Verkehr und Gebäude verfehlen wiederholt Klimaschutzziele, Kanzler Scholz muss handeln

Berlin, 13. März 2023. Laut den heute veröffentlichten Daten des Umweltbundesamts (UBA) für Treibhausgasemissionen hat Deutschland zwar seine Klimaziele knapp erreicht, aber der Verkehrssektor riss das Klimaziel zum zweiten Mal in Folge – und der Gebäudesektor zum dritten Mal. Im Verkehrssektor übertreffen die Emissionen sogar die vom Vorjahr.

Ein Sofortprogramm muss nun bis zum 15.7. vorgelegt werden. Doch innerhalb der Koalition gibt es nicht mal Einigkeit über die Methode. Die FDP stellt die Sektorenziele weiter in Frage und möchte stattdessen – so der Vorschlag von FDP-Politikern Johannes Vogel und Lukas Köhler – ein Gesamtziel innerhalb des europäischen Emissionshandels (EU-ETS). Auch wenn der Vorstoß auf Interesse stößt: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, man möchte den Verkehrssektor nicht richtig anpacken. So heißt es im Vorschlag: Da sich die bisherige Systematik mit kleinteiligen jährlichen Sektorzielen als nicht praxistauglich erwiesen hat, wollen wir stattdessen eine mehrjährige sektorübergreifende Gesamtrechnung etablieren…“

„Anstatt zu gestehen, dass man Ziele verfehlt, wird behauptet, die sektorspezifischen Ziele und Sofortprogramme nach dem Klimaschutzgesetz würden nicht funktionieren und wären nicht das richtige Instrument“, so die Analyse von Craig Morris Geschäftsführender Vorstand vom Klimaschutz im Bundestag e. V.

Dabei könnte man effektive sektorscharfe Maßnahmen ergreifen. Für den Gebäudesektor etwa hat das BMWK im Januar eine 253-seitige Studie mit dem Titel „Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045“ veröffentlicht. Die Vorschläge:

  • Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen,
  • Ordnungsrecht statt ineffizienten Wasserstoffheizungen,
  • Stattdessen Wärmepumpen als Standardlösung,
  • Und schließlich energetische Sanierungen.

Für den Verkehrssektor fehlt eine solche Strategie komplett. Dabei liegen die Lösungen auf dem Tisch:

  • Tempolimits,
  • Abbau klimaschädlicher Subventionen wie das Dienstwagen- und Dieselprivileg,
  • eine Reform der KFZ-Steuer und
  • eine Verdoppelung der Investitionen in die Schiene und den ÖPNV, um auf das Pro-Kopf-Niveau von Österreich zu kommen.

Ein Gutachten zum Verstoß der zuständigen Ministerien und der Bundesregierung gegen die Pflicht zu Vorlage und Beschluss wirksamer Sofortprogramme im Auftrag von GermanWatch legt dar, dass das bisherige Sofortprogramm des Verkehrsministeriums die materiellen Anforderungen aus dem KSG nicht erfüllt. Zum einen ist es nicht in der Lage bis 2030 271 Mt CO2 (wie laut dem Expertenrat für Klimafragen nötig) einzusparen. Zum anderen fehlen Maßnahmen, um die Emissionsziele „in den folgenden Jahren“ einzuhalten. Besonders pikant: Auf Nachfrage kann das Verkehrsministerium nicht erklären nach welchen Annahmen, Methoden und Berechnungen die Einsparpotenziale der eigenen Maßnahmen angesetzt worden sind.

Gleichermaßen sieht das Gutachten ein Versäumnis auf Seiten der Bundesregierung. Diese hätte nach Vorlage des ungenügenden Sofortprogramms selbst tätig werden sollen, um einen Beschluss des Sofortprogramms und zusätzliche Maßnahmen, bei denen sie einen größeren Spielraum als das Ministerium genießt, zu verabschieden.

„Das Verkehrsministerium ist verpflichtet wirksame Sofortmaßnahmen vorzulegen, die die Emissionen wieder auf den Zielpfad zurückführen. Die Bundesregierung muss diese beschließen und gegebenenfalls ergänzen. Beides ist nicht passiert und stellt somit einen Rechtsbruch dar. Dabei liegt eine Maßnahme, um die Erfüllungslücke zu reduzieren, auf der Hand: das Tempolimit. Es kostet nichts, kann sofort umgesetzt werden und kommt mit einer Reihe von positiven Begleiterscheinungen: bessere Luft, weniger Mikroplastik und weniger Stress auf der Autobahn“, kommentiert Philipp George, politischer Referent bei Klimaschutz im Bundestag e.V. und Koordinator der Netzwerkkampagne „Alle fürs Tempolimit“.

„Letzten August hat die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz verschärft“, sagt Craig Morris. „Damit ist das KSG das Baby von Kanzler Scholz und der SPD. Leider verteidigen sie es nicht, als käme es aus der eigenen Familie.“

Pressekontakt

Craig Morris

Tel.: +49 (0)761 45 89 32 772, craig.morris@klimaschutz-im-bundestag.de

Ansprechperson Netzwerkkampagne „Alle fürs Tempolimit“:

Philipp George
+49 (0)761 45 89 32 77, philipp.george@klimaschutz-im-bundestag.de

Der Klimaschutz im Bundestag e.V. (ehemals CO2 Abgabe e.V.) ist ein Zusammenschluss von ca. 950 Unternehmen, Verbänden, Kommunen und Einzelpersonen, die sich für wirksame Klimaschutzmaßnahmen einsetzen.

Klimaschutz im Bundestag 8 – Das Deutschlandticket solidarisch und sozial weiterentwickeln

Das 49-Euro-Ticket heißt offiziell Deutschlandticket, wohl damit man den Preis in Zukunft anheben kann. Es kommt in den nächsten Monaten; noch werden Details ausgebügelt (vor allem die Digitalisierung).

Ein weiterer Aspekt ist bei den Verhandlungen am Ende unter den Tisch gefallen: die soziale Teilnahme. Sozialverbände wie die VdK hatten sich für ein 29-Euro-Sozialticket ausgesprochen. Auch die SPD hat dafür plädiert. Auf Bundesebene ist das Thema vorerst vom Tisch. Wenn es Sozialtickets geben soll, müssen die Kommunen sie umsetzen.

In dieser Veranstaltung sprachen wir mit folgenden Gästen:

  • Dr. Claudia Hille, die zu den sozialen Auswirkungen des 9-Euro-Tickets geforscht hat. Sie präsentierte ihre Ergebnisse.
  • Jan Kirschbaum von der „Bürgerticket-Initiative Wuppertal“. Er stellte das Konzept des Solidarischen Jahrestickets vor.
  • MdB Michael Donth (CDU), Berichterstatter bei der CDU/CSU für ÖPNV und Schiene.
  • MdB Anja Liebert (Grüne), Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen.

Die Online-Podiumsdiskussion war auf max. 90 min angesetzt. Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Standpunkte zu kommentieren.

Präsentationen

Das 9-Euro-Ticket im Spannungsfeld von sozialer
Teilhabe, Armut und Mobilität (PDF), Dr. Claudia Hille, FH Erfurt

Solidarisches Bürgerticket für Wuppertal (PDF), Jan Niko Kirschbaum

Einführung von Craig Morris (PDF)

Tempolimit-Symposium – Ausgabe 1 – Wie, wann und warum kommt das Tempolimit?

Online-Veranstaltung vom 1. Feburar 2023

Mit Beiträgen von:

  • dem stellv. Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Michael Mertens (Aspekte der Verkehrssicherheit)
  • dem Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Stephan Böse-O’Reilly, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der LMU München, Bayrische Landesärztekammer (Medizinische Effekte)
  • der Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm (Juristische Umsetzungsmöglichkeiten)
  • dem Kfz-Mechatroniker Maximales Drehmoment (Videoimpuls)
  • Moderation und Chronik des Tempolimits: Philipp George (Politischer Referent Klimaschutz im Bundestag e.V.)

Ressourcen / Präsentationen:

Video:

Umfrage „Wann kommt das Tempolimit?“ (nicht repräsentativ)

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Welche Heizsysteme sind ab dem 1.1.2024 noch zugelassen und woher kommt der zunehmende Strombedarf für Wärmepumpen, Elektromobilität und Industrie?

Die Bundesregierung plant noch dieses Jahr auf Grundlage folgender Diskussions-/Eckpunktepapiere die Umsetzung von entsprechenden Gesetzen:

Gleichzeitig werden die folgenden Themen derzeit stark vorangetrieben:

  • der Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung bis 2030
  • der Einbau von Wärmepumpen,
  • die Elektrifizierung der Mobilität,
  • der Ausbau von elektrischen Speichern,
  • die Erzeugung von Wasserstoff,
  • der Ausbau der Strom- und Wasserstoffnetze,

Mit einer breiten Umsetzung all dieser für den Klimaschutz notwendigen Maßnahmen wird der Strombedarf stark steigen.

Trotz Ausbaus der Erneuerbaren und einem im Jahr 2022 aufgrund des Krieges um 4 Prozent gegenüber 2021 gesunkenen Stromverbrauchs zeigen bereits die Tageswerte der realen Stromerzeugung in Deutschland, dass wir noch weit davon entfernt sind, über längere Zeit eine Stromversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren zu realisieren. 2022 lag die durchschnittlich notwendige Residuallast[1] an knapp 300 Tagen bei mehr als 20 GW.

Bei einem angenommenen Szenario mit einer Verdopplung von Solar- und Windstrom (Anteil Biomasse und Wasserkraft bleiben gleich) und einem durch Wärmepumpen um 30 TWh/a gestiegenen Stromverbrauch würde die Residuallast an mehr als 100 Tagen immer noch im Tagesdurchschnitt über 20 GW liegen.

Für den Klimaschutz im Bundestag e.V. stellen sich damit folgende wichtige Fragen:

  • In welchen Kraftwerken, mit welchen Nutzungsgraden und Brennstoffen (Energieträgern) soll zukünftig die Residuallast, die wir nicht durch Flexibilität, Netzausbau, Einsparungsmaßnahmen, Lastverschiebung oder Speicher abdecken können, erzeugt werden?
  • Wie können diese zunehmend auf erneuerbar erzeugte Energieträger, wie z.B. Wasserstoff, umgestellt werden?
  • Wo stehen diese Kraftwerke und wer baut sie?
  • Welche Folgen (Kosten, Emissionen, Nutzungsgrade, Bedarf an Energieträgern etc.) hat das für die politisch zu setzenden Rahmenbedingungen und die verschiedenen Akteure?
  • Welche Rolle kann oder ggf. muss die Wärmeleitplanung hier spielen?

Abgeordnete, die sich für diese Fragen interessieren, sind herzlich willkommen sich mit uns in Verbindung zu setzen unter info@klimaschutz-im-bundestag.de


[1] Residuallast meint hier die Stromlast abzgl. der Erzeugung durch Erneuerbare, wie z.B. Biomasse, Wasserkraft, Wind, Sonne oder Speicherkraftwerke.

Die Forderung, den Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe gesetzlich zu verankern, wird lauter!

Gleich mehrere Impulse heben 2023 das Thema Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe auf die politische Agenda.

  • So will die Bundesregierung die flächendeckende kommunale Wärmeplanung als zentrales Koordinierungsinstrument für lokale, effiziente Wärmenutzung gesetzlich regeln. Ein kommunaler Wärmeplan wird derzeit bis zu 100 Prozent gefördert (BMWK 2022).
  • Ein Positionspapier der rund 600 deutschen Kommunen, die sich im Klimabündnis zusammengeschlossen haben, fordert die Gesetzgeber auf, Kommunen zum Klimaschutz zu verpflichten und zwischen Bund und Ländern die nötige finanzielle Grundlage dafür zu schaffen (Klimabündnis 2022, vgl. auch Verbändeforderungen).
  • Ein Rechtsgutachten von Dr. Roda Verheyen und Katharina Hölzen, Rechtsanwälte Günther, macht erste konkrete Vorschläge, wie die Forderung der Finanzierung der Pflichtaufgabe rechtlich umgesetzt werden könnte.
  • Ein Forschungsvorhaben schätzt erstmals ab, auf wie viele Emissionen Kommunen durch ihr Handeln unmittelbar und mittelbar Einfluss nehmen könnten, wenn ihnen die Mittel und das Personal zur Verfügung stehen würden. In Summe der betrachteten Maßnahmen könnten Kommunen Treibhausgasemissionen (in Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten [Mio. t CO2e], Bezugsjahr 2019) in der Höhe von rund 101 von etwa betrachteten 278 Mio. t CO2e beeinflussen (UBA 2022).

Schauen Sie sich für mehr Informationen unsere

Onlineveranstaltung zu „Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe“ vom 24.Mai mit Frau Gudrun Heute-Bluhm, Städtetag Baden-Württemberg, Frau Prof. Cathrin Zengerling, Uni Freiburg und Frau Isabell Cademartori, SPD.

Klimaschutz im Bundestag e.V. wurde von der CDU/CSU-Fraktion eingeladen, um am 7.2.2023 einen Überblick zum Thema „Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe“ zu geben.

Weiterführende Links

Nationale Biomassestrategie eines der wichtigsten Vorhaben in 2023!

Die Entwicklung einer Biomassestrategie gehört zu den wichtigsten Vorhaben der Bundesregierung und das nicht nur aus klimapolitischer Sicht. Sie soll bis zur Sommerpause vorliegen. Die Eckpunkte ihrer Nationalen Biomassestrategie wollen die drei federführenden Ministerien im Frühjahr in mehreren Workshops mit Stakeholdern diskutieren.

Mit der Strategie sollen Fragen beantwortet werden, wie z.B.,

  • welche Rolle Biomasseheizungen künftig spielen können oder
  • wieviel Biomasse (bzw. Flächen) zur Substitution fossiler Rohstoffe zur Verfügung stehen werden.

Neben den zahlreichen eingegangenen Stellungnahmen von Verbänden zum Eckpunktepapier liegen bereits einige wissenschaftliche Beiträge zur Biomassestrategie vor, wie z.B. die Studie des Öko-Instituts „Biomasse und Klimaschutz“ vom 18.1.2023.

In einigen Bereichen ist bereits heute die Nachfrage nach Biomasse größer als das Angebot. So berichtete in unserem Onlineseminar zur Biomassestrategie ein auf Biomasse spezialisiertes Logistikunternehmen, dass sie die Nachfrage nach Biomasse für Heizkraftwerke nur noch mit Mühe decken könnten und die Transportentfernungen steigen. 

Bisher bestimmt im Wesentlichen die Biomassenachfrage, in welchem Umfang und in welcher Art land- und forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet werden. Das Angebot ist jedoch begrenzt durch die Verfügbarkeit von Fläche. Da Verkehrs- und Siedlungsflächen zunehmen, verringert die damit einhergehende Abnahme der Vegetationsflächen das Vermögen der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre. Abnehmende Landwirtschaftsflächen bedeuten darüber hinaus einen ansteigenden Lebensmittelimport und steigenden Flächenbedarf im Ausland (UFZ 2023).

Insofern muss es aus Sicht des Klimaschutz im Bundestag e.V. bei den Diskussionen um die Biomassestrategie auch um die Flächenfrage gehen, beispielsweise um Fragen, wie:

  • Wieviel Flächen wollen wir zukünftig im In- und Ausland noch nutzen für den Anbau von Energiepflanzen (Biokraftstoffen und Biogas)?
  • Um wieviel wollen wir die Flächen für die Tierhaltung und den Anbau von Futtermitteln reduzieren, um Flächen freizustellen für Wiedervernässung (Moorschutz), Aufforstung, Kurzumtriebsplantagen, Naturschutz, ökologischen Landbau, Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln, PV- Freiflächenanlagen, Biomasseproduktion zur Substitution fossiler Rohstoffe u.v.m. Anstatt Getreide anzubauen könnten auch Fläche wieder aufgeforstet werden. Anstatt Holz zu ernten, kann der Kohlenstoffspeicher im Wald erhöht werden. Anstatt Biomasse zu verbrennen, kann z.B. über Pflanzenkohle ein Teil des Kohlenstoffs als Negativemission aus der Atmosphäre längerfristig gebunden werden (vgl. Carbon Dioxide Removal Report und z.B. IFLS 2023).

Daneben geht es bei der Biomassestrategie aber auch um die Entwicklung von geeigneten Nutzungskaskaden (z.B. primäre stoffliche Nutzung von Holz im Bau oder als Möbel und geeigneter Verwertung nach Nutzungsende).

Aus der unmittelbaren Abhängigkeit von verschiedenen Flächennutzungsoptionen und Biomassenutzungen ergibt sich ein veränderter Bedarf an Maßnahmen und Politikinstrumenten, die im Rahmen der Biomassestrategie zu klären sind.

Darüber hinaus muss die Biomassestrategie klären, wie landbezogene Klimaschutzmaßnahmen methodisch richtig erfasst und in der THG-Berichterstattung für den Landnutzungssektor (land use, land-use change and forestry, LULUCF) sichtbar werden.

Mit ca. -11 Mio. t CO2e (2020) wird der Zielwert der Senkenleistung aus dem Landnutzungssektor im Vergleich zu den Zielen im Klimaschutzgesetz bislang deutlich unterschritten (bis 2030 auf – 25 Mio t CO2e, bis 2045 auf 40 Mio t CO2e, vgl. Thuenen 2022).

Unsere Stellungnahme zu den Eckpunkten zur Biomassestrategie findet sich hier zum herunterladen.Die Entwicklung einer nachhaltigen Biomassestrategie betrifft viele wichtige Bereiche unseres alltäglichen Lebens und verdient daher aus Sicht des Klimaschutz im Bundestag e.V. die besondere Aufmerksamkeit aller Mitglieder des deutschen Bundestages.

Berichtspflicht für die Klimawirkung von Flügen – kann treibhausgasneutrales Fliegen klappen?

Einer der Beschlüsse im Rahmen der Reform des europäischen Emissionshandels ist, ab 2025 Fluggesellschaften dazu zu verpflichten, die Emissionen und andere Effekte, die sich auf das Klima auswirken, pro Flug zu erfassen und diese zu berichten.

Beim Verbrennen von Kerosin (Flugbenzin) entsteht Kohlendioxid (CO2), das als Treibhausgas direkt zur Erwärmung der Erdatmosphäre beiträgt. Die CO2-Emissionen des gesamten Luftverkehrs betragen derzeit etwa 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.

Hinzu kommen sogenannte Nicht-CO2-Effekte, wie beispielsweise die Ozonproduktion oder die Bildung von Kondensstreifen. Sie können von Flug zu Flug stark variieren, je nach Verhältnissen in der Atmosphäre. Kondensstreifen am Tag zum Beispiel reflektieren tagsüber einen Teil der Sonnenstrahlung zurück ins Weltall. Nachts entfällt dagegen dieser „abkühlende“ Einfluss. Wärmestrahlung von der Erde wird jedoch auch nachts von Kondensstreifen zurückgehalten (UBA & DLR 2022).

Unter Berücksichtigung dieser Nicht-CO2-Effekte verursacht der Luftverkehr alleine zwischen 5-8 Prozent der globalen Klimawirkungen. Eine schlechte Nachricht für den Traum vom „klimaneutralen“ Fliegen: Ein großer Teil dieser „Nicht-CO2-Effekte“ tritt auch dann auf, wenn herkömmliches Kerosin durch CO2-neutrale synthetische Treibstoffe ersetzt werden. Bislang wurden diese Effekte in bestehenden und derzeit geplanten Politikinstrumenten noch nicht berücksichtigt.

Die EU steht nun kurz davor, mit der aktuellen Reform des europäischen Emissionshandels (EU ETS) Fluggesellschaften ab 2025 dazu zu verpflichten, sowohl die CO2-Emissionen als auch Nicht-CO2-Effekte pro Flug zu erfassen und diese zu berichten.

Eine Bepreisung dieser Nicht-CO2-Effekte des Flugverkehrs erfolgt damit jedoch noch nicht.

Weiterführende Links:

Zur Reform des europäischen Emissionshandels für Energie und Industrie und Einführung eines zweiten Emissionshandels für Gebäude und Verkehr

Zu den wichtigsten Reformen aus Sicht des Klimaschutzes gehört 2022 sicher die über drei Jahre diskutierte Reform des europäischen Emissionshandels, auf die man sich am 19.12.22 im Trilog geeinigt hat. Der bisherige Europäische Emissionshandel (EU-ETS 1) umfasst derzeit etwa 50 Prozent der europäischen Emissionen aus dem Energiesektor und der Industrie. Mit der Reform wird sich die Geschwindigkeit der jährlichen Emissionsreduzierung (Cap) deutlich erhöhen, und zwar von 2,2 Prozent pro Jahr im Rahmen des derzeitigen Systems auf 4,3 Prozent von 2024 bis 2027 und 4,4 Prozent ab 2028. Die Vereinbarung sieht außerdem vor, die kostenlosen Emissionszertifikate schrittweise auslaufen zu lassen. Es wird erwartet, dass in den Bereichen, die im EU-ETS 1 veranlagt sind, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 62 Prozent gesenkt werden zu 2005, dem Jahr seiner Einführung.

Darüber hinaus wird eine dem EU-ETS Preis vergleichbare CO2-Grenzsteuer (CBAM = Carbon Border Adjustment Mechanism) auf zunächst Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel sowie Strom und Wasserstoff aus dem außereuropäischen Ausland erhoben werden, um Abwanderung von Produktion und Emissionen ins Ausland zu verhindern. Im gleichen Zug wird die kostenfreie Zuteilung von Emissionszertifikaten allmählich bis 2034 zurückgefahren.

Ein wenn auch mit 40 Mrd. € zu kleiner Topf für z.B. Differenzverträge wird Unternehmen helfen, ihre Produktion auf emissionsärmere Verfahren umzustellen. Ein ebenfalls zu kleiner europäischer Fonds wird soziale Härten zumindest teilweise ausgleichen.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass mit dieser Reform das heutige Niveau des EU-ETS von 80 € pro Tonne CO2 mindestens gehalten wird, möglicherweise aber auch bis 2030 auf bis zu 160 € pro Tonne steigen könnte. Kein Vergleich zu den CO2-Preisen um die 5 € pro Tonne vor 2019.

Zusätzlich wird die EU einen zweiten Emissionshandel (EU-ETS-2) für die Bereiche Gebäude und Verkehr einführen. Damit unterliegen dann weit mehr als 75 Prozent aller Emissionen einem CO2-Preis. Allerdings wird das angedachte CO2-Preis-Niveau im EU-ETS 2 von 45€ pro Tonne kaum Wirkung zeigen.

Viele Forderungen des Klimaschutz im Bundestag e.V. (ehemals CO2 Abgabe e.V.), die den Emissionshandel einer planungssichern Abgabe auf CO2 immer weiter annähern, werden damit umgesetzt. Die Frage, ob eine Steuer, wie sie der Entwurf einer europäischen kombinierten Energie- und CO2-Steuer von 1991 mit anfänglich 1993 drei USD je Barrel Öl und einem Anstiegspfad von ein USD je Barrel und Jahr ein möglicherweise früher wirksameres, unbürokratischeres und effizienteres Instrument hätte sein können, stellte sich leider während der Diskussionen nicht mehr. Für viele Unternehmen gibt es nun ausreichend finanzielle Anreize, um von fossilen Energieträgern auf erneuerbare umzustellen oder Energie einzusparen. Die Frage bleibt, ob es genug Ressourcen (Lieferketten, Fachkräfte) geben wird, um die Energiewende auch schnell genug umzusetzen.

Klimaschutzsofortprogramm überfällig!

Seit Oktober liegen Eckpunkte der Bundesregierung für ein Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung vor. Dieses wird nach dem Klimaschutzgesetz notwendig, sobald der Klimarat zum Ergebnis kommt, dass die nach Sektoren aufgeteilten Ziele in einem oder mehreren Sektoren nicht eingehalten werden.

Nach Berechnungen können die im Sofortprogramm hinterlegten Maßnahmen in den Sektoren Energie, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Landnutzung das Klimaziel für 2030 zumindest auf dem Papier einhalten.

Im Bereich Verkehr ist klar, dass alle bisher vorgelegten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen werden, um die Ziellücke bis 2030 zu schließen. Bis zu 165 Millionen Tonnen Kohlendioxid (Mio. t CO2) schwer ist die Lücke bei den Maßnahmen zur Mobilität der Zukunft, für die das Verkehrsministerium zuständig ist. Allein mit Deutschlandticket und Elektroautos sind die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich nicht zu erreichen. Ende Januar hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Bundesregierung wegen Verfehlung der Klimaziele in den Bereichen Verkehr und Gebäude bis 2030 verklagt (BUND).  In 2022 hatte bereits die Deutsche Umwelthilfe Klagen gegen das Sofortprogramm im Gebäudesektor und zur Klage gegen das Sofortprogramm im Verkehrssektor eingereicht. In seiner beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereichten Klage verlangt der BUND den Beschluss von Sofortprogrammen, wie sie das Klimaschutzgesetz vorsieht. Dass die Klagen Erfolg haben könnten, darauf weisen zwei Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (WD 8 – 3000 – 088/22 und WD 8 – 3000 – 082/22) hin.