Verkehr und Gebäude verfehlen wiederholt Klimaschutzziele, Kanzler Scholz muss handeln

Berlin, 13. März 2023. Laut den heute veröffentlichten Daten des Umweltbundesamts (UBA) für Treibhausgasemissionen hat Deutschland zwar seine Klimaziele knapp erreicht, aber der Verkehrssektor riss das Klimaziel zum zweiten Mal in Folge – und der Gebäudesektor zum dritten Mal. Im Verkehrssektor übertreffen die Emissionen sogar die vom Vorjahr.

Ein Sofortprogramm muss nun bis zum 15.7. vorgelegt werden. Doch innerhalb der Koalition gibt es nicht mal Einigkeit über die Methode. Die FDP stellt die Sektorenziele weiter in Frage und möchte stattdessen – so der Vorschlag von FDP-Politikern Johannes Vogel und Lukas Köhler – ein Gesamtziel innerhalb des europäischen Emissionshandels (EU-ETS). Auch wenn der Vorstoß auf Interesse stößt: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, man möchte den Verkehrssektor nicht richtig anpacken. So heißt es im Vorschlag: Da sich die bisherige Systematik mit kleinteiligen jährlichen Sektorzielen als nicht praxistauglich erwiesen hat, wollen wir stattdessen eine mehrjährige sektorübergreifende Gesamtrechnung etablieren…“

„Anstatt zu gestehen, dass man Ziele verfehlt, wird behauptet, die sektorspezifischen Ziele und Sofortprogramme nach dem Klimaschutzgesetz würden nicht funktionieren und wären nicht das richtige Instrument“, so die Analyse von Craig Morris Geschäftsführender Vorstand vom Klimaschutz im Bundestag e. V.

Dabei könnte man effektive sektorscharfe Maßnahmen ergreifen. Für den Gebäudesektor etwa hat das BMWK im Januar eine 253-seitige Studie mit dem Titel „Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045“ veröffentlicht. Die Vorschläge:

  • Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen,
  • Ordnungsrecht statt ineffizienten Wasserstoffheizungen,
  • Stattdessen Wärmepumpen als Standardlösung,
  • Und schließlich energetische Sanierungen.

Für den Verkehrssektor fehlt eine solche Strategie komplett. Dabei liegen die Lösungen auf dem Tisch:

  • Tempolimits,
  • Abbau klimaschädlicher Subventionen wie das Dienstwagen- und Dieselprivileg,
  • eine Reform der KFZ-Steuer und
  • eine Verdoppelung der Investitionen in die Schiene und den ÖPNV, um auf das Pro-Kopf-Niveau von Österreich zu kommen.

Ein Gutachten zum Verstoß der zuständigen Ministerien und der Bundesregierung gegen die Pflicht zu Vorlage und Beschluss wirksamer Sofortprogramme im Auftrag von GermanWatch legt dar, dass das bisherige Sofortprogramm des Verkehrsministeriums die materiellen Anforderungen aus dem KSG nicht erfüllt. Zum einen ist es nicht in der Lage bis 2030 271 Mt CO2 (wie laut dem Expertenrat für Klimafragen nötig) einzusparen. Zum anderen fehlen Maßnahmen, um die Emissionsziele „in den folgenden Jahren“ einzuhalten. Besonders pikant: Auf Nachfrage kann das Verkehrsministerium nicht erklären nach welchen Annahmen, Methoden und Berechnungen die Einsparpotenziale der eigenen Maßnahmen angesetzt worden sind.

Gleichermaßen sieht das Gutachten ein Versäumnis auf Seiten der Bundesregierung. Diese hätte nach Vorlage des ungenügenden Sofortprogramms selbst tätig werden sollen, um einen Beschluss des Sofortprogramms und zusätzliche Maßnahmen, bei denen sie einen größeren Spielraum als das Ministerium genießt, zu verabschieden.

„Das Verkehrsministerium ist verpflichtet wirksame Sofortmaßnahmen vorzulegen, die die Emissionen wieder auf den Zielpfad zurückführen. Die Bundesregierung muss diese beschließen und gegebenenfalls ergänzen. Beides ist nicht passiert und stellt somit einen Rechtsbruch dar. Dabei liegt eine Maßnahme, um die Erfüllungslücke zu reduzieren, auf der Hand: das Tempolimit. Es kostet nichts, kann sofort umgesetzt werden und kommt mit einer Reihe von positiven Begleiterscheinungen: bessere Luft, weniger Mikroplastik und weniger Stress auf der Autobahn“, kommentiert Philipp George, politischer Referent bei Klimaschutz im Bundestag e.V. und Koordinator der Netzwerkkampagne „Alle fürs Tempolimit“.

„Letzten August hat die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz verschärft“, sagt Craig Morris. „Damit ist das KSG das Baby von Kanzler Scholz und der SPD. Leider verteidigen sie es nicht, als käme es aus der eigenen Familie.“

Pressekontakt

Craig Morris

Tel.: +49 (0)761 45 89 32 772, craig.morris@klimaschutz-im-bundestag.de

Ansprechperson Netzwerkkampagne „Alle fürs Tempolimit“:

Philipp George
+49 (0)761 45 89 32 77, philipp.george@klimaschutz-im-bundestag.de

Der Klimaschutz im Bundestag e.V. (ehemals CO2 Abgabe e.V.) ist ein Zusammenschluss von ca. 950 Unternehmen, Verbänden, Kommunen und Einzelpersonen, die sich für wirksame Klimaschutzmaßnahmen einsetzen.

Klimaschutz im Bundestag 8 – Das Deutschlandticket solidarisch und sozial weiterentwickeln

Das 49-Euro-Ticket heißt offiziell Deutschlandticket, wohl damit man den Preis in Zukunft anheben kann. Es kommt in den nächsten Monaten; noch werden Details ausgebügelt (vor allem die Digitalisierung).

Ein weiterer Aspekt ist bei den Verhandlungen am Ende unter den Tisch gefallen: die soziale Teilnahme. Sozialverbände wie die VdK hatten sich für ein 29-Euro-Sozialticket ausgesprochen. Auch die SPD hat dafür plädiert. Auf Bundesebene ist das Thema vorerst vom Tisch. Wenn es Sozialtickets geben soll, müssen die Kommunen sie umsetzen.

In dieser Veranstaltung sprachen wir mit folgenden Gästen:

  • Dr. Claudia Hille, die zu den sozialen Auswirkungen des 9-Euro-Tickets geforscht hat. Sie präsentierte ihre Ergebnisse.
  • Jan Kirschbaum von der „Bürgerticket-Initiative Wuppertal“. Er stellte das Konzept des Solidarischen Jahrestickets vor.
  • MdB Michael Donth (CDU), Berichterstatter bei der CDU/CSU für ÖPNV und Schiene.
  • MdB Anja Liebert (Grüne), Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen.

Die Online-Podiumsdiskussion war auf max. 90 min angesetzt. Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Standpunkte zu kommentieren.

Präsentationen

Das 9-Euro-Ticket im Spannungsfeld von sozialer
Teilhabe, Armut und Mobilität (PDF), Dr. Claudia Hille, FH Erfurt

Solidarisches Bürgerticket für Wuppertal (PDF), Jan Niko Kirschbaum

Einführung von Craig Morris (PDF)

Klimaschutz im Bundestag 7: 65% Erneuerbare Energien im Gebäudewärmebereich

Dokumente zur Veranstaltung

Mitte Juli hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zusammen mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ein Konzeptpapier zur Umsetzung „65 Prozent erneuerbare Energien beim Einbau von neuen Heizungen ab 2024“ veröffentlicht, das folgende Erfüllungsoptionen für den Einbau von neuen Heizungen ab 1.1.2024 vorschlägt:

  • Anschluss an ein Wärmenetz
  • Einbau einer Wärmepumpe mit der Wärmequelle Luft, Erdreich oder Wasser
  • Einbau einer Biomasseheizung
  • Einbau einer Gasheizung
    unter Nutzung von grünen Gasen
  • Einbau einer Hybridheizung
  • Einbau einer Stromdirektheizung (bei äußerst niedrigem Wärmebedarf?)

Über diese Erfüllungsoptionen und ihre genau Ausgestaltung diskutierten wir mit Christian Stolte (Bereichsleiter energieeffiziente Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur, kurz dena).

Leider war Timon Gremmels (SPD, Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie) kurzfristig verhindert; Er hat für den 23.01.2023 zugesagt, das Gespräch über das o.g. Konzeptpapier mit uns nachzuholen. Die Aufzeichnung werden wir an dieser Stelle dokumentieren.

Folgende Themen wurden während der Online-Veranstaltung behandelt;

  • 65% Erneuerbare Energien im Gebäudewärmebereich
  • Diskussion der Erfüllungsoptionen 
  • Rolle der Kraftwämekopplung bei Deckung der Residuallast
  • Suffizienz, Effizienz im Gebäudebereich
  • Standardisierte Sanierungsfahrpläne in Abhängigkeit des Gebäudetyps und des kommunalen Energiekonzepts
  • Kommunale Wärmeplanung und Energieleitpläne (Integration der Energieerzeugung und Energienachfrage)

Unstrittig?

  • Wärmepumpen werden eine wichtige Rolle im Wärmemarkt spielen!
  • Erdgaskessel und Stromdirektheizungen hätten längst verboten werden müssen.

Strittig?

  • Welche Rolle werden Biomasseheizungen spielen können (-> Biomassestrategie!)?
  • Aus welchen Residuallastkraftwerken kommt der Strom für die Wärmepumpen bei <100 EE?

Aufzeichnung der Veranstaltung