Ausblick 2.Halbjahr 2020 – Konjukturpaket, Kohleausstieg und EU-Ratspräsidentschaft

Konjunkturpaket
In den letzten Sitzungstagen vor der Sommerpause stehen noch die Verabschiedung von milliardenschweren Gesetzespaketen im Bundestag an. Am 2. Juli das zweite Nachtragshaushaltsgesetz und Gesetz über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets. Im Konjunkturpaket sind mehr als 130 Milliarden Euro für die Jahre 2020 und 2021 vorgesehen, davon etwa 80 Milliarden Euro für Konsummaßnahmen und 50 Milliarden Euro für Investitionen. Für eine sozialökologische Transformation reicht das Paket bei weitem nicht. Neben der Finanzierung der „Wasserstoffstrategie“ sind elf Milliarden Euro zur Senkung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgesehen.

Senkung der EEG Umlage (Änderung der Erneuerbare-Energien-Verordnung)
Zur Absenkung der EEG-Umlage aus Haushaltsmitteln muss auch die Änderung der Erneuerbare-Energien-Verordnung  im Bundestag abgestimmt werden. Ohne politischen Eingriff könnte die EEG-Umlage laut Agora Energiewende im Jahr 2021 auf 8,6 Cent und laut EWI auf bis zu 10 Cent pro Kilowattstunde ohne die Absenkung aus Haushaltsmitteln (z.B. aus der CO2-Bepreisung über das Brennstoffemissionshandelsgesetz) ansteigen.

Reform des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)
Die Reform des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wurde zwar von der Bundesregierung Ende Mai beschlossen u.a. mit einem anfänglichen CO2-Preis von 25 € pro Tonne CO2, einen Termin für die Verabschiedung des Gesetzes gibt es jedoch noch nicht. Voraussichtlich für den 19. September ist auf Betreiben der FDP Fraktion eine weitere Anhörung zur Verfassungskonformität des BEHG geplant. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hatte dazu ein Rechtsgutachten des Staats- und Verwaltungsrechtlers Prof. Wernsmann von der Universität Passau zur Verfassungskonformität des BEHG vorgelegt.

Kohleausstieg
Über die Gesetze zum geplanten Kohleaustieg stimmt der Bundestag am Freitag, 3. Juli 2020 ab. Im Vorfeld hat sich die Bundesregierung mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke und Tagebaue auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geeinigt.
Der Vertrag gibt kaum Aufschluss darüber, wofür die Konzerne eigentlich entschädigt werden, wie Stellungnahmen vom FÖS und den Rechtsanwälten Gaßner & Buchholz kritisieren.

Zweifel gibt es auch darüber, ob die EU-Kommission die Entschädigungszahlungen als zulässige Beihilfe einstuft. Insbesondere Felix Matthes, Öko-Institut bezweifelt die Angemessenheit der Entschädigungshöhe von 1,75 Milliarden Euro für den ostdeutschen Energiekonzern Leag aus.

Wenn die Entschädigungen vor allem die Rekultivierung der Tagebaue finanzieren sollen, hätten die Bergämter nach Bundesbergrecht entsprechende Sicherheitsleistungen verlangen können. Das haben sie aber nicht. Die hohen Entschädigungszahlungen an die Braunkohlebetreiber führten nun auch zu entsprechenden Begehrlichkeiten bei den Betreibern von Steinkohlekraftwerken. Nach mehrtägigem Ringen haben Union und SPD sich am 29.6. darauf geeinigt, auch Betreiber von Steinkohlekraftwerken höher zu entschädigen als bisher geplant und den Umrüstbonus für KWK-Anlagen stark anzuheben (vgl. z.B. Taz vom 30.6.2020). Zu Fall kommen, könnte der öffentlich-rechtliche Vertrag noch durch die ENBW, die darauf drängt, dass mögliche Entschädigungsansprüche des Braunkohle-Lieferanten Mibrag an EnBW im Vertrag ausgeschlossen werden. Das Unternehmen besitzt einen Block des Braunkohlekraftwerks Lippendorf in der Nähe von Leipzig. Durch das frühere Ende ihres Lippendorf-Blocks kann ENBW die Braunkohle nicht wie im eigentlich vertraglich geregelten Maße abnehmen. Zeit für eine Einigung in diesem Punkt bleibt noch bis zur Entscheidung der EU-Kommission, wie der Vertrag aus Sicht des Beihilferechts zu bewerten ist, die im Herbst erwartet wird. Erst mit dem Beschluss des Bundestag am 3. Juli zum Kohleausstieg und dem Ok der EU Kommission kann der Vertrag vom Wirtschaftsministerium sowie den Energiekonzernen RWE, Leag und ENBW unterzeichnet werden.

Bislang gibt es im Vertragsentwurf bislang keine Absicherungen der Kraftwerksbetreiber zu den Auswirkungen höherer CO2-Preise zum Beispiel im Rahmen des europäischen Emissionshandels. Wird z.B. ein CO2-Mindestpreis eingeführt, dann bleiben die Verträge davon unberührt. Die Kraftwerksbetreiber dürften den Vertrag allenfalls anfechten, wenn die Bunderegierung eine spezielle Bepreisung für Braunkohle einführt. Allgemeine Preisinstrumente, die verschiedene Energieträger bepreisen und die Braunkohle nur aufgrund ihrer hohen CO2-Intensität proportional mehr verteuern, betrifft dies nicht.

EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020
Um so wichtiger werden insbesondere für einen frühzeitigeren Kohleausstieg die Verhandlungen im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020. Eine Zielerhöhung von 40 % auf 55 %-CO2-Redukion seitens der EU im Rahmen des Green Deal für das Jahr 2030 gelten als wahrscheinlich. Die Auswirkungen auf Deutschland sind zwar im Detail noch nicht absehbar, aber es spricht vieles dafür, dass Deutschland bereits bis 2030 aus der Kohle ausgestiegen sein muss, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Das nationale Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020 soll heute am 30.6.2020 veröffentlicht werden. Der uns vorliegende Entwuf enthält den Satz „Wir wollen im Rat auch europäische Handlungsansätze zur Erreichung der Klima- und Energieziele diskutieren, insbesondere die Ausweitung der CO2-Bepreisung auf alle Sektoren und die Einführung einer moderaten CO2-Mindestbepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS).“

Bisher gibt es keinerlei veröffentlichte Vorstellung seitens der Bunderegierung was unter einer moderaten CO2-Mindestbepreisung zu verstehen ist und es liegen uns auch keinerlei Informationen vor, welches Ministerium hierzu federführend einen konkreten Vorschlag erarbeiten und ggf. aushandeln soll.

Während sich Prof. Edenhofer (Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in einem Interview im Deutschlandfunk vom 7.6.2020), die Bundesregierung beratende „Energiewendekomission„, und die wissenschaftlichen Akademien (Akademieunion) in ihren aktuellen Stellungnahmen einig darüber sind, wie wichtig für fairen Wettbewerb und Klimaschutz ein „einheitlicher und systemweiter CO2-Preis als Leitinstrument des „European Green Deal“ ist, wächst auch langsam der Wille in der Politik diesen auch umzusetzen.
Ziel einer deutschen EU-Ratspräsidentschaft muss es sein, europäisch einheitliche ambitionierte CO2-Mindestpreise durch eine Reform des europäischen Emissionshandelssystem und eine CO2-basierte Energiepreisreform (Energiesteuerrichtlinie) sowie Grenzausgleiche oder vergleichbare Maßnahmen zum Carbon leakage Schutz auf europäischer Ebene durchzusetzen.

Meseberger Gespräche am 29.6.2020
Zum Abschluss der Meseberger Gespräche am 29.6.2020 mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen Grenzsteuerausgleich ausgesprochen.

Auszug aus der Pressekonferenz:
Frage an die Bundeskanzlerin: „Heute Vormittag hat Präsident Macron angekündigt, eine CO2-Steuer an den Grenzen der EU einzuführen. Sind Sie bereit, diesen Vorschlag in den nächsten Monaten umzusetzen? Wenn ja, innerhalb welcher Frist kann Ihrer Ansicht nach eine solche Steuer eingeführt werden?“

Antwort Bundeskanzelrin Angela Merkel: „… zu der Frage des Klimaschutzes und der Grenzsteuer – „border adjustment tax“ -: Es ist eine gemeinsame Position, dass wir eine solche Steuer brauchen. Das muss im Zusammenhang mit unseren Klimazielen dann auch entschieden werden. Für uns in Deutschland ist wichtig – aber ich glaube, da gibt es auch gar keinen Widerspruch mit Frankreich -, dass sie WTO-kompatibel sein muss. Das ist nicht ganz trivial. Aber wenn wir sehr ambitionierte Klimaschutzziele haben, dann müssen wir uns sozusagen auch gegenüber denen schützen, die Produkte klimaschädlicher beziehungsweise unter weit viel mehr Ausstoß von CO2 zu uns importieren.
Wir haben im Grunde zwei Schutzmöglichkeiten für unsere Industrie: Das eine ist mit Blick auf den Klimaschutz die Frage, wie welches Produkt produziert worden ist, und das zweite ist die Frage: Wie können wir unserer Industrie eine Möglichkeit geben – zum Beispiel dadurch, dass energieintensive Industrien eine Strompreiskompensation bekommen -, wettbewerbsfähig auf den Weltmärkten zu sein? Diese beiden Instrumente brauchen wir, und das Instrument der „border adjustment tax“, also der Grenzsteuer mit Blick auf den Klimaschutz, muss entwickelt werden. Ganz einfach wird es nicht sein, aber wir müssen uns der Aufgabe stellen.“

IEA und IWF empfiehlt nachhaltigen Umbau der Energiesysteme
In einem Sonderbericht zur nachhaltigen Erholung von der Coronavirus-Pandemie schlägt die Internationale Energieagentur (IEA) zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vor, in den nächsten drei Jahren eine Billion Dollar (ca. 0,7% des weltweiten BIP jährlich in Stromtrassen, Gebäudesanierungen und Erneuerbare Energien zu investieren, das entspräche einem Drittel von insgesamt neun Billionen Dollar, die von Regierungen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie angekündigt seien. Von ihrem Vorschlag erwarten IEA und IWF dass es möglich ist, gleichzeitig das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, Millionen von Arbeitsplätzen zu schaffen und Emissionen entsprechend der Klimaschutzziele zu mindern.

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