Tierwohl- und Emissionsabgabe, klimaschonende Landnutzung

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Kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe auf tierische Produkte zum Flächengewinnen für die stoffliche Nutzung (Bioökonomie), Biodiversität und Wasserrückhaltung in der Landschaft; Erhöhung der Stickstoffeffizienz; Doppelnutzung von Flächen durch Agriphotovoltaik statt Bioenergiepflanzen (Klimaschonende Landnutzung 5.0)

Zukunftsbild zu einer Landnutzung 5.0

Unsere Ernährung, insbesondere mit tierischen Produkten, gehört zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen. Die neu gewählte Bundesregierung muss daher die Weichen hin zu einer klimaschonenden Landwirtschaft stellen.

Subventionen für klimaschädliche Landwirtschaft müssen dafür abgebaut werden, denn sie verzerren den Marktwettbewerb zu Ungunsten der ökologischen Lebensmittelwirtschaft. Zu den „wahren Preisen“ unserer Lebensmittel gehören auch die Umweltressourcen, die bei ihrer Produktion verbraucht werden, wie Wasser, Boden und Biodiversität. Auch diese Kosten müssen sich in unseren Lebensmitteln widerspiegeln.

Ziel muss es sein, dass die Landwirtschaft verstärkt auch für die Leistungen honoriert wird, mit der sie das Klima schützt, der Natur Raum gibt und die Biodiversität fördert. Etwa durch die Wiedervernässung organischer Böden (Moorschutz), die Verringerung von Stickstoffüberschüssen und Humusaufbau.


Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die:

  1. klimaschädliche Subventionen in der Landwirtschaft abgebaut werden.
  2. eine kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe (> 100 € pro Tonne CO2e) eingeführt wird, aus deren Einnahmen Leistungen von Landwirt*innen vergütet werden können, die bisher unwirtschaftlich waren. Dazu gehören zum Beispiel Leistungen für das Tierwohl, den Moorschutz, den Klimaschutz, den Landschafts-, Biodiversitäts-, Gewässer- und Bodenschutz, sowie den Wasserrückhalt und die Umweltbildung und Erholung.
  3. bei der landwirtschaftlichen Produktion die Stickstoffeffizienz durch eine stärkere Begrenzung betrieblicher Stickstoffbilanzüberschüsse (Stoffstrombilanzverordnung) erhöht wird.
  4. die Erzeugung Erneuerbarer Energien aus Biomasse zukünftig weitgehend auf Gülle und Reststoffe beschränkt wird (ohne organische Reststoffe sowie holzige Biomasse aus Forst und von landwirtschaftlichen Flächen) und
  5. Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Bau von AgriPV-Anlagen fördert, die auf derselben Fläche weiterhin landwirtschaftliche Nutzung zulassen.

Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail

Die Art unserer Ernährung und die mit ihr verbundenen globalen Lieferketten sind zu einem Hauptverursacher für zusätzliche Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre geworden, dessen Anteil mit dem zunehmenden Verzicht auf fossile Energieträger steigen wird (Chatham House 2021, Dasgupta Review 2021). Die Produktion tierischer Produkte spielt dabei aufgrund des hohen Flächenbedarfs für Futtermittel und der Emissionen aus entstehendem Wirtschaftsdünger und der Verdauungsgase von Wiederkäuern eine zentrale Rolle.

In Deutschland sind etwa 50% der der Landwirtschaft zugeordneten Treibhausgasemissionen direkt auf die Emissionen von Methan (CH4) durch Wiederkäuer und das Wirtschaftsdüngermanagement zurückzuführen. Globale Lieferketten oder Emissionen aus entwässerten Moorböden sind dabei noch nicht berücksichtigt. Eine weitere relevante Quelle an Treibhausgasen, bei denen in den letzten 20 Jahren keine nennenswerte Minderung erfolgte, sind Emissionen von Lachgas (N2O) aus Böden als Folge des Stickstoffeinsatzes mit der Düngung (UBA 2019, UBA 2020). Insgesamt stammen rund 80% der Emissionen einer durchschnittlichen europäischen Ernährung aus dem Konsum tierischer Produkte (Ritchie 2020). Untersuchungen lassen befürchten, dass, selbst wenn alle anderen Emissionen außerhalb der Landnutzung gestoppt würden, unsere unveränderte Art der Ernährung bereits eine Erwärmung von über zwei Grad wahrscheinlich machen (Clark et al. 2020).

Eine nachhaltige Landwirtschaft verbindet die Produktion von Nahrungsmitteln mit verringerten Treibhausgasemissionen, der Kohlenstoffspeicherung in Böden und der Erhaltung und Verbesserung wichtiger Funktionen unserer Lebensräume.

Das Einkommen der Landwirt*innen in Deutschland wird zu über 50% von unternehmensbezogenen Direktzahlungen und Zuschüssen bestimmt (BMEL 2018/2019, S. 26). Diese Subventionen sind überwiegend weder an der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft noch an der betrieblichen oder der personellen Bedürftigkeit der Landwirte ausgerichtet. Darüber hinaus werden sie über gestiegene Pachten zu einem größeren Anteil an Bodeneigentümer durchgereicht. Die Politik für Landwirtschaft und ländliche Räume muss konsequent am Gemeinwohl orientiert werden, wie dies auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) empfiehlt (Grethe et al. 2018, WBAE 2020). „Wahre Preise“, die alle potenziellen Leistungen der Landwirt*innen (wie z.B. Nahrungsmittelproduktion, Tierwohl, Klimaschutz, Landschafts-, Biodiversitäts-, Gewässer- und Bodenschutz, Wasserrückhalt sowie Umweltbildung und Erholung) wertschätzen und vergüten sowie die externen Umweltkosten (ca. 90 Mrd. € pro Jahr) einpreisen, sind ein zentraler Schritt zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen (Kurth et al. 2019, Abschlussbericht Zukunftskomission). Eine wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang ist die Einführung einer kombinierten Tierwohl- und Emissionsabgabe auf tierische Produkte. Sie führt zu einer Reduktion der Tierzahlen und setzt landwirtschaftliche Flächen frei, die zukünftig u.a. für die Wiedervernässung von organischen Böden (Moorschutz), der Biodiversität und ggf. dem Anbau von Biomasse primär zur stofflichen Nutzung genutzt werden können. Mit dieser Biomasse können treibhausgasintensivere Produkte aus fossilen Rohstoffen z.B. in der Bau- und Chemieindustrie (Dämmstoffe) ersetzt und Kohlenstoff gebunden werden (vgl. MP 17, MP18).

(1) Abbau von klimaschädlichen Subventionen in der Landwirtschaft

In Deutschland lebt insbesondere die Tierwirtschaft überwiegend von Subventionen (Dannenberg et al. 2021). Die klimaschädlichen Subventionen in der Landwirtschaft für die Produktion tierischer Produkte liegen bei etwa 2,5 Mrd. pro Jahr (Direktzahlungen für Futteranbau ohne Grünland ca. 2 Mrd. €/a, begünstigter Agrardiesel ca. 238 Mio. €/a, Erlass KFZ-Steuer 254 Mio.€/a, Ausnahme von der EEG-Umlage ca. 36 Mio. €/a; Fördermaßnahmen zur Förderung der ländlichen Entwicklung, die u.a. extensive Beweidung oder Stallumbau fördern können, sind in dieser Summe nicht enthalten). Hinzu kommen Vergünstigungen für tierische Produkte durch einen gegenüber anderen Produkten niedrigere Mehrwertsteuersatz von ca. 5,2 Mrd. €/a. Ebenfalls klimaschädlich sind Direktzahlungen, die eine entwässerungsbasierte Nutzung von Moorböden stützen. Solche Zahlungen müssen im Rahmen einer grundsätzlichen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU auf den Prüfstand.

(2)  Kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für Tierproduktion (Konsum tierischer Produkte)

Die jährlichen externen Kosten (Klima, Wasser, Boden und Biodiversität) der in Deutschland konsumierten tierischen Produkte liegen in der Größenordnung von 6 Mrd. Euro. Eine vollständige Umstellung auf eine ökologische Produktion würde die Kosten auf etwa 3,8 Mrd. Euro reduzieren (Bandel et al. 2020). Besonders hoch sind die externen Kosten bei einer energieintensiven Aufzucht von Nutztieren: Futtermittelanbau, Beheizung und Belüftung der Ställe sowie der Stoffwechsel der Tiere führen zu Austragungen von reaktivem Stickstoff und von Treibhausgasen sowie zu Energiebedarfen, die bedeutend höher sind als bei pflanzlichen Produkten. Vergleicht man konventionelle mit ökologischen Produktionspraktiken, führen vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter zu geringeren externen Kosten für ökologische Produkte. Bei unverändertem Konsum würde jedoch alleine eine Umstellung auf ökologischen Landbau und damit i.d.R. einhergehender geringere Produktionsmengen die Gefahr von Leakage (Import von Tierprodukten) beinhalten. Daher muss eine Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten in Richtung weniger tierischer Produkte stattfinden.

In Deutschland stehen derzeit etwa 16,7 Millionen Hektar (Mio. ha) für die landwirtschaftliche Produktion zur Verfügung (UBA 2020). Für die Ernährung in Deutschland werden weltweit zusätzlich etwa 19 Mio. ha in Anspruch genommen. Nach Deutschland importierte Ernährungsgüter belegten 2017 in den Herkunftsländern eine Fläche von 11,9 Mio. ha, davon 5,8 Mio. ha für pflanzliche Produkte (ohne Futtermittel) und 6,1 Mio. ha für tierische Produkte (inklusive Futtermittel). Der Anbau im Inland belegte für Ernährungsgüter dagegen nur 7,2 Mio. ha, davon 5,6 Mio. ha für tierische Produkte und 1,6 Mio. ha für pflanzliche Lebensmittel (destatis 2020).

Eine Minderung der direkten THG-Emissionen der Landwirtschaft um mehr als 50% im Vergleich zu heute ist nach Ausschöpfung aller Potenziale zur Effizienzsteigerung und Emissionsvermeidung nur durch Einschränkung der Tierproduktion in Deutschland zu erreichen. Erst eine Reduktion der Tierproduktion und des inländischen Konsums tierischer Produkte ermöglicht in Deutschland und anderen Ländern eine Bioökonomie (vgl. MP 17), die einen erheblichen Teil der stofflichen Nutzung fossiler Energieträger ersetzen kann.

Die Einführung einer kombinierten Tierwohl- und Emissionsabgabe auf das Endprodukt (inklusive importierter Produkte) setzt die notwendigen finanziellen Anreize, um den Konsum tierischer Produkte zu reduzieren (FÖS 2020). Die Einnahmen fließen (ggf. als teilweise zweckgebundene Steuern) in einen Fonds, aus dem die umfangreichen Umstellungsmaßnahmen in der Landwirtschaft getragen werden können.

Eine entsprechende Abgabe ist sozialverträglich umsetzbar, weil eine stärkere Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln ohne finanziellen Mehraufwand möglich ist und weder mit Mangelernährung noch andere negativen Gesundheitseffekten zu rechnen ist. Um den Konsument*innen den Ernährungsumstieg zu erleichtern, ist die Abgabe durch eine entsprechende Kommunikation über Wirkungen und Notwendigkeiten im Sinne des Tierwohls und des Klimaschutzes zu begleiten (vgl. MP 2: Klimakommunikation).

Der Abbau klimaschädlicher Subventionen der Land- und Forstwirtschaft und der kombinierten Tierwohl- und Emissionsabgabe stellen die notwendigen Mittel zur Verfügung, um neben gesunden Lebensmitteln auch die anderen Leistungen von Land- und Forstwirten, wie z.B. Landschaftspflege, Arten- und Lebensraumvielfalt, Tierwohl und Klimaschutz finanzieren zu können. Eine Übersicht über eine Vielzahl potentieller Maßnahmen, die über diesen Fond mitfinanziert werden könnten liefert boden-staendig.eu.

(3) Wiedervernässung organischer Böden (Moorschutz, ca. 1 Mio. ha)

Moore bzw. organische Böden nehmen mit rund 1,8 Mio. ha nur ca. 4% der Bundesfläche ein und konzentrieren sich auf das Norddeutsche Tiefland sowie das Alpenvorland. Sie stellen mit 1.300-2.400 Mio. Tonnen den größten terrestrischen Speicher an Kohlenstoff in Deutschland dar (Moorschutz Deutschland, Greifswald Moor Zentrum). Rund 90% dieser Flächen sind bereits entwässert, überwiegend aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung, und die stark kohlenstoffhaltige Torfschicht ist damit einer intensiven Zersetzung ausgesetzt. Trotz ihres geringen Flächenumfangs sind entwässerte Moorböden daher mit 59 Mio. t CO2e für fast 7 % der nationalen THG-Emissionen verantwortlich (Tiemeyer, et al.2020, S. 8).

Um diese Treibhausgasemissionen deutlich zu verringern sind Moorflächen, soweit es die hydrologischen Verhältnisse, Wasserrechte und bestehende Infrastruktur zulassen, langfristig wieder zu vernässen.

Etwa 6% der landwirtschaftlichen Fläche liegen auf organischen Böden. Diese Flächen wären bei einer Wiedervernässung nicht mehr auf traditionelle Weise nutzbar. Landwirtschaftliche Betriebe in Moorgebieten müssen daher durch Fördermaßnahmen und Ausgleichszahlungen bei der Transformation unterstützt werden (IfLS 2020, DVL, DVL 2021). Die bestehenden Moorschutzprogramme der Bundesländer und die sich in Arbeit befindende Moorschutzstrategie des Bundes (BMU 2020) müssen konsequent umgesetzt werden. Eine noch offene Frage ist, wieviel der zu restaurierenden Moorflächen künftig für den Anbau von Biomasse unter nassen Bedingungen (sogenannte Paludikulturen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion stehen) zur Gewinnung nachwachsender Rohstoffe in der Industrie genutzt werden können (vgl. MP 17 Bioökonomie).

(4) Torfabbau und Torfersatzstoffe

Durch den Abbau von Torf wird der Torfkörper irreversibel zerstört. Der entnommene Torf wird innerhalb weniger Jahre außerhalb der Moore weitgehend mineralisiert und der gespeicherte Kohlenstoff damit freigesetzt. Während für den verbleibenden Torfabbau in Deutschland bereits ein Ausstiegspfad (wenngleich auch nicht gesetzlich verbindlich) besteht, wird Torf im größeren Umfang bereits jetzt aus anderen Ländern, insbesondere aus dem Baltikum, nach Deutschland importiert und im Landschafts- und Gartenbau verwendet. Um die Zerstörung von Mooren und die dabei entstehenden Treibhausgasemissionen zu verhindern, muss daher am Verbrauch von Torf angesetzt werden (BZL 2020).

Im Klimaschutzprogramm 2030 ist im Maßnahmenbündel zum Moorschutz auch die Reduzierung der Torfverwendung in Kultursubstraten enthalten; die dort aufgelisteten Aktivitäten beschränken sich aktuell auf freiwillige Maßnahmen. Das Diskussionspapier zur Moorschutzstrategie der Bundesregierung benennt als Ziel, im Hobbygartenbau die Nutzung von Torf innerhalb der nächsten 6 Jahre durch nachhaltige Ersatzstoffe abzulösen. Im Erwerbsgartenbau wird ein weitgehender Ersatz von Torfen in Kultursubstraten innerhalb eines Jahrzehnts angestrebt. Der Bund selber setzt sich zum Ziel, im Landschafts- und Gartenbau torffreie Substrate zu verwenden.

Für eine Umstellung müssen ausreichende Mengen geeigneter Torfersatzstoffe zur Verfügung stehen. Eine Torfreduktionsstrategie ist unter Federführung des BMEL in Arbeit.

Für den Abbau und die Torfnutzung müssen rechtlich verbindliche Ausstiegspfade festgelegt werden. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollte die Anwendung von Torf im Landschafts- und Hobbygartenbau zeitnah untersagt werden.

(5)  Stickstoffüberschüsse verringern

Eine erhöhte Stickstoffeffizienz und damit geringere Stickstoffverluste reduzieren Lachgas- und Ammoniakemissionen und dienen damit neben dem Klimaschutz auch dem Trinkwasser- und Gewässerschutz und dem Schutz der Biodiversität. Leakage-Verluste entstehen bei einer Effizienzsteigerung nicht.

Eine Regulierung der Düngung findet ganz überwiegend über das Ordnungsrecht statt (Düngeverordnung, Stoffstrombilanzverordnung). So begrenzt die Düngeverordnung u.a. die maximale Ausbringungsmenge von Stickstoff mit organischen Düngemitteln pro Hektar. Nach der Stoffstrombilanzverordnung werden viele Betriebe verpflichtet (ab 2023 alle Betriebe mit mehr als 20 ha), eine Hoftorbilanz zur Erfassung und Bilanzierung der Stickstoffflüsse im Betrieb zu erstellen. Dies soll einen ressourceneffizienten Umgang mit Nährstoffen sicherstellen und Stickstoffverluste vermindern. Die Verordnung erlaubt jedoch erhebliche betriebliche Stickstoffbilanzüberschüsse. Um Umweltbelastungen durch Stickstoffemissionen wirksam zu begrenzen, muss die  aktuell erlaubte Obergrenze von 175 kg N/ha deutlich verringert werden z.B. auf max. 120 kg N/ha, bei Betrieben ohne Viehhaltung auf 50 kg N/ha  (siehe z.B. Vorschläge von Taube et al. 2020).

Über höhere CO2-Preise (vgl. MP 10) verteuert sich auch der energieintensiv erzeugte Mineraldünger. Dies ist ein zusätzlicher Anreiz zur Stickstoffeffizienz und zur geringeren Verwendung von Stickstoffmineraldünger. In der Folge werden Energieaufwand und CO2-Emissionen bei der Düngemittelherstellung eingespart, organischer Dünger aufgewertet und die Integration von Leguminosen in der Fruchtfolge angeregt.

Auf eine emissionsarme Ausbringung und Lagerung von Wirtschaftsdüngern ist zu achten.

Das derzeitige Ziel, den Überschuss der Stickstoff-Gesamtbilanz der Landwirtschaft in Deutschland auf 70 kg/N pro ha LF (Jahresmittel 2028-2032) zu begrenzen, sollte auf 50 kg/N pro ha LF gesenkt werden. Begleitet werden muss dies durch Beratung, Ordnungsrecht und gezielte Fördermaßnahmen (ein Aktionsprogramm zur integrierten Stickstoffminderung wird aktuell durch das BMU erarbeitet). 

(6) Humusaufbau und Kohlenstoffspeicherung auf Ackerflächen

Neben der Vermeidung von Treibhausgasen muss das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft sein, ein konsequentes Bodenmanagement zum Humusaufbau auf Ackerflächen zu etablieren. Sinnvolle Ansatzpunkte sind z.B. Zwischenfruchtanbau, humusbildende Fruchtfolge, Agrargehölze, organische Düngung und Ökolandbau (vgl. Bodenallianz Pfaffenhofen).

Landwirt*innen sollten aus Gründen der Bodenfruchtbarkeit ein hohes Eigeninteresse am Humusaufbau haben. Geeignete Instrumente zur Unterstützung sind daher Beratung sowie bei Bedarf gezielte Fördermaßnahmen. Humuszertifikate als privatwirtschaftliche, freiwillige und zusätzliche „Klimaspende“ können ebenfalls Anreize bieten. Humusaufbau ist in erster Linie eine Maßnahme zur Bodenfruchtbarkeit sowie dem Erosions- und Gewässerschutz. Die Klimawirkung ist ein Zusatznutzen, deren Höhe und Dauerhaftigkeit kaum zu quantifizieren ist (vgl. MP 18).

(7)  Verkaufsflächenabhängige Abgabe für Lebensmittelmärkte/Discounter

Dabei geht es um ein Instrument, die Marktmacht der Discounter zu begrenzen und kleinen Läden eine Chance zu geben. Eine solche Abgabe könnte z.B. in ein staatlich verwaltetes Sondervermögen (Fonds) zur gezielten Finanzierung der Strukturwandelkosten eingezahlt werden. Die Ziele einer solchen Abgabe sind: Genossenschaftlich organisierte Verarbeitungs- und Vertriebsstrukturen vor Ort können gestärkt werden und führen zu besseren Beziehungen zwischen Produzent*innen und Konsument*innen, und kleine Läden zur sozialverträglichen Versorgung der kurzen Wege werden gefördert (TAZ, 2.3.2021). Mit den Mitteln könnten ebenso Unverpacktläden unterstützt (enorm 2021, Unverpackt e.V.) und damit unnötige Herstellung von Verpackungsmaterial vermieden werden.

(8) Mehr AgriPV, weniger Bioenergiepflanzen – stoffliche Nutzung vor energetischer Nutzung

Bei einem erfolgreichen Ausbau der Wind- und Solarenergie, Erdwärme und Geothermie verliert die energetische Nutzung von Biomasse an Bedeutung. Auf landwirtschaftlichen Flächen wird eine die Lebensräume schützende Produktion pflanzlicher Lebensmittel im Vordergrund stehen. Die Umwandlung von Grünland in Ackerland, um die Anbaufläche auszuweiten, verbietet sich aus Klimaschutzgründen und ist bereits heute stark eingeschränkt. AgriPV-Anlagen, die aufgrund ihrer Höhe auf derselben Flächen weiterhin landwirtschaftliche Nutzung zulassen, können neben PV-Freiflächenanlagen einen zusätzlichen erheblichen Beitrag zur Flächeneffizienz liefern (Leitfaden Agri PV 2020). Damit wird auch der zunehmende Einsatz von batterieelektrischen Landmaschinen und Lieferfahrzeugen möglich. Biogasanlagen werden zukünftig vorwiegend mit flüssigen Reststoffen (Gülle, Lebensmittelreste etc.) betrieben und organische Reststoffe sowie holzige Biomasse aus Forst und von landwirtschaftlichen Flächen sowie aus Paludikultur entweder stofflich (z.B. als Dämmmaterialien oder Verpackung) oder in Pyrolyseanlagen einerseits energetisch und gleichzeitig als bilanzierbare Kohlenstoffsenke genutzt (vgl. co2abgabe 2020 und MP 18).


Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen

Der Anteil der landwirtschaftlichen Flächennutzung an den Treibhausgasemissionen liegt in Deutschland bei rund 12% (direkt dem Sektor Landwirtschaft zugeordnete Emissionen und Emissionen aus der Landnutzung, insbesondere organischer Böden). Auf Null werden diese nicht sinken können; aufgrund mikrobieller Stoffumsätze erzeugt landwirtschaftliche Produktion immer Emissionen.

Die größten Minderungspotenziale im Bereich Landwirtschaft und Landnutzung sieht das Klimaschutzgutachten 2016 des WBAE und WBA in der Erhöhung der forstlichen Produktion (Erhöhung des Nadelbaumanteils), in der Wiedervernässung organischer Böden (Moorschutz), einer Reduzierung des Konsums tierischer Produkte, der Nutzung von Lignocellulose aus landwirtschaftlicher Produktion (z.B. aus Kurzumtriebsplantagen), der stofflichen Nutzung von Holz in langlebigen Holzprodukten sowie der Erhöhung der Stickstoffeffizienz (Düngung). Die Treibhausgasvermeidungskosten gibt das Gutachten mit „häufig unter 50 €/t CO2e“ an. Im Szenario „Ambitionierter Klimaschutz“ wird das Minderungspotenzial für Treibhausgasemissionen mit 130-135 Mio. t CO2e/a bewertet.

Erwartete Einnahmen aus kombinierter Tierwohl und Emissionsabgabe auf tierische Produkte liegen anfänglich bei bis zu 15,4 Mrd. € pro Jahr. Das Einsparpotenzial durch die kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe liegt bei etwa 15 Mio. t CO2e pro Jahr (Banse et al. 2019, FÖS 2020).

Arten der Flächeninanspruchnahme der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland 2017 und in einem zukünftigen Szenario mit 50% weniger Tierproduktion. Im Szenario mit 50% weniger Tierproduktion in Deutschland werden bis zu 6,7 Mio. ha für andere Nutzungen (Biodiversität, Biologischer Landbau, Wiedervernässung organischer Böden, Agroforst, grünlandbasierte Weidehaltung, um die geringere Milchleistung durch Verzicht auf Kraftfutter auszugleichen

In einem Szenario mit 50% weniger Tierproduktion in Deutschland werden bis zu 6,7 Mio. ha für die Bioökonomie und für Biodiversität, Ökologischen Landbau, Wiedervernässung organischer Böden, Agroforst und grünlandbasierte Weidehaltung frei (vgl. Abbildung). Einer geringeren landwirtschaftlichen Beschäftigung aufgrund eines Rückgangs der Tierbestände kann durch eine Tierwohl- und qualitätsorientierte Produktion entgegengewirkt werden. Es würde zudem ein Strukturwandel mit einer Vielzahl von neuen Geschäftsmodellen und zusätzlichen Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, dem Arten- und Biotopschutz und der Bioökonomie ermöglicht werden. Eine differenzierte Abschätzung über die Anzahl der zu erwartenden zusätzlichen Arbeitsplätze steht bislang aus.

Der Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) sowie der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) gehen bei einer Wiedervernässung von 900.000 ha organischer Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung langfristig von einem Einsparpotenzial von 15,2 Mio. Tonnen COe2 aus (WBAE und WBW 2016). Das Moorschutzzentrum Greifswald entwirft ein Szenario, bei dem bis zum Jahr 2030 gut 20 Mio. Tonnen CO2e durch Wiedervernässung eingespart werden können. Laut Diskussionspapier zur Moorschutzstrategie des Bundes von November 2020 sollen bis 2030 fünf Mio. Tonnen CO2e weniger aus Moorböden emittiert werden. Bei Ausgleichzahlungen je ha Vertragsfläche für die Wiedervernässung von organischen Böden von 1.400-2.000 €/ha*a (Latacz-Lohmann 2019) und Emissionsfaktoren in Höhe von rund 15-35 CO2e/ha/a (Tiemeyer, et al.2020, S. 8) ergeben sich CO2e-Vermeidungskosten von ca. 40-133 € / t CO2e.

Bei der Einhaltung eines maximalen Stickstoffüberschusses auf Bundesebene von 50 kg (70kg) N/ha LF wird eine Einsparung von 4,9 (3,5) Mio t CO2e erwartet (Scheffler et al. 2019).


Vorschläge für die rechtliche Umsetzung

Moorschutz und Wiedervernässung organischer Böden

(1)    Anpassung des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes und der entsprechenden Wassergesetze der Länder sowie des Klimaschutzgesetzes (Abwägungsgrund Klimaschutz, Zuständigkeiten der Wasserbehörden und Wasser-und Bodenverbänden auch für Wasserhaltung in der Landschaft klären)

(2)   Förderprogramm für die Anpassung betroffener Betriebe (u.a. für Paludikulturen)

(3)   Vorschlag zu einer backstop-Regelung: ab 2035 kein Ackerbau und ab 2040, wo technisch möglich, kein tief entwässertes Grünland mehr auf organischen Böden

(4)   Förderung der Entwicklung geeigneter Substrate für den Torfersatz (u.a. Substrate aus Paludikultur); dabei Abstimmung mit Bioökonomiestrategien zur Steuerung der Biomassestoffströme

(5)   Backstop-Regelung: Keine Verwendung torfhaltiger Erden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich Garten- und Landschaftsbau auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ab 2024. Verbot des Verkaufs torfhaltiger Erden an Privatgärtner und für den Landschaftsgartenbau ab dem Jahr 2026

Tierhaltung

(6)   Kombinierte Tierwohl und THG-Abgabe auf tierische Produkte

(1)    Tierwohlgesetz: Reduktion Tierbestand zum Klimaschutz und zum Tierwohl, für viehstarke Regionen braucht es ein langfristiges Transformationskonzept.

Stickstoffverluste verringern

(2)   Novelle der Stoffstrombilanzverordnung: Rechtlich verpflichtende strengere Obergrenzen für erlaubte Stickstoffbilanzüberschüsse

(3)   Gasdichte Güllelagerung vorschreiben (Förderung in Übergangszeit)

Erneuerbare Energien

(4)   EEG: Zunehmende Umstellung der Biogasanlagen auf Gülle und Reststoffe,

(5)   EEG und Planungsrecht, vgl. Leitfaden zur Agri PV

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