CO2 Abgabe e.V.: Emissionshandel allein kein Garant für Klimaschutz

Lange: Bundesregierung sollte mit nationalem CO2-Preis gegensteuern

Der Preis für Zertifikate des europäischen Emissionshandels (ETS) lag Anfang September mit knapp 25 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) so hoch wie nie. Schon preisen Teile der Politik und Wirtschaft den ETS als alleiniger Garant für wirksamen Klimaschutz an. Eine Analyse des CO2 Abgabe e.V. zeigt, dass an der Wirksamkeit des ETS aber trotz seiner Reform erhebliche Zweifel angebracht sind.

„Das Ziel des ETS war mit 21 Prozent Emissionsminderung von 2005 bis 2020 bereits viel zu wenig ambitioniert, um einen angemessenen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen zu leisten“, kritisiert Dr. Jörg Lange, Geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V. So haben die kostenlose Zuteilung und die niedrigen Kosten für ETS-Zertifikate zu weniger Anreizen und Investitionen in eine treibhausgasarme Zukunft der Wirtschaft geführt. „Die Kombination aus zu niedrig angesetzten Einsparzielen, sogenannten Caps, und kostenlos ausgegeben Emissionsrechten haben für geringere Nachfrage an Zertifikaten und damit für niedrige CO2-Preise und Zertifikatsüberschüsse gesorgt“, analysiert Lange. Statt dass betroffene Unternehmen in die Reduktion von Treibhausgasen investierten, steckten sie ihre finanziellen Mittel eher in günstige Emissionsrechte und sicherten möglicherweise steigende Zertifikatspreisen durch Sicherungsgeschäfte, das sogenannte „Hedging“, ab.

Laut CO2 Abgabe e.V. stellen die äußerst volatilen Preise ein Grundproblem des ETS dar. Dieses konnte auch die letzte Reform nicht lösen. „Hohe Unsicherheiten in der Wirtschaft über die künftige Preisentwicklung sorgen dafür, dass Investitionsentscheidungen und das Abschalten emissionsintensiver Anlagen auf die lange Bank geschoben werden“, sagt Lange. Bevor es zu hohen Zertifikatspreisen (Knappheit) komme und dies entsprechende Investitionsentscheidungen auslösen könnte, drohten Spekulanten auf das „Einknicken“ der Politik zu wetten. Entweder, indem sie die Emissionsminderungsziele ganz aufgibt, oder darauf, dass diese nicht erreicht werden. „Der Handel mit Verschmutzungsrechten bietet trotz ETS-Reform für Investitionsentscheidungen keine Planungssicherheit für Unternehmen und wird insbesondere bei steigenden Preisen zur Spielwiese von Finanzmarktwetten durch institutionelle Anleger, Banken oder Fonds“, hält Lange fest.

Der ETS allein wird dem CO2 Abgabe e.V. nach nicht ausreichen, die Klimaschutzziele von Paris umzusetzen. „Weil uns die Reduktion an kostenlos ausgegebenen Zertifikaten und der Abbau von 1,655 Milliarden überschüssigen Zertifikaten mittels Marktstabilitätsreserve dem Klimaziel nicht hinreichend näherbringen, braucht es zusätzliche Klimaschutzinstrumente“, fordert Lange. Die EU hat mit der ETS-Reform den Mitgliedsstaaten dazu nun den Weg geebnet. Das Argument, dass zusätzliche nationale Klimaschutzmaßnahmen mit dem ETS unvereinbar sind (Wasserbetteffekt), gilt damit nicht mehr. „Die EU gibt den Weg frei für nationale Klimaschutzmaßnahmen einer Allianz der Willigen in Europa, die mit dem ETS kompatibel sind“, so Lange.

Der CO2 Abgabe e.V. fordert daher von der Bundesregierung auf alle fossilen Energieträger mit dem ETS kompatible „Deponiegebühren für Treibhausgase in die Atmosphäre“. „Ohne verlässliche, wirksame und angemessen steigende Abgaben auf Treibhausgase in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr bleiben die vereinbarten Klimaschutzziele unerreichbar“, warnt Lange. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung, um Investitionsentscheidungen in Energie- und Ressourceneffizienz, den Ausbau erneuerbarer Energien oder die Flexibilität von Kraftwerken im Sinne des Klimaschutzes zu steuern. Zudem könnten mit nationalen Abgaben hohe Strafzahlungen an andere Mitgliedsstaaten vermieden werden. Diese drohen dem deutschen Steuerzahler, sollte Deutschland seine Klimaverpflichtungen gegenüber Europa nicht einhalten. 

Die Pressemitteilung vom 25. September 2018 gibt es auch als pdf  hier.

Für Rückfragen:

Ulf Sieberg
Leiter Büro Berlin
Tel. 0152 553 70 200
Ulf.Sieberg@klimaschutz-im-bundestag.de

Hintergrund:

Lediglich knapp die Hälfte der Treibhausgasemissionen in Deutschland unterliegen dem europäischen Emissionshandel (ETS). Er deckt neben Großkraftwerken der Energieversorgung die großen Industrieanlagen sowie Teile des nationalen Luftverkehrs und der Wärmeversorgung größer 20 Megawatt ab und soll bis 2020 im Vergleich zu 2005 21 Prozent weniger Emissionen verursachen.

Zurückgeführt wird der gegenwärtige Preisanstieg neben dem Einstieg von Investoren und Spekulanten in den Markt um Emissionsrechte auch auf die von der EU im April 2018 beschlossenen Änderungen, um den jahrelang weitgehend unwirksamen ETS wiederzubeleben. So sollen kostenlose Zuteilungen weiter und schneller abnehmen und die Emissionsrechte um 2,2 Prozent pro Jahr sinken. Eine Marktstabilitätsreserve (MSR) soll zur Stabilisierung des Preisniveaus führen. Die Prognosen der CO2-Preisanalysten für die nächste Dekade reichen von 20 bis 100 Euro je Tonne.

Nach der EU-Effort-Sharing-Entscheidung und der EU-Climate-Action-Verordnung ist Deutschland rechtlich dazu verpflichtet, auch im Non-ETS die Emissionen (Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr) bis 2020 um 14 Prozent und bis 2030 um 38 Prozent im Vergleich zu 2005 zu senken. Von 2013 bis 2030 ist dazu für jedes Jahr ein Emissionsbudget festgelegt. In jedem Jahr, in dem das Budget überschritten wird, muss Deutschland aus anderen Ländern, die ihr Budget nicht ausgeschöpft haben, Emissionsrechte zukaufen. Durch das Verfehlen der Ziele im Non-ETS könnten bei realistischen Vermeidungskosten von 100 Euro je Tonne bis 2030 Kosten von mehr als 60 Milliarden Euro auf die Steuerzahler zukommen. Sehr viel zweckmäßiger wäre das Geld dagegen auch hier in langsam steigende Gebühren für Treibhausgase angelegt, die dann Investitionsentscheidungen im Sinne des Klimaschutzes beschleunigen.

Eine Langfassung der Analyse mit zusätzlichen Infografiken finden Sie hier.

Weitere Informationen unter klimaschutz-im-bundestag.de.

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