Warum ein CO2-Preis immer durch Ordnungs- und Förderrecht flankiert werden muss

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Bis heute hätte die Bundesregierung die Emissionshandelsrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Was jetzt geschehen muss, beschreiben Dr. Jörg Lange und Craig Morris.

Seit 2021 belegt das Bundesemissionshandelsgesetz (BEHG) die Inverkehrbringer von fossilen Energien in den Sektoren Wärme und Verkehr mit einem CO2-Preis. Mit dem ETS II wird ähnlich dem BEHG nun ab 2027 Wärme und Verkehr ein zweiter Emissionshandel parallel zum Emissionshandelssystem (ETS I) der EU entstehen, das seit 2005 Emissionszertifikate in den Sektoren Strom und Industrie ausgibt.

Bisher sind viele davon ausgegangen, dass das deutsche BEHG vom ETS II abgelöst wird. Doch es kommt darauf an, wie die nationale Umsetzung des ETS II in Deutschland aussieht. Ein Unterschied zwischen dem BEHG und dem ETS II ist die anfängliche Festsetzung des Preises für CO2. Beim BEHG wird der Preis für einen Zeitraum festgelegt (derzeit 45 Euro pro Tonne CO2) und steigt jährlich an. Beim ETS und ETS II wird der Preis von den Marktteilnehmern laufend ausgehandelt. Durch Hedging können sich jedoch Marktteilnehmer gegen zu hohe Preise absichern. Maßnahmen wie die Marktstabilitätsreserve schaffen auch eine Art Preiskorridor, indem die Anzahl der handelbaren Zertifikate nachjustiert wird. Flankierende nationale Klimaschutzmaßnahmen, wie z.B. das EEG, die ihrerseits den Ausbau der Erneuerbaren stärken, senken den Preis ohnehin.

Bislang gehen Abschätzungen zur Entwicklung des CO2-Preises im Gebäudebereich noch weit auseinander (vgl. Tabelle unten von FÖS). Die Spanne bis 2030 reicht von 48 bis 350 Euro pro Tonne CO2, ein Unterschied von rund 600%. Hier wird vor allem aus der Spalte „Ansatz“ klar, dass die EU-Kommission davon ausgeht, dass niedrigere CO2-Preise vor allem durch effiziente flankierende Klimaschutzmaßnahmen zustandekommen.

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Es wird auch daneben Förderungen geben, z.B. für Wärmepumpen und Dämmung. Wenn man nicht weiß, wie hoch der CO2-Preis sein wird, läuft man die Gefahr einer Unter- oder Überförderung bei solchen Maßnahmen. Befürchtet wird auch, dass es 2027 zu einem gewaltigen Preissprung beim Wechsel vom BEHG auf ETS II kommt (Agora Energiewende 2023).

Nationale CO2-Preise wie im BEHG dürfen explizit neben dem ETS II weiter bestehen (Stiftung Umweltenergierecht 2023). Diese Flexibilität eröffnet eine Chance. Es gibt aus der Wissenschaft zahlreiche Vorschläge, wie man den Emissionshandel z.B. durch Preisstabilitätsmechanismen in Richtung eines verlässlicheren CO2-Steuerkorridors gestalten könnte (vgl. z.B. Perino et al. 2021). Ein Preiskorridor entwickelt den Emissionshandel hin zu einer planbaren CO2-Steuer.

Der Vorteil ist dann, dass man auch andere effiziente Klimaschutzmaßnahmen, vor allem Förderinstrumente, nach dem CO2-Preis ausrichten oder an ihm orientieren kann. Aus Sicht des KiB e.V. kommt es ohnehin darauf an, Ordnungs-, Förder- und Bepreisungspolitik für Gebäude besser aufeinander abzustimmen:

  • Ökonomische Anreize (Bepreisung): Der Ausstoß an CO2 bzw. Treibhausgasemissionen ist bislang nicht das maßgebliche Bewertungskriterium im GEG (das Ziel ist 65% erneuerbare Wärme), sollte es aber werden.
  • Standards durch Ordnungsrecht setzen: Bei Neubauvorhaben, bei der Instandsetzung von Heizungsanlagen oder der Sanierung von Bestandsgebäuden sollten ordnungspolitische Vorgaben die CO2-Bepreisung unterstützen: z.B. Energiestandards, Auslaufpfade für fossile Anteile, Ausbaupfade für den Anteil an Erneuerbarer Wärme, oder noch besser Reduktionspfade für den Ausstoß von Treibhausgasen. Im GEG sind derzeit nur ein Betriebsverbot von Heizkesseln mit fossilen Brennstoffen ab 2045 und ein Pauschalwert von 65% erneuerbar Wärme vorgesehen.
  • Anreize durch gezielte Förderung und/oder Entlastungen gegenläufig zum Anstiegspfad des CO2-Preises setzen, wie z.B. über die BEG.

Eine politische Verständigung darüber wird allerdings nicht einfach. So würde SPD-Klimapolitiker Matthias Miersch vermutlich einen Instrumentenmix zwischen Förderung, Bepreisung und Ordnungsrecht begrüßen (FES 2020). Andere Parteien wie die FDP setzen ganz auf „harte“ Emissionsobergrenzen via Emissionshandel. Ob sie am Ende die hohen CO2-Preise eines harten Cap auch politisch durchhalten würden, kann jedoch bezweifelt werden.

Am Ende sollte also der Emissionshandel eher wie eine Steuer wirken, wenn es um die Planbarkeit geht. Auch wenn der ETS in der Politikblase sehr beliebt ist, ist der europäische Emissionshandel in seiner heutigen Form komplex und wenig transparent. Die kostenfreie Zuteilung, die Marktstabilitätsreserve, der Grenzsteuerausgleich, Strompreiskompensation, überschüssige Zertifikate u.v.m. macht den ETS zu einem für die allermeisten nicht verständlichen Instrument. Wer überschüssige Verschmutzungsrechte (Zertifikate) besitzt und aus welchem Grund auch immer verkauft (z.B. Spekulation), ist nicht öffentlich zugänglich. Und auch die genaue Ausgestaltung des Grenzausgleichs ist noch nicht abgeschlossen, wie z.B. die Frage, wie mit der Anerkennung von CO2-Preisen in Drittstaaten und deren Anrechnung auf die CBAM-Verpflichtungen umgegangen werden kann (vgl. UBA 2024).

Eine Umsteuerung vom Emissionshandel z.B. auf eine sehr viel einfachere fossile Kohlenstoffsteuer (nova institut 2021) im Rahmen des politischen Instrumentenmix zwischen Förder-, Bepreisungsmechanismen und ordnungspolitischen Vorgaben scheint jedenfalls politisch auf europäischer oder bundespolitischer Ebene längst nicht mehr durchsetzbar. Bis der EU-ETS II für die Bereiche Verkehr und Gebäude greift, sollte das Brennstoffemissionshandelsgesetz, ähnlich zu den Vorschlägen zu einer Preisstabilitätsreserve, so ausgestaltet werden, dass in Ergänzung zum EU-ETS II die CO2-Preise in einem kontinuierlich steigenden Korridor bleiben und somit planbar und verlässlich für Investitionsentscheidungen werden und nicht so stark schwanken wie beim EU-ETS I.

Letztlich bleibt die Feststellung, dass der Emissionshandel – trotz seiner Beliebtheit bei vielen Politikern und Wissenschaftlern in Europa – immer weniger das alles dominierende Instrument im Klimaschutz sein kann. Ökonomen bevorzugen solche „cap and trade“ Instrumente, weil sie in der Theorie CO2-Minderungsoptionen in der Reihenfolge ihrer Bezahlbarkeit – also effizient – abarbeiten. Die Theorie des ETS geht also davon aus, dass wir begrenzt Geld, aber genug Zeit und Ressourcen haben und das cap nur knapp genug gesetzt sein muss. Das mag Anfang der 1990er Jahre der Fall gewesen sein, doch die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 den Ausstoß von Treibhausgasemissionen auf Null gesenkt zu haben. Bis dahin sind es nur noch 21 Jahre. Immer mehr Autos, Fenster, Heizungen, Industrieanlagen u.v.m., die wir heute neu anschaffen, sind aber vermutlich 2045 noch im Gebrauch. Zunehmend müssen also alle Neuanschaffungen klimaneutral-ready sein. Da erscheint das Ordnungsrecht ein die CO2-Bepreisung notwendig ergänzendes Mittel – z.B. als Grenzwerte und Verbote für den Einsatz von Kühlmitteln mit hohem Treibhausgaspotential oder das Verbot im Gebäudeenergiegesetz, dass ab 2045 kein Kessel mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben werden darf.

Weitere wertvolle Infos zum Emissionshandel finden sich in den Präsentationen der Vortragsreihe „Green Deal erklärt“ der Stiftung Umweltenergierecht unter https://stiftung-umweltenergierecht.de/vortraege-green-deal-erklaert/.

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