Verursachergerechte Preise: Steuer- und Umlagenreform

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Steuer- und Umlagenreform mit verursachergerechten Preisen bis zum Endprodukt im Rahmen der Neuordnung des Energie- und Energiesteuerrechts (Rechtsbereinigung) sowie im Rahmen des GreenDeals

Hinter der Idee der „wahren Preise“ steht der Gedanke, dass Umweltkosten, die bei der Herstellung eines Produkt entstehen, nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, sondern vom Verursacher (Produzenten) und/oder Verbraucher (Konsumenten) selbst getragen werden. Davon sind wir in allen Wirtschaftsbereichen bisher weit entfernt.

Beispiel Energiemarkt: Zahlreiche Sonderregelungen und Ausnahmen, zum Beispiel für Energieintensive Industrien, sorgen dafür, dass gerade die größten Emittenten weitgehend von den wahren Preisen ausgenommen sind.

Die gegenwärtige Struktur von Abgaben und Umlagen ist innovationsfeindlich und klimaschädlich. Die vielfachen Sonderregelungen und Ausnahmen insbesondere im Energierecht und Energiesteuerrecht müssen durch eine verursachergerechte Bepreisung der Treibhausgase neu geordnet werden, um die erforderlichen Geschäftsmodelle für eine integrierte (sektorübergreifende) Energiewende zu ermöglichen. Auch die Bundesländer fordern in ihrem Entschließungsantrag vom 26. März 2021 eine Gesamtreform der staatlich induzierten Preisbestandteile im Energiesektor mit einer systematischen, verursachergerechten und sektorübergreifend anzugleichenden CO2-Bepreisung.

Dazu gehören eine grundsätzliche Überarbeitung des Energiemarktdesigns (vgl. MP 13), das Sondieren, wie ein WTO-konformer CO2-Grenzausgleich eingeführt werden kann, sowie eine Befreiung der regenerativen Eigen- und Direktstromversorgung von der EEG-Umlage, beziehungsweise ein Modell für die Vermarktung und Förderung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Beispielsweise sollte perspektivisch bei geeigneter Gegenfinanzierung die EEG-Umlage auf null abgesenkt werden, wie das bereits der Bundesrat fordert. Darüber hinaus sind geeignete Modelle für Netzentgelte zu entwickeln, um die Potenziale der Laststeuerung auszuschöpfen.


Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen,

  1. die eine verursachergerechte CO2-Bepreisung ermöglichen und gleichzeitig Sonderregelungen und Ausnahmen im Energie- und Energiesteuerrecht reduzieren (vgl. MP 13),
  2. die Kosten für Emissionen im internationalen Warenverkehr gerecht verteilen (zum Beispiel durch einen WTO-konformen CO2-Grenzausgleich, vgl. MP 12, MP 19) und
  3. die im Verkehr-, Bau- und Ernährungssektor alle Umweltkosten eines Produktes angemessen internalisieren (vgl. MP 7, MP 11, MP 14, MP 16).

Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail

Folgende Maßnahmen zur besseren Wirksamkeit von CO2e-Preisen sollten gesetzlich verankert werden:

(1)  Wahre Kosten im Rahmen einer Steuer und Umlagenreform

Für viele negative Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen, die sich aus der Produktion ergeben, kommen aktuell weder die Produzenten noch die Konsumenten auf (externe Kosten, vgl. Rollfs et al. 2021). Hier handelt es sich um eine Form von Marktversagen, dem mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen begegnet werden muss. Eine wirksame CO2-Bepreisung behebt dieses Versagen, indem sie den ökologischen und sozialen Umbau der Industriegesellschaft beschleunigt.

Perspektivisch ist für alle Wirtschaftsbereiche, die im internationalen Wettbewerb stehen, nicht nur ein ambitionierter und möglichst einheitlicher weltweiter CO2-Preis anzustreben (vgl. MP 19), sondern auch weitere staatlich induzierte Bestandteile an den Energiekosten (z.B. Energiesteuern) sollten in möglichst vielen Ländern aneinander angeglichen werden (vgl. IWF 2019).

Die Internalisierung externer Kosten braucht klare Preissignale bei Verursachern und Verbrauchern. Produzenten können dann ihre Produktionsweise z. B. auf Erneuerbare Energien umstellen und Verbraucher sich für weniger treibhausgasintensive Alternativen entscheiden (z.B. Holz statt Stahl, Bahn statt eigenes Auto). Gleichzeitig kann man durch geeignete Maßnahmen unerwünschte Nebenwirkungen wie soziale Härten und/oder die Verlagerung der Umweltschäden (z.B. Carbon leakage) vermeiden (Energiewendekomission 2021, S. 46 ff. und S. 279 ff.).

(2)  EU-ETS Energiewirtschaft: Reform des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) mit Mindestpreisen zur besseren Planbarkeit und Änderung des Strommarktdesigns

Viele Vorteile, die dem Instrument Emissionshandel (Cap & Trade) zugeschrieben werden, halten einer Analyse des real existierenden Emissionshandels nicht stand. Das zentrale Argument vieler Befürworter des EU-ETS ist, dass mit ihm Emissionen  automatisch dort eingespart werden, wo dies am günstigsten ist. Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssen jedoch in allen Bereichen zeitgleich und schnellstmöglich Emissionen eingespart werden – eine Beschränkung auf die „günstigsten“ Maßnahmen reicht nicht mehr.

Der real existierende EU-ETS wird von vielen anderen Umweltpolitiken überlagert, wie z.B. dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) oder – bis zum Brexit – dem Carbon Price Floor, einer CO2-Steuer, die das Vereinigte Königreich zusätzlich zum EU-ETS Preis erhoben hat, oder auch der EU-Ökodesign-Richtlinie (Edenhofer et al. 2021, co2abgabe 2020, co2abgabe 2019, co2abgabe 2018). Die Wirkung (Einsparung von Treibhausgasemissionen) der einzelnen Instrumente sind somit schwer quantitativ zuzuordnen. Und die Vermeidungskosten sind sehr unterschiedlich. Zudem gibt es ordnungspolitische Maßnahmen wie z. B. ein Tempolimit (vgl. MP 8), das Treibhausgasemissionen deutlich kostengünstiger einspart, als es ein Cap & Trade Mechanismus wie der EU-ETS kann. Besonders wirksam sind CO2-Preise jedenfalls dann, wenn sie nicht durch andere klimaschädliche Fehlanreize (Subventionen, Ausnahmetatbestände usw.) hintertrieben werden (vgl. MP 9).

Auch im Falle des EU-ETS kommen die Preissignale bislang nur beim Produzenten an. Im Falle der im EU-ETS veranlagten Energiewirtschaft kann ein verändertes Strommarktdesign (vgl. MP 13) die CO2-Preise in Echtzeit an die Stromkunden weitergeben. Damit würden die Stromkunden in die Lage versetzt, bedarfsgerecht in entsprechende Maßnahmen zu investieren, die den Strombezug genau dann vermeiden, wenn er einen besonders hohen fossil erzeugen Anteil aufweist.

(3) EU-ETS Industrie: Reform des europäischen Emissionshandels mit planungssicheren Mindestpreisen, einem Grenzausgleich und Differenzverträgen

Energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, kann man durch eine Kombination aus Endproduktabgabe und Ausgleichsverträgen (Carbon Contract of Difference) davor schützen, auf höheren CO2– oder Energiepreisen sitzen zu bleiben. Damit wird das Carbon Leakage Risiko vermieden und die Unternehmen in die Lage versetzt, in eine weitgehend treibhausgasfreie Produktion zu investieren (vgl. MP 12). Für Energie und Industrieanlagen, die nicht im EU-ETS veranlagt sind, sollten CO2-Preise in der Höhe der Mindestpreise im EU-ETS über die EU-Energiebesteuerungsrichtlinie bzw. das Energiesteuergesetz eingeführt werden.

(4) Personenverkehr: CO2e-Bepreisung im Rahmen einer fahrleistungsabhängigen PKW-Maut, die alle Externalitäten (Luftverschmutzung, Unfälle, Staus, Gesundheit etc.) internalisiert

Eingeführt werden sollte eine allgemeine fahrleistungsbezogene PKW-Maut als Infrastrukturabgabe zur Internalisierung aller externen Kosten in Höhe von anfänglich mindestens 7 Cent/km zur Finanzierung von Infrastrukturkosten der Mobilitätswende (vgl. MP 7).

(5)  Güterverkehr: Endproduktabgabe auf Transportemissionen

Die bisherige LKW-Maut bepreist nicht den Ausstoß von Treibhausgasen, sondern ist eine öffentlich-rechtliche Infrastrukturgebühr (Einnahmen 7,2 Mrd. € pro Jahr). Mit einer Speditionsabgabe auf Endprodukte für Waren, die in Deutschland an Letztverbraucher gehen, würde ein Preis auf den Ausstoß von Treibhausgasen auch für die nichtterritorialen Transportemissionen erhoben werden (vgl. MP 11).

(6) Kombinierte Tierwohl- und Treibhausgasabgabe auf tierische Endprodukte

Besonders weit entfernt von den wahren Preisen sind wir im Bereich der Lebensmittel (vgl. MP 16). Vor allem Produkte aus konventioneller Nutztierhaltung müssten deutlich mehr kosten, als dies aktuell der Fall ist. Dies würde den Verbrauch tierischer Lebensmittel verringern. Eine geringere Tierproduktion senkt nicht nur die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft, sondern ermöglicht es, Flächen für den Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel, die Wiedervernässung von organischen Böden, für die Biodiversität (vgl. MP 16) und den Anbau nachwachsender Rohstoffe (vgl. MP 17) zurückzugewinnen.

(7)  Rechtsbereinigung im Energie-, Energiesteuer- und Umweltrecht

Die Stiftung Umweltenergierecht entwickelt bis zum Herbst 2021 Vorschläge, wie das Energierecht entbürokratisiert und wieder besser steuerbar gemacht werden kann. Damit soll die Politik ermutigt werden, die Neuordnung in der nächsten Legislaturperiode anzugehen (vgl. MP 2). Im Rahmen der Rechtsbereinigung des Energiesteuerrechts sollten folgende Anpassungen vorgenommen werden:

(8) EEG-Umlage durch Einnahmen aus CO2-Preisen auf Null senken

Insbesondere die EEG-Umlage steht durch ihre Höhe für nicht privilegierte Verbrauchende einer integrierten Energiewende (Sektorkopplung) und passenden Geschäftsmodellen im Wege. Eine Vielzahl an Sonderregelungen bei der EEG-Festsetzung sowie bei der Kontrolle und Einziehung verursachen einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Die bereits erfolgte Absenkung der EEG-Umlage mit der Einführung der CO2-Bepreisung durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz reicht nicht aus, um diese Hindernisse abzubauen. Erst eine Absenkung auf null würde durch Entbürokratisierung zum nötigen Ausbau der Erneuerbaren führen – zum Beispiel durch die vollständige Finanzierung mittels einer CO2-Bepreisung in Kombination mit einer Anpassung des Strommarktdesigns (vgl. MP 13) kann den Ausbau der Erneuerbaren vor Ort durch Entbürokratisierung neu beflügeln (DENA, Stiftung Umweltenergierecht 2020).

(9) Gebäude: CO2-Preise verursachergerecht gestalten

Insbesondere bei einer Fernwärmeversorgung aus Anlagen, die im EU-ETS veranlagt sind, entstehen Wettbewerbsverzerrungen, wenn die national veranlassten Preisbestandteile wie CO2-Preise auf Energie sich nicht am Preisniveau des EU-ETS orientieren. Die Preisniveau des EU-ETS als auch des nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz werden noch längere Zeit nicht ausreichen, um bei CO2-Vermeidungskosten von weit mehr als 200 € pro Tonne allein genug Anreize für eine umfassende energetische Gebäudesanierung zu setzen. Daher sollte zusätzlich über das Ordnungsrecht ein Pfad für steigende verpflichtende Anteile an Erneuerbaren Energien gesetzlich geregelt werden. KfW- und Bafa-Förderungen sind konsequent an der Minderung der Treibhausgase auszurichten und die verbleibenden Kosten sind verursachergerecht und sozialverträglich auf Nutzer und Investoren zu verteilen (Mieter-Vermieter-Dilemma). Verpflichtende Energieleitpläne auf Quartierseben unterstützen dabei, die jeweils geeignete Lösung vor Ort zu finden (vgl. MP 1, MP 14).

Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen

Auf die Darstellung der Wirkungen einer Steuer- und Umlagenreform wird an dieser Stelle verzichtet und auf die genannten Maßnahmenpakete verwiesen.

Vorschläge für die rechtliche Umsetzung

(1)    Grundlegende Neuordnung des Energierechts: Folgende Gesetze zu einem Energiegesetz zusammenführen: Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), KWK-Modernisierungs-Gesetz (KWKG), Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG), Stromsteuergesetz (StromStG), Energiesteuergesetz (EnergieStG)

(2)   EEG-Umlage auf Null absenken und mittelfristig durch CO2e-Preis finanzieren.

(3)   Reform Emissionshandel: Die Obergrenze der Verschmutzungsrechte (Cap) ist an Klimaschutzziele von Paris angleichen, überschüssige Zertifikate löschen, Gültigkeit der Zertifikate vgl. Energiewirtschaft: ergänzend zur Reform Emissionshandel

(4)   Energiewirtschaft: Verursachergerechte dynamisierte Strompreise einführen (Strommarktdesign ändern vgl. MP 13)

(5)   Industrie: Grenzausgleich und Carbon Contract of Difference; im Non-EU-ETS CO2-Bepreisung im Rahmen einer Steuer- und Umlagenreform, Preisniveau an EU-ETS koppeln (ggf. über EU-Energiebesteuerungsrichtlinie), vgl. MP 12.

(6)   Güterverkehr: Einführung einer Speditionsabgabe als Konsumabgabe, die alle Externalitäten internalisiert (vgl. MP 11)

(7)   Personenverkehr: Einführung fahrleistungsbezogene PKW-Maut, LKW-Maut erhöhen
(vgl. MP 7).

(8)   Gebäude: Neben einem CO2-Mindestpreis der in der Höhe dem im EU-ETS gleicht, sind im Gebäudeenergiegesetz steigende verpflichtende Anteile an Erneuerbaren Energien gesetzlich auch im Bestand festzulegen. (vgl. MP 14)

(9)   Landnutzung: CO2-Bepreisung im Rahmen einer kombinierten Tierwohl- und Treibhausgasabgabe als Endproduktabgabe auf tierische Produkte (vgl. MP 16) Weitere Grundlagen zur rechtlichen Ausgestaltung von Umweltsteuern, Umlagen und Abgaben vgl. Klinski & Keimeyer 2017.

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