Backgewerbe solche zentralen Strukturen mit langen Transportketten, hohen Treibhausgasemissionen und wenigen Arbeitsplätzen nicht sowohl in Deutschland wie auch im Ausland mehr Arbeitsplätze verhindern als schaffen.
  1. Beispiel: Zu den treibhausgasintensiven Industrien gehören auch Betriebe, die Aluminium erzeugen. Der größte unter ihnen, die TRIMET Aluminium SE, produziert nach eigenen Angaben im Jahr 2016 mit 3.000 Mitarbeitern rund 775.000 Tonnen Aluminium und Gussprodukte. Der Stromverbrauch der deutschen Standorte in Deutschland wird auf etwa 1% des gesamten Strombedarfs in Deutschland geschätzt. 2014 erschien im WDR ein Bericht[2], nach dem über die „Strompreis-Subventionen“ alle anderen nicht befreiten Unternehmen und Endverbraucher jeden dieser Arbeitsplätze mit rund 450.000 € pro Jahr „bezuschusst“. Die Rechnung dürfte heute noch höher ausfallen. Als Rechtfertigung für die hohen „Subventionen“ wird oft der vermeintliche ökologische Nutzen des Werkstoffs Aluminium angeführt. „Wir brauchen Aluminium als Werkstoff, um beispielsweise leichtere Autos zu produzieren“, war die Aussage von NRW-Umweltminister Remmel gegenüber dem WDR. Und leichtere Autos bedeuten weniger CO2-Ausstoß. So kommt die Branche deshalb zu dem Schluss, dass sie sogar in der Gesamtbilanz CO2-Emissionen vermeide. Wenn dann allerdings die Gewichtsersparnis genutzt wird, um stärkere Motoren einzubauen, bleibt der Nutzen fragwürdig und die Frage, ob solche Produktionsstandorte nicht besser da aufgehoben sind, wo die Energieerzeugung überwiegend durch erneuerbare Energien bereit gestellt werden kann, wird erst gar nicht gestellt.

Die immer gleichlautende Antwort der Politik war dazu bisher „Arbeitsplätze im eigenen Land first“, egal was es andere kostet.

  1. Beispiel: Immer mehr Unternehmen, insbesondere solche, die Energie einsparen wollen oder sich selbst mit Strom versorgen wollen, kritisieren, dass sie immer weitere Auflagen erfüllen müssen. So hatte z.B. das erste EEG 12 Paragraphen auf 5 Seiten, das EEG 2014 bereits 104 Paragraphen auf 67 Seiten, und nach der Novelle ist kurz vor der Novelle.

Bei Unternehmen, die nur knapp die Kriterien eines energieintensiven Betriebes erfüllen, sind auch solche dabei, bei denen sich viel fossile Energie einsparen ließe aber der Aufwand sich deshalb nicht lohnt, weil sie dann aus den Befreiungen herausfallen würden und hinterher u.U. für Energie mehr zahlen müssten wie vorher. Auch das Bäckerhandwerk würde gerne Geld lieber für Effizienzmaßnahmen ausgeben als für Umlagen oder Steuern, so der Geschäftsführer der Bäckerei Riegler aus Heidelberg[3].

Als Lösung schlagen wir nun eine CO2-Abgabe vor, an der sich Alle!, gemessen am Maß der Treibhausgasemissionen, ohne Ausnahmen beteiligen. Mit den Einnahmen werden die EEG-Umlage, die KWK-G-Umlage, die Stromsteuer sowie die Energiesteuer auf Heizöl und Erdgas bezahlt. Jeder kann entscheiden, ob er lieber die CO2-Agabe zahlt oder selbst in Effizienz oder Einsparung investiert.
Eine für Alle & Alle für Eine bedeutet eine verursachergerechtere Verteilung der Kosten mit weniger Treibhausgasen und weniger Bürokratie.

In den Fällen, in denen eine Abwanderung eines energieintensiven Betriebes ins Ausland droht oder durch Konkurs der mögliche Verlust von Arbeitsplätzen nachgewiesen werden kann, muss die Gesellschaft bewusst entscheiden, wie und ob sie (ohne Ausnahmen bei der CO2-Abgabe) geeignete Lösungen findet, die gefährdeten Arbeitsplätze zu erhalten, ggf. mit Auflagen zur Einsparung von Treibhausgasen (vgl. Beispiel einer CO2-Abgabe wie in der Schweiz).

[1] http://www.coolback.de/index.php?lang=de&page=info&iid=1

[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/aluminium102.html

[3] http://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/wenn-die-eeg-umlage-mehr-energieeffizienz-verhindert/150/3094/343905

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