Positionen im Bundestag zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen – auffordern und vergleichen
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Maßnahmen Pakete der Initiative Wählbar
Dr. Carsten Linnemann
Mit seinem wegweisenden Beschluss vom 29.4.2021 stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass Klimaschutz schon jetzt im Grundgesetz verankert ist und wir heute mehr für den Klimaschutz machen müssen, um die Freiheitsrechte nachfolgender Generationen nicht zu gefährden. Die Pflichtaufgabe Klimaschutz hat nun Verfassungsrang und muß im Recht weiter konkretisiert werden.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen:
- Ein Verbot für das Inverkehrbringen fossiler Energieträger ab z.B. 2035, sofern andere Maßnahmen nicht den notwendigen Erfolg bringen.
- Verpflichtung zum Klimaschutz für Kommunen
- Verankerung des Klimaschutzes im Aktienrecht als Aufgabe von Unternehmen
- Beschlussvorlagen in Bund, Land und Kommunen müssen auf Klimarelevanz geprüft werden
- Gesetzliche Verankerung eines Klimabürger*innenrats oder einer Klimaversammlung.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Klimaschutz muss als Pflichtaufgabe für Kommunen und Kapitalgesellschaften ins Grund- oder Klimaschutzgesetz aufgenommen werden, einschließlich einer Rückfallklausel (Verbot/Backstopp) zum Inverkehrbringen fossiler Energieträger in Deutschland.
Die Freiheit der einen Generation hört da auf, wo sie die Freiheit der nächsten Generation einschränkt. So könnte man den am 29.4.2021 veröffentlichten wegweisenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zusammenfassen. Der Schutz des Klimas und die Verpflichtung zur Minderung von Treibhausgasemissionen folgt, so das Gericht, unmittelbar aus Art 20a des Grundgesetzes, demzufolge die natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen zu schützen sind.
Aus Sicht des Gerichts konkretisiert das Pariser Klimaabkommen dieses Ziel dahingehend, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Zudem umfasst Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ff. auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels, etwa vor klimabedingten Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Wald- und Flächenbränden, Wirbelstürmen, Starkregen, Überschwemmungen, Lawinenabgängen oder Erdrutschen zu schützen.
Das eigentlich Wegweisende an dem Urteil ist, dass diese Schutzverpflichtung für Gesetzgeber und ausführende Gewalten auch in Bezug auf künftige Generationen gilt. Eine Generation dürfe nicht unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.
Damit reichen die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 nicht aus, den Art. 20a des GG zu erfüllen. Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, "die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln." Damit ist klargestellt, dass der Klimaschutz im Grundgesetz bereits verankert ist, also Verfassungsrang hat. Nun wird es notwendig die Pflichtaufgabe Klimaschutz in den jeweiligen Gesetzen zu konkretisieren.
(1) Klimaschutz im Grund- oder Klimaschutzgesetz zur Neuausrichtung des gesetzlichen Rahmens im §20 GG konkretisieren.
Die zunehmende Komplexität unserer gesellschaftlichen Regeln erfordert in einigen sich besonders schnell ändernden Rechtsgebieten, wie z.B. dem Energierecht, eine vereinfachende Neuordnung (vgl. MP 10, MP 13).
Zur Neuordnung gehört die Ausrichtung an den Notwendigkeiten des Klimaschutzes. Als wichtiges Signal für Kommunen und Unternehmen gehört daher die Konkretisierung des Klimaschutzes ins Grundgesetz, auch als Selbstverpflichtung des Bundestages.
(2) Verbot des Inverkehrbringens von fossilen Energieträgern ab z.B. 2035 in Deutschland
Der vollständige Verzicht auf das Verbrennen fossiler Energieträger ist die notwendige Maßnahme, um die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens einhalten zu können. Sollten die in den nachfolgenden Maßnahmenpaketen 2-19 vorgeschlagenen ordnungspolitischen, förderpolitischen oder ökonomischen Regelungen und ihre Nachsteuerung nicht ausreichen, ist ein Verbot des Inverkehrbringen von fossilen Energieträgern in Deutschland ab z.B. 2035 die notwendige gesetzliche Rückfall („backstop“)-Regelung. Damit wird der § 20a des Grundgesetzes zum „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ so konkretisiert, dass der Gesetzgeber bereits heute ein starkes Signal setzt, dass 1. Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen einhalten will und 2. Investitionen in fossile Energien ohne Transformationspfad (MP 15) bereits heute als nicht mehr zukunftsfähige Investitionen („stranded investments“) betrachtet werden müssen.
(3) Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe
Viele Maßnahmen, die für den Klimaschutz notwendig sind, betreffen Kommunen. Mit den bisherigen Aufgaben der Daseinsvorsorge bei Bauen, Sozialem und Gesundheit sind viele Kommunen so ausgelastet, dass Klimaschutz meist zu kurz kommt – weil er keine Pflichtaufgabe ist. Mit der Pflichtaufgabe Klimaschutz würden auch die Forderungen nach Berlin und in die EU noch lauter, die Rahmenbedingungen zu verbessern, Klimaschutz zu finanzieren und vor allem die Umsetzung von Maßnahmen zu vereinfachen. Viele Kommunen begrüßen dies (Difu 2018), sofern die Finanzierung gesichert ist (vgl. MP 14), um ausreichend Personal für Klimaschutz bereit stellen zu können (Klimabündnis 2019). Einige gehen bereits voran (vgl. Tübingen, Münster, Konstanz, Kommunale Mitglieder des CO2 Abgabe e.V.).
(4) Klimaschutz ins Aktienrecht
Da Treibhausgase zum ganz überwiegenden Teil von Unternehmen beeinflussbar sind, muß Klimaschutz auch im Recht von Kapitalgesellschaften festgeschrieben werden. Auch dort kann die Erreichung der Treibhausgasneutralität (Reduktionspfad für fossile Energieträger auf Null mit entsprechenden Berichtspflichten) sowie ggf. weitere ökologische Kriterien (Schaffung von CO2-Senken, vgl. MP 18) mit entsprechenden Sanktionen (z.B. Vergütungshöhe für Vorstände und Aufsichtsräte) regulatorisch unterstützt werden (Ekardt 2015).
(5) Klimabürger*innenrat, Klimaversammlung
Die Begrenzung der Erderwärmung um durchschnittlich max. 2°C erfordert drastische Veränderungen. Die Unterstützung, politische Bildung und Mitwirkung der Bevölkerung kann durch einen repräsentativ ausgewählten „Klima-Bürger*innenrat“ gefördert werden (vgl. MP 2 (3)). Ein Klimabürger*innenrat leistet einen wichtigen Beitrag zur Rechtsbereinigung und zum Verständnis notwendiger Maßnahmen, wie das Beispiel der Klimaversammlung in England zeigt (Climate Assembly UK Report 2020). Diese bekam den Auftrag, Vorschläge zu entwickeln, wie das Vereinigte Königreich sein Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 erreichen kann. Die 108 Mitglieder der Versammlung kamen aus allen Bereichen des Lebens. Sie wurden repräsentativ für die britische Bevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Bildungsniveau, Wohnort in Großbritannien, städtische oder ländliche Umgebung und Grad der Besorgnis über den Klimawandel bestimmt. Die Versammlung wurde finanziert vom Unterhaus und zusätzlichen Mitteln von zwei philanthropischen Organisationen, der Esmée Fairbairn Foundation und der European Climate Foundation.
Aufbauend auf den Erfahrungen in Frankreich und England haben die Scientists for Future eine solche Bürger*innenversammlung im Dezember 2020 eingefordert. Daraufhin hat im Frühjahr, getragen von dem Verein BürgerBegehrenKlimaschutz, der erste „Bürgerrat Klima“ unter Schirmherr Horst Köhler, Bundespräsident a. D. seine Arbeit aufgenommen. Die Ergebnisse liegen inzwischen vor.
(6) Verpflichtung der Prüfung von Beschlussvorlagen auf Klimarelevanz in Bund, Ländern und Kommunen
Seit ein paar Jahren entscheiden sich immer mehr Kommunen, ihre Beschlussvorlagen vorab auf Klimarelevanz prüfen zu lassen. Das sollte zukünftig verpflichtend für alle Beschlussvorlagen gesetzlich geregelt werden (Difu 2018, KEAN 2020).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die Kosten der gesetzlichen Änderungen sind zu vernachlässigen. Kostenintensiv sind die flächendeckend zu erstellenden und umzusetzenden Energieleitpläne, um der Pflichtaufgabe Klimaschutz in den Kommunen nachzukommen (Kostenansätze und Finanzierungsvorschläge vgl. MP 14).
Die Aufnahme des Klimaschutzes als Pflichtaufgabe hat Auswirkungen auf alle folgenden Maßnahmenpakete. Mit ihr bekommen grundsätzliche Reformen, wie die Verpflichtung zur Bilanzierung von Treibhausgasen bei der Produktion (vgl. Lieferkettengesetz MP 3) oder die Verpflichtung bei der Produktion „vom Produkt bis zum Produkt“ zu denken (vgl. Kreislaufwirtschaftsgesetz MP 4), die notwendige gesetzliche und gesellschaftliche Grundlage. Insgesamt verstärken sich viele der Maßnahmenpakete gegenseitig bezüglich der Minderung der Emissionen sowie der Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
- Klimaschutz im § 20a Grundgesetz und/oder Klimasschutzgesetz konkretisieren.
- Klimaschutz als Pflichtaufgabe von Kommunen z.B. im Klimaschutzgesetz in Abstimmung mit dem Recht zur kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) und dem Aufgabenübertragungsverbot (Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG) verankern. Förderrecht entsprechend anpassen bzw. Finanzierung der Pflichtaufgabe Klimaschutz in den Kommunen absichern. Verpflichtung zur Erstellung von Energieleitplänen über die Länder mit entsprechenden Zielvorgaben (Voraussetzungen sind klare Absprachen und Vereinbarungen über die Finanzierung, vgl. MP 14)
- Änderung Kapitalgesellschaftsrecht (z. B. in §§ 76 oder 93 AktG58)
In § 87 Abs. 1 S. 2 AktG schrittweise die Erreichung der Treibhausgasneutralität (Reduktionspfad für fossile Energieträger aus Null) sowie ggf. weitere ökologische Kriterien (Schaffung von CO2-Senken) regulatorisch vorsehen - Vergütungshöhe des Vorstands und Aufsichtsgremien werden verpflichtend an die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen geknüpft. Als Sanktionen kommen neben (hohen) Bußgeldern kumulativ auch Abführungspflichten überhöht gezahlter Gehälter sowie Unterlassungsansprüche von Konkurrenzunternehmen in Betracht.
- Verankerung eines Klimabürger*innenrates oder Klimaversammlung im Grund- und/oder Klimaschutzgesetz
- Verpflichtung der Prüfung von Beschlussvorlagen auf Klimarelevanz in Bund, Ländern und Kommunen.
Viele Menschen sind bisher noch nicht ausreichend auf die Veränderungen vorbereitet, die der menschengemachte Klimawandel auch für unseren Alltag und unsere Arbeitswelt bedeuten wird. Es fehlt nicht nur Wissen über die Veränderungen in der Arbeitswelt die wirksamer Klimaschutz erfordert, sondern auch ein Bewusstsein für Chancen, die sich aus einer sozial-ökologischen Wende ergeben können. Denn hier entstehen viele neue Berufsbilder und Aufgaben. Nicht nur für die Generation unserer Kinder wird Klimaschutz zu einem selbstverständlichen Teil ihres Berufs werden müssen – egal, wo sie arbeiten.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen:
- ökologisch und sozial nachhaltige Berufe für Menschen attraktiver macht und ihnen ermöglicht leichter in diese wechseln können. Denn viele Berufe, sei es in der Automobilbranche, in der Energiewirtschaft oder in der Industrie, werden in Zukunft ganz wegfallen oder sich stark verändern. Andere Berufe werden an Bedeutung gewinnen, etwa in der Bioökonomie, bei der Gebäudesanierung, im Heizungsbau, bei den Erneuerbaren Energien, in Gesundheit und Pflege, in der Digitalisierung sowie in der Land- und Forstwirtschaft.
- berufsbegleitende Fortbildungen für ökologische und nachhaltige Berufe verstärkt gefördert werden. Dazu gehört auch eine bessere Informationen über Jobchancen in den neuen Arbeitsmärkten.
- Umwelt- und Klimathemen stärker als bisher in die Lehrpläne von Schulen und Berufsschulen aufgenommen werden.
- eine jährliche bezahlte Bildungswoche für alle Interessierten einführt, die Menschen ermöglicht andere soziale, ökologische und nachhaltige Berufswelten kennen zu lernen.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Eine Jugendstudie unter Menschen zwischen 14 und 22 Jahren zeigt, dass handlungsrelevantes Umweltwissen gerade bei den von der Erderwärmung betroffenen jungen Menschen nicht im ausreichenden Maße vorhanden ist und Viele die eigenen Konsumansprüche über das Gemeinwohl stellen.
(1) Politische Berufsbildung / Klimakommunikation (Arbeit 5.0)
Die bisherigen Angebote insbesondere der berufsbegleitenden Bildung (vgl. bpb 4/2020, bpb 12/2020, BMU u.v.m.) sind als Pilotprojekte vielversprechend, um einen Eindruck der drastischen Folgen der Erderwärmung zu bekommen. Sie reichen jedoch nicht aus, um zu erfahren, welche Änderungen und individuellen Chancen bezogen auf Berufswünsche damit verbunden sind.
Auch die Forschung darüber, wie eine sozialökologischen Arbeits- und Berufsbildungspolitik aussehen könnte und der praktischen Bildungsinhalte dafür notwendig wären, steht noch am Anfang (VÖW 2018, Gruene Arbeitswelt, IAB-Forum). Darüber hinaus steht die Kommunikation und Vermittlung solcher Inhalte in der Breite noch weitgehend aus (Klimakommunikation).
Das Wissensmanagement und die Empathie für Klima, Umwelt, Tiergesundheit, intakte Lebensräume, nachfolgende Generationen u.v.m. sollten dabei miteinander verbunden werden. Unter Klimakommunikation fallen auch Themen wie die Ökonomie, z.B. welche politischen Instrumente Spekulation, Korruption oder leistungslose Einkommen ermöglichen oder welche politischen Instrumente helfen, klimaschädliche Fehlanreize und Reboundeffekte abzubauen oder die Finanzierung einer sozialökologischen Transformation ermöglichen. Eine der wichtigsten Aufgaben ist dabei, nachvollziehbar zu erklären, was Wissenschaft von Meinungen unterscheidet und wohin dissonante und konsonante Wahrnehmung von Informationen führen kann. Für politische Mehrheiten braucht es eine breite Verankerung des Wissens um notwendige Veränderung für den Klimaschutz in großen Teilen der Gesellschaft.
(2) Jährliche Bildungswoche für die sozialökogische Transformation und den Zusammenhalt von Stadt und Land
So könnte das Angebot einer Bildungswoche für alle Interessierten das Erfahren von anderen Lebenswirklichkeiten, Berufsbildern, Lebenskonzepten den notwendigen gesellschaftlichen Zusammenhalt und ein lebenslanges Lernen für die sozialökologische Transformation befördern. In der Stadt lebende können so z.B. die Lebenswirklichkeiten der Menschen in Land- und Forstwirtschaft erleben und umgekehrt. Wissenschaftler dagegen könnten praktische Eindrücke in der Pflege, der Feuerwehr oder Verwaltung sammeln.
(3) Vereinfachung und Transparenz durch Rechtsbereinigung
Zur politischen Bildung gehört die Erklärung gesellschaftlicher Regeln. Um sie erklären zu können, müssen Regeln und ihr Zustandekommen transparent und einfach genug sein, um erklärbar zu bleiben (vgl. Wolfgang Schäuble 2007).
Das gilt für den Klimaschutz, insbesondere für die mit unzähligen Ausnahmetatbeständen und durch Lobbyisten durchgesetzte Sonderregelungen im Energierecht und Umweltrecht (vgl. MP 9). Die Stiftung Umweltenergierecht entwickelt bis zum Herbst 2021 Vorschläge, wie das Energierecht entbürokratisiert und wieder besser steuerbar gemacht werden kann. Damit soll die Politik ermutigt werden, die Neuordnung in der nächsten Legislaturperiode anzugehen.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die Geschwindigkeit der Transformation hängt ganz wesentlich von der gesellschaftlichen Bereitschaft ab, in die zukunftsfähigen Geschäftsfelder und damit Berufsbilder zu investieren. Beispiel: Allein im Bereich der Gebäudehülle ließen sich bei einer Verdopplung der bisherigen Sanierungsrate und einem Investitionsvolumen von rund 60 Mrd. € pro Jahr mehr als 200.000 zusätzlich Arbeitsplätze schaffen und ca. 42 Mio. t CO2-Emissionen dauerhaft einsparen (FIW 2018).
Voraussetzung dafür ist jedoch ein Qualifizierungsprogramm. Auch bei einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien sind die Effekte auf die Beschäftigung durchweg positiv (GWS 2018a, GWS 2018b, O`Sullivan2020).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Nach Artikel 30 des Grundgesetzes ist die „Schule“ und überwiegend auch die „Hochschule“ Ländersache. In dem zuletzt zum 1. Januar 2015 geänderten Art. 91b GG ist das Zusammenwirken von Bund und Ländern in Wissenschaft, Forschung, Lehre und Bildung geregelt.
Darüber hinaus erlaubt das Grundgesetz bei sogenannten „Gemeinschaftsaufgaben“ auch über die jeweils eigenen Zuständigkeiten hinaus zusammenzuwirken (BMBF).
Bundestag und Bundesrat sollten den Rahmen so setzen, dass die Bildung und ein lebenslanges Lernen für den sozialökologischen Wandel über die notwendigen Veränderungen zum Klimaschutz in allen relevanten Bildungseinrichtungen wie Schulen, Berufs- und Hochschulen in die Pflichtfächer integriert werden muss. Ein multidisziplinär zusammengesetzter und die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen repräsentierender Beirat wäre geeignet, die Wissensbasis für vielgestaltige Unterrichtsformen zusammenzustellen. Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (UN) auch zur Förderung einer "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) verpflichtet. Die dazu ggf. notwendigen zusätzlichen finanziellen Mittel (Art. 104c GG) sind zur Verfügung zu stellen.
Jährliche Bildungswoche für die sozialökologische Transformation im Rahmen einer Reform der Bildungsurlaubsgesetze
2019 wurde das 100-jährige Bestehen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gefeiert. Sie weist in ihrer Erklärung vom 21.6.2019 darauf hin, dass sie ihr hundertjähriges Jubiläum begeht „in einer Zeit transformativer Veränderungen in der Arbeitswelt, hervorgerufen durch technologische Innovationen, demografischen Wandel, Umwelt- und Klimaveränderungen und Globalisierung sowie anhaltende Ungleichheiten, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Zukunft der Arbeit und auf die Stellung und Würde der betroffenen Menschen haben“(IAO 2019). Eine Übersicht über Aufgaben und internationale Abkommen der ILO geben Zimmer&Pfitzner. Es ist dringend notwendig, dass sich die ILO nicht nur um eine sozial gerechtere Arbeitswelt der Lieferketten kümmert, sondern auch um die Ökologisierung der Lieferketten. Völkerrechtliche Normen wie ILO-Übereinkommen müssen in Deutschland ins nationale Recht übernommen werden (Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG). ILO-Übereinkommen stehen im gleichen Rang wie Bundesrecht, unterhalb der Verfassung, aber oberhalb der Ländergesetze (EU-Parlaments-Initiative).
Im Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 hatte sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, einen bezahlten Bildungsurlaub zum Zwecke der Berufsbildung, der allgemeinen und politischen Bildung sowie der gewerkschaftlichen Bildung einzuführen. Die Bundesländer haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit entsprechende Gesetze erlassen. An der Umsetzung gibt es erhebliche Kritik (Zimmer 2015). Die Ländergesetze sind dahingehend zu reformieren, eine jährliche Bildungswoche für jede*n anzubieten, in der Notwendigkeiten und Chancen einer sozialökologischen Transformation deutlich und zukunftsfähige Berufsbilder in Unternehmen und Lebensweisen in „best practice“ Beispielen erfahrbar werden. Damit kann der Gesetzgeber den notwendigen Wandel positiv befördern. Ein solch groß angelegtes Bildungs- und Motivationsprogramm erfordert die Vermittlung des Wissens in der gesamten Vermittlungskette. Themen wie z.B. Digitalisierung und Energie- oder Verkehrswende, die bislang nur wenig in Verbindung gebracht werden, müssen im Zusammenhang thematisiert werden (ioew), um neue Kooperationen, Ideen und Geschäftsfelder entstehen zu lassen (Klima vor acht statt Börse vor acht).
Lieferkettengesetz 2.0
Am 11. Juni 2021 wurde Bundestag das sogenannte „Lieferkettengesetz“ verabschiedet. Ein wichtiger Schritt: Denn größere Unternehmen werden damit ab dem 1.1.2023 verpflichtet, Verantwortung für die gesamte Produktionslinie ihrer Produkte zu übernehmen.
Dabei geht es im aktuellen Lieferkettengesetz allerdings vorrangig um den Schutz der Menschenrechte, um soziale Standards und Gesundheit. Klima- und Umweltschutz sind bislang weitgehend ausgespart.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen,
- die Unternehmen verpflichten, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der gesamten Lieferkette zu bilanzieren. Die Verpflichtung zur Treibhausgasbilanzierung kann stufenweise in den Wirtschaftsbereichen verfolgen, in denen die Umsetzung einfach und die Wirkung groß ist.
- die Unternehmen zur transparenten Information über die tatsächlichen Umweltkosten (incl. der Treibhausgase) zu verpflichten, die in einem Produkt verborgen liegen. Diese Informationen müssen für Verbraucher zugänglich sein (Stichwort Digitaler Produktpass).
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Pflicht zur Bilanzierung der Treibhausgasemissionen durch die Lieferkette im Lieferkettengesetz
Wer seine Emissionen mindern möchte, der muss sie zunächst kennen. Das gilt in besonderer Weise für Unternehmen, da sie über die Lieferketten auf den weitaus größten Teil der direkten und indirekten Emissionen Einfluss haben, sei es im In- oder Ausland. Jede Einkaufsentscheidung eines Vorproduktes nimmt Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck des Endproduktes. Nur mit den produzierenden Unternehmen ist die Forderung nach der Kennzeichnungspflicht der mit unseren Konsumprodukten einhergehenden Emissionen umsetzbar.
Mit dem von der Bundesregierung im März beschlossenen „Gesetzesentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ sollen größere deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihrer globalen Verantwortung gegenüber Vorlieferanten über die gesamte Lieferkette abgestuft nach Einflussmöglichkeiten besser nachzukommen. Im bisherigen Entwurf geht es im vorrangig um den Schutz der Menschenrechte, soziale Standards und Gesundheit (vgl. Analyse Initiative Lieferkettengesetz).
Die nationalen Treibhausgasbilanzen und mit ihr auch die meisten der existierenden Szenarien betrachten nur die Emissionen nach dem Territorialprinzip. Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und des Kyoto-Protokolls müssen jährlich nationale Treibhausgasbilanzen in Form eines nationalen Inventarberichts beim Sekretariat der UNFCCC einreichen. Und auch die im Klimaschutzgesetz 2019 verankerten jährlichen Reduktionsziele beschränken sich auf die territorialen Emissionen.
Der Anteil Deutschlands am Welthandel (Import und Export) liegt bei über 7% (BMWI 2020). Bei einer Betrachtung der importierten wie exportierten Emissionen durch Produkte sind Europa und Deutschland Nettoimporteur von Emissionen. Verantwortung für den Klimaschutz zu übernehmen bedeutet also mehr, als die territorialen Emissionen zu senken.
Zur Bilanzierung der Treibhausgase gibt es einen internationalen Standard, das Greenhouse Gas Protocol (vgl. auch DIN EN ISO 14064-1:2019-06.) (Scope 1-3 bezeichnet dabei eine Abstufung von direkt im Unternehmen produzierten Emissionen z.B. über Verbrennungsprozesse, über Emissionen, die mit zugekaufter Energie wie Strom verbunden sind, bis hin zu indirekten Emissionen, die z.B. mit Vorprodukten „eingekauft“ werden oder bei Dienstreisen entstehen).
Alle relevanten Emissionen könnten bereits heute in die Bilanz zumindest über Durchschnittswerte oder benchmarks einbezogen und produktscharf als Vorkettenemissionen in die Vorkettenbilanz Dritter einfließen. Mit dem Verkauf eines Zwischenproduktes (Vorketten) können nicht nur Herkunft, Preis, Gewicht, Transportkosten etc., sondern auch die Treibhausgasbilanz über entsprechend angepasste Verwaltungsprogramme bis zum Endprodukt und/oder Etiketten (Chips oder Strichcodes) übergeben werden. Über die „Vorkettenemissionen“ wird es möglich, die Treibhausgase bis ins Endprodukt zu verfolgen und auch mit einem verursachergerechten Preis zu belegen. Damit kommen Preissignale sowohl beim Produzenten als auch beim Konsumenten wirksam an. Der Produzent kann für den Endkonsumenten ein günstigeres Produkt anbieten, wenn er auf niedrigere Emissionen und damit Kosten in der Vorkette achtet, und der Konsument kann sich für Produkte mit niedrigeren Emissionen entscheiden, sofern die Emissionen und die entsprechende Abgabe auf dem Produkt kenntlich gemacht werden. Der damit verbundene Aufwand lohnt sich also in doppelter Hinsicht. Ebenso werden Grenzausgleichsabgaben ebenfalls einfacher und konform zum Welthandelsrecht umsetzbar (MP 12)
Um den Aufwand zu Beginn einer verpflichtenden Bilanzierung von Treibhausgasen überschaubar zu halten und effizient für den Klimaschutz zu gestalten, bieten sich zunächst zwei Bereiche an, die besonders treibhausgasintensiv sind und für die mit überschlägigen CO2-Intensitäten die Bilanzierung der Treibhausemissionen vom Grundstoff (z.B. Stahl) bis zum Endprodukt (z.B. Auto) begonnen werden kann (klimareporting.de, wwf 2016):
- die treibhausgasintensivsten Grundstoffprodukte (vgl. MP 12) und
- die internationalen Gütertransportemissionen (vgl. MP 11), die bisher in den territorialen Emissionsbilanzen weitgehend unberücksichtigt bleiben. Die Methodik hierzu ist gut ausgearbeitet und entsprechende EU-Normen (DIN 16258) liegen vor (DSLV 2013).
Für beide Bereiche lassen sich anhand von Gewicht und Herkunft der Güter spezifische CO2-Emissionsintensitäten eines Endproduktes oder einer Produktgruppe bestimmen und auch mit einer differenzierten Endproduktabgabe („Klimaabgabe“) bepreisen (vgl. MP 10 und MP 11).
Noch viel weiter gehen Ansätze, die „richtig rechnen“ und eine Unternehmensbilanz der Zukunft vorstellen, die nicht nur die Treibhausgase mitbilanziert, sondern z.B. auch Aufwendungen für Bodengesundheit (Landwirtschaft), Erhalt und Förderung von Biodiversität oder für die Aus- und Weiterbildung von den Mitarbeitenden (vgl. MP 2) nicht nur als Aufwand, sondern auch als Ertrag buchen. Dabei werden Leistungen für den sozialen Zusammenhalt oder den Erhalt von Natur“kapital“ vermögensbildend (vgl. quartavista).
(2) Chancen der Digitalisierung zur Verfolgung der Emissionen durch die Lieferkette
Die transparente, fälschungssichere, dezentrale und emissionsarme Verwaltung von Informationen über Herkunft, Mengen, Eigentum, Kosten von Emissionen, Energien (z.B. H2, Strom) und Zertifikaten (Stichwort Blockchain) kann einen wesentlichen Beitrag zur kosteneffizienten Umsetzung der Energiewende beitragen (Stichwort Digitaler Produktpass). Mit ihr kann es gelingen, auch das Engagement von Endverbraucher*innen und Unternehmen zu aktivieren. So könnte eine energiesparende Form z.B. der blockchain Technologie dazu genutzt werden, die Emissionen über die gesamte Lieferkette zu verfolgen. Darauf aufbauend lässt sich der Emissionsfußabdruck eines Endproduktes zielgenau bepreisen. Die Bepreisung kann analog zur Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug über alle Zwischenprodukte bis zum Endprodukt ausgestaltet werden (Energiewendekomission 2021, T-36, Ziffer 75).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die Kenntnis über die Treibhausgasemissionen für Herstellung und Gebrauch eines Produkts ist für viele der folgenden beschriebenen Maßnahmenpakete eine notwendige Information, um sie angemessen und verursachergerecht bepreisen zu können, zu reduzieren und neue Geschäftsmodelle mit einem geringeren Ausstoß an Treibhausgasen zu entwickeln. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission schätzt die Umsetzungskosten menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten für große Unternehmen auf durchschnittlich 0,005 % ihrer Umsätze und für kleine und mittlere Unternehmen auf 0,07 % (EU-Kommission 2020).
Der Aufwand der Bilanzierung (Scope 1-3) in Unternehmen in Deutschland ist bislang nicht ermittelt. Der Aufwand sinkt aber mit zunehmender Erfahrung und Digitalisierung.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Stufenweise Verpflichtung der Treibhausgasbilanzierung im Lieferkettengesetz (Gesetz für die unternehmerische Sorgfaltspflicht für Menschrechte und Umwelt- und Klimaschutz) integrieren, das bisher im Entwurf vorliegt und bisher im Wesentlichen soziale Standards anspricht.
(2) Auch die EU bereitet ein Lieferkettengesetz vor (vgl. MP 19 Klimadiplomatie), in dem eine Verpflichtung zur stufenweisen Bilanzierung der Treibhausgasemissionen für Unternehmen aufgenommen werden kann.
Weiterentwicklung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der EU-ÖkoDesign-Richtlinie
Wir verschicken unseren Müll in alle Welt, wo er auf ungeschützten Halden Menschen und Natur vergiftet. In Deutschland wird ein großer Teil des Hausmülls in Müllverbrennungsanlagen verbrannt: Über 400 Millionen Tonnen Abfall haben die Deutschen in dem Jahr 2018 produziert (vgl. Umweltbundesamt, „Abfallaufkommen“). Nicht eingerechnet sind da gebrauchte und alte Produkte, die wir ins Ausland exportieren, bevor auch sie dort zu Müll werden.
Um diesen Raubbau an unserer Ressourcen zu beenden, müssen wir den Einstieg in eine konsequente Kreislauf finden, in der die Rohstoffe, die wir für Verpackung und Produkt brauchen, wiederverwertet werden können.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich mich für die Weiterentwicklung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der EU-ÖkoDesign-Richtlinie mit dem Ziel einsetzen, dass
- Produkte in Zukunft länger genutzt und ihre Bestandteile wiederverwertet werden können,
- bereits beim Design von Produkten eine bestimmte Dauerhaftigkeit zu gewährleisten und die Wiederverwendung zukünftig verpflichtend zu berücksichtigen ist,
- verlängerte Gewährleistungsfristen Reparaturen erleichtern,
- die Ausfuhr klimaschädlicher Produkte, wie z.B. Gebrauchtwagen, stärker reguliert wird,
- der Export von Abfall sehr stark eingeschränkt wird und
- Stoffe, wie Plastik, die auf fossilen Energieträgern basieren, vorrangig eingespart (Suffizienz) und verstärkt durch Biomasse-basierte Stoffe ersetzt werden, sobald hierzu genug Flächen zur Verfügung stehen, ohne die Biodiversität oder die Lebensmittelproduktion zu gefährden (vgl. MP 17).
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Verpflichtung zur Änderung des Designs bei der Produktion, die eine Austauschbarkeit von Bestandteilen sowie die Reparatur ermöglicht.
Ein Hauptschlüssel zur Etablierung einer zirkulären Wertschöpfung sind Regeln für eine grundlegende Änderung des Designs der Produktion. Produkte können so produziert werden, dass ihre Bestandteile nach ihrer ersten Nutzungsphase wiederverwendet werden können. Dazu bedarf es einer leichten Demontage sowie Austauschbarkeit der Bestandteile und lösbarer Verbindungselementen. Produkte sollten aus möglichst wenigen unterschiedlichen, langlebigen Werkstoffen bestehen, deren Bestandteile bekannt sind. Chips oder Strichcodes auf den Produkten speichern Informationen wie z.B. Reparaturanleitung, Trennungshinweise, Ersatzteillisten mit Bezugsquelle oder verlinken auf diese.
(2) Verpflichtung zu längerer potenzieller Nutzungsdauer und entsprechend verlängerte Gewährleistungsfristen
Für eine längere Nutzungsdauer und die Möglichkeit der Wiederverwendung von Produkten kann man von einer breiten Zustimmung in der Bevölkerung ausgehen. So hat beispielsweise eine Umfrage zur durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Smartphones ergeben, dass die von Verbraucher*innen gewünschte Nutzungsdauer mit 7 Jahren deutlich über der bislang realisierten Nutzungsdauer von 2,5 Jahren liegt (Ökoinstitut 2020), vgl. Vorschlag der EU-Kommission zu einer Batterierichtlinie vom 9.12.2020, die konsequente Kriterien für ein Recycling enthält (vgl. auch Circular Economy Initiative Deutschland). Darüber hinaus sind entsprechend verlängerter Nutzungsdauer auch die Gewährleistungsfristen produktspezifisch zu verlängern. Ab März 2021 gelten auch in Deutschland erstmals neue Vorschriften im Rahmen der europäischen Ökodesign-Richtlinie. Hersteller müssen für Haushaltsgeräte wie Wasch- und Spülmaschinen, Kühlgeräte Ersatzteile und Reparaturanleitungen für sieben bis zehn Jahre zur Verfügung stellen (vgl. UBA 2021). Diese Vorgaben müssen auf weitere Produktgruppen wie z.B. Smartphones und Computer ausgeweitet werden, die entsprechend notwendige Softwareupdates einschließen.
(3) Recht auf Reparatur
In den Niederlanden und Frankreich gibt es seit Januar 2021 inzwischen für eine Reihe von Produkten Reparaturindizes, die die Reparierbarkeit der Produkte auf einer Skala von 1 bis 10 kennzeichnen (Umweltministerium Frankreich 2021). Und das Europaparlament fordert die Kommission auf, den Verbrauchern ein „Recht auf Reparatur“ einzuräumen (EU-Parlament 2020). Notwendig sind eine Festlegung angemessener Vorhaltezeiten für Ersatzteile, Reparaturanleitungen und freier Zugang zu Ersatzteilen zu angemessenen Preisen (ZDF Zoom: Doku - Kampf dem Elektroschrott).
(4) Reduktionspfade für den Export klimaschädlicher gebrauchter Produkte und Abfälle
Auch verbindliche Recyclingquoten können bisher nicht verhindern, dass wir viele Konsumprodukte als gebrauchte Güter exportieren und damit auch deren Emissionen während der weiteren Nutzugsdauer oder ihre unsachgemäße Entsorgung.
Nicht nur am Beispiel des Exports von Gebrauchtwagen zeigt sich die Verlagerung ehemaliger Umweltbelastungen aus dem eigenen Land ins Ausland. Allein im Zeitraum von 2015 bis 2018 exportierte die EU etwa 7,6 Millionen Gebrauchtfahrzeuge in Länder außerhalb der Europäischen Union (vorwiegend Westafrika, Osteuropa, Kaukasus und Zentralasien). Deutschland ist in der EU mit einem Anteil von 53% der größte Exporteur von Gebrauchtfahrzeugen in Länder außerhalb der EU (UNEP 2020) beteiligt. Ohne verbindliche Vereinbarungen zum Umgang mit Gebrauchtfahrzeugen wird man die Klimaschutzziele von Paris nicht erfüllen können.
Hier sind Kreislaufwirtschaftsgesetz und das im Entwurf vorliegende und noch zu verabschiedende Lieferkettengesetz (vgl. MP 3) sowie die Bemühungen im Rahmen der Klimadiplomatie eng miteinander zu verzahnen und die Produktverantwortung (Obhutspflicht) der Hersteller auch auf andere Länder auszudehnen. Dies gilt auch für den Export von Abfällen. Zwar hat der Export von Plastikabfällen insbesondere wegen des Importverbots von China abgenommen (rund 1 Mio. Tonnen), nichtsdestotrotz gibt es bislang keine Kontrolle darüber, was mit den ca. 15 Mio. Tonnen exportiertem Müll im Ausland geschieht. Diese Menge ist größer als Deutschland an Maschinen in alle Welt exportiert (11,3 Mio. Tonnen). Deutschland importiert Wertstoffe wie Stahlschrott und Kupferreste und exportiert unsortierte Abfälle, über deren Verbleib der Bundesregierung so gut wie nichts bekannt ist (vgl. Drucksache 19/23513). Die Emissionen allein aus der Produktion von Kunststoffen und dem Verbrennen von Abfällen beläuft sich weltweit im Jahr 2019 auf etwa 850 Mio. Tonnen CO2e, also mehr als die territorialen Emissionen Deutschlands (CIEL 2019).
Allein zur Lösung des Plastikproblems im Meer bedarf es eines ehrgeizigen Reduktions- und Substitutionspfades für Kunststoffe (PEW 2020). Hierzu kann die Bioökonomie unter der Voraussetzung einer Flächenfreisetzung (für die Produktion von entsprechender Biomasse) durch geringere Tierproduktion einen wichtigen Beitrag leisten (vgl. MP 16, MP 17). Biomasse und biologisch abbaubare Abfälle können zu einer wichtigen Quelle z.B. für die stoffliche Nutzung als Baumaterialien oder für Verpackungen und Substitution fossiler Grundstoffe werden. Es braucht dazu dringend eine Strategie, die die Kreislaufwirtschaft mit der Landnutzung und der Bioökonomie verbindet. Energiepflanzen müssen durch Konzepte wie der Agriphotovoltaik ersetzt werden, um Flächen für den Anbau von stofflich nutzbarer Biomasse zu gewinnen. Und Photovoltaikmodule müssen, im Sinne der Kreislaufwirtschaft, so konzipiert werden, dass sie nach ihrer ersten Nutzungsphase leicht demontierbar und recycelbar sind (vgl. ISE 2020).
Aus dem EU- Circular Economy Action Plan: „Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft wird systemisch, tiefgreifend und transformativ sein, in der EU und darüber hinaus. Er wird zuweilen disruptiv sein, also muss er fair sein. Er wird eine Abstimmung und Zusammenarbeit aller Akteure auf allen Ebenen - EU, national, regional und lokal sowie international - erfordern.“ Er „ermutigt die Mitgliedstaaten, ihre nationalen Strategien, Pläne und Maßnahmen für die Kreislaufwirtschaft im Lichte der Ziele dieses Plans anzunehmen oder zu aktualisieren.“
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Einsparpotenzial THG: Die Lebenszyklusanalyse allein für langlebigere Waschmaschinen, Notebooks, Smartphones und Fernseher prognostiziert Einsparungen von 3,9 Mio. Tonnen CO2e sowie Kosteneinsparungen von rund 3,6 Mrd. € (Ökoinstitut 2020) bei geschätzten CO2-Vermeidungskosten von weniger als 10 € pro Tonne CO2e.
Das EU Parlament schätzt das Potenzial auf mehr als 200.000 lokale Arbeitsplätze unter der Annahme, dass nur 1 % der kommunalen Abfälle in Europa für die Wiederverwendung vorbereitet würden. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kommt allein für die Aufbereitung von Elektrogeräten für Deutschland auf ein Potenzial von bis zu 129.000 Arbeitsplätzen (Sander et al. 2019). Insgesamt geht die EU davon aus, dass bis 2030 durch eine verbesserte Kreislaufwirtschaft bis zu 700.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten (EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft, vgl. auch Drucksache 19/22641).
Eine zunehmende Menge des Abfalls landet derzeit in der Verbrennung oder wird als Ersatzbrennstoff, z.B. für die Zementindustrie, verwendet. Damit werden Emissionen von der Chemiewirtschaft in die Industrie oder Energieerzeugung verlagert (UBA 2015).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Zu den zentralen Richtlinien im Bereich der Abfallwirtschaft zählt die EU-Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG). Sie definiert wesentliche abfallbezogene Begrifflichkeiten und legt unter anderem eine fünfstufige Abfallhierarchie fest: Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, Sonstige Verwertung, Beseitigung. Nach ihr sollen bis 2035 EU weit 65 % der Abfälle recycelt werden. Die letzte Novelle des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) ist zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union am 28.10.2020 in Kraft getreten.
(1) Reform Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), die anstatt einer vergleichsweise unverbindlichen Obhutspflicht die verpflichtende Produktverantwortung mit verbindlichen Mehrweg- und Recyclingquoten und Maßnahmen zur Verlängerung der Produktlebensdauer (langlebigere Produkte) für Produktkategorien in den nachgeordneten Verordnungen einführt (Krause et al. 2020).
(2) Verpflichtung zur Änderung des Designs bei der Produktion im KrWG und/oder der EU-Ökodesignrichtlinie
(3) Gewährleistungsfristen verlängern (Richtlinie (EU) 2019/771, EU-Richtlinie 99/44, BGB § 365)
(4) Recht auf Reparatur gesetzlich im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankern mit Anpassung entsprechender Gesetze, wie Batteriegesetz (BattG), Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG).
(5) Rechtliche Verankerung und Ausgestaltung der Begriffe „Produktverantwortung“ und „Obhutspflicht“ auch im Lieferkettengesetz entsprechend der Regelungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz auch für den Export von Gebrauchtgütern.
(6) Backstop Regelung einführen: Stark eingeschränkter Export von Abfällen mehr z.B. ab 2040
(7) Erweiterung der EU-Ökodesign-Richtlinie (vgl. MP 19) durch verpflichtende Reduktionspfade, wie dem Auslaufen der Verwendung von Industriegasen (z.B. Kältemittel) mit Treibhausgaspotenzial.
(8) Verpackungsgesetz (VerpackG): Kein Export von Verpackungsmüll mehr ab 2030.
(9) Richtlinie, die Anforderungen an den Ersatz fossiler Grundstoffe durch nachwachsende Rohstoffe formuliert (vgl. MP 17) (z.B. neues Bioökonomiegesetz/-verordnung).
(10) Regelung zum Verkauf von Gebrauchtwagen mit Verbrennungsmotor ins Ausland in der Altfahrzeug-Verordnung (AltfahrzeugV).
Anpassungen und Rechtsbereinigungen im untergesetzlichen Regelwerk
Das KrWG wird durch eine Vielzahl von Rechtsverordnungen ergänzt und konkretisiert, die entsprechend angepasst werden müssen. Dazu gehören Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV), Altfahrzeugverordnung (AltfahrzeugV), Altholzverordnung (AltholzV), Altölverordnung (AltölV), Beförderungserlaubnisverordnung (BefErlV), Verordnung über Betriebsbeauftragte für Abfall (AbfBetrBV), Bioabfallverordnung (BioAbfV), Chemikalien-Klimaschutzverordnung (ChemKlimaschutzV), Chemikalien-Ozonschichtverordnung (ChemOzonSchichtV), Deponieverordnung (DepV), EMAS-PrivilegierungsVerordnung (EMASPrivilegV), Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV), Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV), Gewinnungsabfallverordnung (GewinnungsAbfV), Verordnung über die Entsorgung gebrauchter halogenierter Lösemittel (HKWAbfV), Klärschlammverordnung (AbfKlärV), Nachweisverordnung (NachwV), PCB/PCTAbfallverordnung (PCBAbfallV), Verpackungsgesetz (VerpackG), Versatzverordnung (VersatzV).
Zur Bedeutung des "Ruhenden Verkehrs"
Der Verkehr ist ein Klimaschwergewicht – und gerade hier herrscht seit Jahren Stillstand. Denn die Emissionen, die wir mit unseren Autos und LKWs ausstoßen, sind heute nahezu genauso hoch wie noch 1990. Und das, obwohl die Motoren, die sie antreiben, immer effizienter werden. Grund ist: Wir fahren mehr, weiter und in schwereren Autos. Zur Arbeit, zum Einkaufszentrum und in den Urlaub. Unsere Innenstädte sind am PKW-Verkehr ausgerichtet. Autos nehmen zu viel Platz in Anspruch. Platz, den wir für Fahrradwege, ausgereifte Carsharing-Angebote und den öffentlichen Personennahverkehr benötigen. Oder den wir in Raum für Begegnung, Freizeit und Grünflächen verwandeln könnten.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die
- die „wahren“ Kosten der PKW-Stellplätze verursachergerecht umgelegt werden, damit öffentlicher Raum nicht mehr selbstverständlich und vorrangig ohne Gegenleistung für das Auto reserviert bleibt, wie es aktuell etwa durch kostenlose oder zu günstige Parkplätze in dicht besiedelten Städten geschieht,
- in den Städten die Wege zu wichtigen Infrastrukturen deutlich kürzer werden als heute,
- Städte und ihr Umland durch öffentlichen Verkehr (ÖV) und Radschnellwege besser verknüpft sind,
- Stadtautos der Zukunft klein sind, leise und elektrisch fahren und von mehreren Personen geteilt werden,
- Ruftaxis und -busse den öffentlichen Verkehr ergänzen (UBA 2017, UBA 2018),
- und sich dadurch die Funktionsvielfalt des öffentlichen Straßenraums als Aufenthaltsraum deutlich erhöht.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Schon bei der Wahl des Wohnstandortes spielen Art und Umfang der Mobilitätsangebote vor Ort eine entscheidende Rolle. Zu Hause beginnen oder enden die meisten Alltagswege, und Entscheidungen über die Wahl des geeigneten Verkehrsmittels werden jeden Tag aufs Neue getroffen. Dies sind gute Gründe, dem Thema „Wohnen + Mobilität“ und damit dem ruhenden Verkehr bei der Normung und Planung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
PKW in Privatbesitz sind eher Steh- als Fahrzeuge, denn sie parken durchschnittlich 23 Stunden und fahren 36 km am Tag. Damit blockieren sie gerade in den Städten wertvolle Flächen.
Am 1.1.2021 sind rund 59 Millionen motorisierte KFZ in Deutschland zugelassen, davon 48 Mio. PKWs (Kraftfahrbundesamt 2020). Bei 83,2 Millionen Einwohner ergibt sich daraus eine PKW-Dichte von rund 580 PKW pro 1000 Einwohner, allerdings mit großen regionalen Unterschieden (destatis 2020). Besonders hohe Steigerungsraten in Bezug auf die Anzahl der zugelassenen PKW hatten größere Fahrzeuge, wie Wohnmobile mit +14,5 %, gefolgt von SUV mit +14,1 % und Geländewagen mit +6,9 %.
Immer mehr und immer größere Autos füllen den begrenzten Straßenraum (UBA 2020). Die negativen Folgen sind nicht mehr zu übersehen: Tägliche Staus, Falschparken auf Gehwegen, Radwegen und in Kreuzungsbereichen, minimale Fußwegbereiche und Gefährdung des Radverkehrs. Der innerörtliche ÖV wird langsamer und unzuverlässiger und die Straßen haben ihre Aufenthaltsqualität großenteils verloren. Eine Recherche der Correctivredaktion macht am Beispiel des Ruhrgebietes klar, worum es beim Stadtumbau im Sinne der Verkehrswende gehen muss (Die Verkehrswende im Ruhrgebiet).
Die entscheidende Frage ist: Bedeutet Wohlstand, dass auch zukünftig nahezu jeder 50-jährige ein eigenes Auto besitzen muss, um Arbeitsplätze und das Bruttoinlandsprodukt zu sichern? Ist Wohlstand, dass vor der Haustür ein Auto steht, für das Frau viele Stunden arbeiten und sich um Reifen- und Ölwechsel kümmern muss? Den wenigsten PKW-Besitzern ist klar, dass sich die monatlichen Vollkosten für Wertverlust, Betriebskosten, Steuern, Versicherung und Werkstattkosten eines PKW in der Golfklasse laut ADAC-Autokostenrechner auf mehr als 500 Euro pro Monat belaufen.
Oder kann Wohlstand auch bedeuten, zur Carsharing-Station einige Meter durch stellplatzarme zum Verweilen einladende Stadtlandschaften zu laufen, wenn man ein Auto wirklich braucht?
Und ist es nicht Wohlstand, wenn der eigene Kiez (Stadtteil) so organisiert ist, dass alle alltäglichen Besorgungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt werden können und die eigenen Kinder zusammen mit den Nachbarskindern sicher zur nächsten Kita oder Schule kommen? Solche Szenarien zeigen, wie motorisierter Individualverkehrs verringert werden kann mit vielen positiven Synergien für die Lebensqualität. Die Umstellung von derzeit 58 Millionen motorisierten Kraftfahrzeugen in Deutschland auf Strom, Grünen Wasserstoff oder E-Fuels ist dagegen kaum realistisch und für viele auch keine wünschenswerte Option.
(1) Nachweispflicht für einen PKW-Stellplatz an den Besitz eines PKW knüpfen
Mit der Reichsgaragenordnung des Jahres 1939! („Die Förderung der Motorisierung ist das vom Führer und Reichskanzler gewiesene Ziel.“) sollte sichergestellt werden, dass bei jedem Wohnhaus für potenzielle Fahrzeughalter Stellplätze zur Verfügung gestellt werden. Pro Wohneinheit wurde bereits damals die Errichtung eines Garagenplatzes gefordert. Hintergrund war die Einführung des Volkswagens. Die Kopplung des Stellplatzes an den Bau einer Wohnung war ein Schlüssel zur autogerechten Stadt in Deutschland. Noch immer ist in vielen Bauordnungen die Bindung des Baus eines Stellplatzes an den Bau einer Wohnung gebunden. In Städten in denen diese Bindung aufgehoben wurde wie z.B. in Berlin oder nie bestand, wie in Basel, ist die PKW Dichte geringer als anderswo. Eine Nachweispflicht für einen PKW-Stellplatz sollte deshalb an die Nutzung bzw. den Besitz eines PKWs geknüpft werden.
(2) Wahre Kosten von Stellplätzen verursachergerecht umlegen
Die aktuelle Gerechtigkeitslücke ist nicht nur beim ruhenden Verkehr groß (UBA 2020), auch PKW-Stellplätze und damit das eigene Auto, werden bisher von denjenigen mitfinanziert, die entweder kein eigenes Auto haben wollen oder sich ein solches nicht leisten können.
Ca. 30 – 50% der Haushalte in städtischen Wohngebieten besitzen kein eigenes Auto, müssen jedoch entweder über Wohnungsmieten oder beim Kauf einer Wohnung und durch Steuern die grundstückseigene und öffentliche Infrastruktur zum Parken von Autos (Tiefgarage oder offene Stellplätze) mitfinanzieren. Mit der Bewirtschaftung von öffentlichen wie privaten Stellplätzen lässt sich das ändern. Jeder, der ein Auto nutzt, soll zukünftig auch die entsprechenden Stellplatzkosten tragen. Je nach Quelle werden für Parkflächen im öffentlichen Raum für die Unterhaltung zwischen 50 und 500 Euro pro Jahr und für Herstellungskosten 1.500 bis. 5.000 Euro (ebenerdige Stellplätze) angesetzt.
Gegen das „Stehfahrzeug“ (PKW) könnte unter anderem die Änderung des §12 der Straßenverkehrsordnung (StVO) helfen, indem sie das Halten und Parken von Kraftfahrzeugen grundsätzlich nur erlaubt, wenn dafür ausgewiesenen Flächen bereitgestellt werden
Die Parkgebühren könnten für die Inanspruchnahme des öffentlichen Raums auf das Niveau angehoben werden, das wir für Mieten veranschlagen. Bei einem Parkplatz mit durchschnittlich 25m2 mit Erschließung (13,5 m2 ohne Zufahrt) wären das bei einer Miete von 10 €/m2 und Monat 3.000 € (bzw. 1620 €) pro Jahr. Bisher werden für das Anwohnerparken vielerorts gerade mal 30 € pro Jahr verlangt. In der Diskussion steht eine Änderung der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) und in vielen Städten wird derzeit eine Erhöhung auf etwa 300 € pro Jahr für angemessen angesehen. Zum Vergleich: In Stockholm zahlen Anwohner bereits heute 827 € pro Jahr und in Amsterdam 535 € pro Jahr. Zudem reduziert Amsterdam bis 2025 die Zahl der Parkerlaubnisse für Anwohner*innen um jährlich 1.500 pro Jahr stadtweit seit dem 1.1.2019. Zudem wurden die Parkgebühren in Amsterdam für all jene ohne Anwohnerparkausweis erhöht. Sie stiegen im Zentrumsbereich von 5,00 Euro auf 7,50 Euro pro Stunde.
Eine aktuelle Bilanz der Umweltschadenskosten der verschiedenen Stellplätze (ebenerdig, oberirdisches Parkhaus, unterirdische Parkgarage) fehlt bislang. In eine solche Kostenbilanz müssten z.B. auch die Kosten einfließen, die im Zusammenhang mit dem Parken stehen. Nach einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV 2020) „steht fast jeder fünfte innerörtliche Unfall mit Personenschaden im Fußgänger- und Radverkehr im Zusammenhang mit dem Parken. Sogenannte Dooring-Unfälle und Unfälle mit Sichtbehinderungen durch parkende Fahrzeuge geschehen danach besonders häufig.“
(3) Die Funktionsvielfalt des öffentlichen Straßenraums erhöhen
Der Straßenraum ist nach wie vor weithin durch das Nutzungsprivileg des Autoverkehrs geprägt. So darf der „fließende Verkehr“ bisher nur beschränkt werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht. Dies erschwert die Einrichtung z.B. dringend benötigter Fahrradwege massiv. Zukünftig muss es möglich sein, dass Kommunen auch klimaschonenderen Verkehrsarten einen Vorrang einräumen können und Straßenraum auch (temporär) für nicht-verkehrliche Nutzungszwecke (z.B. Verkaufen, Essen und Trinken, Spielen) umgewidmet werden kann. Die Rückgewinnung des Straßenraums für mehr als nur den KFZ-Verkehr ist eine Voraussetzung für eine veränderte Mobilität und mehr Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Mit jedem Stellplatz weniger werden Fahrzeuge effizienter genutzt. Kosten und Emissionen für die Herstellung entfallen. Mit jedem heute produzierten batterieelektrischen PKW (PEV) weniger werden zwischen 10-25 t CO2e Emissionen für die Produktion einspart (vgl. VDI 2020, BMU 2019, UPI 2019, ISI 2019, Agora/IFEU 2019). Mit jedem weniger gefahrenen PKW-Kilometer sind es bei heutigem Strommix von ca. 400g/kWh etwa zwischen 60 und 120 g CO2e/km (ADAC 2021). Heute erfordert jeder mehr gefahrene Kilometer in der Regel noch die zusätzliche Stromerzeugung durch ein fossiles Kraftwerk mit durchschnittlich etwa 750 g/kWh.
Wieviel Emissionen durch die Verlagerung des Verkehrs von der Nutzung von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen auf das Fahrrad eingespart werden können, hat das Forschungszentrum Jülich im Rahmen eines Förderaufrufs überschlägig berechnet (PtJ 2020).
Dass sich mehr Fuß- und Radverkehr in den Innenstädten positiv auf den Einzelhandel und damit auf Arbeitsplätze auswirken, ergeben Untersuchungen aus London (Transport for London, Stadtwandler 2020). Die möglichen Effekte der Verkehrswende mit weniger Autos auf die Beschäftigung in Deutschland finden sich in Sievers et al. 2019 und Schade et al. 2020 (vgl. MP 7).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Die Zielrichtung der Straßengesetze der Länder, jedweden Verkehrsbedarf zu bewältigen, stehen im Widerspruch zu den Zielen Verringerung und Verminderung von Verkehr (§ 1 Abs. 6 Nr. 9 BauG) und des Klimaschutzes (§ 1a Abs. 5 BauG) im Baugesetzbuch.
Das bisherige Verkehrsrecht und damit die Verkehrsplanung orientiert sich noch immer am (Flächen)-bedarf des fließenden motorisierten Individualverkehrs. Sowohl im Straßenverkehrsrecht als auch in den Straßengesetzen der Länder sowie den Landesbauordnungen sollte der begrenzte Stadtraum mit Vorrang denjenigen Verkehrsarten zur Verfügung stehen, die mit weniger Raumbedarf, Umwelt- und Umfeldbelastungen (Lärm, Emissionen) sowie mit weniger Sicherheitsgefahren verbunden sind (UBA 2020).
(1) Aufgabe der grundsätzlichen Beschränkung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) auf Belange der Sicherheit und Ordnung. Aufnahme von Zielen wie dem Schutz von Anwohnern, des Klima- und Umweltschutzes sowie der städtebaulichen Entwicklung. Integration der Gesetze zur Bevorrechtigung der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge (EMogG) und des Carsharinggesetzes – (CsgG).
(2) Aufgabe der Straßenbaulast, die bei Zunahme des flächenzehrenden KFZ-Verkehrs die Träger der Baulast üblicherweise dazu zwingen, Straßen für den Autoverkehr zu Lasten anderer Nutzungen auszubauen. Die Baulastvorschriften sind an einer gemeinwohlverträglichen Verkehrsentwicklung auszurichten.
(3) Aufgabe der Alleinzuständigkeit des Bundesverkehrsministeriums für die Straßenverkehrsordnung (StVO)
(4) Umfassende Öffnung der Möglichkeiten zur Parkraumbegrenzung und Parkraumbewirtschaftung als Regelfall (Agora Verkehrswende 2018)
(5) Bemessung der Parkgebühren am wirtschaftlichen Wert des Parkens (§ 6a Abs. 6 StVG)
(6) Änderung des §12 der Straßenverkehrsordnung (StVO): Halten und Parken von Kraftfahrzeugen wird grundsätzlich verboten und ausdrücklich nur dafür ausgewiesenen Flächen erlaubt.
(7) Internalisierung externer Kosten in die Parkgebühren durch Anpassung der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt)
(8) Verschärfung von Sanktionen beim Falschparken: Verwarnungsgelder liegen für viele Verstöße bei 10 bis 30 € so niedrig, dass sie von einem großen Teil der Autofahrenden nicht ernst genommen und angesichts der geringen Überwachungsdichte einkalkuliert werden.
(9) Öffentliche Stellplätze für Carsharing
(10) Erlaubnispflicht für stationsunabhängiges Carsharing
(11) Alle Landesbauordnungen ändern: Bindung des Nachweises eines PKW-Stellplatzes an den Besitz eines PKW.
(12) Abbau von ca. 5% der PKW-Stellplätze in den Städten pro Jahr. Damit stehen im Jahr 2030 im öffentlichen Raum eine Fläche von rund 50% der gegenwärtig bereitgestellten Stellplätze für eine alternative Nutzung (Bäume, Gärtnern in der Stadt, Aufenthaltsräume, Fahrrad u.v.m.) zur Verfügung.
(13) Erstzulassungssteuer mit Bonus-Malus-System (Ressourcenverbrauch, Energieverbrauch, Graue Energie, Fußabdruck) für den Kauf von Neufahrzeugen.
(14) Förderprogramm für automatische unterirdische Garagen mit ausgedehntem stationärem E-Carsharing-Angebot für z.B. die ersten 100 Quartiere, in denen sich die Hälfte der Bewohner*innen verpflichten, ihre eigenen PKW abzuschaffen.
(15) Rechtssicherheit für die organisierte Mitnahme in privaten PKWs (Mitfahrgelegenheiten / Vermittlungsplattformen)
(16) Förderung der Anschaffung von Bürgerbussen (§ 2 Abs. 6 PBefG)
(17) Verbesserung der Experimentierklausel zu innovativen neuen Verkehrsformen, wie Rideselling und Ridesharing (§ 2 Abs. 7 PBefG), vgl. MP 6
(18) Abschaffung des den fließenden Verkehr (und damit den MIV) bevorzugenden § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO („Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.“)
(19) Ausdrückliche Möglichkeit der Widmung des Straßenraums auch für nicht-verkehrliche Nutzungszwecke (z.B. Musizieren, Theater, Spielen, Verkaufen, Essen und Trinken)
(20) Ausdrückliche Möglichkeit für Kommunen, den Straßenraum auch klimaschonenderen Verkehrsarten den Vorrang einzuräumen bzw. widmen (Fahrradwege, gemischte Nutzungen sowohl für Aufenthalts- als auch für Verkehrszwecke usw.) und nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit. Eine allgemeine Befugnis zur Beschränkung der zulässigen Verkehrsnutzungen zur Verfolgung öffentlicher Zwecke (Gemeinwohl) besteht bisher nicht. „Shared Space“ Projekte fördern
Solidarisches Jahresticket, Mobilitätsplattform (MobilitätsApp) und eine universale und einfache Bezahlfunktion (Mobilitätskarte) für den Verkehrsverbund von morgen
Flexibel, von Tür-zu-Tür, bezahlbar: Das Versprechen von Freiheit, das früher eng mit dem Auto verknüpft war, kann heute auch im digital verknüpften Verkehrsverbund möglich werden. Dafür müssen verschiedene Angebote intelligent miteinander verbunden werden: Unter anderem durch einen Ausbau von Radwegen, des öffentlichen Nahverkehrs und von Carsharing-Angeboten.
Das Ziel des Verkehrsverbundes der Zukunft ist es, dass niemand mehr auf ein eigenes Auto angewiesen ist. Und ohne Auto auch nichts vermisst.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, die dazu führen, dass
- bundesweit ein solidarisches Jahrestickets eingeführt wird, das alle Kosten des öffentlichen Verkehrs (ÖV) sozial austariert und auf alle Bewohner*innen einer Region umlegt,
- Wege auch ohne Auto einfach und in Echtzeit geplant werden können, zum Beispiel in einem (öffentlich geförderten) digitalen und bundes- oder europaweiten Routengenerator, der alle Mobilitätsoptionen erschließt,
- zusätzliche die Anschlussmöglichkeiten an den ÖV ausgebaut werden, z.B. durch öffentlich geförderte Ruftaxis oder integrierte Carsharing-Angebote, die eine Tür-zu-Tür-Mobilität ermöglichen,
- die Bezahlung verschiedener Mobilitätsangebote im vernetzten Verkehrsverbund einfacher wird, zum Beispiel durch die Einführung einer allgemeinen „Mobilitätskarte“.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Lebenswerte Kommunen bieten Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer, einen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr (ÖV) und innovative Sharing-Angebote (Verkehrsverbund). Damit der Verkehrsverbund genutzt wird, muss er attraktiv und einfach sein. Hierzu gehören ein einfaches Instrument zur alltäglichen Planung der eigenen Mobilität mit „responsive design“ (Mobilitätsplattform und MobilitätsApp), eine einfache und umfassende, datenschützende Bezahlfunktion (Mobilitätskarte) und eine solidarische Finanzierung (Solidarisches Jahresticket).
(1) Plattformübergreifender Routengenerator (webbasierte Mobilitätsplattform und/oder MobilitätsApp)
Ein vermutlich von Vielen empfundener Vorteil des eigenen Autos ist der, dass man jederzeit sofort losfahren kann und nicht planen muss. Die digitale Verknüpfung verschiedener Verkehrsangebote wie Carsharing, Radstellplätzen und öffentlichen Nahverkehr macht eine hohe Flexibilität möglich und damit für viele eine nahtlose Tür-zu-Tür-Mobilität auch ohne eigenes Auto.
Unterschiedliche Mobilitätsangebote wie geeignete Fuß- und Fahrradrouten, Carsharing, Taxi, Leih-, Lasten-, Elektrofahrrad, Bus und Bahn sollten in einer einzigen Plattform vereint sein. Entwickelt werden sollte ein Routengenerator für den Verkehrsverbund in Deutschland, noch besser Europa. Ein solches Angebot ist komplex aber machbar, wie Trafi in der litauischen Hauptstadt Vilnius zeigt. In den dahinter liegenden Mobilitätsangeboten werden ökologische Kriterien und vorgegeben und der Datenschutz berücksichtigt (Spiegel 2018).
(2) Mobilitätskarte
Zu einer einfachen spontanen Mobilität gehört auch die einfache Bezahlbarkeit der verschiedenen Mobilitätsangebote. Hier kann ein Blick in die Niederlande helfen. Dort gibt es ein gut ausgebautes Netz an Verkehrsmitteln des ÖV, die alle mit einer wiederaufladbaren Chipkarte genutzt werden können. Egal ob Zug, Bus, Straßenbahn oder Metro, nahezu alle Verkehrsmittel können mithilfe der anonymen OV-Chipkaart bezahlt werden. Solch eine Bezahlform kann und muss höchsten Datenschutzanforderungen genügen und sollte perspektivisch für den gesamten Verkehrsverbund (inkl. Carsharing und Verleih von Rädern etc.) entwickelt und nutzbar gemacht werden.
(3) Solidarisches Jahresticket
Das solidarische Jahresticket legt alle Kosten des ÖV sozial austariert auf alle Bewohner*innen einer Region um (vgl. Bürgerticket Wuppertal). Damit wird es attraktiver, das eigene Auto öfter stehen zu lassen oder es ganz abzuschaffen.
(4) Fahrrad und stationäres E-Carsharing intelligent im Verkehrsverbund und zusätzlichen ÖV-Angeboten wie Ruftaxis und Rufbussen verknüpfen
Vor allem stationsgebundenes Carsharing entlastet bereits heute öffentliche Verkehrsflächen in unseren Städten (UBA 2016). Die größten Umweltentlastungspotenziale der E-Mobilität im motorisierten Individualverkehr liegen in aus erneuerbaren Energiequellen elektrisch betriebenen Carsharing-Flotten. Für wesentliche Komponenten eines Elektroautos, wie dem Elektromotor, werden Nutzungsleistungen von bis zu einer Million Kilometer prognostiziert. Wieviel Kilometer ein Elektromotor zukünftig tatsächlich hält, wird derzeit in einem Forschungsprojekt untersucht (Hochschule Esslingen). Die durchschnittliche Kilometerleistung pro Jahr eines PKW beträgt derzeit rund 13.250 km. Ein Carsharing-Auto kommt in einigen Städten auf etwa die doppelte Fahrleistung. Ein heute gebautes Elektroauto im Carsharing hätte also große Chancen, bezogen auf die Fahrleistung, deutlich früher einen geringeren Fußabdruck zu haben als ein heute gebautes Dieselauto (UBA 2017). Das Mobilitätsangebot erweitern können zusätzliche ÖPNV-Angebote wie Ruftaxis und Rufbusse, die einen an festgelegten Orten in der Nähe auf „Zuruf“ aufnehmen (vgl. holmich-app.de/)
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die vorgeschlagene Beitragshöhe für das solidarische Jahresticket gliedert sich im Fall von Wuppertal nach dem verfügbaren Jahreseinkommen jedes*r abgabepflichtigen Bürgers*in und wird für Vollzahler mit 1,6 € pro Tag angegeben. Das Potenzial zur CO2-Reduktion wird beim Bürgerticket in Wuppertal mit 15-20% der territorialen Emissionen Wuppertals angegeben (vgl. Bürgerticket Wuppertal). Die möglichen Effekte der Verkehrswende mit weniger Autos auf die Beschäftigung in Deutschland finden sich in Sievers et al. 2019 und Schade, W. et al. 2020 (vgl. MP 7).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Aufbau eines bundes- oder besser europaweiten den Verkehrsverbund übergreifenden Routengenerators z.B. durch Verankerung im Mobilitätsgesetz (vgl. MP 7)
(2) Bundes- oder besser europaweites Bezahlsystem für alle Mobilitätsangebote
(3) Solidarisches Jahresticket, das sozial austariert die Kosten des ÖV auf alle Bewohner*innen einer Region umlegt.
(4) Förderprogramm für zusätzliche ÖV-Angebote wie Ruftaxis und Rufbusse (Beispiel vgl. holmich-app.de/) Reform Personenbeförderungsgesetz (PBefG): Für Taxis und auch das „Mietwagenfahren“, Rufbusse etc. sollten die gleichen Rahmenbedingungen (z.B. Bereitstellungs- und Beförderungspflicht, feste Kilometerpreise, soziale Standards) gelten und sie sollten Teil des öffentlichen Nahverkehrs bleiben bzw. werden. Eine Rückkehrpflicht für Mietwagen mit Fahrer, die bisher nach jeder Fahrt leer zu ihrem Betriebssitz zurückkehren müssen, sofern sie keinen Folgeauftrag haben, ist dabei aus klimapolitischen Gründen nicht mehr zeitgemäß.
Fahrleistungsbezogene PKW Maut inkl. CO2-Preis Komponente zur Neuausrichtung der Verkehrsinfrastruktur am Klimaschutz im Rahmen eines Bundesmobilitätsgesetz 1.0
In Deutschland wird die Verkehrsinfrastruktur durch den Bundeshaushalt finanziert. Dazu gehören das Bundesschienennetz, die Bundesfernstraßen und die Binnenwasserstraßen. Die Steuereinnahmen aus z.B. Energie- und KFZ-Steuer decken dabei aber nicht die Kosten, die der Straßenverkehr für die Allgemeinheit verursacht (zum Beispiel durch Klimaschäden, Unfälle, Gesundheit, Lärm etc.). Und sie bieten kaum die Möglichkeit, um die Verkehrswende zu finanzieren (Blanck et al. 2020, Bieler et al. 2019). Im Gegenteil, die Einnahmen aus Benzin-, Diesel und KFZ-Steuer nehmen u.a. wegen der Steuerbefreiung elektrischer Fahrzeuge ab.
Kosten, die durch den motorisierten Individualverkehr entstehen, sollten auch von den Verursachern getragen werden. Und um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen, müssen Investitionen besser gesteuert werden – dafür ist eine grundlegende Überarbeitung der Rahmenverkehrsplanung notwendig.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, die dazu führen, dass
- eine langfristige Finanzierung der Verkehrswende im Rahmen z.B. eines Bundesmobilitätsgesetzes ermöglicht wird,
- eine fahrleistungsbezogene Maut eingeführt wird, die jeden auf dem Straßennetz zurückgelegten Kilometer verursachergerecht mit einer Gebühr belegt. Dadurch können die Benzin-, Dieselsteuer und KfZ-Steuer wegfallen.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Entwurf zu einem Bundesmobilitätsgesetz 1.0 liegt seitens des VCD vor
Am 10. Februar 2022 hat der VCD einen Entwurf zu einem Bundesmobilitätsgesetz vorgelegt.
"Von der Bedarfs zur zielorientierten Planung" so könnte man den Entwurf charakterisieren. Den aktuellen rechtlichen Regelungen zur Verkehrspolitik/Mobilitätsplanung fehlt es bisher weitgehend an konkreten Zielen. Diesem Defizit wird mit den in §§ 4 bis 12 genannten Leitzielen Mobilitätssicherung, Sicherung des Transports von Waren- und Dienstleistungen, Klimaschutz und Energieeffizienz, Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Sozialverträglichkeit, Lebenswerte Städte und Regionen, Effizienz und Resilienz des Verkehrssystems) des Entwurfs zu einem BuMoG begegnet. Die genannten Leitziele steuern die Planung von Mobilität und Verkehr in Bund, Ländern und Kommunen. Es handelt sich bei dem Entwurf um ein Artikelgesetz, das neben dem neuen Bundesmobilitätsgesetz (Artikel 1) notwendige Anpassungen in fünf weiteren verkehrsrelevanten Gesetzen vorsieht: im Straßenverkehrsgesetz inkl. der Straßenverkehrsordnung (Artikel 2), im Bundesfernstraßengesetz (Artikel 3), im Bundesfernstraßenmautgesetz (Artikel 4), im Allgemeinen Eisenbahngesetz (Artikel 5) und im Eisenbahnregulierungsgesetz (Artikel 6).
Im Bereich Klimaschutz müssen somit z.B. alle Planungen mit dem Klimaschutzgesetz abgegelichen werden. So bedeuten eine Reduktion von mindestens 65 Mio. Tonnen CO2äq bis 2030 gemäß Klimaschutzgesetz im Verkehrsbereich nichts anderes als ca. 40% weniger Benzin- und Dieselverbrauch von heute an bis 2030 und damit auch jährlich zunehmende Steuerausfälle bei der Energiesteuer auf Benzin und Diesel. Das Steueraufkommen aus Benzin und Diesel ist von rund 36,7 Mrd. € im Jahr 2019 auf 33,1 Mrd. € um rund 3,6 Mrd. im Jahr 2021 eingebrochen. Bei einer linearen Abnahme der Steuereinnahmen aufgrund der Klimaschutzziele summieren sich die Mindereinnahmen in bis 2030 auf rund 70 Mrd. €. Es bliebe also wenig für Neubaumaßnahmen im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übrig.
Der aktuelle BWVP wird von der Bundesregierung als Regierungsprogramm beschlossen und stellt keine gesetzliche Regelung dar. Er war bereits in der Vergangenheit unterfinanziert und legt seinen Schwerpunkt in der Planung mit 49 % des gesamten Kapitals bis heute auf den Straßenbau. Der aktuelle BVWP 2030 soll eine Reduktion von insgesamt von 0,4 Mio. Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr bis 2030 (BVWP, S. 24) bewirken – das reicht bei weitem nicht aus, um das im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Einsparungsziel in Höhe von 65 Mio. Tonnen CO2 von 2020 bis 2030 („Zulässige Jahresemissionsmengen“) zu erreichen.
Der BWVP ist unter Berücksichtigung des Klimaschutzes und der modernen Möglichkeiten der Mobilität vollkommen neu auszurichten. Der gesetzliche Rahmen der Verkehrspolitik in Deutschland braucht einen umfassenden Neustart (Blanck et al. 2020). Dafür sollte das Bundesschienenwegeausbaugesetz, das Bundeswasserstraßenausbaugesetz, das Fernstraßenausbaugesetz und der Bundesverkehrswegeplan zu einem Bundesmobilitätsgesetz zusammengefasst werden (VCD 2021).
(2) Fahrleistungsbezogene PKW-Maut
„Wir brauchen eine Maut für Alle“, forderte bereits Roger Kehle 2019 in der Welt, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg und Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zur Finanzierung der Verkehrswende. Der Umbau zu einer klimaschonenderen Verkehrsinfrastruktur ist seit Jahren unterfinanziert. Die gesamten externen Kosten des Verkehrs belaufen sich in Deutschland, berechnet für das Jahr 2017, auf rund 150 Mrd. €, davon entfallen nahezu 95% (141 Mrd. €) auf den Straßenverkehr (Allianz pro Schiene 2019). Im Personenverkehr entfallen mit 104 Mrd. € die höchsten Kosten auf die PKW-Nutzung. So verursachen PKW-Nutzer pro Kilometer mit rund elf Cent mehr als dreimal so hohe externe Kosten wie Bahnfahrer.
Trotz steigender Verkehrsleistung und wachsendem PKW-Bestand stagniert das Aufkommen der verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben. Die Einnahmen aus Energiesteuer, KFZ-Steuer und LKW-Maut betrugen im Jahr 2020 etwa 50 Mrd. € (2019 etwa 53 Mrd. €) und decken damit bei weitem nicht die externen Kosten des Autoverkehrs. Die größte Einnahmequelle sind die Steuern auf Benzin und Diesel (ca. 33 Mrd. € 2020). Elektroautos sind sowohl von der Energiesteuer wie auch der KFZ-Steuer befreit. Mit zunehmendem Anteil an Elektroautos werden die Einnahmen sinken.
Die verkehrsbezogenen Abgaben für PKW auf Erwerb (Umsatzsteuer, Zulassungssteuer, Zulassungsgebühren), Besitz (Kraftfahrzeugsteuer, Versicherungssteuer) und Nutzung (Energiesteuer und Umsatzsteuer) liegen in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern in Europa im unteren Drittel [Kunert 2018, Blanck et al. 2020]. Die Kosten für Lebenshaltung und öffentliche Verkehrsdienstleistungen (ÖV +79%, Bahntickets +57%) sind zwischen 2000 und 2018 deutlich stärker gestiegen als die Kosten für ein eigenes Auto (+36%). Preise für Benzin und Diesel sind zwischen 2010 und 2017 absolut sogar gesunken [BMVI 2018a]. Autobesitzen und Autofahren sind in Deutschland zu billig.
Je stärker der fossil motorisierte Individualverkehr (MIV) subventioniert wird, umso höher müssen umweltfreundlichere Verkehrsmittel bezuschusst werden, um für einen Umstieg attraktiv zu sein. Die Steuerzahlenden werden damit nicht nur verursacherungerecht, sondern sogar doppelt belastet.
Mit steigendem Anteil an Elektrofahrzeugen bedarf es ohnehin eines Ausgleichs der sinkenden Einnahmen aus der Benzin- und Dieselsteuer.
Um die notwendige Infrastruktur in eine klimaverträgliche Verkehrswende zu steuern, braucht es Instrumente, die einfach, transparent, lenkend, zügig und wirksam die Verkehrswende einleiten, beschleunigen und finanzieren. Eine fahrleistungsbezogene Maut würde jeden auf dem Straßennetz zurückgelegten Kilometer verursachergerecht mit einer Gebühr belegen und die vielen anderen fiskalischen Instrumente der Verkehrspolitik (Energiesteuer, KFZ-Steuer, Kaufprämien, Dienstwagensubvention, Entfernungspauschale) im motorisierten Individualverkehr ersetzen können.
(3) Reform Wegekostenrichtlinie, LKW-Maut
Die LKW Maut ist bisher eine Abgabe zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Über die Reform der Wegekostenrichtlinie wird schon seit mehr als drei Jahren diskutiert. Das Europäische Parlament hat bereits im Oktober 2018 seinen Standpunkt festgelegt. Am 8. Dezember haben sich die EU Verkehrsminister*innen auf Eckpunkte geeinigt: Ausweitung der Mautpflicht auf Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t; Mautsätze bei der bestehenden LKW-Flotte weiter je nach Euro-Schadstoffnorm, bei neuen Fahrzeugen ab April 2023 soll der CO2-Ausstoß ausschlaggebend sein.
Vorschlag: Zusätzliche Einführung einer europaweiten Speditionsabgabe zur Bepreisung der Treibhausgase beim Transport statt Einbeziehung in eine LKW-Maut (vgl. MP 11).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Durch eine fahrleistungsbezogene PKW-Maut in Höhe der Kosten für die Infrastruktur und der externen Kosten stehen zusätzliche Einnahmen von ca. 50-80 Mrd. € zum Umbau der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Die CO2-Vermeidungskosten im Verkehrsbereich liegen zwischen 0 und 1.000 €/Tonne CO2 (IW Köln 2019). Das Einsparpotenzial bis 2035 liegt bei bis zu 60 Mio. Tonnen CO2e jährlich. Eine Untersuchung zu den Beschäftigungseffekten der Transformation in der Mobilität (Szenario Multi-Modalität mit starker Förderung des ÖV, Fuß-und Radverkehr und Rückgang des PKW-Bestands) geht insgesamt von minus 21.800 Stellen bis 2035 aus. (Arbeitsplatzverluste in Luftfahrt, KFZ-Handel, Güterverkehr Straße -768.000, Arbeitsplatzgewinne Fernverkehr Bahn, Herstellung Batterien, Umbau Verkehrsinfrastruktur + 746.399, Sievers et al. 2019 und Schade, W. et al. 2020). Welche Rolle synthetische Kraftstoffe zukünftig spielen werden, bleibt noch offen (SMC 2020).
Wie die Verkehrswende sich entwickeln wird hängt auch stark von der Bewirtschaftung des ruhenden Verkehrs (Stellplatzflächen) ab (vgl. MP 5).
Elektroautos sind eine wichtige technische Option, aber stellen alleine keine ausreichende Lösung für den Klimaschutz im Verkehrsbereich dar (vgl. VDI 2020, BMU 2019, UPI 2019, ISI 2019, Agora/IFEU 2019). Die Autoindustrie bekennt sich zwar inzwischen zu einer „klimaneutralen Wertschöpfungskette“ (VDA 2020), aber jeder PKW weniger hilft den Aufwand an Energie, Rohstoffen für die Produktion sowie der Wiederverwertung zu reduzieren.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Bundesmobilitätsgesetz 1.0
(1) Zusammenlegung von Bundesschienenwegeausbaugesetz, Bundeswasserstraßenausbaugesetz, Fernstraßenausbaugesetz und Luftverkehrsgesetz in ein Mobilitätsgesetz
(2) Reform bzw. vollkommene Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplan
(3) Moratorium für Neubau von Straßen, die dem KFZ-Verkehr vorbehalten sind (100% des Budgets in ÖV, Schiene, Fahrrad, Straßensanierung, Straßenumbau)
(4) Keine ÖPP-Finanzierung mehr von Straßen
(5) Deutschlandtakt im Schienenverkehr
(6) Reaktivierung alter Schienentrassen
(7) Flächendeckender Ausbau einer Nachtzug-Infrastruktur
https://www.nachtzug-bleibt.eu/
https://back-on-track.eu/
(8) Flugverbot für innerdeutsche Flüge (2,1 Mio. t CO2Äq. pro Jahr, 2017)
(9) Aufgabe von Regionalflughäfen (Fös)
(10) Nicht mehr benötigte Luftverkehrszertifikate stilllegen
(11) Kerosinsteuer einführen (vgl. wahre Kosten)
(12) Schwerpunkt auf den Neu- und Ausbau von Fahrradschnellwegen legen
Fahrleistungsbezogene PKW-Maut
(13) Zulassungssteuer, Kraftfahrzeugsteuer und Energiesteuern werden zu einer allgemeinen verursachergerechten ansteigenden PKW-Maut zusammengefasst, die alle Externalitäten (Treibhausgaspotenzial, Luftschadstoffe, Unfälle, Lärm, Natur etc.) nach Durchschnittswerten des Straßenverkehrs ansteigend zur Finanzierung des Umbaus der Verkehrsinfrastruktur internalisiert. z.B. PKW anfänglich durchschnittlich 9 Cent pro km, Anstiegspfad 0,25 Cent pro km und Jahr, LKW Maut erhöhen…
Speditionsabgabe für Güterverkehr
(vgl. MP 11)
Generelles Tempolimit, z.B. 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Bundes- und Landstraßen und 25 km/h innerorts
Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem es auf Autobahnen kein generelles Tempolimit gibt. Dabei könnten dadurch nicht nur Emissionen nahezu ohne Kosten für den Staat gesenkt werden. Auch Unfälle würden weniger werden, wodurch unser Gesundheitssystem entlastet würde. Die Lärmbelastung nimmt ab, ebenso gefährliche Geschwindigkeits-Unterschiede verschiedener Verkehrsteilnehmender.
Durch eine Begrenzung der Geschwindigkeit von PKWs ergeben sich viele Möglichkeiten: z.B. ließen sich Innenstädte attraktiver gestalten (vgl. MP 5) und auf der Autobahn könnte teilautonomes Fahren möglich werden.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, die aus Gesundheits- und Klimaschutzgründen zu einem Tempolimit von
- 100 km/h auf Autobahnen,
- 80 km/h auf Bundes- und Landstraßen und
- 25 km/h innerorts führen.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Da der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit zunimmt, nimmt der Spritverbrauch und damit der CO2 Ausstoß eines Benzin- oder Dieselfahrzeugs um etwa 62% zu, wenn die Geschwindigkeit um 27% von 110 km/h auf 140 km/h erhöht wird. Allein das Fahren mit wechselnden Geschwindigkeiten führt zu erhöhtem Energieverbrauch und mehr Emissionen. Wird beispielsweise ein 2 Tonnen schweres Fahrzeug etwa 30 Mal von 140 km/h auf 120 km/h abgebremst und anschließend wieder beschleunigt, steigert dies den Kraftstoffverbrauch um etwa einen Liter. Überdies ist das Fahren mit wechselnden Geschwindigkeiten die häufigste Ursache von Staus, so dass für eine optimale Nutzung der Ressource Autobahn eine möglichst uniforme Geschwindigkeit volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Hinzu kommt: Mehr als jeder Dritte (34 %) aller im Straßenverkehr Getöteten bei Unfällen ist auf nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen.
Ein Tempolimit wird seit langem gefordert (VCD 2012 ,DUH 2020, VCD 2019, BUND 2019) und erfährt bei Umfragen steigende Zustimmungswerte (UDV 2020, ADAC 2020, SWR/Infratest 2020). Ein Tempolimit senkt nicht nur direkt den Treibstoffverbrauch und vermeidet Unfälle. Es lässt auch den Bau von leichteren und energiesparenderen Autos zu (Autos haben aktuell bei Neuzulassungen eine durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h). Eine unterstützende Navigation könnte bei entsprechender Einstellung durch den Fahrer das jeweils gültige Tempolimit einhalten und Strafzettel vermeiden helfen.
(1) Tempolimit 100 km/h auf Autobahn
Auf dichtbefahrenen Autobahnabschnitten würde ein generelles Tempolimit ein teilautonomes „Platooning“ erleichtern. Dabei reihen sich mehrere Fahrzeuge hintereinander ein und werden über Funksignale miteinander verbunden und ermöglichen so sehr kleine Abstände zwischen den Fahrzeugen. Bremst oder beschleunigt das erste Fahrzeug, bremsen oder beschleunigen auch alle weiteren Fahrzeuge. Dies ermöglicht ein sicheres Windschattenfahren und spart damit Zeit und verlängert die Reichweiten insbesondere von E-Fahrzeugen.
(2) Tempolimit 80 km/h auf Landstraßen
Die Gefahr, tödlich zu verunglücken, ist auf Landstraßen besonders hoch: Je 1 000 Unfällen mit Personenschaden gab es 2017 innerorts 5, auf Landstraßen 24 und auf Autobahnen 20 Getötete (destatis 2018).
(3) Tempolimit 25 km/h innerorts
Seit langer Zeit wird auch seitens einiger Verkehrsverbände ein generelles Tempolimit innerorts von 30 km/h gefordert (VCD 2012, VCD 2018). Freiburg möchte als erste Kommune in Deutschland ein solches Tempolimit generell einführen (Spiegel 4.12.2020, Stadt Freiburg). Das Verkehrsministerium lehnt ab.
Innerorts würde eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 25 km/h eine Abstimmung mit dem Fahrrad z.B. bei Ampelschaltungen ermöglichen. E-Bikes, die bis Tempo 25 motorunterstützt werden, könnten im Straßenraum mit den Autos mitfahren. Damit bliebe Platz für Kinder und langsamere Radfahrer*innen auf den Fahrradwegen, die meist zu eng sind, um dem gesamten Radverkehr ausreichend Raum zu bieten.
Die Wahrscheinlichkeit, insbesondere für Fußgänger, bei einem Unfall zu Tode zukommen, sinken gegenüber 50 km/h erheblich (destatis 2020). Insbesondere in den Innenstädten lassen sich mit einem Tempolimit auf 25 km/h zahlreiche weitere Verbesserungen im Straßenraum erreichen (vgl. MP 5).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die positiven Auswirkungen eines restriktiven Tempolimits sind höhere Reichweiten insbesondere von E-Fahrzeugen, eine geringere Anzahl an Unfällen (Spiegel, 29.1.2019, Gipp et al. 2014), niedrigere Schadenskosten, weniger Staus, geringere Gesundheitskosten, Erleichterung autonomen Fahrens u.v.m. Mittelfristig können zahlreiche Beschilderungen, die auf Geschwindigkeitszonen hinweisen, wegfallen, es werden somit Kosten in geringem Umfang eingespart. Das Potenzial zur Einsparung von Treibhausgasen bis 2035 liegt bei etwa 100 Mio. Tonnen CO2e (6,2 Mio. pro Jahr, Basis: Inlandsfahrleistung, vgl. Lange, M. et al. 2020).
Rechtliche Umsetzung
(1) Ergänzung, Änderung des § 3 Straßenverkehrsordnung
(2) Entwicklung von Fahrerunterstützenden Assistenzprogrammen zur halbautomatischen Einhaltung des Tempolimits.
Abbau klimaschädlicher Subventionen und Verwendungsnachweis für Steuereinnahmen (Steuerbescheid 2.0)
Mit Subventionen (Förderungen oder Steuerentlastungen) hilft die öffentliche Hand Unternehmen, Beschäftigten oder Haushalten – ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das ist manchmal sinnvoll. Oft werden jedoch auch umweltschädliche Aktivitäten unterstützt: Zulasten von Klima, Böden, Wasser, Artenvielfalt oder Rohstoffverbrauch. Schafft man sie ab, ließen sich kurzfristig fast 100 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent (CO2e) pro Jahr einsparen und anfänglich würden dem Staatshaushalt mehr als 50 Mrd. Euro z.B. für den Klimaschutz zur Verfügung stehen (UBA 2021).
Alle Subventionen müssen auf den Prüfstand und ggf. durch einen zielgenauen sozialen Ausgleich ersetzt werden. Aus dem Steuerbescheid muss hervorgehen, für welche Aufgabenbereich Steuergelder verwendet werden, u.a. welcher Anteil für eine sozialökologische Transformation eingesetzt wird.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen,
- durch die klimaschädliche Subventionen (vgl. Infografik) vollständig abgebaut werden,
- die dadurch entstehenden sozialen Härten gezielt und nicht gestreut mit der Gießkanne ausgleichen und
- die einen transparenten Verwendungsnachweis von Subventionsmitteln im Steuerbescheid zum Ziel haben. So wird sichtbar, für welche Aufgabenbereiche Steuergelder verwendet werden.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Steuern positiv zum Gemeinwohl neu definieren/bewerben
Steuern und Abgaben zahlen die meisten Menschen und viele empfinden sie als Last. Warum eigentlich? Möglicherweise hat es mit der langen, zum Teil kriegerischen Geschichte des Eintreibens von Steuern zu tun. Auch heute noch unterstützen sogar einige politische Parteien deshalb die Skepsis gegenüber Steuern. Das ist bedauerlich, denn Steuern sind ein Obulus für wichtige, allen Bürgern eines Landes zu Gute kommenden Leistungen des Staates: zur Förderung des Gemeinwohls und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Umso wichtiger ist Transparenz: Gerechte Einnahme und Verausgabung von Steuern als solche auch erkennbar werden.
Jede(r) sollte das Recht auf eine einfache und transparente Besteuerung durch den Staat haben. Dazu gehört, ähnlich wie in Australien, ein Verwendungsnachweis im Steuerbescheid, aus dem hervorgeht, welcher Anteil der Steuern für was verwendet wurde und wieviel z. B. in Bildung, Gesundheit, Verwaltung, Infrastruktur, Straßenbau, Verteidigung und eben auch in klimaschädliche Investitionen/Subventionen gegangen ist.
(2) Klimaschädliche Subventionen abbauen
Seit etwa 30 Jahren fordern Verbände und Experten den Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen in Deutschland. 2016 beschlossen die G7-Staaten ein Auslaufen aller klimaschädlichen Subventionen bis 2025. Die Umsetzung dieses Beschlusses lässt auch in Deutschland auf sich warten. Im Gegenteil: Mit Hinweis auf die Pandemie sind weitere klimaschädliche und nicht verursachergerecht finanzierte Subventionen hinzugekommen.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Allein über die 10 wichtigsten klimaschädlichen Subventionen vergibt die Politik die Chance auf ein Budget von anfänglich rund 50 Mrd. Euro pro Jahr, dass z.B. für wichtige Klimaschutzmaßnahmen und soziale Härtefälle gezielt genutzt werden könnte. Mit ihrem Abbau könnten Emissionen in Höhe von fast 100 Mio. t CO2-Äquivalent (CO2e) pro Jahr eingespart werden (FÖS 2020, UBA 2021). Das ist mehr als ein Zehntel der territorialen Gesamtemissionen Deutschlands. Diese 10 großen Subventionen sind (verändert nach Beermann et al. 2020):
- Energiepreisausnahmen Industrie (EEG-Umlage etc.)
- Energiesteuerbefreiung Kerosin
- Dieselprivileg
- Reduktion der Mehrwertsteuer auf tierische Lebensmittel
- Entfernungspauschale (Pendlerpauschale)
- Steuervorteile Dienstwagen (Dienstwagenprivileg)
- Mehrwertsteuerbefreiung internationaler Flüge
- Energiesteuerbegünstigung für die Stromerzeugung
- Innovationsprämie für Elektrofahrzeuge
- Energiesteuervergünstigung Agrardiesel
Viele klimaschädliche Subventionen, wie z. B. die Entfernungspauschale, werden vordergründig sozialpolitisch begründet. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: In erster Linie werden wohlhabende Haushalte begünstigt (FÖS 2021). Darüber hinaus sind viele Maßnahmen teuer, nicht zielgenau und wenig effektiv. Studien zu den Auswirkungen auf die Beschäftigung beim Abbau klimaschädlicher Subventionen liegen bislang nicht vor. Aber mit den erheblichen Mehreinnahmen sind über entsprechende Hebel und die Transformation neuer Jobs insgesamt positive Beschäftigungseffekte zu erwarten. Allein bei Abschaffung der Entfernungspauschale wäre eine Reduktion der Emissionen um rund 4 Mio. t CO2-eq bis 2030 möglich (UBA 2020). Soziale Absicherung von Härtefällen/einkommensschwachen Haushalten müssen gezielt und einfach umsetzbar geregelt werden, beispielsweise durch geförderte Tankgutscheine, die vom Arbeitgeber ausgegeben werden, oder durch ein solidarisches Bürgerticket, dass die Fahrt zur Arbeit auch ohne eigenes Auto ermöglicht (vgl. MP 6).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Alle Ausnahmetatbestände/Steuerbefreiungen in den entsprechenden Gesetzen (wie z. B. Stromsteuergesetz, Energiesteuergesetz, Umsatzsteuergesetz, Agrardieselgesetz, Einkommensteuergesetz) überprüfen und streichen.
(2) Alle klimaschädlichen Fördertatbestände in den Förderprogrammen streichen und/oder anpassen (BAFA, KfW, z.B. Förderung für Gasbrennwertkessel [H2ready], vgl. MP 14).
(3) Grundlegende Reform der Abgabenordnung (insbesondere §3), die noch auf die Reichsabgabenverordnung von 1919 zurückgeht. Steuern müssen weniger für klimaschädliche Subventionen/Investitionen verausgabt werden. Jedem Steuerbescheid ist ein transparenter Verwendungsnachweis beizulegen, aus dem hervorgeht, für was die Steuern des Betroffenen verausgabt wurden (BMZ).
Steuer- und Umlagenreform mit verursachergerechten Preisen bis zum Endprodukt im Rahmen der Neuordnung des Energie- und Energiesteuerrechts (Rechtsbereinigung) sowie im Rahmen des GreenDeals
Hinter der Idee der „wahren Preise“ steht der Gedanke, dass Umweltkosten, die bei der Herstellung eines Produkt entstehen, nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, sondern vom Verursacher (Produzenten) und/oder Verbraucher (Konsumenten) selbst getragen werden. Davon sind wir in allen Wirtschaftsbereichen bisher weit entfernt.
Beispiel Energiemarkt: Zahlreiche Sonderregelungen und Ausnahmen, zum Beispiel für Energieintensive Industrien, sorgen dafür, dass gerade die größten Emittenten weitgehend von den wahren Preisen ausgenommen sind.
Die gegenwärtige Struktur von Abgaben und Umlagen ist innovationsfeindlich und klimaschädlich. Die vielfachen Sonderregelungen und Ausnahmen insbesondere im Energierecht und Energiesteuerrecht müssen durch eine verursachergerechte Bepreisung der Treibhausgase neu geordnet werden, um die erforderlichen Geschäftsmodelle für eine integrierte (sektorübergreifende) Energiewende zu ermöglichen. Auch die Bundesländer fordern in ihrem Entschließungsantrag vom 26. März 2021 eine Gesamtreform der staatlich induzierten Preisbestandteile im Energiesektor mit einer systematischen, verursachergerechten und sektorübergreifend anzugleichenden CO2-Bepreisung.
Dazu gehören eine grundsätzliche Überarbeitung des Energiemarktdesigns (vgl. MP 13), das Sondieren, wie ein WTO-konformer CO2-Grenzausgleich eingeführt werden kann, sowie eine Befreiung der regenerativen Eigen- und Direktstromversorgung von der EEG-Umlage, beziehungsweise ein Modell für die Vermarktung und Förderung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Beispielsweise sollte perspektivisch bei geeigneter Gegenfinanzierung die EEG-Umlage auf null abgesenkt werden, wie das bereits der Bundesrat fordert. Darüber hinaus sind geeignete Modelle für Netzentgelte zu entwickeln, um die Potenziale der Laststeuerung auszuschöpfen.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen,
- die eine verursachergerechte CO2-Bepreisung ermöglichen und gleichzeitig Sonderregelungen und Ausnahmen im Energie- und Energiesteuerrecht reduzieren (vgl. MP 13),
- die Kosten für Emissionen im internationalen Warenverkehr gerecht verteilen (zum Beispiel durch einen WTO-konformen CO2-Grenzausgleich, vgl. MP 12, MP 19) und
- die im Verkehr-, Bau- und Ernährungssektor alle Umweltkosten eines Produktes angemessen internalisieren (vgl. MP 7, MP 11, MP 14, MP 16).
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Folgende Maßnahmen zur besseren Wirksamkeit von CO2e-Preisen sollten gesetzlich verankert werden:
(1) Wahre Kosten im Rahmen einer Steuer und Umlagenreform
Für viele negative Klima-, Umwelt- und Gesundheitsfolgen, die sich aus der Produktion ergeben, kommen aktuell weder die Produzenten noch die Konsumenten auf (externe Kosten, vgl. Rollfs et al. 2021). Hier handelt es sich um eine Form von Marktversagen, dem mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen begegnet werden muss. Eine wirksame CO2-Bepreisung behebt dieses Versagen, indem sie den ökologischen und sozialen Umbau der Industriegesellschaft beschleunigt.
Perspektivisch ist für alle Wirtschaftsbereiche, die im internationalen Wettbewerb stehen, nicht nur ein ambitionierter und möglichst einheitlicher weltweiter CO2-Preis anzustreben (vgl. MP 19), sondern auch weitere staatlich induzierte Bestandteile an den Energiekosten (z.B. Energiesteuern) sollten in möglichst vielen Ländern aneinander angeglichen werden (vgl. IWF 2019).
Die Internalisierung externer Kosten braucht klare Preissignale bei Verursachern und Verbrauchern. Produzenten können dann ihre Produktionsweise z. B. auf Erneuerbare Energien umstellen und Verbraucher sich für weniger treibhausgasintensive Alternativen entscheiden (z.B. Holz statt Stahl, Bahn statt eigenes Auto). Gleichzeitig kann man durch geeignete Maßnahmen unerwünschte Nebenwirkungen wie soziale Härten und/oder die Verlagerung der Umweltschäden (z.B. Carbon leakage) vermeiden (Energiewendekomission 2021, S. 46 ff. und S. 279 ff.).
(2) EU-ETS Energiewirtschaft: Reform des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) mit Mindestpreisen zur besseren Planbarkeit und Änderung des Strommarktdesigns
Viele Vorteile, die dem Instrument Emissionshandel (Cap & Trade) zugeschrieben werden, halten einer Analyse des real existierenden Emissionshandels nicht stand. Das zentrale Argument vieler Befürworter des EU-ETS ist, dass mit ihm Emissionen automatisch dort eingespart werden, wo dies am günstigsten ist. Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssen jedoch in allen Bereichen zeitgleich und schnellstmöglich Emissionen eingespart werden – eine Beschränkung auf die „günstigsten“ Maßnahmen reicht nicht mehr.
Der real existierende EU-ETS wird von vielen anderen Umweltpolitiken überlagert, wie z.B. dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) oder - bis zum Brexit - dem Carbon Price Floor, einer CO2-Steuer, die das Vereinigte Königreich zusätzlich zum EU-ETS Preis erhoben hat, oder auch der EU-Ökodesign-Richtlinie (Edenhofer et al. 2021, co2abgabe 2020, co2abgabe 2019, co2abgabe 2018). Die Wirkung (Einsparung von Treibhausgasemissionen) der einzelnen Instrumente sind somit schwer quantitativ zuzuordnen. Und die Vermeidungskosten sind sehr unterschiedlich. Zudem gibt es ordnungspolitische Maßnahmen wie z. B. ein Tempolimit (vgl. MP 8), das Treibhausgasemissionen deutlich kostengünstiger einspart, als es ein Cap & Trade Mechanismus wie der EU-ETS kann. Besonders wirksam sind CO2-Preise jedenfalls dann, wenn sie nicht durch andere klimaschädliche Fehlanreize (Subventionen, Ausnahmetatbestände usw.) hintertrieben werden (vgl. MP 9).
Auch im Falle des EU-ETS kommen die Preissignale bislang nur beim Produzenten an. Im Falle der im EU-ETS veranlagten Energiewirtschaft kann ein verändertes Strommarktdesign (vgl. MP 13) die CO2-Preise in Echtzeit an die Stromkunden weitergeben. Damit würden die Stromkunden in die Lage versetzt, bedarfsgerecht in entsprechende Maßnahmen zu investieren, die den Strombezug genau dann vermeiden, wenn er einen besonders hohen fossil erzeugen Anteil aufweist.
(3) EU-ETS Industrie: Reform des europäischen Emissionshandels mit planungssicheren Mindestpreisen, einem Grenzausgleich und Differenzverträgen
Energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, kann man durch eine Kombination aus Endproduktabgabe und Ausgleichsverträgen (Carbon Contract of Difference) davor schützen, auf höheren CO2- oder Energiepreisen sitzen zu bleiben. Damit wird das Carbon Leakage Risiko vermieden und die Unternehmen in die Lage versetzt, in eine weitgehend treibhausgasfreie Produktion zu investieren (vgl. MP 12). Für Energie und Industrieanlagen, die nicht im EU-ETS veranlagt sind, sollten CO2-Preise in der Höhe der Mindestpreise im EU-ETS über die EU-Energiebesteuerungsrichtlinie bzw. das Energiesteuergesetz eingeführt werden.
(4) Personenverkehr: CO2e-Bepreisung im Rahmen einer fahrleistungsabhängigen PKW-Maut, die alle Externalitäten (Luftverschmutzung, Unfälle, Staus, Gesundheit etc.) internalisiert
Eingeführt werden sollte eine allgemeine fahrleistungsbezogene PKW-Maut als Infrastrukturabgabe zur Internalisierung aller externen Kosten in Höhe von anfänglich mindestens 7 Cent/km zur Finanzierung von Infrastrukturkosten der Mobilitätswende (vgl. MP 7).
(5) Güterverkehr: Endproduktabgabe auf Transportemissionen
Die bisherige LKW-Maut bepreist nicht den Ausstoß von Treibhausgasen, sondern ist eine öffentlich-rechtliche Infrastrukturgebühr (Einnahmen 7,2 Mrd. € pro Jahr). Mit einer Speditionsabgabe auf Endprodukte für Waren, die in Deutschland an Letztverbraucher gehen, würde ein Preis auf den Ausstoß von Treibhausgasen auch für die nichtterritorialen Transportemissionen erhoben werden (vgl. MP 11).
(6) Kombinierte Tierwohl- und Treibhausgasabgabe auf tierische Endprodukte
Besonders weit entfernt von den wahren Preisen sind wir im Bereich der Lebensmittel (vgl. MP 16). Vor allem Produkte aus konventioneller Nutztierhaltung müssten deutlich mehr kosten, als dies aktuell der Fall ist. Dies würde den Verbrauch tierischer Lebensmittel verringern. Eine geringere Tierproduktion senkt nicht nur die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft, sondern ermöglicht es, Flächen für den Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel, die Wiedervernässung von organischen Böden, für die Biodiversität (vgl. MP 16) und den Anbau nachwachsender Rohstoffe (vgl. MP 17) zurückzugewinnen.
(7) Rechtsbereinigung im Energie-, Energiesteuer- und Umweltrecht
Die Stiftung Umweltenergierecht entwickelt bis zum Herbst 2021 Vorschläge, wie das Energierecht entbürokratisiert und wieder besser steuerbar gemacht werden kann. Damit soll die Politik ermutigt werden, die Neuordnung in der nächsten Legislaturperiode anzugehen (vgl. MP 2). Im Rahmen der Rechtsbereinigung des Energiesteuerrechts sollten folgende Anpassungen vorgenommen werden:
(8) EEG-Umlage durch Einnahmen aus CO2-Preisen auf Null senken
Insbesondere die EEG-Umlage steht durch ihre Höhe für nicht privilegierte Verbrauchende einer integrierten Energiewende (Sektorkopplung) und passenden Geschäftsmodellen im Wege. Eine Vielzahl an Sonderregelungen bei der EEG-Festsetzung sowie bei der Kontrolle und Einziehung verursachen einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Die bereits erfolgte Absenkung der EEG-Umlage mit der Einführung der CO2-Bepreisung durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz reicht nicht aus, um diese Hindernisse abzubauen. Erst eine Absenkung auf null würde durch Entbürokratisierung zum nötigen Ausbau der Erneuerbaren führen – zum Beispiel durch die vollständige Finanzierung mittels einer CO2-Bepreisung in Kombination mit einer Anpassung des Strommarktdesigns (vgl. MP 13) kann den Ausbau der Erneuerbaren vor Ort durch Entbürokratisierung neu beflügeln (DENA, Stiftung Umweltenergierecht 2020).
(9) Gebäude: CO2-Preise verursachergerecht gestalten
Insbesondere bei einer Fernwärmeversorgung aus Anlagen, die im EU-ETS veranlagt sind, entstehen Wettbewerbsverzerrungen, wenn die national veranlassten Preisbestandteile wie CO2-Preise auf Energie sich nicht am Preisniveau des EU-ETS orientieren. Die Preisniveau des EU-ETS als auch des nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz werden noch längere Zeit nicht ausreichen, um bei CO2-Vermeidungskosten von weit mehr als 200 € pro Tonne allein genug Anreize für eine umfassende energetische Gebäudesanierung zu setzen. Daher sollte zusätzlich über das Ordnungsrecht ein Pfad für steigende verpflichtende Anteile an Erneuerbaren Energien gesetzlich geregelt werden. KfW- und Bafa-Förderungen sind konsequent an der Minderung der Treibhausgase auszurichten und die verbleibenden Kosten sind verursachergerecht und sozialverträglich auf Nutzer und Investoren zu verteilen (Mieter-Vermieter-Dilemma). Verpflichtende Energieleitpläne auf Quartierseben unterstützen dabei, die jeweils geeignete Lösung vor Ort zu finden (vgl. MP 1, MP 14).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Auf die Darstellung der Wirkungen einer Steuer- und Umlagenreform wird an dieser Stelle verzichtet und auf die genannten Maßnahmenpakete verwiesen.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Grundlegende Neuordnung des Energierechts: Folgende Gesetze zu einem Energiegesetz zusammenführen: Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), KWK-Modernisierungs-Gesetz (KWKG), Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG), Stromsteuergesetz (StromStG), Energiesteuergesetz (EnergieStG)
(2) EEG-Umlage auf Null absenken und mittelfristig durch CO2e-Preis finanzieren.
(3) Reform Emissionshandel: Die Obergrenze der Verschmutzungsrechte (Cap) ist an Klimaschutzziele von Paris angleichen, überschüssige Zertifikate löschen, Gültigkeit der Zertifikate vgl. Energiewirtschaft: ergänzend zur Reform Emissionshandel
(4) Energiewirtschaft: Verursachergerechte dynamisierte Strompreise einführen (Strommarktdesign ändern vgl. MP 13)
(5) Industrie: Grenzausgleich und Carbon Contract of Difference; im Non-EU-ETS CO2-Bepreisung im Rahmen einer Steuer- und Umlagenreform, Preisniveau an EU-ETS koppeln (ggf. über EU-Energiebesteuerungsrichtlinie), vgl. MP 12.
(6) Güterverkehr: Einführung einer Speditionsabgabe als Konsumabgabe, die alle Externalitäten internalisiert (vgl. MP 11)
(7) Personenverkehr: Einführung fahrleistungsbezogene PKW-Maut, LKW-Maut erhöhen
(vgl. MP 7).
(8) Gebäude: Neben einem CO2-Mindestpreis der in der Höhe dem im EU-ETS gleicht, sind im Gebäudeenergiegesetz steigende verpflichtende Anteile an Erneuerbaren Energien gesetzlich auch im Bestand festzulegen. (vgl. MP 14)
(9) Landnutzung: CO2-Bepreisung im Rahmen einer kombinierten Tierwohl- und Treibhausgasabgabe als Endproduktabgabe auf tierische Produkte (vgl. MP 16) Weitere Grundlagen zur rechtlichen Ausgestaltung von Umweltsteuern, Umlagen und Abgaben vgl. Klinski & Keimeyer 2017.
Speditionsabgabe 1.0
Beim Transport von Waren im globalisierten Markt entstehen beträchtliche Treibhausgasemissionen. Der Anteil Deutschlands als Export- und Importnation am weltweiten Handel ist mit 7% besonders groß.
Eine Endproduktabgabe auf Transportemissionen schafft für Unternehmen einen Anreiz, die Transportemissionen zu senken – sei es durch nähere Produktionsstätten, Produktkettenverkürzungen oder umweltfreundlicheren Transport. Schon heute gibt es gute Standards für die Bilanzierung von Transportemissionen, in Frankreich zum Beispiel müssen schon jetzt Transportemissionen auf Produkten und Dienstleistungen sichtbar gemacht werden. Damit ist auch eine entsprechende Bepreisung möglich.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen,
- durch die Transportemissionen von Konsumprodukten für die Kundschaft sichtbar ausgewiesen werden
- und diese angemessen mit einem Klimaaufschlag (> 180 € pro Tonne CO2e) bepreist werden.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Speditionsabgabe 1.0
Die Methodik zur Berechnung von Treibhausgasemissionen (CO2e-Intensität) in Spedition und Logistik ist sehr gut ausgearbeitet (UBA 2012, DIN EN 16258, DSLV 2013, Smart Freight Centre 2017). Frankreich schreibt bereits seit dem 1.10.2013 vor, dass die Transportemissionen auf Produkten und Dienstleistungen sichtbar gemacht werden müssen – für alle kommerziellen Personen- und Gütertransporte, die einen Start- oder Zielpunkt in Frankreich haben (decret 2011-1336). Der Aufwand für die Berechnung der Transportemissionen einzelner Güter ist überschaubar (ecotransit).
Es ließe sich eine spezifische Transportabgabe auf die mit dem Transport verbundenen Emissionen zumindest für die aus dem Ausland empfangenen Güter erheben. Die wahren Preise des Transportes würden damit transparent. Einnahmen aus der Gütertransportabgabe sollten dazu verwendet werden, die Emissionen des Transportes zu mindern. Die Bilanzierung der Transportemissionen wäre ein guter Einstieg in die Bilanzierung aller mit einem Produkt verbundenen CO2-Emissionen (vgl. MP 3).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Der Anteil der Logistik an den gesamten CO2-Emissionen Deutschlands liegt bei etwa 5,5% (von gesamt 38 Giga-Tonnen CO2e in 2019). Der Klimaeffekt der Schifffahrt insgesamt (international, inländisch und Fischerei) betrug im Jahr 2018 insgesamt 1.076 Mio. Tonnen CO2e (IMO 2020) und damit mehr als 3% der gesamten weltweiten Emissionen. Die Seeschifffahrt allein ist mit 940 Mio. Tonnen beteiligt (EU 2020). Da Deutschland eine Import- und Exportnation ist, ist auch unser Anteil der Transport-Emissionen gegenüber der Einwohnerzahl überproportional hoch.
Auf Grundlage der Frachtmengenangaben in Tonnenkilometern des BMVI ist Deutschland für rund 2,3 % der weltweiten Seeschifffahrtsemissionen verantwortlich – das sind ca. 22 Mio. Tonnen CO2. Die gesamten Transportemissionen außerhalb Deutschlands für empfangene und versendete Güter betragen im Jahr 2019 rund 39 Mio. Tonnen CO2e. Und das zusätzlich zu den Güterverkehr-Emissionen innerhalb Deutschlands. Das sind in etwa noch einmal halb so viele Emissionen, wie in Deutschland als territoriale Emissionen im Güterverkehr für Deutschland entstehen.
Damit importiert Deutschland über Produkte, die zu uns kommen etwas mehr als wir exportieren.
Zu den schätzungsweise 65 Mio. Tonnen CO2e-Emissionen, die Deutschland über den internationalen Seeverkehr beeinflussen kann, kommen über Fracht per Flugzeug noch etwa 15% der 23 Mio. Tonnen CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr Deutschlands hinzu. Das ergibt etwa 3,5 Mio. Tonnen CO2, zusätzlich zu den etwa 50 Mio. Tonnen CO2e aus dem inländischen Güterverkehr per Binnenschiff und LKW.
Als Anfangspreis für eine Speditionsabgabe wird der aktuelle Wert aus der Methodenkonvention 3.1 für die Umweltkosten in Höhe von 195 € pro Tonne CO2e vorgeschlagen. Damit liegen beispielsweise die Mehrkosten für ein Kilogramm Fracht von Shanghai nach Berlin bei etwa 8 Cent. Die Einnahmen fließen in einen internationalen Fonds zur Finanzierung der Treibhausgasminderung in der internationalen Logistik. Die deutsche Klimadiplomatie wird damit beauftragt, eine solche Transportabgabe in möglichst vielen Ländern dieser Welt zu etablieren (vgl. MP 19).
Das Potenzial zur Einsparung von Treibhausgasemissionen durch eine Speditionsabgabe wurde bisher nicht bestimmt. Es ist jedenfalls deutlich höher als die bisherigen Fixpreise aus dem Brennstoffemissionshandelsgesetz, von dem die Bundesregierung gegenüber dem Referenzszenario im Jahr 2025 Gesamteinsparungen in Höhe von lediglich bis zu 3,1 Millionen Tonnen CO2e erwartet. Dabei sind die Anpassung der Pendlerpauschale (2025: 0,2 Millionen Tonnen CO2e) und die Auswirkungen der geminderten EEG-Umlage, z. B. auf die Sektorkopplung, bereits berücksichtigt (btd 19/26034, Harthahn et al. 2020). In jedem Fall ist eine gesetzlich verankerte Speditionsabgabe verursachergerecht und bringt mehr als „Spenden“ im Rahmen einer Kompensation.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) CO2e-Speditionsabgabe nach CO2e-Intensität als Konsum(Endprodukt-)abgabe, Verankerung im Lieferkettengesetz (vgl. MP 3: Lieferkettengesetz) national oder noch besser europaweit und in möglichst vielen anderen Ländern. Anfängliche Höhe der Speditionsabgabe: 195 € pro Tonne CO2e.
CO2-Mindestpreise, Grenzausgleich und Differenzverträge statt Ausnahmen (Industriepolitik 5.0)
Damit es sich lohnt, in Klimaschutz zu investieren, soll die Erzeugung von Klimagasen teurer werden. Das ist der Gedanke hinter dem Europäischen Zertifikate-Handel für Treibhausgasemissionen. Allerdings gibt es gerade für die Industrie, die am meisten Energie benötigt und Emissionen verursacht, viele Ausnahmen. Etwa die Befreiung von der EEG-Umlage oder die Zuweisung kostenloser Zertifikate im europäischen Emissionshandel.
Grund ist die Sorge, dass Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, bei zu hohen Kosten für CO2-Emissionen ins Ausland auswandern könnten (Carbon Leakage).
Damit Unternehmen in treibhausgasneutrale Produktionsverfahren investieren, brauchen sie finanzielle Anreize, gleichzeitig muss die Wirtschaft vor dem Carbon Leakage geschützt werden. Das ist umso wichtiger, als das in den kommenden Jahren in den betroffenen Branchen massive Reinvestitionen anstehen.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die
- der Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) an die in der EU beschlossenen höheren Klimaziele für 2030 angepasst wird
- Unternehmen Planungssicherheit bekommen durch Mindestpreise auf Treibhausgase (> 50 € pro Tonne CO2e)
- das Carbon Leakage nicht mehr mit Ausnahmen für die Energieintensive Industrie verhindert wird, sondern durch einen Grenzausgleich zum Beispiel in Form einer Konsumabgabe. Dadurch müssen Verursacher und Verbraucher auch dann für die CO2-Emissionen zahlen, wenn Produkte importiert werden. So fällt der Wettbewerbsvorteil durch ausländische Produktionsstätten weg.
- staatliche Investitionszuschüsse ermöglicht werden, mit denen Unternehmen heute in CO2-sparende Technologien investieren können und die sie zurückzahlen, wenn die Preise für CO2-steigen – und sich die Investitionen bezahlt machen. Differenzverträgen (CCfD))
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
In Europa wird die Menge der Emissionen, die in der treibhausgasintensiven Grundstoffindustrie ausgestoßen werden dürfen, durch das „Emissions Trading System“ (ETS) gesteuert und begrenzt. Die Verschärfung der europäischen Klimaziele auf eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55% oder 60% bis 2030 wird einhergehen mit einer stärkeren jährlichen Reduktion der Obergrenze (Cap) für Emissionen im EU-ETS. Um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder mit geringeren Emissionspreisen verschieben (Carbon Leakage), muss es im internationalen Handel einen Ausgleich für die Emissionskosten geben (Grenzausgleich). Die Forderung nach Industriestrompreisen von unter 4 Cent/kWh führt nicht zu verursachergerechten Produktpreisen.
Industrieanlagen, welche Teil des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) sind und einem erheblichen Abwanderungsrisiko ausgesetzt sind, erhalten bis heute kostenlose Verschmutzungsrechte (Zertifikate). Bei den effizientesten aber gleichzeitig treibhausgasintensivsten Produktionsanlagen decken sie die gesamten Emissionen ab. Zwischen 2013 bis 2020 wurden so 43% aller Verschmutzungsrechte (EU-ETS-Zertifikate) kostenfrei ausgegeben. Fluggesellschaften erhielten in diesem Zeitraum nahezu alle Verschmutzungsrechte umsonst. Der Sonderbericht des EU-Rechnungshof stellte 2020 fest, dass die kostenfreie Vergabe von Verschmutzungsrechten zu wenig gezielt erfolgte. Darüberhinaus sind mehr Verschmutzungsrechte als notwendig zugeteilt oder verkauft worden. Infolge dessen und verstärkt durch die Wirtschaftskrisen 2009 und 2020/2021 und des damit verbundenen Produktions- und Emissionsrückgangs haben viele der unter den EU-ETS fallenden Industrieanlagen einen erheblichen Überschuss an kostenlosen Zertifikaten angesammelt oder verkauft. Der CO2-Preis blieb dadurch aufgrund der niedrigeren Nachfrage nach Zertifikaten über viele Jahre niedrig. Damit wird von Expert*innen das Carbon-Leakage-Risiko für viele Industrieanlagen als erheblich geringer eingeschätzt als zum Zeitpunkt der Annahme des Klima- und Energiepakets 2020 im Jahr 2009.
(1) Grenzausgleich als Endprodukt (Konsum-)abgabe
Durch MP 3 (Lieferkettengesetz 2.0) werden Unternehmen zunehmend verpflichtet, die Treibhausgasemissionen durch die Lieferkette zu bilanzieren und beim Endprodukt zu kennzeichnen, und durch MP 4 (Kreislaufwirtschaftsgesetz 2.0), ihre Produkte so zu konzipieren, dass sie länger genutzt werden können, nach ihrer ersten Nutzungszeit leicht zerlegbar sind und Ressourcen im Kreislauf wiederverwendet werden können.
Die Bilanzierung der Treibhausgasemissionen durch die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette stellt durch die Sichtbarkeit der Treibhausgasemissionen im Endprodukt für den Klimaschutz einen Mehrwert dar und ihr Aufwand ist daher gerechtfertigt. Im Gegensatz zur bisherigen Bürokratie der Ausnahmen- und Rückerstattungsregelungen fällt der Erfüllungsaufwand durch die fortschreitenden und sicheren Optionen der Digitalisierung geringer aus.
Auf dieser Grundlage können alle Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen und steigende CO2-Preise auf Produkte umlegen können, im Rahmen der Investitionszyklen in eine treibhausgasarme oder freie Produktion investieren und auch in der Vorkette aktiv treibhausgasärmere Vorprodukte einsetzen.
Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und hohe Handels- und Emissionsintensitäten aufweisen, können ein Grenzausgleich und Differenzverträge helfen, frühzeitig in treibhausgasarme oder freie Produktion zu investieren (vgl. co2abgabe 2020).
Die bisherigen Maßnahmen zum Schutz vor Carbon Leakage im EU-ETS (kostenfreie Zuteilung und Strompreiskompensation sowie verringerte Energiesteuer- und Umlagensätze für viele Unternehmen) sind nicht geeignet, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 oder 60 % bis 2030 in Europa zu erreichen (vgl. Bericht EU Umweltausschuss 15.2.2021). Ausnahmen von staatlich veranlassten Preisbestandteilen oder eine Deckelung der Industriestrompreise lasten zudem die Kosten der Transformation hin zu treibhausgasneutralen Produktionsverfahren nicht den eigentlichen Verursachern, wie z. B. dem Käufer eines Autos, das Aluminium oder Stahl enthält, an, sondern der Allgemeinheit. Der effektivste Weg, um sicherzustellen, dass die Preissignale sowohl den Produzenten als auch den Abnehmer eines Produktes erreichen, führt über eine Endproduktabgabe (Konsum- oder Klimaabgabe), ähnlich der Mehrwertsteuer, die bis zum Letztverbraucher weitergegeben wird. Anders als bei der Mehrwertsteuer kann hier jedoch auch der Produzent bereits Emissionen und Konsumabgabe einsparen und damit sein Produkt auch günstiger als treibhausgasintensivere Produkte anbieten.
(1) Carbon Contracts for Difference führen zu vorgezogenen Investitionen in eine treibhausgasarme oder -freie Produktion
In der Regel sind Umstellungen von Produktionsprozessen in der Industrie mit erheblichen Sprunginvestitionen verbunden (z.B. Ersatz von Erdgas als Energieträger durch Grünen Wasserstoff). Sprunginvestitionen zeichnen sich bei kompletten Verfahrensumstellungen oft durch überdurchschnittlich hohe Finanzierungsvolumina mit entsprechend hohen Risiken und Fremdfinanzierungsbedarf aus (Energiewendekomission 2021, S. 29 ff.). Die zugrundliegenden CO2-Vermeidungskosten der Umstellung sind deutlich höher, als die auch bei gestiegenem Minderungspfad steigenden CO2-Preise im EU-ETS erwarten lassen. Damit bleibt eine Finanzierungslücke bei treibhausgasintensiven Unternehmen bestehen, die z.B. durch Verträge zwischen dem Staat und dem investierenden Unternehmen geschlossen werden kann (Differenzverträge oder Carbon Contracts for Difference, CCfD). Hierzu schließt der Staat mit einem Industrieunternehmen einen Vertrag, in dem er Zuschüsse zahlt, solange der Preis für Treibhausgase zu niedrig ist, um in treibhausgasneutrale Produktionsanlagen investieren oder die Betriebskosten wie z. B. den Einkauf von Grünem Wasserstoff decken zu können. Wenn der CO2-Preis schließlich ansteigt, zahlt das Unternehmen an den Staat zurück. Beispiel: Angenommen, die Vermeidungskosten (abzgl. eingesparte Betriebskosten) eines neuen treibhausgasneutralen Produktionsverfahrens in der Chemie über Grünen Wasserstoff liegen bei 170 € pro Tonne CO2e, der Preis des EU-ETS aber nur bei 50 € pro Tonne. Dann fehlen dem Unternehmen 120 € pro Tonne, die es nicht z. B. über den Verkauf von entsprechend nicht benötigten EU-ETS Zertifikaten einnehmen kann. Diese Differenz stellt der Staat so lange zur Verfügung, bis die EU-ETS-Preise die Höhe von 170 € pro Tonne CO2e erreicht haben. Auf diese Weise kann das Unternehmen sofort mit der treibhausgasneutralen Produktion seines Grundstoffes beginnen und muss nicht erst warten, bis die CO2-Preise das entsprechende Niveau erreicht haben. (vgl. auch Richstein et al. 2021, Gerres et al. 2020, DIW 2019).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die Treibhausgasemissionen der deutschen Industrie betrugen 2018/2019 etwa 195 Millionen Tonnen CO2e. Innerhalb der Industrie weisen die Branchen Stahl (ca. 57 Millionen Tonnen CO2e), die Grundstoffchemie (37 Millionen Tonnen CO2e) und Zement (20,5 Millionen Tonnen CO2e) knapp 60% der territorialen CO2eEmissionen auf. Etwa 50 Mio. CO2eEmissionen sind prozessbedingte Emissionen, die nur bedingt über den Einsatz Erneuerbarer Energien ersetzt werden können (Irees 2020).
Ein Schwerpunkt der Defossilisierung der Industrie wird bis 2030 in der Elektrifizierung der Prozesswärme und einer strombasierten Dampfproduktion liegen, sofern der Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugung dies bis dahin erlaubt. Ab 2030 wird vor allem die grüne Wasserstoffwirtschaft zu weiteren Einsparungen führen (Agora 2020, ISE 2020).
Weitere Schwerpunkte werden aber auch in der Suffizienz und der Substitution fossiler Rohstoffe liegen müssen (vgl. MP 17). Ohne weitreichende Suffizienzgewinne werden jährlich ein durchschnittlicher Zubau der Photovoltaik von 10,5–14,8 GWel, der Windenergie onshore von 7,4–8,4 GWel und offshore von 1,4–1,7 GWel notwendig, um das verschärfte Zwischenziel zur Reduktion der Emissionen im Jahr 2030 erreichen zu können (ISE 2020). Technisch und ökonomisch lässt sich das darstellen. Ob sich allerdings auch der Ausbau insbesondere der Windenergie an Land politisch durchsetzen lässt, scheint bei einer bisher maximalen Zubauleistung von rund als 5,3 GW im Jahr 2017 nicht sicher.
62 % der Stahlverwendung liegen im Baubereich (36%) und bei der KFZ-Produktion (26%). Bereits bei einer Halbierung der KFZ-Produktion und halb so viel Stahl im Baubereich würden allein durch Suffizienz bis zu 30% der Emissionen beim Stahl (13-14 Mio. Tonnen Emissionen) eingespart werden können. Vergleichbares gilt für die Chemieindustrie. Die chemische Industrie in Deutschland nutzte im Jahr 2018 zu knapp 87% fossile Rohstoffe (18,1 Millionen Tonnen, davon das Erdölprodukt Naphtha mit 14 Mio. Tonnen) und mit etwa 2,6 Millionen Tonnen 13% nachwachsende Rohstoffe (VCI 2020). Der Kunststoffverbrauch in Deutschland lag 2019 bei mehr als 12 Mio. Tonnen (Conversio 2020). Rund 25% sind Verpackungen, rund 25% werden im Baubereich und 10% für Fahrzeuge benötigt. An Kunststoffabfällen fallen in Deutschland jährlich rund 5 Mio. Tonnen an. Davon exportierte Deutschland 2018 mehr als 1 Mio. Tonnen. Die größten Mengen gehen derzeit nach Malaysia und in die Türkei - zu großen Anteilen ohne jede Nachweispflicht. Wie und ob dort überhaupt die Kunststoffabfälle verwertet werden, ist deutschen Behörden nicht bekannt (wwf 2020, btd1923513). Die Roadmap Chemie 2050 zeigt auf, von welchen Rohstoffen und Emissionen die Chemieindustrie im Jahr 2020 ausgeht und dass sie ohne Suffizienz mit einem erneuerbaren Strombedarf von über 600 TWh bis zu einer „Klimaneutralität“ in 2050 rechnet. Dabei geht sie von einem Industriestrompreis von 4-5 Cent/kWh aus. Für durchschnittlich 4-5 Cent pro kwh sind jedoch in Deutschland Strom aus Sonne und Wind inkl. Transportkosten verursachergerecht bis zum Ort des Verbrauchs in absehbarer Zeit nicht lieferbar.
Damit sollte klar sein, dass eine Umwelt- und Klimaverträglichkeit der Industrie ohne Anreize zur Suffizienz, also Reduktion des Konsums auf "wirklich benötigten“ Produkten, und damit verbundenen Einsparungen nicht darstellbar sind.
Dafür gibt es im Bereich des Vermeidens und des Ersatzes von Produkten aus fossilen Rohstoffen und beim Recycling von Abfällen ein riesiges Potenzial. Bereits seit dem 19. Jahrhundert sind kompostierbare Folienverpackung („Kunststoff Zelluloid“) aus dem pflanzlichen Stoff Zellulose hergestellt verfügbar. Allerdings zum etwa dreifachen Preis gegenüber fossilen Kunststofffolien (z.B. repaq). Auch hier ist die Internalisierung der externen Schäden durch entsprechende Abgaben, Export- und Recyclingquoten und Herkunfts- und Verwendungsnachweise im Kreislaufwirtschaftsgesetz dringend geboten. Durch höhere Kosten der fossilen Grundstoffe werden sich zahlreiche Geschäftsmodelle für Produktion und Verarbeitung von Grundstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (wie Cellulose, Lignin, Lipiden und Proteinen) entwickeln. Voraussetzung dafür ist jedoch das Freiwerden von entsprechenden Flächen durch eine veränderte Landnutzung (vgl. MP 16, MP 17).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Grundlegende Reform des europäischen Emissionshandels im Rahmen des EU-Green Deal mit Einführung eines CO2-Mindestpreises (Planbarkeit), Grenzausgleich als Konsumabgabe und Einführung eines internationalen Klimafonds zur Finanzierung von Differenzverträgen. Emissionshandel: kostenlos zugeteilte Zertifikate sowie die Strompreiskompensation gemäß der Richtlinie des BMWi für Beihilfen für indirekte CO2-Kosten durch Grenzausgleich in Form einer Endproduktabgabe und CfDs ersetzen (vgl. MP 19).
Verursachergerechte lokale Strompreise zum Ausgleich vom Dargebot und Verbrauch erneuerbarer Energien vor Ort inkl. Deregulierung der Eigenstromnutzung (Strommarkt 5.0)
Wind- und Solaranlagen erzeugen heute nicht nur verlässlich Strom, sondern sogar günstiger als neue mit fossilen Energieträgern betriebene Kraftwerke. Das Problem: Der Wind bläst nicht immer gleich stark und an regnerischen Tagen erzeugen Solaranlagen weniger Strom als an sonnigen und im Winter manchmal tagelang nur selten. Strom aus den Erneuerbaren ist oft "fluktuierend".
Im Strommarkt nennt man den Anteil der verbrauchten Energie, der zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht aus fluktuierenden Erneuerbaren Quellen, wie z.B. Solar- und Windkraftanlagen abgedeckt wird, Residuallast. Wollen wir in Zukunft vollständig aus der fossilen Energieversorgung aussteigen, muss auch diese Lücke von Erneuerbaren Energien geschlossen werden. Oder anders formuliert: Ziel für das zukünftige Strommarktdesign muss es sein, die Residuallast so gering wie möglich zu halten.
Möglich ist das unter anderem, wenn sich der Verbrauch von Energie stärker an der erneuerbaren Erzeugung orientiert: In Privathaushalten können zum Beispiel die Waschmaschine laufen und kann das E-Auto in der Garage aufgeladen werden, wenn gerade viel Energie aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. Ebenso könnte die Industrie energieintensive Prozesse nach dem erneuerbaren Angebot takten. Dafür bietet der Strommarktdesign bisher aber kaum geeignete Preisanreize.
Um das Netz zu entlasten und die Residuallast so gering wie möglich zu halten, können Angebot an Erneuerbaren und die Nachfrage auch regional bereits austariert werden, also schon in den Verteilnetzen. Kleine Verbrauchergruppen, die ihre Energieversorgung selber in die Hand nehmen, sollten dafür gefördert werden – ohne bürokratische Hürden. Selbst erzeugte und genutze erneuerbarer Strommengen vom Dach oder Balkon sowie effzienter erzeugter Strom aus dem Keller dürfen nicht länger mit Bürokratie oder Steuern- und Abgaben beaufschlagt werden. Sie sollten gleich behandelt werden wie eine Energiesparmaßnahme. Und auch das „Energy Sharing“ in räumlicher Nähe, in dem sich mehrere Personen den Betrieb einer Erzeugungsanlage teilen, sollte einfach möglich werden.
Perspektivisch sollte die fossile Residuallast zu 100 Prozent durch Kraftwärmekopplung mit grünem Wasserstoff geleistet werden (MP 15). Relevanter Maßstab ist die schnellstmögliche Reduktion der Treibhausgase.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die
- lokale Strompreise eingeführt werden, die die Netzbelastung und Erzeugungsqualität (erneuerbar oder fossil in g CO2e/kWh) widerspiegeln und damit für Unternehmen und Haushalte Anreize schafft, den Strombedarf zeitlich besser an das physikalische Dargebot von erneuerbarem Strom vor Ort anzupassen,
- vor Ort mehr Suffizienz, Effizienz und mehr Flexibilität entsteht und Erneuerbare Energien auch ohne Förderbedarf ausgebaut werden können und
- die Abgabe erneuerbarer Energien und von Strom aus KWK innerhalb einer Kundenanlage und im räumlichen Zusammenhang (Energy sharing) dereguliert wird.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Der Strommarkt heute - Problembeschreibung
Für den Klimaschutz geht es bei der Stromerzeugung um den schnellstmöglichen Ausstieg aus Stein- und Braunkohle und Erdgas. Gleichzeitig geht es um den Aufbau von Flexibilität, die neben dem Ausbau der Erneuerbaren die Residuallast (Stromverbrauch abzüglich des erneuerbaren Anteils) möglichst flexibel, treibhausgasarm, kosten- und energieeffizient abdeckt.
In einigen Regionen der Welt werden schon heute Solarkraftwerke gebaut, deren Gestehungskosten in der Größenordnung der Betriebskosten/Grenzkosten (durchschnittlich ca. 30 €/MWh) von Kohlekraftwerken liegen und auch in Deutschland liegen die Gestehungskosten (Vollkosten) einzelner Solar- und Windkraftwerke bereits unter den Gestehungskosten konventioneller fossiler Kraftwerke. In Deutschland reichen jedoch die Erlöse für Strom in der Regel noch nicht, um Investitionen in neue erneuerbare oder flexiblere Kraftwerke zur emissionsarmen Abdeckung der Residuallast ohne eine Förderung durch das Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) bzw. das Kraft-Wärmekopplungsgesetz (KWKG) auszulösen.
Hinzu kommen lange Genehmigungsverfahren und lokaler Widerstand gegen Windkraftwerke. Flexible Kraftwerke müssen zukünftig bei sinkenden Einsatzzeiten ihre Kapitalkosten in immer weniger Stunden refinanzieren können. Folglich werden auf erneuerbaren Energiequellen basierende und flexible Residuallastkraftwerke nicht in dem Maße wie notwendig gebaut. Erst das Zusammenspiel zwischen wirksamen CO2-Preisen (MP 10) und einer Reform des Strommarktes (MP 13) sowie die Festlegung im Grundgesetz, dass spätestens ab z.B. 2035 Geschäftsmodelle mit fossilen Energieträgern in Deutschland ein Ende finden (MP 1), schaffen das notwendige politische und ökonomische Vertrauen, um in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und flexible Residuallastkraftwerke, Lastmanagement u. v. m. zunehmend auch ohne Förderung durch EEG und KWKG investieren zu können. Ein Kapazitätsmarkt wie z. B. in England oder Frankreich oder Kapazitätsreserve wie in Deutschland, die über die Netzentgelte vergütet wird, können zwar die Versorgungssicherheit gewährleisten, zur schnellstmöglichen Defossilisierung unserer Energieversorgung tragen sie jedoch kaum bei. Strom aus konventionellen fossilen Kraftwerken wird Jahre im Voraus zum Tag X entweder auch über die Strombörse oder im freien Handel (Terminmarkt) verkauft. Am kurzfristigen Spotmarkt, an dem die erneuerbaren Energiemengen (EE) gehandelt werden, treffen die EE an Tagen mit hoher Erzeugung aus Sonne und/oder Wind immer öfter auf einen Strombedarf, der durch Terminverträge fossiler Kraftwerke bereits gedeckt ist. In dieser Situation können an der Strombörse agierende fossile Kraftwerksbetreiber je nach Preis an der Börse entweder Strom selbst produzieren und verkaufen oder sie kaufen und verkaufen ihn. Sie müssen ihre Produktion bei einem Überangebot nicht herunterfahren, aber sie können und tun es, wenn es sich für sie lohnt. So erlösen konventionelle Kraftwerksbetreiber zu Zeiten negativer Strombörsenpreise nicht nur den vor langer Zeit vertraglich vereinbarten Terminmarktpreis, sondern erhalten noch Geld fürs Herunterfahren der Kraftwerke, sparen Brennstoffkosten und können ggf. überschüssige Emissionszertifikate für spätere Zeiten vorhalten oder verkaufen. Inzwischen ist die Marktmacht von wenigen Versorgungsunternehmen wie RWE so groß geworden, dass das Bundeskartellamt feststellt, „…Mit der in Folge des fortschreitenden Atomausstiegs und Kohleausstiegs konkret bevorstehenden weiteren Marktverknappung könnte sich möglicherweise eine kritisch zu bewertende Verstärkung der Marktmacht von RWE ergeben. Hinzu kommen die jüngsten Veränderungen im Bereich der Regelenergie, die mögliche Marktmachtprobleme in diesem Bereich zumindest nicht ausgeschlossen erscheinen lassen.“ (Bundeskartellamt 2020)
Der nach dem EEG geförderte erneuerbare Strom wird derzeit am Strommarkt bei niedrigen und zunehmend negativen Strombörsenpreisen am Day-Ahead-Handel gegenüber dem konventionellen unter Wert gehandelt. Wirtschaftliche Einbrüche mit geringerem Stromverbrauch wie zur Coronakrise verschärfen die Erlösunterschiede zwischen EEG-Anlagen und fossilen Kraftwerken. Allein diese Korrelation zeigt, dass das Strommarktdesign dringend überarbeitet werden muss.
Die Folge: Trotzdem die Vollkosten für Wind und Photovoltaik seit Jahren sinken, steigen die Stromkosten für Verbraucherinnen und Verbraucher und für die nicht von der EEG-Umlage befreiten Betriebe. Gleichzeitig sinkt der mittlere Börsenwert des Stroms nach einem Maximum von fast sieben Cent je Kilowattstunde (kWh) im Jahr 2009 auf unter drei Cent je kWh im Jahr 2020. Die Anzahl der Stunden im Jahr mit negativen Strombörsenpreisen stieg von 134 in 2018 auf 298 in 2020. Am Sonntag, den 16.2. gab es an 22 aufeinanderfolgenden Stunden negative Großhandelsstrompreise. Grund dafür war die hohe Einspeisung aus Erneuerbaren Energien, insbesondere durch Windkraftanlagen aufgrund des Orkantiefs „Victoria“. Über den Tag deckte Erzeugung aus Erneuerbaren den Nettostromverbrauch (die Netzlast) zu 95,5 %.
Die Schwankungen der CO2-Emissionen im deutschen Strommix im Tages- und Jahresverlauf liegen zwischen 87 und 664 g CO2e pro kWh (EUPD 2021). An den einzelnen Netzknoten (Umspannwerken) bzw. in den Verteilnetzen variieren die CO2-Emissionen noch stärker. So wird die Netzlast in Schleswig-Holstein an vielen Stunden im Jahr bereits zu mehr als 100% durch Wind- und Solarenergie gedeckt.
Hätte es genug Flexibilität in den Verteilnetzen in Deutschland, käme es erst gar nicht zu negativen Strompreisen.
Das dem heutigen Stromhandel zugrundeliegende Konzept der „Kupferplatte“ täuscht ein engpassfreies Stromnetz vor. Durch die starke Durchdringung des Netzes mit volatilen Erzeugern und Verbrauchern, die entweder gar nicht oder auf ungeeignete Signale hin optimieren, ist das nicht mehr zeitgemäß. In Deutschland kostet Strom an der Strombörse landesweit gleich viel. Ist das Angebot im Netz groß, so ist der Preis niedrig. Für die stromintensiven Industrien, die von vielen Abgaben weitgehend befreit sind, führen die niedrigen Strombörsenpreise durch den zuvor geschilderten Grenzkostenmarkt zu vergleichsweise niedrigen, gegenüber dem Ausland wettbewerbsfähigen Industriestrompreisen. Investitionen in Effizienz und dringend benötigte neue, flexiblere, effizientere Residualkraftwerke zur Abdeckung des zukünftig höheren Strombedarfs für Wärmepumpen (Wärme) und alternative Antriebe (Verkehr), insbesondere während der kalten Dunkelflaute (in der wenig Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht), bleiben so jedoch aus. Im Wesentlichen werden auf diese Weise mittelständische Unternehmen und Endverbraucher mit den Kosten der Energiewende belastet. Eine verursachergerechte Umlage der Klimaschadenskosten bzw. der Energiewende über die Endprodukte erfolgt nicht. Und auch das CO2-Preissignal des Europäischen Emissionshandels kommt beim Konsumenten bisher nicht an (vgl. MP 10).
Der Strommarkt von Morgen
Geeignete Preissignale sind solche, die das physikalische Angebot an erneuerbarem Strom und den Bedarf besser aufeinander abstimmen und zu mehr Suffizienz, Effizienz, dem Ausbau der Erneuerbaren und Flexibilität vor Ort führen.
Automatische Lastverschiebungen (Easy Smart Grid) ließen sich so auch in kleineren Leistungseinheiten bei Verbrauchern durch geeignete Preissignale rentabel umsetzen. Preissignale können damit einen wichtigen Beitrag zum erforderlichen Ausgleich von Stromerzeugung und -verbrauch und zu Kosteneinsparungen beim Netzausbau (so zentral wie nötig, so dezentral wie möglich) leisten.
Die Debatte rund um das KWK-Gesetz, das EEG, die Netzentgelte und auch um das Strommarktdesign wird bisher zu sehr aus Sicht der Stromwirtschaft geführt. Jegliche Betrachtung wird unter Strommarktgesichtspunkten, insbesondere mit Blick auf Industriestrompreise unter 4 Cent/kWh, angestellt. Dabei ist die Energiewende ohne Wärmewende nicht denkbar! Wichtig sind hier eine umfassende Sanierung der Gebäudesubstanz, der optimale Ausgleich von Verbrauch und Erzeugung Erneuerbarer vor Ort und die Ausnutzung des europäischen Stromnetzes, um die Treibhausgasemissionen der Stromerzeugung möglichst gering zu halten. Gerade im Zentrum von Großstädten wird es jedoch noch auf Jahre einen Heiz- und Warmwasserwärmebedarf geben, der nicht durch erneuerbare Energieträger gedeckt werden kann. Dezentrale Kraftwärmekopplungs(KWK)-Anlagen können diesen Restwärmebedarf und auch die Stromerzeugung während der „kalten Dunkelflaute“ durch Nutzung des KWK-Prinzips ökologisch sinnvoll und effizient decken und könnte bei geeigneten planungssicheren Preissignalen auch ohne Förderung durch das KWK-Gesetz auskommen.
(1) 100% der Residuallast durch Kraftwärmekopplung (KWK) mit grünem Wasserstoff !
Die dezentrale KWK kann kontinuierlich auf grüne Wasserstoff-KWK umgestellt und hat den geringsten Bedarf an grünem Wasserstoff zur Abdeckung der Residuallast im Strom und Wärmebereich (vgl. auch Stiftung Klimaneutralität 2021). Sowohl im Gebäudebereich als auch im Bereich der Industrie kommt es in Abhängigkeit des Dargebots an Erneuerbaren Energien auf die optimierte Kombination aus grüner effizienter Direktstromnutzung (z.B. Wärmepumpen), der Nutzung des grünen Wasserstoffs in KWK-Anlagen oder als Brennstoff in Hochtemperaturprozessen oder chemischer Grundstoff an. (vgl. MP 14, MP 15)
(2) Änderung der Ausgleichsmechanismus-Ausführungsverordnung (AusglMechAV auch Wälzungsmechanismus im EEG genannt)
Mit dem Erlass der AusglMechV vom 27. Mai 2009 nahm die Bundesregierung einen Paradigmenwechsel bei der Vermarktung und Vergütung der unter das EEG fallenden Strommengen vor (Drucksache 16/13188). Die EEG-Mengen verbleiben seit 2010 bei den Übertragungsnetzbetreibern, welche verpflichtet sind, sie ausschließlich auf dem vortäglichen (Day Ahead) oder untertäglichen (Intraday) Spotmarkt einer Strombörse zu vermarkten. Seitdem ist genau das passiert, was vorhergesagt wurde (z.B. Jarass 2009). Da die konventionellen Kraftwerke auch bei massiver EEG-Einspeisung theoretisch weiter produzieren können, regeln sie nur bei entsprechender Vergütung (geringe oder negative Preise) am Spotmarkt herunter, wodurch die Erlöse für den EEG-Strom erheblich reduziert werden. Damit wird künstlich eine sehr hohe Differenz zwischen EEG-Einspeisepreis und an der Strombörse erzieltem Verkaufserlös kreiert und damit eine scheinbar sehr hohe Förderung durch das EEG (EEG-Umlage) ausgewiesen. So wurde das EEG mit dem Argument zu hoher Strompreise in Misskredit gebracht.
Die Änderung des Wälzungsmechanismus, z.B. durch Einkürzung der erneuerbaren Strommengen und Vergütung der EEG-Mengen am Spotmarkt zum durchschnittlichen Terminmarktpreis des letzten Jahres, wäre ein notwendiger Schritt, um die Erneuerbaren am Strommarkt angemessen zu vergüten. Die EEG-Umlage und die am Terminmarkt gehandelten Mengen würden sinken, und dynamisierte Strombörsenpreise beim Verbraucher Flexibilität anreizen und die konventionellen unflexiblen Erzeuger aus dem Markt drängen.
(3) Lokale (dynamisierte) Strompreise, die den optimalen Ausgleich zwischen Verbrauch, Last im Netz und erneuerbarer Erzeugung ermöglichen – Echtzeittarife vor Ort
Die Implementierungskosten für dynamische lokale Stromtarife können über geeignete Rundsteuersignale gering gehalten werden. Eine einmal erschlossene Flexibilität lässt sich für unterschiedliche Zwecke einsetzen, beispielsweise neben dem innerbetrieblichen Spitzenlastmanagement auch zur Spotmarktoptimierung oder für den Regelleistungsmarkt.
Dynamische lokale Stromtarife ermöglichen automatische zeitliche Lastverschiebungen auch in kleineren Leistungsklassen rentabel umzusetzen. Diese zusätzlichen Potenziale zur Lastverschiebung leisten einen wichtigen Beitrag zum erforderlichen Ausgleich von Stromerzeugung und -verbrauch zu jedem Zeitpunkt.
Die meisten bisherigen Vorschläge zu dynamisierten lokalen Strompreisen (auch Regionale Flexibilitätsmärkte genannt) orientieren sich am bestehenden Day-Ahead- und Intradaymarkt (Meese 2018). An den einzelnen Netzknoten (Umspannwerken) bzw. in den Verteilnetzen variieren die Anteile der Erneuerbaren Energien und damit die CO2-Emissionen des Strommixes über die Zeit sehr stark. Ein Preissignal, das sowohl die Netzauslastung als auch die Emissionen des aus dem Netz zusätzlich bezogenen Stromes (Verdrängungsmix) berücksichtigt, gibt die richtigen Anreize, um in Erneuerbare Energien und Flexibilität zu investieren. Das Preissignal reflektiert direkt den zeitlichen und lokalen Netzzustand (die Abweichung von Markt und Physik wird eliminiert) und die Emissionen des erzeugten Stroms im Netz, so dass Unternehmen und Haushalte Anreize zum Handeln bekommen wie z.B. KWK herunterfahren und Wärmepumpe einschalten, verschiebbare Lasten regulieren oder in Erneuerbare Energien oder flexible Erzeuger investieren. Dass lokal flexible Strompreise, die bisher aber nur auf das Börsenpreissignal reagieren können, prinzipiell auch für Haushaltskunden umsetzbar sind, zeigen einige kleine Stromanbieter wie tibber, leider noch nicht mit dem Maßstäben CO2-Ausstoß und Netzdienlichkeit.
(4) Netzampel für besseres Lastspitzenmanagement
Vor allem durch den Umstieg auf Wärmepumpen, Elektromobilität und Wasserstoff werden die benötigten erneuerbaren Strommengen zukünftig stark ansteigen. Für die Stromnetze bedeutet das eine höhere Auslastung. Bisher wird die Leistungspreiskomponente der Netzentgelte in der Regel über die höchste im Jahr anfallende Lastspitze ermittelt und stellt somit eine relevante Größe der Energiekosten von Industrieunternehmen dar.
Bei einem etwaigen Ausfall einer KWK-Anlage, z.B. durch Wartungsarbeiten an einem Blockheizkraftwerk, bestimmt die dann bezogene mögliche Spitzenlast den Leistungspreis für den Betreiber für das ganze Jahr. Bei vielen Unternehmen fallen aber solche Ereignisse nicht mit einem Netzengpass zusammen. So werden derzeit Investitionen in entsprechendes Lastmanagement oder den Ausbau von Flexibilität und Erneuerbaren verhindert. Ein über das Stromnetz möglichst einfaches Signal könnte als sogenannte „Netzampel“ den jeweiligen Zustand des Netzes an die Verbraucher, insbesondere Unternehmen, kommunizieren. Sind keine Engpässe im Netz abzusehen, steht die Ampel auf grün. Stellt eine kurzfristig erhöhte Lastspitze keine auslegungsrelevante Belastung für das Netz dar, sollte eine solche Lastspitze nicht den Leistungspreis für das ganze Jahr erhöhen. Um Eingriffe des Netzbetreibers zu minimieren, erscheint es folgerichtig, Leistungsspitzen (ggf. für die Einspeisung und Entnahme) zu roten Ampelphasen zu bepreisen, da diese zu diesen Zeiten selbst zur kritischen Netzbelastung beitragen.
(5) Ökostrommodell über Herkunftsnachweise (HKN) beenden oder grundsätzlich reformieren
Erneuerbarer Strom, der in Deutschland Verbrauchern angeboten wird, stammt teilweise aus dem Ausland. So wird beispielsweise Strom aus Norwegischer Wasserkraft in Deutschland verkauft, im Austausch erhält Norwegen fossil oder mit Atomkraft erzeugten Strom aus Deutschland. Selbstverständlich werden Strommengen nicht de fakto ausgetauscht, sondern nur rechnerisch gehandelt und mit einem Herkunftsnachweis versehen.
Dies führt in Norwegen dazu, dass dort der Endkunden-Verbrauchsmix nur noch 6,5 % Erneuerbare Energien ausweist, obwohl der norwegische Strom zu rund 98 % aus Erneuerbaren (ganz überwiegend Wasserkraft) erzeugt wird. Laut Herkunftsnachweis kaufen die Norweger jedoch fast 40 % Atomenergie und 54 % fossile Energie. Dabei gibt es in Norwegen gar keine Atomkraftwerke.
Marktanalysen ergeben, dass auf diese Weise die „Klimawirkung“ der bisherigen Ökostromprodukte sehr gering ist. Auf dem Papier führen sie bei den Abnehmern von Ökostrom z.B. aus Deutschland zu einer besseren Treibhausgasbilanz, bei anderen z. B. aus Norwegen zu einer schlechteren, und die wenigsten dortigen Verbraucher werden sich dieser Tatsache bewusst sein. Die Wirkung in der Summe ist daher gering, solange nicht alle Verbraucher auf die Stromeigenschaft „Erneuerbar“ entsprechend hohen Wert legen. Um den Anteil erneuerbaren Stroms zu erhöhen, wird hier genau das umgekehrte Modell vorgeschlagen: Herkunftsnachweise müssen zukünftig nur noch von fossilen und atomaren Kraftwerken erstellt werden und mit dem Strom mitverkauft werden, so dass jeder Käufer Auskunft darüber bekommt, welcher Anteil des Stroms z.B. aus Kohle oder Erdgas stammt.
(6) Abgabe erneuerbarer Energien innerhalb einer Kundenanlage deregulieren
Solare auf Dächern erzeugte Wärme kann bisher unkompliziert an die Nutzer im Haus abgegeben werden. Für solar erzeugten Strom oder per Blockheizkraftwerk effizient erzeugten Strom, z.B. durch ein Blockheizkraftwerk im Keller, gilt dies bislang nicht. Die Abgabe von Strom im räumlichen Zusammenhang (auch Mieterstrom genannt) ist aufgrund hoher bürokratischer Hürden zu aufwendig und wegen der EEG-Umlage auf selbsterzeugten und genutzten Strom zu teuer.
Viele der bürokratischen Hürden, die für die Nutzung (Verteilung) von selbsterzeugten im räumlichen Zusammenhang bestehen sind nicht gerechtfertigt, da die erzeugten Mengen in der Regel für die Netz- und Versorgungssicherheit technisch kaum relevant sind. Die Stromerzeugung und -nutzung vor Ort könnte genauso betrachtet werden wie eine Energiesparmaßnahme, also z.B. wie die Investition in einen sparsameren Kühlschrank oder in eine LED. Auch diese werden ja nicht mit Steuern und Abgaben oder der Auflage zu einer Messeinrichtung belegt. Die Vorteile einer einfachen und verbrauchernahen Erzeugung von Erneuerbarer Energien sowie deren flexible Nutzung liegen auf der Hand, z.B.:
- geringe Kapitalintensität im Vergleich zu Großkraftwerken
- kurze Bauzeiten
- hohe Ausfallsicherheit durch geringe Gleichzeitigkeitsfaktoren gegenüber großen Kraftwerken
- Nutzung vorhandener Infrastruktur ohne umfangreichen Netzausbau
- rasche Anpassung an neue Technologien
- hohe Flexibilität
- Gebäude- und nutzungsbezogene Optimierung durch große Typenvielfalt
- sichere Investition: Strom- und Wärmebedarf sind in der Regel langfristig gegeben
- niedrige Primärenergiefaktoren, niedrige Emissionen
Notwendige Regeln zur Versorgungssicherheit und die Vergütung der allgemeinen Energieinfrastuktur sollten daher erst am Einspeisepunkt ins öffentliche Netz greifen.
(7) Energy Sharing einfach ermöglichen
Der Begriff "Energy Sharing“ wird im englischsprachigen Originaltext der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU "RED II "in Art. 22 Nr. 2 b verwendet und soll in den Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften berechtigt sind, innerhalb der Gemeinschaft erneuerbare Energie, die von den Erzeugungseinheiten der Gemeinschaft erzeugt wird, auch über Grundstücksgrenzen hinweg teilen zu können (Stiftung Umweltenergierecht 2018, Energy Brainpool 2020). Die Richtlinie gilt nur für Erneuerbaren Energien, sinnvoll wäre es jedoch, auch die effiziente KWK sowie Speichertechnologien und das Lastmanagement mit einzubeziehen.
Beispiel: Wohnungsgemeinschaft „Muster“ betreibt eine Photovoltaikanlage und ein Blockheizkraftwerk zur Eigenversorgung. Sie erzeugen mehr Strom als die Gemeinschaft braucht. Die Nachbarn haben Interesse und nehmen einen Teil des überschüssigen Stroms ab. Zusammen treten sie einer z.B. genossenschaftlich organisierten „Energy Sharing Gemeinschaft“ bei, die den benötigten Reststrombezug aus dem Netz gemeinsam einkauft und die Abrechnung für alle übernimmt. Für den Gesetzgeber geht es nun darum, solche Nutzungs- und Einkaufgemeinschaften für Strom so unbürokratisch zu ermöglichen und z. B. zu zahlende Netzentgelte angemessen und netzdienlich auszugestalten.
Die digitalen Möglichkeiten sollten dazu genutzt werden, Energy Sharing zu erleichtern und den für die Versorgungssicherheit notwendigen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch zu vereinfachen. Die Digitalisierung darf dabei nicht als reines Geschäftsmodell missbraucht werden, sondern muss der Energiewende dienen.
(8) Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen entbürokratisieren, beschleunigen und standardisieren
Entscheidend dafür sind bundesweit einheitliche Standards und ein praxistauglicher Prüfrahmen, die für Behörden und Gerichte verbindlich gelten. Ohne sie werden die Zubauziele bei der Windenergie nicht erreicht.
(9) Entfernungsabhängige Netzentgelte und Redispatch 2.0
Der Stromhandel tut so, als könne man Strom in beliebiger Menge von jedem Erzeuger zu jedem Verbraucher bringen (Stichwort „Kupferplatte“). Ob die Stromleitungen zum Transport des Stroms ausreichen, spielt bei der Preisbildung keine Rolle. Die „Ausgleichskosten“ (Redispatch) gehen zu Lasten der Netzentgelte und damit zu Lasten der Verbraucher, die ihrerseits aber kaum Möglichkeiten darauf zu reagieren, ähnlich wie die besondere Ausgleichsregelung im EEG vor allem zu Lasten der Letztverbraucher geht, die die volle EEG-Umlage zahlen müssen.
Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) nehmen bestimmte Eingriffe vor, um Physik und Handel im Stromnetz zur Deckung zu bringen. Derzeit erstellen primär noch die Übertragungsnetzbetreiber eine Übersicht über die voraussichtlichen Ein- und Ausspeisungen auf den verschiedenen Netzebenen. Falls diese Netzengpässe erwarten lassen, werden durch sogenannte Redispatch-Maßnahmen Kraftwerksbetreiber, die zu einem Netzengpass beitragen, dazu veranlasst, ihre Kraftwerke in ihrer Leistung zu reduzieren. Fehlt Leistung in anderen verbrauchsstarken Regionen, müssen andere Kraftwerke einspringen. Ein Redispatch wird heute mit konventionellen Großkraftwerken ab 10 MW durchgeführt. Nach §§ 13, 13a, 14 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) werden ab dem 1.10.2021 auch EE-Anlagen und KWK-Anlagen ab 100 kW in den Redispatch einbezogen (BDEW). Damit wird der Redispatch 2.0 potenziell auch für alle 890 Verteilnetzbetreiber in Deutschland relevant. Er ist mit einem höheren Prognoseaufwand verbunden und könnte wegen vieler dezentraler Eingriffe nach Angaben der Bundesnetzagentur zu einem mehr an CO2-Ausstoß von bis zu 3% führen.
Hintergrund für die Einbeziehung auch kleinerer Anlagen in den Redispatch ist zum einen die zunehmend dezentrale Erzeugung, zum anderen die Netz- und Systemsicherheit (Redispatch, Netzreserve, Einspeisemanagement). Die Kosten werden über die Netzentgelte umgelegt und betrugen 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2019 und bis zum 3. Quartal 2020 bereits 1 Mrd. €. (Bundesnetzagentur, S. 147). Die konventionellen Kraftwerksbetreiber profitieren davon, wenn sie zum Ausgleich zusätzlich Kraftwerke betreiben können. Und auch die Netzbetreiber haben zunächst kein Problem damit. Der Netzbetrieb ist ein durch die Bundesnetzagentur regulierter Markt. An jedem Netzausbau, den sie entsprechend abrechnen können, verdienen sie Geld. Und auch der emissionsintensiven Industrie ist es recht, da sie von niedrigen oder sogar negativen Strombörsenpreisen profitiert, so lange sie von hohen Netzentgelten verschont bleibt. Die Höhe der zu zahlenden Netzentgelte berechnet sich nach § 19.2 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) für große industrielle Verbraucher nach dem „physischen Pfad zum nächstgelegenen, geeigneten Kraftwerk“. Das ist aber nicht unbedingt das Kraftwerk, bei dem das Unternehmen seinen Strom einkauft. Bereits mit der zunehmenden Abschaltung großer Kraftwerke ist das nächstgelegene geeignete Kraftwerk plötzlich Hunderte Kilometer entfernt und die Netznutzung steigt mit der Distanz an, so z. B. im Falle der Aluhütte der Firma Trimet in Hamburg, für die das Kraftwerk Moorburg bis zur Stilllegung zum Jahresanfang das nahegelegenste Kraftwerk war. Es ist also Zeit, grundsätzlich auch an dieser Stelle Physik und Handel über angemessene entfernungsabhängige Netzentgelte besser in Übereinstimmung zu bringen. Auch in der Vergangenheit haben sich Unternehmen in der Nähe wichtiger Ressourcen angesiedelt. Hierzu würden entfernungsabhängige Netzentgelte und emissionsabhängige Strompreise einen starken Anreiz nicht nur für energieintensive Unternehmen setzen, neue Produktionsstandorte in der Nähe der Quellen erneuerbarer Energien anzusiedeln.
(10) Regelenergiemarkt
Ein ständiges Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -abnahme ist eine wichtige Voraussetzung für einen stabilen und zuverlässigen Netzbetrieb. Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) halten dazu im Rahmen ihrer Systemverantwortung Regelleistung vor, um den Kunden eine zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten. Ein Bedarf an Regelleistung entsteht, sobald die Summe der Einspeisungen von der Summe der Entnahmen abweicht. Ein Mangel an Erzeugungsleistung (oder Überschuss an Verbrauchsleistung) äußert sich als Frequenzabfall, ein Überschuss an Erzeugungsleistung (oder Mangel an Verbrauchsleistung) als Frequenzanstieg im gesamten elektrischen Energieversorgungssystem in Europa.
Ziel des Regelleistungseinsatzes ist es, einerseits die Frequenz unter allen Umständen innerhalb bestimmter Toleranzbereiche um die Sollfrequenz von 50 Hz zu halten und andererseits mögliche bestehende regionale Abweichungen der Leistungsbilanz von ihrem Sollwert zu beseitigen. Man unterscheidet Primär- und Sekundärregelung sowie Minutenreserve (Tertiärregelung), die auf Grundlage der geltenden Regeln des Verbandes der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) von den Übertragungsnetzbetreibern beschafft werden. Es muss dabei sichergestellt werden, dass die Sekundär- und Primärregelung immer in die gleiche Richtung arbeiten, was durch eine Überwachung der Netzfrequenz sichergestellt wird (vgl. https://www.netzfrequenz.info/). Einigen gegenteiligen Prognosen zum Trotz hat die Versorgungssicherheit unter dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gelitten, im Gegenteil, sie ist gemessen an der Abweichung der Netzfrequenz über die Jahre ständig gestiegen. Und auch die durchschnittlichen Versorgungsunterbrechungen pro Kalenderjahr sind gesunken (Bundesnetzagentur, S. 146).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Sobald die Preissignale dynamisiert sind und die Transportkosten den CO2e-Gehalt angemessen, transparent und planungssicher widerspiegeln, ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der flexiblen Energieerzeugung zukünftig auch ohne zusätzliche Vergütung über die EEG-Umlage möglich.
Bei einem jährlichen Zubau (brutto) von z.B. 10 GW/a Photovoltaik, 4 GW/a Wind onshore und 2 GW/a Wind offshore bei mittleren Kosten der Photovoltaik von rund 1000 €/kW, Wind onshore von 1750 €/kW und Wind offshore von 4.000 €/kW sind ca. 25 Mrd. € Investitionen pro Jahr mit einem Potenzial von 165.000 dauerhaften Arbeitsplätzen in Deutschland zu erwarten. Das Einsparpotenzial an Treibhausgasemissionen für Deutschland liegt bei der Stromerzeugung damit von 2021 bis 2035 bei etwa 125-150 Mio. Tonnen CO2e.
Die Beschäftigungseffekte der Stromwende sind in jedem Fall positiv (GWS 2018, BDEW 2020). Pro einer Million Euro Investition kann man in Deutschland aktuell mit etwa 6 Jobs bei den Solarstromanlagen, mit etwa 7 Jobs bei der Windkraft Onshore und mit 3 Jobs bei der Windkraft offshore rechnen (Mitteilung O’Sullivan, DLR 2021). Dagegen stehen in der konventionellen fossilen Elektrizitätsversorgung durchschnittlich lediglich etwa 0,5 Jobs pro 1 Million € Umsatz entgegen (destatis WZ08-351). Dem stehen 2018 im Bereich der gesamten Elektrizitätsversorgung (destatis WZ08-351) insgesamt knapp 210.000 Beschäftigte incl. Verteilung entgegen, davon rund 52.000 Beschäftigte für PV, Wind onshore und Wind offshore ohne Export (O’Sullivan et al. 2021).
Rechtliche Umsetzung
(betroffen sind Strommarktgesetz, StromNEV, Elektrizitätssicherungsverordnung, EnWG, StromNZV)
Ausnahmetatbestände bei Steuern und Umlagen abschaffen und durch verursachergerechte Produktpreise ersetzen:
(1) Strom-/Energiesteuer: Allgemeine Steuerbegünstigung nach § 9b Stromsteuergesetz (StromStG) bzw. § 54 Energiesteuergesetz (EnergieStG), Spitzenausgleich nach § 10 StromStG bzw. § 55 EnergieStG, Befreiung bestimmter Prozesse und Verfahren nach § 9a StromStG, § 37 und § 51 EnergieStG abschaffen; dafür Strommarktdesign (vgl. MP 13) ändern, damit sich neue EE-Anlagen über lokale Strompreise refinanzieren lassen und verbleibende EEG-Umlage durch Einnahmen aus dem CO2-Preis gedeckt werden.
(2) EEG-Umlage: Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) nach §§ 63ff. EEG, Eigenstromprivileg nach § 61 EEG streichen, dafür Strommarktdesign ändern und verbleibende EEG-Umlage durch Einnahmen aus dem CO2-Preis decken.
(3) KWK-Umlage: Begrenzung der KWK-Umlage bei stromkostenintensiven Unternehmen (§ 27 KWKG); Konzessionsabgaben: Befreiung und reduzierte Sätze nach § 2 Konzessionsabgabenverordnung (KAV); dafür Strommarktdesign so ändern, dass Flexibilität belohnt wird und in KWK-Anlagen zur Abdeckung der Residuallast planungssicher ohne KWK-Zulage investiert werden kann.
(4) Flexibilität belohnen: Die Betreiber konventioneller fossiler Kraftwerke dazu bewegen, bei Stromüberschüssen nicht zwingend benötigte Einspeisung abzuschalten, sodass keine negativen Strompreise entstehen.
(5) Reform des Wälzungsmechanismus im EEG: Einkürzung der erneuerbaren Strommengen und Vergütung der EEG-Mengen am Spotmarkt zum durchschnittlichen Terminmarktpreis.
(6) CO2-Preissigal des EU-ETS im Verteilnetz beim Konsumenten (Prosumer) ankommen lassen.
(7) Selbstregulation (Netzdienlichkeit durch spannungs- und frequenzabhängige Einspeisung) für Objektstromanlagen bis 100 kWel bei Gesamterzeugung aus PV- und/oder KWK-Anlagen ermöglichen. (KWK- und EEG-Anlagen können alle mindestens bis 100 KWel. so gebaut/geregelt werden, dass sie „automatisch“ netzstabilisierend wirken.)
(8) Messkonzepte für Objektversorgung mit Überschusseinspeisung für KWK-Anlagen und/oder EE-Anlagen vereinfachen.
(9) Beim Ausbau der Verteilnetze für Elektroautos verursachergerechte Umlage der Stromtransport- und Leistungskosten. Wenn ein Ausbau der Verteilnetze zum Zwecke der individuellen E-Mobilität gewollt ist, dann sind die Kosten verursachergerecht auf die Nutzer der Elektroautos umzulegen und nicht auf die Allgemeinheit. Das gilt sowohl für die Variante „Laden zuhause“ als auch die Variante „Schnellladestation an zentralen Punkten“. Dem Ausbau von E-Fahrradinfrastruktur, E-ÖV, E-Carsharing sollte Priorität eingeräumt werden.
(10) Keinen Betrieb von Direktstromheizungen während einer kalten Dunkelflaute im Gebäudeenergiegesetz zulassen.
(11) Neudefinition des Eigenverbrauchs (§ 3 Nr. 19 EEG 2017): nicht über die Personenidentität, sondern über den räumlichen Zusammenhang definieren und Energy Sharing ermöglichen.
(12) § 51 EEG und § 7 KWKG (2017) zur Verringerung des Zahlungsanspruchs bei negativen Preisen streichen. Negativpreise stellen ein Marktversagen dar, da sie nur durch fehlende Flexibilität der Kraftwerke zustande kommen.
(13) Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a oder b EnWG ist ein kundeneigenes Stromnetz, an dem Letztverbraucher angeschlossen sind und das mit einem Summenzähler vom Netz der allgemeinen Versorgung abgegrenzt ist. Strom, der innerhalb der Kundenanlage erzeugt, gespeichert und genutzt wird, ist von allen Steuern, Umlagen, Abgaben und Anforderungen, die über sicherheitstechnische Belange hinausgehen, zu befreien. Änderung § 19.2 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV): Berechnung der Netzentgelte nach dem „physischen Pfad zum versorgenden Kraftwerk“. Begünstigungen nach § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung (atypische Netznutzung) abschaffen; die entgangenen Erlöse der Netzbetreiber werden als Aufschlag auf die Netzentgelte anteilig auf alle Letztverbraucher*innen umgelegt (§ 19 StromNEV-Umlage); für stromkostenintensive Unternehmen ist die Umlage auf derzeit max. 0,025 Cent/kWh (ab einem Strombezug von einer GWh/a) begrenzt; Transportentfernung bei Netzentgelten (vgl. MP 13) berücksichtigen.
Verpflichtende Energieleitpläne für emissionsfreie Gebäude und eine hohe Ausnutzung der regenerativen Energien vor Ort
Die Kommunen und Gemeinden spielen eine tragende Rolle für die effiziente und erneuerbare Energieversorgung der Menschen vor Ort (Klimaschtutz als Pflichtaufgabe für Kommunen, vgl. MP 1). Ein strategisches Planungsinstrument, um ein übergreifendes Gesamtkonzept für die energetische Entwicklung einer Gemeinde zu schaffen, ist der Energieleit- oder Energienutzungsplan (oder auch das integrierte Quartierskonzept, vgl. KfW 432). Er hat das Ziel, eine möglichst verbrauchsarme, auf Erneuerbare Energien gestützte, intelligente Strom- und Wärmeversorgung im Gemeindegebiet umzusetzen.
Ein Energienutzungsplan kann neue und effiziente Energiepotenziale aufzeigen (z.B. Industrieabwärme sinnvoll in Wärmekonzepten vor Ort zu nutzen), er liefert Impulse für gemeinschaftliche Versorgungskonzepte bei neuen Heizungsanlagen in Wohnsiedlungen oder bietet Grundlagen, um über energetische Sanierungen zu entscheiden.
Damit die so aufgedeckten Potenziale sinnvoll umgesetzt werden können, müssen die Unternehmen und Haushalten vor Ort beraten und unterstützt werden. Dafür müssen finanzielle Mittel bereit gestellt werden. Ein bürokratiearmes Anreiz- und Finanzierungsinstrument könnte eine Grundsteuerkomponente über die kommunalen Hebesätze sein, die sich über die Energieverbrauchsausweise (Verbrauchsdaten aus den Heizkostenabrechnungen oder Energierechnungen der vergangenen drei Jahre) am Treibhausgaspotenzial der Gebäude bemisst.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die
- Energieleit- oder Energienutzungspläne in Kommunen verpflichtend eingeführt und durch die die anschließende Beratung der Anwohner*innen angemessen finanziert wird. Dies ist zum Beispiel über eine Grundsteuerkomponente möglich, die sich über die Energieverbrauchsausweise am Treibhausgaspotenzial der Gebäude bemisst,
- der reine Ersatz von fossil betriebenen Wärmeerzeugern verboten wird, sodass bei einer Heizungssanierung verpflichtend Wärmepumpen und Solarstromanlagen (Hybridheizungen) in und auf den Gebäuden eingerichtet werden müssen.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
(1) Verpflichtende Energieleitpläne
Auch im Bereich der Gebäudesanierung ist die Bilanzierung der Treibhausgase CO2e inkl. der Betrachtung der Vorkettenemissionen bei der Produktion (Stichwort „Graue Energie“) die Grundlage aller Lösungsansätze (vgl. MP 3). Welche Lösung für ein bestimmtes Objekt vor Ort am sinnvollsten für eine emissionsfreie Gebäudesanierung ist und welchen Anteil dabei die Gebäudehülle und welchen die Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen spielt, kann nur unter Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten im Rahmen von Energieleitplänen analysiert werden. Wärmeleitpläne, wie sie vielerorts bereits erstellt werden, die aber Energieeffizienz und die Erzeugung von ausreichend regenerativem Strom vor Ort und die effiziente Abdeckung der Residuallast außer achtlassen, greifen zu kurz. Die Lösungen können im Rahmen von Energieleitplänen ganz unterschiedlich ausfallen. Man kann aber Standardlösungen für ähnliche kommunale Randbedingungen erarbeiten, an denen sich die Kommunen orientieren können (eZeit Ingenieure) z.B.:
- Kleine Kommunen mit zahlreichen Ein- und Zweifamilienhäusern mit mittlerem bis schlechtem Wärmedämmstandard ohne Anschlussmöglichkeit an Nah- oder Fernwärme mit Hybridheizungen (Wärmepumpe, Photovoltaik, ggf. Batteriespeicher + Gaskessel oder Holzheizungen für Tage der kalten Dunkelflaute) und Kraftwärmekopplungsinseln in den dichteren Ortskernen (Rathaus, Schule etc.).
- Wärmeverbund mit steigender Nutzung der Erneuerbaren, Pyrolyse von Biomasse für Energieerzeugung und die stabile Speicherung von Kohlenstoff, Geothermie, Wärmepumpen, zunehmend Grüner Wasserstoff KWK und Solarthermie
- Wärmeverbund mit hohem Anteil industrieller Abwärme und zunehmend Grünem Wasserstoffanteil oder Strom aus Erneuerbaren Energien.
Die Quote der energetischen Sanierung kann erheblich gesteigert werden. Dies setzt umfangreiche Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme im Handwerk (Gebäudehülle, Heizung, Sanierung, Mechatronik, IT) voraus (vgl. MP 2) und die Verankerung des Klimaschutzes für Kommunen als Pflichtaufgabe (vgl. MP 1). Die besten Förderprogramme (z.B. KfW 432) nützen nichts, wenn überschuldete Kommunen weder die finanziellen noch die personellen Kapazitäten haben die Förderprogramme in Anspruch zu nehmen.
Die Eigentumsquote in Deutschland liegt bei 46,5 % (destatis). Eine faire Aufteilung der energetischen Sanierungskosten zwischen Mieter und Vermieter (Investoren/Nutzer Dilemma) ist daher unumgänglich (vgl. Agora 2020 und MP 13).
(2) Ordnungsrechtlicher Reduktionspfad von reinen fossilen Kesselheizungen
Mit über 620.000 Erdgasheizungen im Bestand (rund 100.000 mehr als 2019) verzeichnet der Wärmemarkt 2020 einen neuen Rekord (BDH 2021). Hier wird im Bestand seit Jahren die Chance vertan, durch Ordnungsrecht bei einer Heizungssanierung die verpflichtende Ergänzung um Wärmepumpen und Solarstromanlagen (Hybridheizungen) in und auf den Gebäuden vorzusehen, um den Anteil erneuerbare Wärme kontinuierlich zu steigern und zukunftsfähig zu machen. Zusätzlich fehlt es an geeigneten Preissignalen über das Stromnetz (vgl. MP 13), die die Entscheidung vor Ort erleichtern, wann der Betrieb des fossil betrieben Heizkessels noch nötig ist oder wann die Gesamtbilanz des Betriebs einer Wärmepumpe emissionssparend oder netzüberlastend ist. In den Darstellungen der Branchenverbände und der Politik wird nicht benannt, dass ein reiner Kesseltausch (alt gegen neu, aber weiterhin fossil) unzureichend ist (BdH 2019). Seit dem 1.1.2021 wurde bisher lediglich die Förderung des auflagenfreien Austausches von Heizkesseln gemäß Gebäudeenergiegesetz eingestellt (Kfw 2021, BMWI 2021). Im Rahmen einer Reform des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) kann die Verwendung fossiler Brennstoffe für Gebäudewärme im § 72 Abs. 4 GEG deutlich mehr eingeschränkt werden (vgl. UBA 2021)
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Die Investitionskosten für unterschiedliche Wärmeversorgungsvarianten liegen je nach Variante zwischen -10 bis 80 €/tCO2e. Die Kosten für die Wärmedämmung liegen dagegen zwischen 350 und 450 €/tCO2e. (vgl. UBA 2019, Abb. 59, S. 104). Die Kosten der Energieleitpläne vom Gesamtplan (vgl. z.B. Energieleitplan Bruchsal, Energienutzungsplan Konstanz) bis zur Umsetzung in den Quartieren mit aktiver, aufsuchender Begleitung von betroffenen Haushalten und Unternehmen können an dieser Stelle nur grob geschätzt werden und liegen in der Größenordnung von ca. 100 €/Einwohner bzw. bundesweit ca. 8 Mrd. € verteilt auf 10 Jahre. Für die Finanzierung verpflichtender Energieleitpläne gibt es noch kein ausgearbeitetes Konzept bzw. Instrument. Eine mögliche Option, die bereits vor Jahren diskutiert wurde, wäre die Ausgestaltung einer Klimaschutzabgabe im Rahmen der von den Kommunen festzulegenden Hebesätze in der Grundsteuer über einen Emissionsfaktor. Auf Grundlage eines zentral angelegten, regelmäßig zu aktualisierenden Treibhaus-/Energieausweiskatasters (ähnlich des Marktstammdatenregisters für die Erneuerbaren Energien) könnten unterschiedliche Hebesätze in Abhängigkeit der Emissionsintensität der Gebäude als Grundlage eines Teils der Grundsteuer dienen, der nicht auf Mieter umgelegt werden darf (Realsteueraufkommen). In jedem Fall ist eine faire Aufteilung der Kosten der energetischen Sanierungskosten zwischen Mieter und Vermieter unumgänglich (vgl. Agora 2020 u.a.) Bei der Gebäudeenergiebewertung sind insbesondere bei Neubauten die verbaute „graue Energie“ und der individuelle Stromverbrauch durch gebäudebezogene Aggregate, wie Lüftungsanlagen, Gebäudekühlung, Wärmepumpen usw. mit zu berücksichtigen.
Rechtliche Umsetzung
Klimaschutzgesetze der Länder
(1) Verpflichtende Energieleitpläne in den Klimaschutzgesetzen der Länder verankern und finanzieren (vgl. MP 1, Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe).
Gebäudeenergiegesetz
(2) Gebot für Hybridheizungen: Sofortiges Verbot zum Einbau und Ersatz von rein fossil betriebenen Heizkesseln ohne zusätzliche Photovoltaik und Wärmepumpe (§ 72 Abs. GEG).
(3) Anteil erneuerbarer E-Wärme schrittweise verpflichtend auch im Bestand erhöhen (vgl. das Erneuerbare-Wärme-Gesetz Baden-Württemberg).
(4) Sanktionierbare energetische Gebäudesanierungsquoten im Rahmen von verpflichtenden und geförderten Energieleitplänen einführen.
(5) Klimaschädliche Tatbestände in Förderprogrammen streichen, Förderhöhen an Treibhausgas- Einsparpotenzial ausrichten.
(6) Überarbeitung der BAFA und KfW-Fördertatbestände (KfW 2021)
Finanzierung z.B. über Grundsteuerkomponente
(7) Integration eines Emissionsintensitätsfaktors in die Hebesätze der Kommunen zur Finanzierung der Energieleitpläne sowie kommunalen Förderprogrammen (vgl. Diskussionspapier "Der Gebäudesanierungsfahrplan" der VdZ 2014 mit dem Vorschlag der Einbindung von Energieeffizienz in die steuerliche Bewertung bei der Grundsteuer).
Alternativ schlägt die Initiative Kompass eine kommunale Klimaschutzeinrichtung mit Anschlusspflicht vor. Die Kommunen legen jährlich reduzierte Jahreszielwerte für die CO2-Emissionen fest. Die Klimaschutzeinrichtung – z.B. eine kommunale Agentur – wertet die jährlichen Energieverbräuche (Strom und Wärme) und die damit verbundenen CO2-Emissionen aus. Für jedes Gebäude, jeden Haushalt, bei dem die Emissionen pro Kopf über dem Jahreszielwert der Kommune liegen, erstellt sie jährlich einen individuellen CO2-Reduktionsplan (Sanierung Gebäude, Heizung, Elektroverbraucher, erneuerbare Strom- und Wärmeproduktion, Nutzerverhalten). Weiterhin werden Unterstützung bei der Umsetzung und der Qualitätssicherung sowie ein Monitoring angeboten. Für diese Serviceleistungen wird eine Gebühr erhoben, die umso höher ist, je höher der kommunale Jahres-Zielwert überschritten ist. Bei Erreichen des jährlichen Zielwerts besteht Gebührenfreiheit. Die Klimaschutzeinrichtung kann von größeren Städten alleine und von kleineren Gemeinden in einem Zweckverband betrieben werden.
(8) Keine vollständige Umlage der Grundsteuer mehr auf den Mieter (§ 556 BGB i. V. m. der Betriebskostenverordnung).
(9) Kein Absetzen der Grundsteuer mehr als Werbungskosten.
Umbau Erdgasnetz in ein „Grünes“ Wasserstoffnetz in Abstimmung mit Umbau und Neubau von Wärmenetzen
Wasserstoff gilt für einige als das Erdöl von Morgen. Das leichteste aller Elemente lässt sich durch Elektrolyse aus Wasser gewinnen, für den Prozess benötigt man Strom. Dann ist es vielfältig Einsetzbar: In der Industrie, etwa bei der Herstellung von Stahl, in Brennstoffzellen um Kraftfahrzeuge anzutreiben oder als Grundstoff für viele unterschiedliche Folgeprodukte wie etwa Ammoniak, Methanol oder auch Kunststoffe.
Grün nennt man Wasserstoff, wenn er aus Erneuerbaren Energien und damit Klimaneutral erzeugt wurde. Damit ist Wasserstoff auch ein geeigneter saisonaler Speicher für die Energie aus den fluktuierenden, erneuerbaren Energien.
Weil die Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff so vielfältig sind, er aber nur begrenzt zur Verfügung steht, ist bis heute noch nicht klar, wofür und in welchen Mengen er zuerst eingesetzt werden soll. Grundsätzlich gilt: Weil die Erzeugung von Wasserstoff Energie verbraucht, ist es immer sinnvoller, den Strom aus den Erneuerbaren vorrangig direkt zu verwenden. Klar ist aber auch: Ohne Wasserstoff wird die Wende zur fossilfreien Energiewirtschaft nicht gelingen. Denn am Ende der Entwicklung muss fossiles Erdgas vollständig durch grünen Wasserstoff ersetzt werden, in den Erdgasleitungen und in den Wärmenetzen für unsere Gebäudeheizungen. Um den grünen Wasserstoff zu transportieren, müssen jetzt die Gasnetze umgebaut und ausgebaut werden, damit sie höhere Wasserstoffanteile aufnehmen können.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die
- im Regulierungsrahmen eine längerfristige Nutzung von Erdgas ausgeschlossen wird bzw. das Erdgasnetz nicht zur längerfristigen Nutzung von fossilem Erdgas ausgebaut wird,
- die direkten Nutzung von Erneuerbaren Energien in Form von Strom und Wärme gegenüber der Wasserstofferzeugung den Vorrang behält,
- die Nutzung von grünem Wasserstoff in der Kraft-Wärme-Kopplung während der kalten Dunkelflaute gefördert wird,
- der reine Betrieb von Heizkesseln mit grünem Wasserstoff ausgeschlossen wird,
- die Nutzung und der Transport von regenerativ erzeugten Gasen (insbesondere grünem Wasserstoff) in der vorhandenen Infrastruktur gefördert wird, um fossile Energieträger zunehmend zu ersetzen und
- ordnungsrechtlich ein verpflichtender Anteil (z.B. 2-5%) an grünem Wasserstoff im Erdgasnetz festgelegt wird, um den Hochlauf der entsprechenden Technologieentwicklung zu fördern.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Eine längerfristige Nutzung von fossilen Energieträgern, auch von Erdgas, ist wegen des hohen Treibhausgaspotenzials und die zum Teil hohen Leckagen bei Gewinnung und Transport des Erdgases (Methan) auszuschließen. Die über Satelliten inzwischen gut lokalisierbaren Leckagen sind weltweit schnellstmöglich einzudämmen (ESA 2020). Die Laufzeiten der mit Erdgas betriebenen Anlagen der Strom und Wärmeerzeugung sind perspektivisch auf die Zeiten zu begrenzen, wenn Erneuerbare Energien nicht ausreichend Energie liefern, und effizient auszugestalten (Stichwort Kraft-Wärme-Kopplung). Die Förderprogramme und Energieleitpläne (vgl. MP 14) sind danach auszurichten und durch hohe CO2-Preise, dynamisierte Energiepreise vor Ort sowie einer Verpflichtung zu einem kontinuierlich steigenden regenerativen Anteil (EE-Wärme-Gesetz) in Gas-, Wärmenetzen und Gebäudeheizungen, zu unterstützen.
Auch Wärmepumpen werden die heutigen Öl- und Erdgasheizungen nur dann treibhausgasneutral ersetzen, wenn auch während der kalten Dunkelflaute (Zeiten mit geringem Dargebot an Wind- und Sonnenenergie und niedrigen Temperaturen, also gleichzeitig hohem Wärmebedarf) genug Strom aus gespeicherten Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht.
Grüner Wasserstoff ist sowohl Energieträger als auch Energiespeicher in chemischer Form und kann als Grundstoff für viele unterschiedliche Folgeprodukte, wie etwa Ammoniak, Methanol oder auch Kunststoffe, stofflich genutzt werden. Der vollständige Ersatz von Erdgas durch Grünen Wasserstoff steht am Ende einer stetigen Entwicklung.
Vorrangig, da effizienter, sind Erneuerbare Energien direkt zu nutzen. Relevanter Maßstab ist die schnellstmögliche Reduktion der Treibhausgase. Für den Transport zunehmend aus erneuerbaren Quellen hergestellter Gase bietet sich aus Kostengründen der entsprechende Umbau des Erdgasnetzes an.
Die Wissenschaft hat seit langem erkannt, dass langfristig zur Abdeckung des Energiebedarfs während kalter Wintertage ohne oder wenig Sonne und Winddargebot in Europa (der kalten Dunkelflaute) kein Weg um Grünen Wasserstoff (hergestellt aus erneuerbaren Energien) als Energieträger vorbei führen wird (Winter & Nitsch 1989).
Die Einschätzungen (Szenarien) darüber, wieviel und in welchen Anwendungsfeldern Grüner Wasserstoff in Zukunft benötigt wird, gehen weit auseinander. Ebenso wenig ist absehbar, wieviel und wie Grüner Wasserstoff importiert, gespeichert und transportiert werden muss und kann. In keinem Fall dürfen die Energieimporte zu Lasten der Menschen in den produzierenden Ländern gehen (z.B. Energiearmut). Es hängt u.a. von sehr vielen Entscheidungen zur Suffizienzentwicklung ab, wieviel und wie Wasserstoff wir zukünftig benötigen. So macht es z.B. einen entscheidenden Unterschied, ob zukünftig von 570 PKW oder nur noch von 200 PKW pro 1.000 Einwohner ausgegangen wird und wie viele davon elektrisch, über E-Fuels oder über Wasserstoff angetrieben werden. Entsprechend gehen auch der Bedarf an benötigter Endenergie und der zugrundliegenden erneuerbaren Primärenergien und der Aufwand an Rohstoffen in den einschlägigen Szenarien sehr weit auseinander (vgl. z.B. Abb. 14 in Lemoine Stiftung 2020).
Die Nationale Wasserstoffstrategie sieht die Notwendigkeit von Grünem Wasserstoff vor allem in Anwendungen, welche nur schwer direkt mit erneuerbarem Strom versorgt werden können. Der Strategie zur Folge soll Wasserstoff maßgeblich in der Industrie und im Verkehr eingesetzt werden. Bei der direkten Wärmeerzeugung wird sein Einsatz erst nachrangig gesehen.
Unabhängig aber davon, wieviel wir langfristig an Grünem Wasserstoff brauchen und in Deutschland, Europa oder anderswo produzieren, sollte in jedem Fall der Umbau des Erdgasnetzes in ein zunehmend grünes und vor allem möglichst dichtes Netz für Wasserstoff und andere grüne Gase bereits jetzt rechtlich und wirtschaftlich ermöglicht, geplant und mit dem Ausbau begonnen werden. Denn wenn in Zukunft Grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, ist der Umbau des Erdgasnetzes die kostengünstigste Variante zu seiner Verteilung und saisonalen Speicherung.
Bereits heute sind überall dort, wo es keine Einschränkungen durch spezifische Anwendungen gibt, Beimischungen von knapp zehn % Wasserstoff in das vorhandene Gasnetz möglich. Im Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) soll bis zum Jahr 2030 etwa 20 Volumenprozent möglich sein [Tenge & Brandes 2019, Dörr et al. 2016]. Darüber hinaus können Teile des vorhandenen Erdgasnetzes zu einem 100% Wasserstoffnetz (oder auch Ammoniaknetz) umgebaut und erweitert werden (FNB 2020). Ebenso wird derzeit im Rahmen von Pilotanlagen getestet, ob sich Wasserstoff aus dem Erdgasnetz über Membranen abtrennen lässt (DVGW 2020).
Die Entwicklung und Integration einer Grünen Wasserstoffwirtschaft und entsprechender Infrastruktur im Rahmen der bestehenden fossilen Erdgasinfrastruktur ist, parallel zu Suffizienz und dem ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien, der letzte fehlende Baustein, um das Ziel, vollständig auf fossile Energieträger zu verzichten, umsetzen zu können. Wieviel Grüner Wasserstoff notwendig sein wird, entscheidet sich iterativ mit den Entscheidungen vor Ort im Rahmen verbindlicher kommunaler Energie- und Mobilitätsleitpläne (vgl. MP 14) und im Rahmen von Differenzverträgen mit Industrieunternehmen (vgl. MP 12). In jedem Fall wird für ein treibhausgasneutrales Deutschland ein Teil des Grünen Wasserstoffs in KWK-Anlagen effizient zur Strom- und Wärmeversorgung während Perioden der kalten Dunkelflaute zum Einsatz kommen (Hasler 2021, Energy brainpool 2017).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Auch Wasserstoff kann durch indirekte Effekte (Steigerung der Lebensdauer von Methan in der Atmosphäre, Ozonbildung, Wasserdampf, geschätzte Größe des Treibhauspotenzial (GWP) von 5 zur Erwärmung beitragen (Sand et al. 2020). Als Konsequenz daraus darf auch Grüner Wasserstoff nicht in größeren Mengen in die Atmosphäre entweichen und ist immer nur als letztes Mittel zu betrachten. Vorrangig sind die Erneuerbaren Energien immer direkt zu nutzen. Mit CO2-Vermeidungskosten (Agora 2020, S.35) von rund 170 bis 430 €/Tonne CO2 (2030) beziehungsweise 110 bis 360 €/t CO2e (2050) wird Grüner Wasserstoff aus 100 % erneuerbarem Strom ohnehin ohne „Förderung“ z.B. über Contract for Differences (CCfD) kurz und mittelfristig auch bei einem absehbar deutlich höheren CO2-Preis-Niveau nicht auskommen.
Welche Rolle neben der Elektrolyse auch die Plasmalyse und die Methanpyrolyse oder biologische Verfahren der Wasserstoffsynthese spielen werden, kann derzeit nicht abschließend bewertet werden. Die Kosten des Umbaus des Erdgas- in Wasserstoffnetzes sind mit etwa 0,5 Mrd. € pro Jahr bis 2050 gegenüber den Erzeugungskosten des grünen Wasserstoffs überschaubar (bbh 2020). Das THG-Einsparpotenzial beträgt in Abhängigkeit der Suffizienz bis 2030 8-14 Mio. Tonnen CO2 (Wasserstoffbedarf 30-50 TWh), bis 2050 95 Mio. Tonnen CO2 (Wasserstoffbedarf 350 TWh).
Deutschland ist derzeit noch der größte Exporteur von Elektrolyseanlagen. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und dem Beratungsunternehmen Frontier Economics geht für Deutschland von einem Potenzial von bis zu 470.800 zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen aus (IW & Frontiers 2018). Die Hydrogen Roadmap Europe gibt an, dass Unternehmen normalerweise pro eine Million Euro Umsatz zwischen sieben bis 15 neue Arbeitsplätze schaffen – und die Wasserstoffwirtschaft in Europa bereits bis 2030 über eine Million Arbeitsplätze generieren könnte.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Änderung des Regulierungsrahmens im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und Änderung der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) zur möglichen Integration der Wasserstoffinfrastruktur in das bestehende Erdgasnetz und Finanzierung des entsprechenden Um- und teilweise Rückbaus. (bbh 2020, Verbändevorschlag 2020) Risikoausgleich über Contract for Differences (CCfD) zur Überbrückung von Kostennachteilen für Investoren in die Wasserstoffelektrolyse inkl. der Erzeugung erneuerbarer Energien über den gesamten Lebenszyklus ihrer Anlagen.
(2) Förderung der grünen Wasserstoff Kraft-Wärme-Kopplung im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, dass den kontinuierlichen Übergang von einem Erdgasnetz zu einem grünen Wasserstoffnetz ermöglicht.
(3) Ein ordnungsrechtlich verpflichtender Anteil (z.B. 2-5%) an grünem Wasserstoff im Erdgasnetz könnte den Hochlauf der entsprechenden Technologieentwicklung befördern.
Kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe auf tierische Produkte zum Flächengewinnen für die stoffliche Nutzung (Bioökonomie), Biodiversität und Wasserrückhaltung in der Landschaft; Erhöhung der Stickstoffeffizienz; Doppelnutzung von Flächen durch Agriphotovoltaik statt Bioenergiepflanzen (Klimaschonende Landnutzung 5.0)
Unsere Ernährung, insbesondere mit tierischen Produkten, gehört zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen. Die neu gewählte Bundesregierung muss daher die Weichen hin zu einer klimaschonenden Landwirtschaft stellen.
Subventionen für klimaschädliche Landwirtschaft müssen dafür abgebaut werden, denn sie verzerren den Marktwettbewerb zu Ungunsten der ökologischen Lebensmittelwirtschaft. Zu den „wahren Preisen“ unserer Lebensmittel gehören auch die Umweltressourcen, die bei ihrer Produktion verbraucht werden, wie Wasser, Boden und Biodiversität. Auch diese Kosten müssen sich in unseren Lebensmitteln widerspiegeln.
Ziel muss es sein, dass die Landwirtschaft verstärkt auch für die Leistungen honoriert wird, mit der sie das Klima schützt, der Natur Raum gibt und die Biodiversität fördert. Etwa durch die Wiedervernässung organischer Böden (Moorschutz), die Verringerung von Stickstoffüberschüssen und Humusaufbau.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die:
- klimaschädliche Subventionen in der Landwirtschaft abgebaut werden.
- eine kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe (> 100 € pro Tonne CO2e) eingeführt wird, aus deren Einnahmen Leistungen von Landwirt*innen vergütet werden können, die bisher unwirtschaftlich waren. Dazu gehören zum Beispiel Leistungen für das Tierwohl, den Moorschutz, den Klimaschutz, den Landschafts-, Biodiversitäts-, Gewässer- und Bodenschutz, sowie den Wasserrückhalt und die Umweltbildung und Erholung.
- bei der landwirtschaftlichen Produktion die Stickstoffeffizienz durch eine stärkere Begrenzung betrieblicher Stickstoffbilanzüberschüsse (Stoffstrombilanzverordnung) erhöht wird.
- die Erzeugung Erneuerbarer Energien aus Biomasse zukünftig weitgehend auf Gülle und Reststoffe beschränkt wird (ohne organische Reststoffe sowie holzige Biomasse aus Forst und von landwirtschaftlichen Flächen) und
- Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Bau von AgriPV-Anlagen fördert, die auf derselben Fläche weiterhin landwirtschaftliche Nutzung zulassen.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Die Art unserer Ernährung und die mit ihr verbundenen globalen Lieferketten sind zu einem Hauptverursacher für zusätzliche Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre geworden, dessen Anteil mit dem zunehmenden Verzicht auf fossile Energieträger steigen wird (Chatham House 2021, Dasgupta Review 2021). Die Produktion tierischer Produkte spielt dabei aufgrund des hohen Flächenbedarfs für Futtermittel und der Emissionen aus entstehendem Wirtschaftsdünger und der Verdauungsgase von Wiederkäuern eine zentrale Rolle.
In Deutschland sind etwa 50% der der Landwirtschaft zugeordneten Treibhausgasemissionen direkt auf die Emissionen von Methan (CH4) durch Wiederkäuer und das Wirtschaftsdüngermanagement zurückzuführen. Globale Lieferketten oder Emissionen aus entwässerten Moorböden sind dabei noch nicht berücksichtigt. Eine weitere relevante Quelle an Treibhausgasen, bei denen in den letzten 20 Jahren keine nennenswerte Minderung erfolgte, sind Emissionen von Lachgas (N2O) aus Böden als Folge des Stickstoffeinsatzes mit der Düngung (UBA 2019, UBA 2020). Insgesamt stammen rund 80% der Emissionen einer durchschnittlichen europäischen Ernährung aus dem Konsum tierischer Produkte (Ritchie 2020). Untersuchungen lassen befürchten, dass, selbst wenn alle anderen Emissionen außerhalb der Landnutzung gestoppt würden, unsere unveränderte Art der Ernährung bereits eine Erwärmung von über zwei Grad wahrscheinlich machen (Clark et al. 2020).
Eine nachhaltige Landwirtschaft verbindet die Produktion von Nahrungsmitteln mit verringerten Treibhausgasemissionen, der Kohlenstoffspeicherung in Böden und der Erhaltung und Verbesserung wichtiger Funktionen unserer Lebensräume.
Das Einkommen der Landwirt*innen in Deutschland wird zu über 50% von unternehmensbezogenen Direktzahlungen und Zuschüssen bestimmt (BMEL 2018/2019, S. 26). Diese Subventionen sind überwiegend weder an der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft noch an der betrieblichen oder der personellen Bedürftigkeit der Landwirte ausgerichtet. Darüber hinaus werden sie über gestiegene Pachten zu einem größeren Anteil an Bodeneigentümer durchgereicht. Die Politik für Landwirtschaft und ländliche Räume muss konsequent am Gemeinwohl orientiert werden, wie dies auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) empfiehlt (Grethe et al. 2018, WBAE 2020). „Wahre Preise“, die alle potenziellen Leistungen der Landwirt*innen (wie z.B. Nahrungsmittelproduktion, Tierwohl, Klimaschutz, Landschafts-, Biodiversitäts-, Gewässer- und Bodenschutz, Wasserrückhalt sowie Umweltbildung und Erholung) wertschätzen und vergüten sowie die externen Umweltkosten (ca. 90 Mrd. € pro Jahr) einpreisen, sind ein zentraler Schritt zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen (Kurth et al. 2019, Abschlussbericht Zukunftskomission). Eine wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang ist die Einführung einer kombinierten Tierwohl- und Emissionsabgabe auf tierische Produkte. Sie führt zu einer Reduktion der Tierzahlen und setzt landwirtschaftliche Flächen frei, die zukünftig u.a. für die Wiedervernässung von organischen Böden (Moorschutz), der Biodiversität und ggf. dem Anbau von Biomasse primär zur stofflichen Nutzung genutzt werden können. Mit dieser Biomasse können treibhausgasintensivere Produkte aus fossilen Rohstoffen z.B. in der Bau- und Chemieindustrie (Dämmstoffe) ersetzt und Kohlenstoff gebunden werden (vgl. MP 17, MP18).
(1) Abbau von klimaschädlichen Subventionen in der Landwirtschaft
In Deutschland lebt insbesondere die Tierwirtschaft überwiegend von Subventionen (Dannenberg et al. 2021). Die klimaschädlichen Subventionen in der Landwirtschaft für die Produktion tierischer Produkte liegen bei etwa 2,5 Mrd. pro Jahr (Direktzahlungen für Futteranbau ohne Grünland ca. 2 Mrd. €/a, begünstigter Agrardiesel ca. 238 Mio. €/a, Erlass KFZ-Steuer 254 Mio.€/a, Ausnahme von der EEG-Umlage ca. 36 Mio. €/a; Fördermaßnahmen zur Förderung der ländlichen Entwicklung, die u.a. extensive Beweidung oder Stallumbau fördern können, sind in dieser Summe nicht enthalten). Hinzu kommen Vergünstigungen für tierische Produkte durch einen gegenüber anderen Produkten niedrigere Mehrwertsteuersatz von ca. 5,2 Mrd. €/a. Ebenfalls klimaschädlich sind Direktzahlungen, die eine entwässerungsbasierte Nutzung von Moorböden stützen. Solche Zahlungen müssen im Rahmen einer grundsätzlichen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU auf den Prüfstand.
(2) Kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme für Tierproduktion (Konsum tierischer Produkte)
Die jährlichen externen Kosten (Klima, Wasser, Boden und Biodiversität) der in Deutschland konsumierten tierischen Produkte liegen in der Größenordnung von 6 Mrd. Euro. Eine vollständige Umstellung auf eine ökologische Produktion würde die Kosten auf etwa 3,8 Mrd. Euro reduzieren (Bandel et al. 2020). Besonders hoch sind die externen Kosten bei einer energieintensiven Aufzucht von Nutztieren: Futtermittelanbau, Beheizung und Belüftung der Ställe sowie der Stoffwechsel der Tiere führen zu Austragungen von reaktivem Stickstoff und von Treibhausgasen sowie zu Energiebedarfen, die bedeutend höher sind als bei pflanzlichen Produkten. Vergleicht man konventionelle mit ökologischen Produktionspraktiken, führen vor allem der Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger sowie ein geringerer Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter zu geringeren externen Kosten für ökologische Produkte. Bei unverändertem Konsum würde jedoch alleine eine Umstellung auf ökologischen Landbau und damit i.d.R. einhergehender geringere Produktionsmengen die Gefahr von Leakage (Import von Tierprodukten) beinhalten. Daher muss eine Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten in Richtung weniger tierischer Produkte stattfinden.
In Deutschland stehen derzeit etwa 16,7 Millionen Hektar (Mio. ha) für die landwirtschaftliche Produktion zur Verfügung (UBA 2020). Für die Ernährung in Deutschland werden weltweit zusätzlich etwa 19 Mio. ha in Anspruch genommen. Nach Deutschland importierte Ernährungsgüter belegten 2017 in den Herkunftsländern eine Fläche von 11,9 Mio. ha, davon 5,8 Mio. ha für pflanzliche Produkte (ohne Futtermittel) und 6,1 Mio. ha für tierische Produkte (inklusive Futtermittel). Der Anbau im Inland belegte für Ernährungsgüter dagegen nur 7,2 Mio. ha, davon 5,6 Mio. ha für tierische Produkte und 1,6 Mio. ha für pflanzliche Lebensmittel (destatis 2020).
Eine Minderung der direkten THG-Emissionen der Landwirtschaft um mehr als 50% im Vergleich zu heute ist nach Ausschöpfung aller Potenziale zur Effizienzsteigerung und Emissionsvermeidung nur durch Einschränkung der Tierproduktion in Deutschland zu erreichen. Erst eine Reduktion der Tierproduktion und des inländischen Konsums tierischer Produkte ermöglicht in Deutschland und anderen Ländern eine Bioökonomie (vgl. MP 17), die einen erheblichen Teil der stofflichen Nutzung fossiler Energieträger ersetzen kann.
Die Einführung einer kombinierten Tierwohl- und Emissionsabgabe auf das Endprodukt (inklusive importierter Produkte) setzt die notwendigen finanziellen Anreize, um den Konsum tierischer Produkte zu reduzieren (FÖS 2020). Die Einnahmen fließen (ggf. als teilweise zweckgebundene Steuern) in einen Fonds, aus dem die umfangreichen Umstellungsmaßnahmen in der Landwirtschaft getragen werden können.
Eine entsprechende Abgabe ist sozialverträglich umsetzbar, weil eine stärkere Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln ohne finanziellen Mehraufwand möglich ist und weder mit Mangelernährung noch andere negativen Gesundheitseffekten zu rechnen ist. Um den Konsument*innen den Ernährungsumstieg zu erleichtern, ist die Abgabe durch eine entsprechende Kommunikation über Wirkungen und Notwendigkeiten im Sinne des Tierwohls und des Klimaschutzes zu begleiten (vgl. MP 2: Klimakommunikation).
Der Abbau klimaschädlicher Subventionen der Land- und Forstwirtschaft und der kombinierten Tierwohl- und Emissionsabgabe stellen die notwendigen Mittel zur Verfügung, um neben gesunden Lebensmitteln auch die anderen Leistungen von Land- und Forstwirten, wie z.B. Landschaftspflege, Arten- und Lebensraumvielfalt, Tierwohl und Klimaschutz finanzieren zu können. Eine Übersicht über eine Vielzahl potentieller Maßnahmen, die über diesen Fond mitfinanziert werden könnten liefert boden-staendig.eu.
(3) Wiedervernässung organischer Böden (Moorschutz, ca. 1 Mio. ha)
Moore bzw. organische Böden nehmen mit rund 1,8 Mio. ha nur ca. 4% der Bundesfläche ein und konzentrieren sich auf das Norddeutsche Tiefland sowie das Alpenvorland. Sie stellen mit 1.300-2.400 Mio. Tonnen den größten terrestrischen Speicher an Kohlenstoff in Deutschland dar (Moorschutz Deutschland, Greifswald Moor Zentrum). Rund 90% dieser Flächen sind bereits entwässert, überwiegend aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung, und die stark kohlenstoffhaltige Torfschicht ist damit einer intensiven Zersetzung ausgesetzt. Trotz ihres geringen Flächenumfangs sind entwässerte Moorböden daher mit 59 Mio. t CO2e für fast 7 % der nationalen THG-Emissionen verantwortlich (Tiemeyer, et al.2020, S. 8).
Um diese Treibhausgasemissionen deutlich zu verringern sind Moorflächen, soweit es die hydrologischen Verhältnisse, Wasserrechte und bestehende Infrastruktur zulassen, langfristig wieder zu vernässen.
Etwa 6% der landwirtschaftlichen Fläche liegen auf organischen Böden. Diese Flächen wären bei einer Wiedervernässung nicht mehr auf traditionelle Weise nutzbar. Landwirtschaftliche Betriebe in Moorgebieten müssen daher durch Fördermaßnahmen und Ausgleichszahlungen bei der Transformation unterstützt werden (IfLS 2020, DVL, DVL 2021). Die bestehenden Moorschutzprogramme der Bundesländer und die sich in Arbeit befindende Moorschutzstrategie des Bundes (BMU 2020) müssen konsequent umgesetzt werden. Eine noch offene Frage ist, wieviel der zu restaurierenden Moorflächen künftig für den Anbau von Biomasse unter nassen Bedingungen (sogenannte Paludikulturen, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion stehen) zur Gewinnung nachwachsender Rohstoffe in der Industrie genutzt werden können (vgl. MP 17 Bioökonomie).
(4) Torfabbau und Torfersatzstoffe
Durch den Abbau von Torf wird der Torfkörper irreversibel zerstört. Der entnommene Torf wird innerhalb weniger Jahre außerhalb der Moore weitgehend mineralisiert und der gespeicherte Kohlenstoff damit freigesetzt. Während für den verbleibenden Torfabbau in Deutschland bereits ein Ausstiegspfad (wenngleich auch nicht gesetzlich verbindlich) besteht, wird Torf im größeren Umfang bereits jetzt aus anderen Ländern, insbesondere aus dem Baltikum, nach Deutschland importiert und im Landschafts- und Gartenbau verwendet. Um die Zerstörung von Mooren und die dabei entstehenden Treibhausgasemissionen zu verhindern, muss daher am Verbrauch von Torf angesetzt werden (BZL 2020).
Im Klimaschutzprogramm 2030 ist im Maßnahmenbündel zum Moorschutz auch die Reduzierung der Torfverwendung in Kultursubstraten enthalten; die dort aufgelisteten Aktivitäten beschränken sich aktuell auf freiwillige Maßnahmen. Das Diskussionspapier zur Moorschutzstrategie der Bundesregierung benennt als Ziel, im Hobbygartenbau die Nutzung von Torf innerhalb der nächsten 6 Jahre durch nachhaltige Ersatzstoffe abzulösen. Im Erwerbsgartenbau wird ein weitgehender Ersatz von Torfen in Kultursubstraten innerhalb eines Jahrzehnts angestrebt. Der Bund selber setzt sich zum Ziel, im Landschafts- und Gartenbau torffreie Substrate zu verwenden.
Für eine Umstellung müssen ausreichende Mengen geeigneter Torfersatzstoffe zur Verfügung stehen. Eine Torfreduktionsstrategie ist unter Federführung des BMEL in Arbeit.
Für den Abbau und die Torfnutzung müssen rechtlich verbindliche Ausstiegspfade festgelegt werden. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollte die Anwendung von Torf im Landschafts- und Hobbygartenbau zeitnah untersagt werden.
(5) Stickstoffüberschüsse verringern
Eine erhöhte Stickstoffeffizienz und damit geringere Stickstoffverluste reduzieren Lachgas- und Ammoniakemissionen und dienen damit neben dem Klimaschutz auch dem Trinkwasser- und Gewässerschutz und dem Schutz der Biodiversität. Leakage-Verluste entstehen bei einer Effizienzsteigerung nicht.
Eine Regulierung der Düngung findet ganz überwiegend über das Ordnungsrecht statt (Düngeverordnung, Stoffstrombilanzverordnung). So begrenzt die Düngeverordnung u.a. die maximale Ausbringungsmenge von Stickstoff mit organischen Düngemitteln pro Hektar. Nach der Stoffstrombilanzverordnung werden viele Betriebe verpflichtet (ab 2023 alle Betriebe mit mehr als 20 ha), eine Hoftorbilanz zur Erfassung und Bilanzierung der Stickstoffflüsse im Betrieb zu erstellen. Dies soll einen ressourceneffizienten Umgang mit Nährstoffen sicherstellen und Stickstoffverluste vermindern. Die Verordnung erlaubt jedoch erhebliche betriebliche Stickstoffbilanzüberschüsse. Um Umweltbelastungen durch Stickstoffemissionen wirksam zu begrenzen, muss die aktuell erlaubte Obergrenze von 175 kg N/ha deutlich verringert werden z.B. auf max. 120 kg N/ha, bei Betrieben ohne Viehhaltung auf 50 kg N/ha (siehe z.B. Vorschläge von Taube et al. 2020).
Über höhere CO2-Preise (vgl. MP 10) verteuert sich auch der energieintensiv erzeugte Mineraldünger. Dies ist ein zusätzlicher Anreiz zur Stickstoffeffizienz und zur geringeren Verwendung von Stickstoffmineraldünger. In der Folge werden Energieaufwand und CO2-Emissionen bei der Düngemittelherstellung eingespart, organischer Dünger aufgewertet und die Integration von Leguminosen in der Fruchtfolge angeregt.
Auf eine emissionsarme Ausbringung und Lagerung von Wirtschaftsdüngern ist zu achten.
Das derzeitige Ziel, den Überschuss der Stickstoff-Gesamtbilanz der Landwirtschaft in Deutschland auf 70 kg/N pro ha LF (Jahresmittel 2028-2032) zu begrenzen, sollte auf 50 kg/N pro ha LF gesenkt werden. Begleitet werden muss dies durch Beratung, Ordnungsrecht und gezielte Fördermaßnahmen (ein Aktionsprogramm zur integrierten Stickstoffminderung wird aktuell durch das BMU erarbeitet).
(6) Humusaufbau und Kohlenstoffspeicherung auf Ackerflächen
Neben der Vermeidung von Treibhausgasen muss das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft sein, ein konsequentes Bodenmanagement zum Humusaufbau auf Ackerflächen zu etablieren. Sinnvolle Ansatzpunkte sind z.B. Zwischenfruchtanbau, humusbildende Fruchtfolge, Agrargehölze, organische Düngung und Ökolandbau (vgl. Bodenallianz Pfaffenhofen).
Landwirt*innen sollten aus Gründen der Bodenfruchtbarkeit ein hohes Eigeninteresse am Humusaufbau haben. Geeignete Instrumente zur Unterstützung sind daher Beratung sowie bei Bedarf gezielte Fördermaßnahmen. Humuszertifikate als privatwirtschaftliche, freiwillige und zusätzliche „Klimaspende“ können ebenfalls Anreize bieten. Humusaufbau ist in erster Linie eine Maßnahme zur Bodenfruchtbarkeit sowie dem Erosions- und Gewässerschutz. Die Klimawirkung ist ein Zusatznutzen, deren Höhe und Dauerhaftigkeit kaum zu quantifizieren ist (vgl. MP 18).
(7) Verkaufsflächenabhängige Abgabe für Lebensmittelmärkte/Discounter
Dabei geht es um ein Instrument, die Marktmacht der Discounter zu begrenzen und kleinen Läden eine Chance zu geben. Eine solche Abgabe könnte z.B. in ein staatlich verwaltetes Sondervermögen (Fonds) zur gezielten Finanzierung der Strukturwandelkosten eingezahlt werden. Die Ziele einer solchen Abgabe sind: Genossenschaftlich organisierte Verarbeitungs- und Vertriebsstrukturen vor Ort können gestärkt werden und führen zu besseren Beziehungen zwischen Produzent*innen und Konsument*innen, und kleine Läden zur sozialverträglichen Versorgung der kurzen Wege werden gefördert (TAZ, 2.3.2021). Mit den Mitteln könnten ebenso Unverpacktläden unterstützt (enorm 2021, Unverpackt e.V.) und damit unnötige Herstellung von Verpackungsmaterial vermieden werden.
(8) Mehr AgriPV, weniger Bioenergiepflanzen – stoffliche Nutzung vor energetischer Nutzung
Bei einem erfolgreichen Ausbau der Wind- und Solarenergie, Erdwärme und Geothermie verliert die energetische Nutzung von Biomasse an Bedeutung. Auf landwirtschaftlichen Flächen wird eine die Lebensräume schützende Produktion pflanzlicher Lebensmittel im Vordergrund stehen. Die Umwandlung von Grünland in Ackerland, um die Anbaufläche auszuweiten, verbietet sich aus Klimaschutzgründen und ist bereits heute stark eingeschränkt. AgriPV-Anlagen, die aufgrund ihrer Höhe auf derselben Flächen weiterhin landwirtschaftliche Nutzung zulassen, können neben PV-Freiflächenanlagen einen zusätzlichen erheblichen Beitrag zur Flächeneffizienz liefern (Leitfaden Agri PV 2020). Damit wird auch der zunehmende Einsatz von batterieelektrischen Landmaschinen und Lieferfahrzeugen möglich. Biogasanlagen werden zukünftig vorwiegend mit flüssigen Reststoffen (Gülle, Lebensmittelreste etc.) betrieben und organische Reststoffe sowie holzige Biomasse aus Forst und von landwirtschaftlichen Flächen sowie aus Paludikultur entweder stofflich (z.B. als Dämmmaterialien oder Verpackung) oder in Pyrolyseanlagen einerseits energetisch und gleichzeitig als bilanzierbare Kohlenstoffsenke genutzt (vgl. co2abgabe 2020 und MP 18).
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Der Anteil der landwirtschaftlichen Flächennutzung an den Treibhausgasemissionen liegt in Deutschland bei rund 12% (direkt dem Sektor Landwirtschaft zugeordnete Emissionen und Emissionen aus der Landnutzung, insbesondere organischer Böden). Auf Null werden diese nicht sinken können; aufgrund mikrobieller Stoffumsätze erzeugt landwirtschaftliche Produktion immer Emissionen.
Die größten Minderungspotenziale im Bereich Landwirtschaft und Landnutzung sieht das Klimaschutzgutachten 2016 des WBAE und WBA in der Erhöhung der forstlichen Produktion (Erhöhung des Nadelbaumanteils), in der Wiedervernässung organischer Böden (Moorschutz), einer Reduzierung des Konsums tierischer Produkte, der Nutzung von Lignocellulose aus landwirtschaftlicher Produktion (z.B. aus Kurzumtriebsplantagen), der stofflichen Nutzung von Holz in langlebigen Holzprodukten sowie der Erhöhung der Stickstoffeffizienz (Düngung). Die Treibhausgasvermeidungskosten gibt das Gutachten mit „häufig unter 50 €/t CO2e“ an. Im Szenario „Ambitionierter Klimaschutz“ wird das Minderungspotenzial für Treibhausgasemissionen mit 130-135 Mio. t CO2e/a bewertet.
Erwartete Einnahmen aus kombinierter Tierwohl und Emissionsabgabe auf tierische Produkte liegen anfänglich bei bis zu 15,4 Mrd. € pro Jahr. Das Einsparpotenzial durch die kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe liegt bei etwa 15 Mio. t CO2e pro Jahr (Banse et al. 2019, FÖS 2020).
In einem Szenario mit 50% weniger Tierproduktion in Deutschland werden bis zu 6,7 Mio. ha für die Bioökonomie und für Biodiversität, Ökologischen Landbau, Wiedervernässung organischer Böden, Agroforst und grünlandbasierte Weidehaltung frei (vgl. Abbildung). Einer geringeren landwirtschaftlichen Beschäftigung aufgrund eines Rückgangs der Tierbestände kann durch eine Tierwohl- und qualitätsorientierte Produktion entgegengewirkt werden. Es würde zudem ein Strukturwandel mit einer Vielzahl von neuen Geschäftsmodellen und zusätzlichen Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, dem Arten- und Biotopschutz und der Bioökonomie ermöglicht werden. Eine differenzierte Abschätzung über die Anzahl der zu erwartenden zusätzlichen Arbeitsplätze steht bislang aus.
Der Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) sowie der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) gehen bei einer Wiedervernässung von 900.000 ha organischer Böden unter landwirtschaftlicher Nutzung langfristig von einem Einsparpotenzial von 15,2 Mio. Tonnen COe2 aus (WBAE und WBW 2016). Das Moorschutzzentrum Greifswald entwirft ein Szenario, bei dem bis zum Jahr 2030 gut 20 Mio. Tonnen CO2e durch Wiedervernässung eingespart werden können. Laut Diskussionspapier zur Moorschutzstrategie des Bundes von November 2020 sollen bis 2030 fünf Mio. Tonnen CO2e weniger aus Moorböden emittiert werden. Bei Ausgleichzahlungen je ha Vertragsfläche für die Wiedervernässung von organischen Böden von 1.400-2.000 €/ha*a (Latacz-Lohmann 2019) und Emissionsfaktoren in Höhe von rund 15-35 CO2e/ha/a (Tiemeyer, et al.2020, S. 8) ergeben sich CO2e-Vermeidungskosten von ca. 40-133 € / t CO2e.
Bei der Einhaltung eines maximalen Stickstoffüberschusses auf Bundesebene von 50 kg (70kg) N/ha LF wird eine Einsparung von 4,9 (3,5) Mio t CO2e erwartet (Scheffler et al. 2019).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Moorschutz und Wiedervernässung organischer Böden
(1) Anpassung des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes und der entsprechenden Wassergesetze der Länder sowie des Klimaschutzgesetzes (Abwägungsgrund Klimaschutz, Zuständigkeiten der Wasserbehörden und Wasser-und Bodenverbänden auch für Wasserhaltung in der Landschaft klären)
(2) Förderprogramm für die Anpassung betroffener Betriebe (u.a. für Paludikulturen)
(3) Vorschlag zu einer backstop-Regelung: ab 2035 kein Ackerbau und ab 2040, wo technisch möglich, kein tief entwässertes Grünland mehr auf organischen Böden
(4) Förderung der Entwicklung geeigneter Substrate für den Torfersatz (u.a. Substrate aus Paludikultur); dabei Abstimmung mit Bioökonomiestrategien zur Steuerung der Biomassestoffströme
(5) Backstop-Regelung: Keine Verwendung torfhaltiger Erden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich Garten- und Landschaftsbau auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ab 2024. Verbot des Verkaufs torfhaltiger Erden an Privatgärtner und für den Landschaftsgartenbau ab dem Jahr 2026
Tierhaltung
(6) Kombinierte Tierwohl und THG-Abgabe auf tierische Produkte
(1) Tierwohlgesetz: Reduktion Tierbestand zum Klimaschutz und zum Tierwohl, für viehstarke Regionen braucht es ein langfristiges Transformationskonzept.
Stickstoffverluste verringern
(2) Novelle der Stoffstrombilanzverordnung: Rechtlich verpflichtende strengere Obergrenzen für erlaubte Stickstoffbilanzüberschüsse
(3) Gasdichte Güllelagerung vorschreiben (Förderung in Übergangszeit)
Erneuerbare Energien
(4) EEG: Zunehmende Umstellung der Biogasanlagen auf Gülle und Reststoffe,
(5) EEG und Planungsrecht, vgl. Leitfaden zur Agri PV
Bioökonomie 2.0 zur Lenkung organischer Stoffströme vorwiegend in die stoffliche Nutzung
Für die Herstellung vieler unserer Alltagsprodukte verbrauchen wir fossile Ressourcen: Zum Beispiel wird herkömmliches Plastik aus Erdöl hergestellt, aber auch Farben, Kleidung oder Baumaterialien für unsere Häuser. In der Bioökonomie sollen diese fossilen Grundstoffe durch nachwachsende und biologische ersetzt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium definiert Bioökonomie wie folgt: „Die Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen, Prozesse und Systeme, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen.“
Schon heute gibt es viele Produkte, die aus biologischen Grundstoffen hergestellt werden können: Kleidung aus Kaffeesatz, Smartphone-Displays aus Zucker oder Lebensmittelverpackungen auf Maisbasis. Und natürlich auch Dämmstoffe und andere Materialien im Wohnungsbau.
Das Klima profitiert gleich mehrfach von der Bioökonomie: Die biologischen Grundstoffe binden CO2 und ersetzen Produkte aus Erdöl oder Erdgas. In langlebigen Produkten wird CO2 damit langfristig gebunden. Am Ende der Verwertungskette können sie dann energetisch genutzt werden, bei der Pyrolyse (Verkohlung pflanzlicher Ausgangsstoffe) bleibt sogar dann das CO2 noch dauerhaft gebunden.
Der Anbau von Rohstoffen für die Bioökonomie darf dabei nicht in Konflikt stehen mit anderen Zielen der Landnutzung, wie der Erzeugung gesunder Lebensmittel, Bodengesundheit und Artenvielfalt (vgl. MP 16, MP 18). Deswegen sollten vor allem Flächen, die durch weniger Tierproduktion und weniger Anbau von Energiepflanzen frei werden, für den Anbau stofflicher Rohstoffe genutzt werden. In der Bioökonomie entstehen somit viele attraktive Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft, was auch bei jungen Menschen die „Lust auf Land“ wieder steigern könnte.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die:
- die Chancen der Bioökonomie besser genutzt werden, aber auch seine Grenzen festgelegt sind (zum Beispiel durch Flächenkonflikt mit anderen Landnutzungsformen). Das wäre zum Beispiel im Kreislaufwirtschaftsgesetz möglich.
- die stoffliche Nutzung von Biomasse den Vorrang vor der energetischen Nutzung (Kaskadennutzung) bekommt
- Geschäftsmodelle gefördert werden, die nachwachsende Rohstoffe sinnvoll nutzen, um fossile Energieträger (Rohstoffe) einzusparen
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Bioökonomie, hier verstanden als Transformationspfad, bei dem fossile Grundstoffe wie Naphtha (Rohbenzin) und Erdgas durch verschiedene nachwachsende Rohstoffe für Grund-, Dämm- und Baustoffe, Verpackungen u.v.m. ersetzt werden. Die Produktion dieser Rohstoffe muss unter Berücksichtigung der vorrangigen Ziele der Landnutzung wie die Bereitstellung gesunder Lebensmittel, Bodengesundheit, Gewässerschutz und Artenvielfalt geschehen (vgl. MP 16, MP 18).
Flächen, die durch weniger Tierproduktion und -konsum vorrangig stofflich genutzter Rohstoffe genutzt werden. Sinnvoll stofflich genutzte nachwachsende Rohstoffe haben den Vorteil, dass sie in der Kaskadennutzung erst einmal atmosphärisches CO2 binden, abbaubar sind (und damit Plastik in der Umwelt vermeiden) und am Ende energetisch genutzt werden. Über Pyrolyse (Verkohlung pflanzlicher Ausgangsstoffe) können sie dabei einen Doppelnutzen zur Energiegewinnung und als langfristige CO2-Senke haben. Durch eine reformierte Bioökonomie mit vielen sinnstiftenden Geschäftsmodellen entstehen attraktive Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft und erzeugen mehr „Lust auf Land“ bei jungen Menschen.
(1) Kaskadennutzung der Bioökonomie im Kreislaufwirtschaftsgesetz regeln
Wenn allein die Chemieindustrie in Deutschland von Naphtha auf erneuerbaren Wasserstoff (ggf. Ammoniak) als Rohstoff umstellen wollte, bräuchte sie mehr als 600 TWh zusätzlichen Strom aus Sonne und Wind, mehr als der gesamte aktuelle Jahresnettostromverbrauch in Deutschland (VCI 2019). Dies zeigt, dass erstens der Konsum der aus Naphtha hergestellten Produkte reduziert werden muss (Suffizienz), aber zweitens auch Biomasse als Grundlage verstärkt genutzt werden muss.
Durch geringere Tierzahlen werden zunehmend Flächen frei, auf denen auch Biomasse für eine stoffliche Nutzung von Biomasse als Ersatz für Baustoffe, Verpackungsmaterialen u.v.m. produziert werden kann. Vielfältige Synergien ergeben sich z.B. bei einer Produktion von Agroforst oder von Paludikulturen (vgl. MP 16).
Der Bioökonomierat definiert die Bioökonomie als die Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen (auch Wissen) für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen Wirtschaftsbereichen. Dabei kommt der Stoffstrombilanz (vgl. Abbildung) eine entscheidende Bedeutung zu, um eine nachhaltige Bioökonomie zu etablieren.
Die Abbildung zeigt, welch dominante Rolle den Futtermitteln und damit der Tierhaltung zukommt. Weltweit hat sich der Konsum an Fleisch seit 1990 verdoppelt, auch der Pro-Kopf-Verbrauch nimmt stetig zu. Die Bilanz muss sich weg von der Tierproduktion (hoher Flächenverbrauch zu Futtermittel) und der Produktion von Energiepflanzen hin zur primär stofflichen Verwendung der Biomasse entwickeln, um zunehmend fossile Rohstoffe ersetzen zu können. In einer Analyse zur Bioökonomie geben 4/5 der Menschen an, noch nie bewusst ein auf nachwachsenden Rohstoffen basiertes Produkt gekauft zu haben und die wenigsten wissen um den Zusammenhang der Flächenintensität der Tierproduktion auf der einen Seite und dem Flächenpotenzial für eine Bioökonomie bei einer entsprechenden Reduktion der Tierproduktion (Hempel et al. 2019, UBA 78/2019).
Am Beginn einer sinnvollen Nutzungskaskade steht die pflanzliche Nahrungsmittelproduktion, gefolgt von der stofflichen Nutzung und der Pyrolyse bzw. bei flüssigen Rückständen der Biogaserzeugung.
Erst ganz am Ende steht die energetische Nutzung.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Das Potenzial einer reformierten Bioökonomie hängt davon ab, wieviel Fläche und Biomasse nicht für die vorrangigen Ziele der Landnutzung wie gesunde Lebensmittel, Bodengesundheit, Gewässerschutz und Artenvielfalt gebraucht werden. Gefragt ist ein grundlegend reformiertes Biomassen- (Stoffstrom-)management mit optimalen Verwertungspfaden (Mulchen, Kompostieren, Fermentation, Pyrolyse, Karbonisierung), um Nährstoffe bestmöglich zu erhalten, die Pflanzengesundheit zu steigern und gleichzeitig Kohlenstoff maximal im Boden gebunden oder stofflich nutzen zu können.
Die Bioökonomiestrategie der EU rechnet mit einem Potenzial von bis zu einer Million neuer Arbeitsplätze bis 2030 in der EU (EU-Bioökonomiestrategie 2018).
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Chancen und Grenzen der Bioökonomie z.B. im Kreislaufwirtschaftsgesetz regeln.
Substanzielle Vorschläge für eine geeignete rechtliche Umsetzung sind in Abstimmung mit MP 16 und MP 18 erst noch zu erarbeiten, sie setzen den Flächengewinn durch eine geringere Tierproduktion voraus.
Senkenökonomie 1.0
Wälder und Moore sind natürliche Speicher für Kohlenstoff. Deswegen müssen sie für den Klimaschutz erhalten bleiben und beispielsweise durch Wiedervernässung renaturiert werden. Um die Erderwärmung auf max. 2°C zu begrenzen, müssen allerdings weitere und neue CO2-Senken geschaffen werden.
Dazu gehören Aufforstungen neuer Wälder, die Renaturierung ehemaliger Moore, der Aufbau von Humus in unseren Böden (wodurch organischer Kohlenstoff gebunden wird) sowie die Umwandlung von Biomasse in Pflanzenkohle oder die Abscheidung von CO2 aus dem Abgas von Biomasseverbrennung.
Schon heute stehen uns auch rein technische Verfahren zur Verfügung, um CO2 direkt aus der Luft abzuscheiden. Weil hierfür Energie benötigt wird, ist das allerdings erst sinnvoll, wenn dafür überschüssige, erneuerbare Energie zur Verfügung steht.
Der Aufbau von natürlichen und technischen CO2-Senken ist notwendig, um die Klimaziele zu erreichen, kann den Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft dabei allerdings nur ergänzen und nicht ersetzen.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die
- natürliche Kohlenstoffsenken wie Wälder und Moore dauerhaft erhalten bleiben,
- Regeln für eine verbindliche und transparente Bilanzierung von Senkenleistungen eingeführt werden, die international überwacht werden. Dies ist auch notwendig, um einheitliche Standards zu schaffen, mit denen Senkenleistungen in der CO2-Bilanz bei der Berichterstattung von Staaten angerechnet werden können,
- eine allgemeine Abgabe eingeführt wird für den Erhalt natürlicher Senken und den Aufbau von zusätzlichen bilanzierbaren Senken.
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Senken sind kein Ersatz (Kompensation) für den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Sie sind aber eine notwendige Ergänzung zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, um die Chance zu bewahren, die menschengemachte Erwärmung auf ein für den Menschen erträgliches Maß begrenzen zu können.
Beides muss nun parallel so schnell wie möglich umgesetzt werden. Zu den naturnahen Verfahren, Senken zu schaffen, gehören z.B. Aufforstung, zusätzliche Festlegung von organischem Kohlenstoff im Boden (Humusaufbau) oder die Umwandlung von Biomasse über Pyrolyse in Pflanzenkohle. Hinzu kommen geologische Verfahren (Enhanced Weathering) und technische Verfahren, wie die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff aus Biomasse oder direkte Abscheidung aus der Luft und Speicherung, sobald überschüssige Erneuerbare Energien zur Verfügung stehen sollten. Als Leistung, die dem Gemeinwohl dient, müssen hierzu verbindliche Regeln erlassen werden, wie die Senkenleistungen bilanziert und überwacht werden. Zur Finanzierung von Senken könnte ähnlich den Netzentgelten für den Aufbau von Infrastruktur bei Strom oder Wärme eine allgemeine Abgabe für den Erhalt natürlicher Senken und den Aufbau von zusätzlichen Senken, z.B. als ein Teil der Umsatzsteuer, eingeführt werden.
Anerkannte, verbindliche, vom Staat kontrollierte Regeln müssen sicherstellen, dass die Senkenleistung z.B. durch eine klimagerechte Landnutzung dauerhaft und korrekt bilanziert wird, ohne dass an anderer Stelle ökologischer oder sozialer Schaden entsteht (ISO 14064-02, 2019). Unter Berücksichtigung solcher Standards kann die Vergütung im Rahmen freiwilliger Engagements von Privatpersonen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen nur ein erster Schritt sein.
Der zweite Schritt sind verpflichtende Anforderungen zu erarbeiten, um ausreichend Senken zu schaffen und natürliche Senken zu erhalten. Der Wert dieser Senkenleistung muss gesellschaftlich erkannt und die Erbringer entsprechend vergütet werden.
Der Wert, der in der Kohlenstoffsenken-Ökonomie vergütet wird, entsteht nicht durch die Nutzung organischer oder fossiler Substanz unter Freisetzung von Treibhausgasen (z.B. durch energetische Nutzung), sondern durch die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre. Die Dauer der Bindung entscheidet über den Wert der Senke.
So macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Baum, der hoffentlich durch seinen erwarteten Zuwachs an Holz über 30 Jahre eine Tonne Kohlenstoff aus der Atmosphäre bindet, einem Waldbrand zum Opfer fällt, in einem Holzgebäude stofflich genutzt wird, als Holzhackschnitzel zur Wärmeerzeugung verbrannt oder zum Teil pyrolisiert in Form von Pflanzenkohle dauerhaft in Asphalt oder Beton eingelagert oder zum Humusaufbau genutzt wird.
(1) Stoffliche Nutzung von Holz gegenüber der Verbrennung fördern und Jagdgesetz für eine bessere Naturverjüngung reformieren (Forstwirtschaft)
Laut der Kohlenstoffinventur 2017 entlastete der Wald in Deutschland als natürliche Senke die Atmosphäre jährlich um rund 62 Mio. Tonnen Kohlendioxid (ca. 7% der territorialen Emissionen). Die Entwicklung der Jahre 18/19 und 20 (Dürre, Borkenkäferschäden etc.) werden sich erst in der kommenden Kohlenstoffinventur 2022 widerspiegeln. Eine Rekonstruktion zeigt, dass die Abfolge der jüngsten europäischen Sommerdürren seit 2015 in den letzten 2.100 Jahren beispiellos ist (Büntgen et al. 2021). Und gemäß der Waldzustandserhebung 2020 ist damit zu rechnen, dass die Senkenleistung des Waldes in den letzten Jahren stark abgenommen hat.
Laut der Kohlenstoffinventur 2017 liegt der jährliche Holzzuwachs bei Buchen im bundesweiten Durchschnitt bei etwa 9 Kubikmetern pro Hektar und Jahr. Dabei werden von den Buchen (oberirdisch und in den Wurzeln) etwa 12 Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar gebunden. Wenn die Wirkung von Wäldern als natürliche CO2-Senke berechnet wird, geht es um den gebundenen Kohlenstoff der durch das Wachstum der Bäume zusätzlich gebunden wird. Ein Großteil der entnommenen Bäume wird jedoch als Brennholz (Pellets, Hackschnitzel oder Scheitholz) verbrannt.
Als zusätzliche Senke bleibt dann unter dem Strich nur der Teil übrig, der z.B. als Holz in Möbeln, Häusern oder Pflanzenkohle über längere Zeit stofflich gebunden bleibt. Die stoffliche Nutzung muss daher zukünftig Vorrang vor der energetischen Nutzung haben.
Neben der Förderung der stofflichen Nutzung von Holz ist das Jagdgesetz anzupassen, um durch entsprechende konsequente Bestandsregulierung den Wildverbiss zu verhindern. Wild geht vorrangig erst dann an die Knospen von jungen Bäumen, wenn die „nährstoff- und mineralstoffreichen“ Bodenpflanzen nicht mehr ausreichen. Das Schaffen von kleineren lichten Flächen fördert das selbstständige Nachwachsen.
(2) Pflanzenkohle
Pflanzenkohle (engl. Biochar) ist ein poröses, kohlenstoffhaltiges Material, das durch pyrolytische Verkohlung pflanzlicher Ausgangsstoffe hergestellt wird. Die Pyrolyse zur Herstellung von Pflanzenkohle ist die thermochemische Umwandlung von organischen Verbindungen, insbesondere Biomasse, in sauerstoff-limitierter Umgebung bei hohen Temperaturen (whitepaper 2020, co2abgabe 2020). Bei der Pyrolyse kann in Abhängigkeit der Verfahrenstemperatur ein Teil des Kohlenstoffs energetisch genutzt und ein anderer Teil verbleibt als Pflanzenkohle gebunden. Für die meisten bilanzierbaren und nach internationalen Standards zertifizierbaren und damit dauerhaften Senken sind noch keine Geschäftsmodelle bekannt. Ausnahme ist die Pflanzenkohle mit einer Produktion in Europa von 17.000 Tonnen pro Jahr, die sich nach Erwartungen des European Biochar Industry Consortiums (EBI 2020) aufgrund der im Bau und Planung befindlichen Anlagen in 2021 nahezu verdoppeln wird (Mitteilung Lerchenmüller 2021). Pro Tonne trockene Pflanzenkohle werden etwa 2,4 t CO2 gebunden. Die Preise für Pflanzenkohle beginnen derzeit bei etwa 800 € pro Tonne. Damit ergeben sich rein rechnerisch CO2-Sequestrierungskosten von etwa 333 € pro Tonne CO2. Durch den primären Nutzen der Pflanzenkohle z.B. als Zusatz bei der Tierfütterung oder beim Anpflanzen von Stadtbäumen reichen jedoch derzeit etwa 100 € pro Tonne CO2 aus, um zertifizierter Kohle zu deutlich größerer Marktdurchdringung zu verhelfen. Das EBI geht einerseits davon aus, dass sich zukünftig die Herstellkosten der Pflanzenkohle durch Weiterentwicklungen in der Anlagentechnik und durch innovative Geschäftsmodelle deutlich reduzieren lassen und dass andererseits mittel- bis langfristig mit einem Anstieg des Wertes von dauerhafter Kohlenstoffsequestrierung zu rechnen ist. So geht das EBI davon aus, dass die Vergütung für die Senkenleistung zukünftig bis zu 50% der Kosten für die Kohle übernehmen kann, und die übrigen Kosten über den Anwendungsnutzen getragen werden.
(3) Bioenergy with carbon capture and storage (BECCS)
BECCS ist die Abscheidung und geologische Lagerung von CO2, das bei der Verbrennung von Biomasse entsteht. Da Biomasse bei nachhaltigem Anbau und Nutzung als Reststoff weitgehend CO2-neutral ist, wird dadurch langfristig CO2 aus der Atmosphäre entnommen. Der Einsatz von BECCS ist durch die Menge der nachhaltig verfügbaren Biomasse sehr begrenzt. BECCS kann damit erst sinnvoll zum Einsatz kommen, wenn alle Möglichkeiten der vorherigen stofflichen Nutzung von Biomasse und Pyrolyse erschöpft sind. Eine neuere Untersuchung geht von einem maximalen sinnvoll nutzbaren Potenzial von 2,5 Gt pro Jahr (Hansen 2020).Die Berücksichtigung von Nutzungskonkurrenzen insbesondere der trockenen Biomasse, z.B. für die Pyrolyse kann hier noch zu starken Einschränkungen des Potentials führen.
(4) Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS)
DACCS bezeichnet die Abscheidung von CO2 direkt aus der Luft und seine anschließende Einlagerung in geeigneten geologischen Formationen. Durch Ventilatoren wird die Umgebungsluft eingesaugt und durch ein Sorptionsmittel gebunden. Der Energieaufwand und die Kosten für DACCS sind deutlich höher als für BECCS. Diese Technik kann daher erst zum Einsatz kommen, wenn überschüssiger erneuerbarer Strom verfügbar ist, der nicht bereits auf andere Weise emissionsmindernd eingesetzt werden konnte.
(5) Grünes Naphtha und stoffliche Bindung von CO2 in Polymeren (CCU)
Mit aus der Luft über Direct Air Capture entnommenem CO2 oder Biomasse werden mit aus Erneuerbaren Energien erzeugtem Wasserstoff zum Beispiel mittels FischerTropschSynthese „grünes“ Naphtha oder andere Kohlenwasserstoffe hergestellt. Diese werden zu Polymeren und im Weiteren zu Kunststoffen verarbeitet. Auch diese Technologie ist aufgrund des hohen Energiebedarfs erst bei einer Vollversorgung bzw. überschüssigen Strom aus Erneuerbaren Energien und einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft der hieraus entstandenen Polymere sinnvoll.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Das theoretische maximale Potenzial der Kohlenstoffspeicherung durch ein entsprechendes Landmanagement (vgl. MP 16) wird global mit 23,8 Gt. CO2e pro Jahr abgeschätzt (Griscom et al. 2017) und für die Vereinigten Staaten (USA) mit 1,2 (0,9 bis 1,6) Gt CO2e pro Jahr angegeben (Fargione et al. 2018). Etwa die Hälfte der Maßnahmen würde sich zu Kosten von bis zu 100 USD/t CO2e realisieren lassen (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine 2019). Aufgrund von Nutzungskonkurrenzen mit der Waldbewirtschaftung, der Lebensmittelproduktion, der Verfügbarkeit von Biomasse und auch der Biodiversität sowie politischen Rahmenbedingungen in den meisten Ländern wird das umsetzbare Potenzial deutlich kleiner ausfallen.
Für Deutschland wird das Potenzial an Senkenleistung durch Pflanzenkohle bis 2030 auf 10 Mio. CO2 und bis 2050 auf 50 Mio. Tonnen abgeschätzt (Mitteilung Lerchenmüller). Angaben zu den Beschäftigungspotentialen durch Pflanzenkohle konnten bisher nicht gefunden werden.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
Bisher gibt es zwar vielversprechende Ansätze für angemessene Regelungen einer bald wachsenden Senkenökonomie (carbonfuture, EBI 2021). Da die benötigten Volumina enorm sein werden, ist es notwendig baldmöglichst folgende Fragen gesetzlich zu regeln:
(1) Wer stellt auf transparente Weise sicher, dass eine Senkenleistung umweltverträglich umgesetzt wird und nach anerkannten Standards keine Sekundärschäden verursacht.
(2) Wie fließen die bislang freiwilligen Senkenleistungen unter Ausschluss jeglicher Doppelzählung in die nationale Berichterstattung zu den Treibhausgasen ein.
(3) Anpassung Düngemittelverordnung: Bisher ist in Deutschland zur Düngung nur Holzkohle aus naturbelassenem Holz erlaubt, nicht aus anderer Biomasse. Die bisherigen Erkenntnisse belegen das Potenzial von Biokohlen zur Verbesserung von Bodenfunktionen (z.B. Nährstoff- und Wasserhaushalt, Bodenreaktion, Bindung von Schadstoffen, Ertragsfähigkeit) vor allem in solchen Böden, die entsprechende Defizite aufweisen. Neben einer Bodenverbesserung fördern besonders Pyrolysekohlen aufgrund ihrer hohen Stabilität auch die C-Sequestrierung in Böden. Potenzielle Risiken durch organische Schadstoffe oder Schwermetalle sind durch entsprechende Grenzwerte und Kontrollen zu minimieren. Es sollte ein Reduktionspfad für die Verbrennung von Biomasse erarbeitet werden, ggf. mit der Auflage bestimmte Mindestmengen der Biomasse, die nicht stofflich genutzt werden kann, z.B. in Form von Pflanzenkohle in eine dauerhafte Senke zu verwandeln.
Klimadiplomatie zur Vereinheitlichung ambitionierter Klimastandards für Wettbewerbs- und Klimagerechtigkeit im Welthandel.
25 Jahren aktive Klimadiplomatie auf UN-Ebene - und trotzdem steigen die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre ununterbrochen weiter. Die bisherigen diplomatischen Anstrengungen für die Bildung von weltweiten Klimaschutzallianzen sind weitgehend gescheitert. Politik und Gesellschaft müssen Klimaschutz endlich als solidarische Aufgabe anerkennen.
Zusätzlich zu dem Pariser Klimaabkommen, das die Einzelstaaten in die Pflicht nimmt, müssen unsere Politiker daher weitere internationale Klimakoalitionen bilden, die sich länderübergreifend für Themen wie CO2-Preise, Carbon leakage, Verankerung vom Klimaschutz im Welthandelsrecht und Klimagerechtigkeit einsetzen.
Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, durch die:
- es möglich wird, Klimaschutzstandards und Klimaabgaben zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommen rechtsverbindlich im Welthandelsrecht (Art. XX GATT) zu verankern,
- sich Länder zum Beispiel im Rahmen eines „Klimaclubs der Willigen“ auf einheitliche CO2-Preise bzw. auf einheitlichere, staatlich veranlasste Preisbestandteile (IWF 2019) auf Energie verständigen können (vgl. MP 10),
- ein Grenzausgleich für CO2-Preise gegenüber Drittstaaten eingeführt wird, um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder verschieben, in denen die Emissionsauflagen nicht so streng sind (Carbon Leakage),
- die bisherigen Maßnahmen zum Schutz vor Carbon leakage durch Endproduktabgaben und Carbon Contract of difference ersetzt (vgl. MP 12) werden
- es eine einheitliche und angemessene Bepreisung von Emissionen im internationalen Flugverkehr gibt und die Einnahmen daraus in die Förderung von treibhausgasärmere Alternativen wie Bahnfahren und E-Fuels fließen
- Unternehmen international zur Bilanzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichten werden (vgl. MP 3)
- gemeinsame Standards für die Kennzeichnung von verwendeten Materialen in exportierten Produkte entwickelt werden, um materialspezifisches Sortieren und Recyceln zu vereinfachen (vgl. MP 4)
- Klimaschutzanforderungen und Berichtspflichten in den Regularien des internationalen Kapitalgesellschaftsrechts (Aktienrecht) verankert werden,
- beim internationalen Güterverkehr eine Speditionsabgabe eingeführt wird (vgl. MP 11),
- Deutschland in einen internationalen Klimafonds einzahlt für die Dekarbonisierung der Industrie und eine klimaverträgliche Landnutzung auch in weniger entwickelten Ländern
- EU-weit auf eine fahrleistungsbezogene PKW-Maut zur Internalisierung aller Externalitäten eingeführt wird (vgl. MP 7)
Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail
Der bisherige Ansatz des Pariser Abkommens, bei dem die Länder ihre eigenen Verpflichtungen festlegen ("Bottom-up"), muss durch weitere Initiativen Williger gestärkt werden. Klimaschutz sollte als eine solidarische Aufgabe anerkannt werden und neben der Lösung von Konflikten zur großen Aufgabe der Diplomatie werden. Dazu gehört die Verankerung von Klimaschutz im Welthandelsrecht z.B. durch die ausgesprochene Zulässigkeit von Klimaschutzstandards und entsprechenden Abgaben auf Treibhausgasemissionen. Bei Erfolg würde dies das nationale Handeln für den Klimaschutz deutlich vereinfachen und faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen erleichtern. Außer der EU im Rahmen des europäischen Emissionshandels haben laut dem Carbon Pricing Dashboard weltweit inzwischen 64 Initiativen CO2-Preise eingeführt oder planen sie einzuführen. Neben den offensichtlichen Plattformen wie den Klimakonferenzen oder im Rahmen von Handelsverträgen bieten vor allem die „CO2-Preis-Länder“ naheliegende Ansatzpunkte, um Verbündete für weitergehende Klimakoalitionen auch zu den Themen Carbon leakage, Bilanzierung und Bepreisung von Treibhausgasen, Kompensationsmechanismen, Speditionsabgabe, Klimaschutz und Welthandel, Klimagerechtigkeit u.v.m. zu finden.
(1) Internationaler Flugverkehr
Der Flugverkehr trägt nach einer internationalen Studie 3,5 % zur Klimaerwärmung bei (Lee et al. 2020, DLR 2020). Die Minderung der Treibhausgasemissionen des internationalen Flugverkehrs ist wesentlich von internationalen Maßnahmen und Abkommen abhängig. Die Vereinbarung Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) soll gemäß der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO-Resolution A39-3 das (einzige) Klimaschutzinstrument für die Emissionen von internationalen Flügen sein. CORSIA führt dazu, dass die Fluggesellschaften weltweit CO2-senkende Klimaschutzprojekte (Offsetting) finanzieren, in denen in entsprechender Größenordnung die Emissionen aus dem Luftverkehr kompensiert werden. CORSIA befindet sich noch bis 2023 in einer „Pilotphase“, und es können innerhalb folgender Programme „Kompensations“-Zertifikate erworben werden: American Carbon Registry, China GHG Voluntary Emission Reduction Program, Clean Development Mechanism, Climate Action Reserve, The Gold Standard, Verified Carbon Standard. Die Kritik an der Kompensation (Offsetting) nicht nur des internationalen Flugverkehrs sind vielfältig (Öko-Institut 2016, DEHSt 2018).
Die Entscheidung, dass der Luftverkehr die von ihm verursachten CO2-Emissionen durch Kompensationsmaßnahmen ausgleichen können soll, geht bis ins Jahr 1992 auf den Umweltgipfel in Rio zurück. Für den Zuwachs der Emissionen des europäischen Luftverkehrs gilt seit 2012 auch noch eine Regelung des europäischen Emissionshandels (EU-ETS). Damit sollen die Kohlendioxid-Emissionen des Luftverkehrs in Europa auf die Emissionen des Jahres 2005 begrenzt werde. Wenn das Luftverkehrsaufkommen wächst, also mehr geflogen wird, müssen die Fluggesellschaften zusätzliche CO2-Emissionen EU-ETS Zertifikate kaufen. 2018 deckte die kostenlose Zuteilung für von Deutschland verwaltete Luftfahrzeugbetreiber ca. 38 % ihrer CO2-Emissionen ab (dehst 2020).
Keine der bisherigen Anreiz- oder Begrenzungsregelungen zum internationalen Flugverkehr haben vor der Pandemie zu einer absoluten Einsparung der Treibhausgasemissionen im Flugverkehr geführt. Bis 2019 lagen die Effizienzgewinne beim Kerosinverbrauch bei weitem unter den Wachstumsraten des internationalen Flugverkehrs. Einnahmen aus einer Bepreisung des Treibhausgaspotenzials von Flugbenzin oder des Flugverkehrs sollten in die Förderung von treibhausgasärmeren Alternativen wie Bahnfahren und E-Fuels fließen.
(2) „Verpflichtende“ Kompensation
Neben dem internationalen Emissionshandel gibt es im Rahmen des Kyoto-Protokolls, das 1997 als Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beschlossen wurde, zwei projektbezogene „Flexible Mechanismen“, die die Industrieländer dabei unterstützen sollen, ihre zugesagten Emissionsreduktionsziele zu erreichen: durch „Joint Implementation“ (IJ) zwischen Industriestaat und Industriestaat und den „Clean Development Mechanism“ (CDM) zwischen Industriestaat und Entwicklungsland lassen sich Emissionsgutschriften von Projekten im Ausland bei den eigenen territorialen Emissionen anrechnen.
Damit können über zertifizierte Emissionsreduktionen (CER) Privatpersonen, Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Kommunen durch den Kauf und die Stilllegung von so genannten Certified Emission Reductions (CER) weltweit eine Vielzahl an Projekten in anderen Industriestaaten oder Entwicklungsländer unterstützen, die mehr oder weniger Treibhausgasemissionen reduzieren. Zertifikate dieser Projekte finden ebenso Einsatz bei der verpflichtenden Abgabe von europäischen Industrieunternehmen gemäß dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) gemäß Kyoto-Protokoll und unterliegen daher der Kontrolle der UNFCCC. Unternehmen, welche dem Emissionshandel unterliegen, können einen Teil ihrer jährlichen Verpflichtung der Abgabe von Emissionsrechten durch CER erfüllen. Die Projekte müssen zur Nutzung im ETS speziellen Anforderungen entsprechen und dürfen z. B. nicht aus Forstprojekten stammen oder aus speziellen Industriegasprojekten, da sie sonst im verpflichtenden Handel nicht nutzbar wären.
Sowohl die IJ, als auch die CDM-Projekte mit deutscher Beteiligung finden sich in einer Datenbank bei der Deutschen Emissionshandelsstelle. Die Gutschriften aus Klimaschutzprojekten (CER aus dem CDM beziehungsweise ERU aus JI) sind allerdings weltweit handelbar. So kann aus den Infos der Datenbank nicht eindeutig geschlossen werden in welchem Umfang deutsche Unternehmen sich tatsächlich an solchen Projekten beteiligen bzw. bereits Gutschriften aus solchen Projekten erworben haben.
(3) Freiwilliger Kompensationsmarkt
Der freiwillige Erwerb und die Löschung von EU-ETS Zertifikaten (Emissionsberechtigungen) sind eine Form der freiwilligen „Kompensation“. Durch freiwilligen Kauf und Löschung werden die Zertifikate verknappt. Die zum 1.1.2019 eingeführte Marktstabilitätsreserve nimmt jedoch Einfluss auf diese Form der Verknappung (UBA 2020) indem sie unter einem Schwellenwert wieder Zertifikate zur Verfügung stellt. Sie kann damit die Reduktionswirkung der Verknappung durch den freiwilligen Erwerb von EU-ETS Zertifikaten schmälern.
Das wachsende Interesse von Unternehmen aber auch von Kommunen und Privatpersonen, „klimaneutral“ zu werden, treibt einen inzwischen stark ansteigenden immer unübersichtlichen Markt an freiwilligen Kompensationsprojekten und Anbietern (DEHSt 2019). Für die freiwillige Kompensation gibt es bis heute kein zentrales Anerkennungsverfahren und keinen einheitlichen, verbindlichen Standard.
Selbst Banken bieten ihren Kunden inzwischen mit z.B. 15 € pro Monat (Tomorrow) ein „klimaneutrales Leben“ an. Hierbei werden 11,3 Tonnen CO2 mit 180 € pro Jahr = 15 € pro Tonne CO2 „klimaneutral“ gestellt. Der Durchschnitt der „Kosten“ der dann durchgeführten Kompensationsmaßnahmen liegt noch weit geringer (Ecossystemmarketplace 2021). Wenn aber gleichzeitig die durchschnittlichen Treibhausgase des Kompensierenden nicht rapide abnehmen, kann eine Begrenzung der Erderwärmung nicht erreicht werden.
Ob es sich um einen UN-regulierten Compliance-Mechanismus oder den freiwilligen Kohlenstoffmarkt handelt, für alle Arten der Kompensation gilt, dass der Nachweis einer Verbesserung des „Business as usual" noch kein Nachweis dafür ist, dass damit die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre sinken und die Erderwärmung begrenzt werden kann. Die Frage stellt sich, ob Zertifizierungsstandards den glaubwürdigen Nachweis einer individuellen oder unternehmerischen „Klimaneutralität“ überhaupt erbringen können.
Das bedeutet nicht, dass viele der Projekte, die hinter dem Etikett „Kompensation“ stecken, nicht sinnvoll sind. Nur das Etikett „klimaneutral“, mit dem die meisten Anbieter ihre Kompensationsprojekte bewerben, kann nicht halten, was es verspricht. Große Teile der Kohlenstoffmärkte müssen sich diesen Etikettenschwindel eingestehen, ihn korrigieren und zu neuen Formen und Regeln kommen, die zumindest potenziell die Begrenzung der Erderwärmung erreichen lassen (Kreibich et al. 2020). Hierzu würde gehören, Finanzierungspakete zu schnüren, die einerseits Suffizienzanreize schaffen, und zum anderen, die CO2-Vermeidungskosten derjenigen Technologien in den Blick zu nehmen, die z.B. ein Wohnen, Arbeiten und Reisen auch ohne den Ausstoß von Treibhausgasen ermöglichen sowie bereits verfügbare bilanzierbare und zertifizierte Negativemissionen (vgl. Carbon future) finanziert und umsetzt. Hinzu kommen müssen überprüfbare Mechanismen, die Doppelzählungen von Treibhausgasminderungen in den THG-Inventarberichten ausschließen (Unger 2018, Michaelowa et al. 2021).
(4) Klimaschutzstandards und Klimaabgaben im Welthandelsrecht (Art. XX GATT) zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens rechtsverbindliche ermöglichen
Im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll, das absolute Reduktionsziele für Industriestaaten auf halbwegs gleicher Bemessungsgrundlage enthielt, erlaubt das 2015 verabschiedete Pariser Abkommen den Vertragsparteien, ihre Nationally Determined Contributions (NDCs) und die damit verbundenen Minderungsziele selbst zu definieren. Zudem sind in den Artikeln 6.2 und 6.4 des Abkommens Bestimmungen für ökonomische Instrumente, wie einen CO2-Mindestpreis und Grenzsteuerausgleich (Marktmechanismen) zwar enthalten, deren Verfahren müssen aber noch verhandelt und verabschiedet werden, um den Druck zu erhöhen entsprechende Instrumente auch im Welthandelsrecht verbindlich zu ermöglichen. Zusätzlich sollte man in Handelsabkommen ein Lieferkettenmanagement mit verpflichtender Bilanzierung der Treibhausgas vereinbaren.
(5) Klimaclub der Willigen
Die deutsche und europäische Klimadiplomatie sollte sich zum Ziel setzen, dass möglichst viele Staaten einem „Klimaclub“ (Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Klimaclub 2021) beitreten, der:
- seine Unternehmen auf die Bilanzierung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet (vgl. MP 3),
- gemeinsame Standards für die Kennzeichnung der verwendeten Materialen in exportierten Produkten entwickelt, um das materialspezifische Sortieren und Recyceln zu vereinfachen (vgl. MP 4),
- sich auf einheitliche CO2-Preise oder noch besser auf einheitliche staatlich veranlasste Preisbestandteile (IWF 2019) auf Energie verständigt (vgl. MP 10),
- sich auf an Umwelt-, Klimaschutz- und Sozialstandards angepasste Handelsregeln einigt,
- Klimaschutzanforderungen und Berichtspflichten in den Regularien des Kapitalgesellschaftsrechts (Aktienrecht) einführt,
- in der IMO die Vereinbarungen von Paris durchsetzt und eine Speditionsabgabe einführt (vgl. MP 11),
- EU-weit auf eine fahrleistungsbezogene PKW-Maut drängt (vgl. MP 7),
- die bisherigen Maßnahmen zum Schutz vor Carbon leakage durch Endproduktabgaben und Carbon Contract of difference ersetzt (vgl. MP 12),
- die Möglichkeit des Kompensierens (Offsetting) abschafft oder fundamental reformiert,
- sich für eine wirksamere Alternative zu CORSIA einsetzt,
- sich für einen internationalen Klimafonds für die Defossilisierung der Industrie und eine klimaverträgliche Landnutzung auch in weniger entwickelten Ländern einsetzt,
- einen Grenzausgleich gegenüber Drittstaaten einführt.
Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen
Der Einfluss Deutschlands und der EU auf Emissionen geht weit über die territorialen Emissionen Deutschlands bzw. der EU hinaus (Fezzigna et al. 2019). Im Jahr 2015 betrug das Verhältnis zwischen importierten und exportierten Emissionen mehr als 3:1 für die EU-28, die 1.317 Mt CO2 aus dem Rest der Welt (hauptsächlich aus China und Russland) importierte, während sie nur 424 Mt CO2 exportierte.
Dazu trägt insbesondere der Anteil Deutschlands in Höhe von 7% am Welthandel bei. Die zunehmende Verpflichtung zur Bilanzierung der Treibhausgasemissionen (vgl. MP 3) legt diese produktspezifischen Emissionen offen und ist ein entscheidender Schritt zur Minderung der Emissionen durch die Lieferkette. Energie- und Verkehrswende und die zunehmende Digitalisierung werden die ohnehin schon hohe Nachfrage nach Rohstoffen für Batterien und Elektrogeräte erhöhen. Damit kommt auch den Anforderungen zu einem nachhaltigen Umgang (Bergbau, Recycling) mit diesen Rohstoffen eine immense Bedeutung zu. Auch diese Themen könnten im Rahmen dieser Klimakoalitionen aufgegriffen werden.
Vorschläge für die rechtliche Umsetzung
(1) Einfluss als Mitgliedsstaat auf die einschlägigen Regelungen internationaler Organisationen wie WTO, WHO, UNO, IMO in oben genanntem Sinne intensivieren.
(2) Die WTO-Mitgliedsstaaten sind sehr weitgehend auch Mitglied des Übereinkommens von Paris. Es liegt daher im Interesse Aller, kurzfristig völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen zum Klimaschutz und zum Freihandel aufeinander abzustimmen.
(3) Willige Staaten könnten als Mitglieder eines Klimaklubs, wie ihn der Wirtschaftsnobelpreisträger Nordhaus vorgeschlagen hat, vorangehen und Mechanismen des Grenzausgleichs, wie z.B. Endproduktabgabe oder entsprechende Bilanzierungspflichten miteinander vereinbaren. Dazu bedarf es keines weiteren formalen Zusammenschlusses. Ebenso könnten die EU und andere Staaten in Freihandelsabkommen vereinbaren, die entsprechenden Instrumente als Teil ihrer nationalen Klimaschutzpolitiken zu nutzen. Der von Nordhaus vorgeschlagene Weg von echten Klimazöllen wäre nur mit einer entsprechenden Friedensklausel, Änderungen im WTO-Recht möglich (vgl. Zengerling 2020).
(4) Sorgfaltspflichten für Unternehmen über internationale Lieferketten hinweg verbindlich auch für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen und zum Klimaschutz vereinbaren (vgl. Oxfam 2016). Aufwuchspfad E-Fuels für Flugverkehr (Die globalen Emissionen des zivilen Luftverkehrs betrugen im Jahr 2018 rund 918 Mio. Tonnen Kohlendioxid (CO2), ein Anstieg um 32 % seit 2013.)
Dr. Carsten Linnemann hat noch keine Meinung zu den oben genannten Maßnahmen Paketen gegeben. Schicken Sie ihm eine E-Mail mit der Aufforderung an der Abstimmung mit teilzunehmen!