PM: Schutz des Außenbereichs im Rahmen der BauGB-Novelle (Bauturbo)

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Freiburg/Berlin, den 05.10.2025

Anlass
Am 8. Oktober berät der Bauausschuss erneut den sogenannten Bauturbo (Tagesordnung der nicht-öffentlichen Sitzung).Das ist eine der letzten Möglichkeiten, um Änderungsanträge in das Verfahren einfließen zu lassen.
Aktuell riskiert die Bundesregierung zwei fundamentale Grundsätze der modernen Stadtentwicklung zu verfehlen: (1) Innen- vor Außenentwicklung und (2) Stadt der kurzen Wege.

(1)    Innen- vor Außenentwicklung

In dem aktuellen Gesetzentwurf wird die Bebauung des Außenbereichs ohne Bebauungsplan ermöglicht. Dies könnte einen massiven Flächenverbrauch vor allem durch Einfamilienhäuser nach sich ziehen.
Neben Fachverbänden (Stadtplanung, Architektur) warnen auch Stakeholder, die der Union traditionsgemäß nahe stehen, vor den Folgen. (Bauernverbände)
Befürchtet werden:
•    Wildwuchs im Außenbereich (Deutscher Bauernverband)
•    Verstoß gegen das Ziel Flächenverbrauch auf Netto-Null bis 2035 (Bad. Landwirtschaftlicher Hauptverband e.V.)
•    unkontrollierte Zersiedelung der Landschaft (Bundesrat)
•    keine Berücksichtigung von Zielen der Raumordnung (Bundesrat)
•    freie Außenbereiche sind für die Städte schützenswert für Frischluft, Trinkwasser, Lebensmittel- oder Energiepro- duktion (Stellungnahme von Kommunen)
•    Bauturbo widerspricht dem Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung (Katholische und Evangelische Kirche)
•    beschneidet das Potenzial für Mixed-Use-Objekte z.B. Oben wohnen, unten Ärzte
•    konterkariert das Konzept der Stadt der kurzen Wege

Deutscher Bauernverband

Der Bauernverband hat in seiner Stellungnahme klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Öffnung des Außenbereichs für ihn inakzeptabel ist. Stattdessen schlägt er vor, die Innenentwicklungspotenziale zu nutzen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.(Deutscher Bauernverband Stellungnahme)
„Der sog. „Bauturbo” sorgt für Wildwuchs im Außenbereich. Wohnraumbedarf ist zweifellos vorhanden, rechtfertigt aber nicht, alle anderen Belange (unangemessen) hinten anzustellen. Es wird unzureichend gewährleistet, dass das tatsächliche Wohnungspotenzial des Innenbereichs eine umfängliche Berücksichti-gung findet. Der Gesetzesentwurf selbst spricht in der Begründung davon, dass ein Abweichen von den Regelungen des BauGB trotz der daran angeknüpften Voraussetzungen „Vereinfachungsmöglichkeiten in einer nicht vorab abschließend zu benennenden Vielfalt” ermöglicht. Genau dies hat der Umgang mit dem europarechtswidrigen § 13b BauGB deutlich als Fehlgebrauch aufgezeigt. Weniger die Großstädte als vielmehr kleinere Kommunen mit Innenbereichspotenzial für mehr Wohnraum machten davon Gebrauch, was bekanntlich zur Verödung der Ortskerne führte (sog. Donut-Effekt)“ (S.8)

Badischer landwirtschaftlicher Hauptverband

Auch auf der Landesebene bemüht sich der Bauernverband den Außenbereich zu schützen.
Gemeinsam mit Umweltverbänden hat er 2023 den Volksantrag „Ländle leben lassen – Flächenfraß stoppen“ initiiert.
In diesem Zusammenhang unterstreicht er die Notwendigkeit einen Paradigmenwechsel in der Siedlungspolitik einzuleiten.
Obwohl über 52.000 Unterschriften gesammelt wurden, ging der Landtag auf keine Forderung des Bündnisses ein, dementsprechend enttäuscht zeigten sich die beteiligten Verbände (Badischer landwirtschaftlicher Hauptverband)
„Angesichts der klaren Aussage im Koalitionsvertrag, den Flächenverbrauch kurzfristig auf 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren, betrachten die Initiatoren von Ländle leben lassen die Entscheidung als nicht nachvollziehbar. Der hohe Flächenverbrauch, der vor allem im ländlichen Raum stattfindet, wäre nicht notwendig. In denselben Dörfern, in denen alle paar Jahre neue Einfamilienhausge- biete ausgewiesen werden, stehen oft Häuser und Wohnungen leer, sind bestehende Bauflächen ungenutzt und andere Verdichtungspotenziale werden nicht ausgeschöpft“.

Bundesrat

Mit acht angeführten Landesregierungen ist die Union die dominante Kraft innerhalb des Bundesrats. Darüber hinaus haben die Länder eine hohe Kompetenz, wenn es um das Thema Raumordnung und Städteentwicklung geht. Dementsprechend wichtig ist ihr Votum, wenn es um dieses Problemfeld geht. Das Bauplanungsrecht und damit die BauGB-Novelle ist reine Bundessache, somit muss der Bundesrat das Gesetz nicht ratifizieren.
Obwohl der Bundesrat formal kein Mitspracherecht hat, hat er sich in Form einer Stellungnahme in den Diskurs eingebracht ist, was äußerst selten ist und die hohe Brisanz verdeutlicht. Konkret macht der Bundesrat vier Regelungsvorschläge wie der Außenbereich geschützt werden kann, ohne das Kernanliegen (bezahlbarer Wohnraum) zu schwächen. Ebenso sieht er die Möglichkeiten für den weiteren Ausbau von Erneuerbaren Energien gefährdet. Auch die prioritäre Entwicklung von Gebieten, die gut an die vorhandene Verkehrsinfrastruktur angebunden sind, werde konterkariert. (Stellungnahme des Bundesrats zur BauGB-Novelle)
„Eine solche Regelung ermöglicht die unkontrollierte Zersiedelung des Außenbereichs und gefährdet hierdurch den Außenbereichsschutz […] Eine solche unbestimmte Regelung widerspricht dem Grundsatz auf sparsamen Umgang mit Grund und Boden sowie dem Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung. Schließlich verursacht eine entsprechende Wohnraumausweitung in den Außenbereich aufgrund der hierdurch entstehenden zusätzlichen Immissionsorte ein unkalkulierbares Risiko für die eigentlich nach § 35 BauGB privilegierten Vorhaben, insbesondere Anlagen zum Ausbau erneuerbarer Energien […] Die Intention dieses Gesetzentwurfs, die Schaffung von Wohnraum zu erleichtern und zu vereinfachen wird sehr begrüßt. Dennoch wird mit der Einführung des § 246e BauGB-E (anders als etwa mit der Ergänzung des § 34 BauGB um Absatz 3b) zumindest in Teilen der falsche Weg beschritten […]
Die Sonderregelung in § 246e BauGB-E ermöglicht somit auch Wohnbauvorhaben im räumlichen Zusammenhang von sehr kleinen Ortslagen und sogar in der Umgebung von isoliert im Freiraum liegenden kleinen Bebauungsplanflächen (zum Beispiel für einzelne Gewerbebetriebe).
Die über die Raumordnung angestrebte wirtschaftlich effiziente und verkehrsvermeidende Konzentration der Siedlungsentwicklung auf infrastrukturell gut ausgestattete und angebundene Bereiche wird damit konterkariert und zudem die weitere Zersiedelung der Landschaft begünstigt […] Dies würde dem Leitbild einer nachhaltigen europäischen Stadt der „Neue Leipzig-Charta“ widersprechen, das Grundlage jeder Siedlungsentwicklung sein sollte […] Eine zusätzliche Flächenversiegelung gerade in sensiblen klimatischen Bereichen oder Überschwemmungsbereichen würde zu erheblichen Problemen führen“. (S. 14 ff)

Falls der Außenbereich dennoch Teil des Gesetzentwurfs bleibt, macht der Bundesrat behelfsmäßig noch folgenden Vorschlag, um die schlimmsten Konsequenzen abzuwenden:
„Zumindest sind drei elementare Anforderungen für verbindlich zu erklären: Das Gewährleisten einer aus- reichenden Erschließung (v. a. auch bezogen auf die Abwasserbeseitigung und Trinkwasserversorgung), die Vereinbarkeit von größeren, raumbedeutsamen Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung sowie die Berücksichtigung von Klimawandelfolgen. Gerade letzteres ist vor dem Hintergrund der aktuellen Hitzeperioden sowie Starkregen- und Hochwasserereignisse der letzten Jahre unabkömmlich; dabei sind insbesondere auch die wasserrechtlichen Bestimmungen zu Überschwemmungsgebieten zu beachten“ (S. 18)

Kommunen

Anlässlich der Sachverständigen-Anhörung im Rahmen der öffentlichen Ausschusssitzung des Bauausschuss am 10.09.2025 haben sich neun Kommunen mit eigenen Forderungen zur BauGB-Novelle eingeschaltet.(Gemeinsame Stellungnahme der Kommunen) Darunter auch zwei die Unions-geführt sind (Bayreuth und Düsseldorf). Ein zentraler Punkt ist die Begrenzung des Anwendungsbereichs des neuen § 246 e auf den Innenbereich.
„der Außenbereich gegenüber der Innenentwicklung geschützt und vom „Bauturbo“ weitgehend ausgenommen wird,“
„Den „Bauturbo“ begrenzen: Außenbereiche sichern! Die Außenbereiche sind planungsrechtlich vor Bebauung geschützt, weil sie herausragende Funktionen für die Versorgung der Städte, z.B. für die Frischluft-, Trinkwasser-, Lebensmittel- oder Energieproduktion, übernehmen. Diese schützenswerten Belange dürfen nicht durch den „Bauturbo“ aufs Spiel gesetzt werden. Allein die „Außenbereiche im Innenbereich“ – meist innerstädtische, gut erschlossene Areale – sollten als Potentiale mit Hilfe des „Bauturbos“ gehoben werden können. Hingegen droht bei einer generellen Anwendungsmöglichkeit des „Bauturbos“ an Siedlungsrändern die Entstehung von Wohnsiedlungen ohne ausreichend Anschluss und Versorgung, die mit hohen Kosten nachgerüstet werden müssten“

Katholische und Evangelische Kirche

Die politischen Vertretungen der beiden Hauptkirchen in Deutschland haben sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Der Außenbereich erfülle wichtige Aufgaben für die Gesellschaft, Wohnraum gehöre nicht dazu. Damit widerspreche die Bundesregierung dem Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung, so die Gemeinsame Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe (Katholisches Büro in Berlin) und des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union 03.09.2025.
„Dann würde der Anwendungsschwerpunkt des § 246e BauGB-E allerdings wohl im Außenbereich liegen. Gerade im Außenbereich sind aber Vorhaben des Wohnungsneubaus besonders problematisch, da dieser Bereich grundsätzlich von der Bebauung freigehalten werden und solchen Vorhaben Raum geben soll, die aufgrund ihrer Art und ihres Bedarfs auf den Außenbereich angewiesen sind. Die Wohnbebauung gehört nicht hierzu […] Somit kehrt § 246e BauGB-E letztlich die von uns vertretene Priorisierung des Bauens im Bestand und der Umnutzung von Nichtwohngebäuden vor dem Neubau auf versiegelten Flächen vor dem Neubau auf bisher unversiegelten Flächen um. Wir halten das aus den genannten ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen für verfehlt und für ein falsches Signal an die Bau- und Immobilienwirtschaft. Auch gesellschaftlich setzt § 246e BauGB-E so ein ungutes Zeichen.“ (S. 14)

Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

“Angesichts der vorgeschlagenen weitreichenden Abweichungsmöglichkeiten vom geltenden Planungsrecht können wir allerdings nicht ausschließen, dass langfristige städtebauliche Ziele zur nachhaltigen, funktionalen und sozial ausgewogenen Stadtentwicklung der Kommunen konterkariert werden.
Die beabsichtigten Regelungen der §§ 246e, 31 Abs. 3 sowie 34 Abs. 3b BauGB-E stellen einen erheblichen Eingriff in die kommunale Planungs- und Steuerungshoheit dar. Sie werden absehbar mit langfristig höheren Folgekosten, städtebaulichen Fehlentwicklungen sowie einem deutlich wachsenden kommunalen Koordinierungsaufwand einhergehen.”

(2)    Stadt der kurzen Wege

Der Bauturbo ist aktuell nur für reine Wohngebäude zulässig. Damit verpufft ein Großteil des erhofften Beschleunigungseffekts. Gerade wenn Supermärkte aufstocken sollen, funktioniert das häufig nur mit einem Abriss und Ersatzneubau.
Daraus resultiert ein Mixed-Use-Objekt: oben wohnen, unten Einzelhandel. Aber genau diese gemischte Nutzung ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen.
Verbände über alle Lager hinweg (Bauindustrie, Umweltverbände, ArchitektInnen, Handwerksverbände) fordern, dass auch Gebäude mit einem untergeordneten Gewerbeanteil zulässig sind. Damit wären innovative Bauprojekte möglich, die einen echten Mehrwert für alle AnwohnerInnen bieten.

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