Bioökonomie 2.0 zur Lenkung organischer Stoffströme vorwiegend in die stoffliche Nutzung
Für die Herstellung vieler unserer Alltagsprodukte verbrauchen wir fossile Ressourcen: Zum Beispiel wird herkömmliches Plastik aus Erdöl hergestellt, aber auch Farben, Kleidung oder Baumaterialien für unsere Häuser. In der Bioökonomie sollen diese fossilen Grundstoffe durch nachwachsende und biologische ersetzt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium definiert Bioökonomie wie folgt: „Die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen.“
Schon heute gibt es viele Produkte, die aus biologischen Grundstoffen hergestellt werden können: Kleidung aus Kaffeesatz, Smartphone-Displays aus Zucker oder Lebensmittelverpackungen auf Maisbasis. Und natürlich auch Dämmstoffe und andere Materialien im Wohnungsbau.
Das Klima profitiert gleich mehrfach von der Bioökonomie: Die biologischen Grundstoffe binden CO2 und ersetzen Produkte aus Erdöl oder Erdgas. In langlebigen Produkten wird CO2 damit langfristig gebunden. Am Ende der Verwertungskette können sie dann energetisch genutzt werden, bei der Pyrolyse (Verkohlung pflanzlicher Ausgangsstoffe) bleibt sogar dann das CO2 noch dauerhaft gebunden.
Der Anbau von Rohstoffen für die Bioökonomie darf dabei nicht in Konflikt stehen mit anderen Zielen der Landnutzung, wie der Erzeugung gesunder Lebensmittel, Bodengesundheit und Artenvielfalt (vgl. MP 16, MP 18). Deswegen sollten vor allem Flächen, die durch weniger Tierproduktion und weniger Anbau von Energiepflanzen frei werden, für den Anbau stofflicher Rohstoffe genutzt werden. In der Bioökonomie entstehen somit viele attraktive Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft, was auch bei jungen Menschen die „Lust auf Land“ wieder steigern könnte.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die:
- die Chancen der Bioökonomie besser genutzt werden, aber auch seine Grenzen festgelegt sind (zum Beispiel durch Flächenkonflikt mit anderen Landnutzungsformen). Das wäre zum Beispiel im Kreislaufwirtschaftsgesetz möglich.
- die stoffliche Nutzung von Biomasse den Vorrang vor der energetischen Nutzung (Kaskadennutzung) bekommt
- Geschäftsmodelle gefördert werden, die nachwachsende Rohstoffe sinnvoll nutzen, um fossile Energieträger (Rohstoffe) einzusparen
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Bioökonomie, hier verstanden als Transformationspfad, bei dem fossile Grundstoffe wie Naphtha (Rohbenzin) und Erdgas durch verschiedene nachwachsende Rohstoffe für Grund-, Dämm- und Baustoffe, Verpackungen u.v.m. ersetzt werden. Die Produktion dieser Rohstoffe muss unter Berücksichtigung der vorrangigen Ziele der Landnutzung wie die Bereitstellung gesunder Lebensmittel, Bodengesundheit, Gewässerschutz und Artenvielfalt geschehen (vgl. MP 16, MP 18).
Flächen, die durch weniger Tierproduktion und -konsum vorrangig stofflich genutzter Rohstoffe genutzt werden. Sinnvoll stofflich genutzte nachwachsende Rohstoffe haben den Vorteil, dass sie in der Kaskadennutzung erst einmal atmosphärisches CO2 binden, abbaubar sind (und damit Plastik in der Umwelt vermeiden) und am Ende energetisch genutzt werden. Über Pyrolyse (Verkohlung pflanzlicher Ausgangsstoffe) können sie dabei einen Doppelnutzen zur Energiegewinnung und als langfristige CO2-Senke haben. Durch eine reformierte Bioökonomie mit vielen sinnstiftenden Geschäftsmodellen entstehen attraktive Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft und erzeugen mehr „Lust auf Land“ bei jungen Menschen.
(1) Kaskadennutzung der Bioökonomie im Kreislaufwirtschaftsgesetz regeln
Wenn allein die Chemieindustrie in Deutschland von Naphtha auf erneuerbaren Wasserstoff (ggf. Ammoniak) als Rohstoff umstellen wollte, bräuchte sie mehr als 600 TWh zusätzlichen Strom aus Sonne und Wind, mehr als der gesamte aktuelle Jahresnettostromverbrauch in Deutschland (VCI 2019). Dies zeigt, dass erstens der Konsum der aus Naphtha hergestellten Produkte reduziert werden muss (Suffizienz), aber zweitens auch Biomasse als Grundlage verstärkt genutzt werden muss.
Durch geringere Tierzahlen werden zunehmend Flächen frei, auf denen auch Biomasse für eine stoffliche Nutzung von Biomasse als Ersatz für Baustoffe, Verpackungsmaterialen u.v.m. produziert werden kann. Vielfältige Synergien ergeben sich z.B. bei einer Produktion von Agroforst oder von Paludikulturen (vgl. MP 16).
Der Bioökonomierat definiert die Bioökonomie als die Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen (auch Wissen) für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen Wirtschaftsbereichen. Dabei kommt der Stoffstrombilanz (vgl. Abbildung) eine entscheidende Bedeutung zu, um eine nachhaltige Bioökonomie zu etablieren.
Die Abbildung zeigt, welch dominante Rolle den Futtermitteln und damit der Tierhaltung zukommt. Weltweit hat sich der Konsum an Fleisch seit 1990 verdoppelt, auch der Pro-Kopf-Verbrauch nimmt stetig zu. Die Bilanz muss sich weg von der Tierproduktion (hoher Flächenverbrauch zu Futtermittel) und der Produktion von Energiepflanzen hin zur primär stofflichen Verwendung der Biomasse entwickeln, um zunehmend fossile Rohstoffe ersetzen zu können. In einer Analyse zur Bioökonomie geben 4/5 der Menschen an, noch nie bewusst ein auf nachwachsenden Rohstoffen basiertes Produkt gekauft zu haben und die wenigsten wissen um den Zusammenhang der Flächenintensität der Tierproduktion auf der einen Seite und dem Flächenpotenzial für eine Bioökonomie bei einer entsprechenden Reduktion der Tierproduktion (Hempel et al. 2019, UBA 78/2019).
Am Beginn einer sinnvollen Nutzungskaskade steht die pflanzliche Nahrungsmittelproduktion, gefolgt von der stofflichen Nutzung und der Pyrolyse bzw. bei flüssigen Rückständen der Biogaserzeugung.
Erst ganz am Ende steht die energetische Nutzung.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Das Potenzial einer reformierten Bioökonomie hängt davon ab, wieviel Fläche und Biomasse nicht für die vorrangigen Ziele der Landnutzung wie gesunde Lebensmittel, Bodengesundheit, Gewässerschutz und Artenvielfalt gebraucht werden. Gefragt ist ein grundlegend reformiertes Biomassen- (Stoffstrom-)management mit optimalen Verwertungspfaden (Mulchen, Kompostieren, Fermentation, Pyrolyse, Karbonisierung), um Nährstoffe bestmöglich zu erhalten, die Pflanzengesundheit zu steigern und gleichzeitig Kohlenstoff maximal im Boden gebunden oder stofflich nutzen zu können.
Die Bioökonomiestrategie der EU rechnet mit einem Potenzial von bis zu einer Million neuer Arbeitsplätze bis 2030 in der EU (EU-Bioökonomiestrategie 2018).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Chancen und Grenzen der Bioökonomie z.B. im Kreislaufwirtschaftsgesetz regeln.
Substanzielle Vorschläge für eine geeignete rechtliche Umsetzung sind in Abstimmung mit MP 16 und MP 18 erst noch zu erarbeiten, sie setzen den Flächengewinn durch eine geringere Tierproduktion voraus.