GermanZero, Klimaentscheide und ein 1,5°Gesetz – unsere letzten Pfeile im Köcher?

Ein Rückblick in die Zukunft von Jörg Lange, CO2 Abgabe e.V.

Mit den Klimaentscheiden 2020 und dem 1,5-Grad-Gesetzespaket hat die Bewegung GermanZero nicht nur die Antworten auf die Klimakrise skizziert, sondern auch die Grundlage für ein deutlich angenehmeres Leben gelegt. Egal, wo wir leben – auf dem Land, am Stadtrand oder in einer dicht besiedelten Innenstadt: Viele von uns haben heute mehr Raum und Zeit für die Dinge, die ihnen wirklich wichtig sind. Und dabei sind die Klimaentscheide gerade einmal 15 Jahre her.

Unsere Energie erzeugen wir 2035 weitgehend selbst: Auf Dächern, an Balkonen und in unseren Kellern. Was 2020 noch für viele quälende bürokratische Hemmnisse bedeutete, nämlich sich selbst mit Sonnenenergie auch im Mehrfamilienhaus oder im Unternehmen zu versorgen, ist seit der Verabschiedung des 1,5°-Gesetzes 2022 Vergangenheit. Unsere Abhängigkeit von Energieimporten und Autoexporten ist seitdem deutlich gesunken.

Heute steht bei vielen Bürgern kein eigenes Auto mehr vor der Tür, das jeweils passende Verkehrsmittel aber um die Ecke: Lasten- und Elektrofahrräder zum Ausleihen, ein guter ÖPNV-Anschluss und ergänzendes Carsharing. Statt Parkplätzen vor unseren Häusern haben wir dort jetzt Bänke zum Plaudern und Flächen für eine Partie Boule oder kickende Kinder. Wir kommen inzwischen mit weniger als 200 PKWs pro 1.000 Einwohnern aus. Im Quartier der kurzen Wege können wir viele Einrichtungen wie z.B. Lebensmittelläden, Drogerie- und Bauernmärkte, Ärzte, Apotheken oder Fahrradläden meist fußläufig erreichen. Wir leben in einem lebendigen und autoarmen Umfeld, das gerade für unsere Kinder und ältere Mitmenschen wie geschaffen ist.

Unser Abfall ist für unsere Industrie zur Ressource geschlossener Stoffkreisläufe geworden. Mit den neuen Pyrolyseanlagen pusten wir einen Teil des Kohlenstoffs aus unseren organischen Abfällen nicht mehr als CO2 in die Atmosphäre, sondern bringen ihn als Pflanzenkohle für viele Jahrzehnte in den Boden.

Heute möglich, früher undenkbar
Für vieles gab damals eine Pandemie im Jahr 2020 den Ausschlag. Durch sie haben wir die eigentlichen Leistungsträger unserer Gesellschaft schätzen gelernt: Pflegerinnen, Ärztinnen, diejenigen, die unsere Abfälle wieder zur Ressource machen und die Menschen, die sich um Saat und Ernte unserer Nahrung kümmern.

Um volle U-Bahnen und Busse und damit eine hohe Ansteckungsgefahr zu verhindern, führte die Pandemie in kürzester Zeit zu einem wahrnehmbaren Umbau unserer Innenstädte. Berlin fing an, Autostraßen- zu Fahrradspuren umzuwandeln und Italien, Fahrräder und Tretroller zu fördern. Andere Kommunen folgten mit vielen weiteren Ideen.

Längst zur eingespielten Praxis gehört, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger an den Planungsentscheidungen im Quartier beteiligen. Sie pflegen nachbarschaftliche Kontakte und identifizieren sich mit dem Haus, der Nachbarschaft und dem eigenen Stadtteil. Auch Arbeiten und Wohnen gestaltet sich heute viel flexibler als noch vor 15 Jahren. Bereits zu Beginn der Pandemie wurde ein den Arbeitnehmer schützendes „Zuhausearbeitsgesetz“ verabschiedet, das auch zukünftig viele Arbeitswege einsparen und mehr Zeit und Raum für alle bedeuten sollte. Auch in der Architektur haben wir dazugelernt: Wegen der flexibleren Bauweise können wir die Wohnungsgrößen an veränderte Lebensumstände anpassen. Es ist viel einfacher geworden, Wohnungen zu tauschen. Damit sparen wir Fläche und Ressourcen.

In der Wirtschaft war vieles möglich geworden, was zuvor undenkbar schien. Einige Unternehmen waren auch nach der Krise in der Lage, schnell umzudenken und ihre Produktionen innerhalb kürzester Zeit auf aktuelle Bedarfe und nachhaltigere Produkte umzustellen. Immer mehr Menschen forderten von Politik und Wirtschaft, die Produktion auf Klimaneutralität auszurichten.

Die Konjunkturpakete am Ende der Coronakrise wurden an ökologischen Kriterien ausgerichtet. Aus den Fehlern der Finanzkrise 2008/2009 hatte man gelernt, dass Abwrackprämien für Autos nicht in eine „klimaneutrale“ Zukunft führen.

Damit konnten Viele ihre gut bezahlten Arbeitsplätze, z.B. in der Automobilindustrie, gegen Arbeitsplätze in nachhaltigen Branchen eintauschen. Zu tun gab es ja genug. Die Verkehrsinfrastruktur am Fahrrad und ÖPNV auszurichten, hat zum Beispiel Jahre gedauert. Unsere Planungskapazitäten waren damit komplett ausgelastet. Für neue Straßen gab es weder genug Geld noch genug Personal. Seit dem bereits 2022 angekündigten Verbot von Benzin und Diesel ab 2030 war die Industrie zur Überraschung vieler in kürzester Zeit in der Lage synthetische Kraftstoffe aus Erneuerbaren Energien an den Tankstellen anzubieten. In einigen ehemaligen Autofabriken werden noch heute flexible Kraftwerke gebaut, um uns dann, wenn der Wind schwächelt und die Sonne sich länger hinter Wolken versteckt, mit dem Wasserstoff aus der wind- und sonnenreichen Zeit mit der nötigen Energie zu versorgen.

Auch die Wärmeversorgung mussten wir umrüsten: Quartier für Quartier, von Erdöl und Erdgaskesseln hin zu Wärmepumpen, großen Solaranlagen, Nahwärmenetzen und Kraftwerken mit zunehmend höheren Wasserstoffanteilen. Wie viele Diskussionsrunden haben wir dafür moderiert! Es ging ja schließlich darum, ein Konzept abzustimmen und umzusetzen, das für den jeweiligen Stadtteil das Beste ist und alle Beteiligten zufriedenstellt.

Bereits viele Jahre und zum Teil Jahrzehnte zuvor hatten wissenschaftliche Institutionen eindringlich dafür geworben, unsere Energieversorgung möglichst bald auf Solar- und Windenergie und flexible dezentrale, mit grünem Wasserstoff betriebene Kraftwerke umzustellen (vgl. auch Spiegel 1987). Ebenso klar hatten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dargestellt, wieviel Energieaufwand und Geld man sparen könne, wenn der Verbrauch und das Dargebot erneuerbarer Energien bereits vor Ort so weit wie möglich zeitlich ausgeglichen würden. Es hat lange gebraucht, bis wir ihren Rat befolgten und die Rahmenbedingungen entsprechend änderten.

Auch im Konsum gab es so manche Umstellungen: In der Produktentwicklung achten wir heute darauf, dass die Waren konsequent wiederverwendbar sind und die Ressourcen dadurch im Kreislauf gehalten werden. Das zugrundeliegende Cradle-to-Cradle Konzept war auch bereits Ende der 1990iger Jahre entwickelt worden.

Wirksame Mittel zur Finanzierung
Doch wie sah die Finanzierung all dieser Maßnahmen dieser sozialökologischen Transformation aus?

Im Zuge des europäischen Green Deals wurde 2021 endlich eine wirksame, einheitliche CO2-Bepreisung ohne Ausnahmen eingeführt. Sie ermöglichte den Ausbau der Erneuerbaren am Ende auch weitgehend ohne Erneuerbares Energien Gesetz (EEG). Nur der Umstieg in die grüne Wasserstoffwirtschaft bedurfte noch länger der Förderung durch das EEG. Fossile Energieträger blieben im Boden. Den europäischen Binnenmarkt sicherte man gegen Dumpingpreise von außen ab, unter anderem mit einer Grenzsteuer auf Grundstoffe wie z.B. Stahl.

Durch die treibhausgasorientierte KfZ-Maut gab es Geld für Fahrradstraßen, den Ausbau des ÖPNV und die Oberleitungen für LKWs an unseren Autobahnen. Die höheren Umsatzsteuersätze auf Luxusgüter führten letztlich zu einer sozial gerechteren Verteilung der Steuerlast.

Mit der gut austarierten Bodensteuer schöpften wir Spekulationsgewinne auf Immobilien ab. Ab 2030 führten wir eine verpflichtende und am Verbraucherindex gekoppelte Warmmietenpauschale ein und verboten mit fossilen Brennstoffen betriebene Kessel. Das Vermieter-Mieter-Dilemma konnten wir damit weitestgehend lösen. Wir warfen damit auch unnötigen bürokratischen Ballast jahrzehntealter Regelungen und Instrumente ab. Klimaschädliche Subventionen, wie z.B. die Entfernungspauschale, gehörten schnell der Vergangenheit an.

Die Bauern erhalten jetzt aus einer Konsumabgabe auf treibhausgas- und ressourcenintensiv erzeugte Lebensmittel zusätzliche Einnahmen. Sie konnten damit auf humusaufbauende Bewirtschaftung umstellen und auf eine Landwirtschaft, die Vögel und Insekten schont. Aus der CO2-Steuer erhielten sie Vergütungen, wenn sie Pflanzenkohle in den Boden einbrachten und dadurch CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen. Beigemischt zu Futtermitteln verbessert die Pflanzenkohle aus den Anlagen den Gesundheitszustand vieler Nutztiere und bindet zudem Nährstoffe. Humusreiche Böden speichern mehr Wasser und können in trockenen Jahren unsere Ernten stabilisieren. Agrophotovoltaik ermöglicht Energie- und Nahrungsmittelproduktion auf derselben Fläche, manche Kulturen profitieren in heißen Sommern sogar von einer teilweisen Beschattung. Das Einkommen aller Menschen reicht inzwischen aus, um faire Preise für Lebensmittel zu zahlen. Weitaus mehr Lebensmittel wie früher werden bei der*m Bäuer*in vor Ort bezogen. Dies führt zu auskömmlichen Einkommen auch bei kleineren landwirtschaftlichen Betrieben.

Die Förster haben heute noch alle Hände voll zu tun: Sie müssen den Wald so umbauen, dass er den neuen Bedingungen und Dürreperioden eines durchschnittlich 1,5° Grad wärmeren Klimas standhält. Und die Feuerwehren haben heute jederzeit Zugriff auf Löschflugzeuge, um Brände größeren Ausmaßes zu verhindern.

Die Bilanzierungsregeln, auf die man sich im Aktienrecht und in der Finanzwirtschaft 2021 einigte, wiesen auch den Nutzen einer Produktion für das Gemeinwohl aus. Sie wurden zum zentralen Bewertungsmaßstab für Investoren. Damit lenkte man die Geldströme weg von treibhausgasintensiven in nachhaltige Investitionen.

Ist unser Plan auch Ihr Plan?
Die Diskussion um die Klimakrise erlebte nach der Fridays-for-Future-Bewegung mit den Klimaentscheiden 2020 einen zweiten Schub. Und bei der Bundestagswahl im Herbst ein Jahr später galten nur noch die Kandidat*innen als wählbar, die sich unmissverständlich und glaubwürdig für das 1,5°-Gesetz und damit konkret für eine Zukunft ausgesprochen hatten. Viele begannen zu verstehen, wer nur vorgab, Teil der Lösung zu sein, und die „Stranded Politicians“ wurden parteiübergreifend abgewählt.

Die zügige Umstellung auf eine Wirtschaft ohne fossile Energieträger gilt seitdem als alternativlos.

Wir arbeiten für Sie und, wenn sie wollen, auch mit Ihnen genau an diesem Plan.
Wenn er Ihnen gefällt, unterstützen Sie GermanZero durch Ihre Spende. Jeder Euro zählt. Beteiligen Sie sich an den Klimaentscheiden und stellen Sie die Kandidat*innen bei den nächsten Wahlen vor die einfache Frage „Ja oder Nein zum 1,5-Grad Gesetz“!

>>> Lesen Sie unseren letzten Blog: Die „neuen Helden“ des Alltags


Der CO2 Abgabe e.V. eine Gruppe von über 1.000 Unternehmen, Verbänden, Kommunen und Einzelpersonen, die für eine wirksame Lenkungsabgabe auf Treibhausgase (CO2 u.a.) eintreten, um die zahlreichen Umlagen und Steuern auf Energie in Deutschland am Klimaschutz neu auszurichten. Dazu setzen wir uns für eine verursachergerechte, sozialverträgliche und technologieoffene Umsetzung ein, die Bürokratie abbaut sowie Planungssicherheit und Innovationen fördert. Auf der Mitgliederversammlung im Februar 2020 wurde beschlossen GermanZero fachlich zu unterstützen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören u.a. Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Clube of Rome), Ursula Sladek (Mitgründerin der Elektrizitätswerke Schönau und Deutsche Umweltpreisträgerin), Thomas Jorberg (Vorstandssprecher der GLS Bank) und Rudolf Kastner (Geschäftsführer der EGT AG und Vorstand im Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft).

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