Wohlfahrtsgewinne bei Tempo 120 deutlich höher als bislang angenommen

Ende April ist eine peer-reviewed Studie von Gössling et al erschienen, die eine Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) für die Maßnahme Tempo 130 als generelle Höchstgeschwindigkeit durchführt (Gössling 2023).

Nachdem alle Faktoren in die KNA eingeflossen sind, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass ein Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen zu Wohlfahrtsgewinnen von mindestens 950 Millionen Euro pro Jahr führt.

Wichtig ist hierbei der Hinweis auf das Wort „mindestens“. So schreiben die Autoren selbst, dass sie bei den Annahmen extrem konservativ vorgegangen sind und die 950 Millionen Euro als untere Grenze zu verstehen sind.

Blickt man auf die Annahmen fallen 2 Aspekte direkt ins Auge: Die angenommene Emissionseinsparung von 1,5 Mt CO2 bei Tempo 130 und der Kostensatz von 195 Euro/t CO2.

Die aktuellste Studie in Sachen Emissionseinsparung „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ errechnet bei Tempo 120 Einsparungen i.H.v. 6,7 Mt CO2. Sie ist die erste Studie ihrer Art, die neben den Abbremsungseffekten auch die Routenwahl- und Nachfrageeffekte berücksichtigt.

Der Kostensatz von 195 Euro/t CO2 impliziert, dass die Wohlfahrt der heute lebenden Generationen höher gewichtet wird als die der künftigen. Angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2021, das klar gemacht hat, dass die ungeborenen Generationen unter den gleichen Schutzbereich des Grundgesetz fallen wie die heute lebenden, ist es im Sinne der Generationengerechtigkeit geboten, den Kostensatz von 680 Euro/t CO2 zu wählen, der die Wohlfahrt der heutigen und künftigen Generationen gleich gewichtet (vgl. Methodenkonvention 3.1. S. 8).

In der vorliegenden Berechnung wird explizit Bezug auf ein Tempolimit 120 genommen. Damit gehen auch höhere Kosten durch höhere Zeitverluste einher.

Unter diesen Annahmen verändert sich die Berechnung der volkswirtschaftlichen Kosten/Nutzen wie folgt:

Kraftstoffeinsparung
(nach Methodik von Gössling 2023 S. 4)

Durchschnittliche CO2-Emissionen pro Fahrzeugkilometer (Fz-km) in Deutschland: 175 g
Durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch pro Fahrzeugkilometer (Fz-km) 0,074 l

6,7 Mt CO2 / 175 g = 38,285 Milliarden Fz-km
38,285 Milliarden Fz-km * 0,074 l /Fz-km = 2833,09 Million Liter Kraftstoff

2833,09 Million Liter * 1,21 Euro/ l = 3428,04 Million Euro

Emissionseinsparung

bei 120 nach UBA/Friedrich 2023
6,7 Mt CO2e
Kostensatz von 680 Euro/t nach Methodenkonvention 3.1.

6,7 Mt * 680 Euro/t = 4556 Million Euro

Zeitverluste (bei 120)
(Methodik analog zu Gössling 2023  S.4 )
114,6 Milliarden Fz-km / 124,7 km/h = 919 Million Stunden Fahrdauer ohne Tempolimit
114,6 Milliarden Fz-km / 115,6 km/h = 991 Million Stunden Fahrdauer mit Tempolimit 120
Zeitverlust durch Tempolimit = 991–919 = 72 Millionen Stunden.
72 Million Stunden * 21,18 Euro/h = 1525 Million Euro

Saldierung mit anderen Kosten/Nutzen (in Millionen Euro)
(nach Gössling 2023 S. 6)

Private u. Unternehmenskosten
Zeitverluste  1525
Private u. Unternehmensnutzen
Kraftstoffeinsparungen 3428,04
Stauvermeidung 0,1
Vermiedene Unfallkosten 254,7
Gesellschaftlicher Nutzen
Treibhausgas-Emissionen  4556
Lieferkette (Infrastruktur & Energie)  284,8
Verkehrsinfrastruktur (Erhalt & Neubau) 247,6
Luftverschmutzung (Reifenabrieb, Abgase)  62,4
Kraftstoffsubvention  37,6
Landnutzung u. Zersiederlung  30,1
Unfallkosten (Personen- und Sachschaden)  28,3

Wohlfahrtsgewinn durch ein Tempolimit von 120: 7404,64 Million Euro

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