Ein unredlicher Anfang: Neue klimarelevante Minister*innen, ständige Ausschüsse und Vorhaben

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Klimaschutz ist wieder ins Umweltministerium umgezogen, das alte BMWK heißt nun BMWE, das Auswärtige Amt ist nicht mehr für Klimaschutz in der Diplomatie zuständig und die neuen ständigen Ausschüsse stehen. Unserem Vorstand Craig Morris macht dabei eines vor allem Sorge: die Missachtung von Fakten.

Als die neue Wirtschafts- und Energieministerin Katharina Reiche bei der Amtsübergabe ihren Vorgänger Robert Habeck für seinen Einsatz in der Gaskrise lobte, wurde der Vorfall als eine überparteiliche Geste des Respekts aufgenommen. „Für diesen fast übermenschlichen Einsatz möchte ich Ihnen danken“, lobte Reiche ihren Vorgänger.

Mittlerweile scheint sich Reiche vor allem über das Erdgas gefreut zu haben. Jedenfalls will sie verstärkt Erdgas fördern, inklusive 20 GW an neuen Gaskraftwerken: “Wir brauchen flexible Gaskraftwerke”, sagt Reiche unmißverständlich. Der bisherige energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion Mark Helfrich, setzte noch Mitte Mai auf Technologieoffenheit; er meinte, Gaskraftwerke mit CCS seien „keine Vorfestlegung…, es kann ja auch sein, dass wir sie gar nicht brauchen“. Ob Helfrich und sein Parteikollege Andreas Jung sich noch gegen ihre neue Energieministerin werden durchsetzen können, ist fraglich, denn die beiden Herren sind nun für Klimaschutz, nicht für Energie zuständig. Und Klimaschutz ist ins Umweltministerium umgezogen.

Die Erneuerbaren-Branche hätte lieber eine Vielfalt an Flexibilitätsoptionen statt Gaskraftwerke mit CCS. Dass eine Partei, die ständig nach Technologieoffenheit ruft, so stark auf eine einzige Lösung setzt, ist auch dem Bundesverband Erneuerbare Energien aufgefallen. Der BEE möchte von der neuen Ministerin mehr “Technologievielfalt” und verweist auf die Forderung der EU-Kommission nach Technologieoffenheit, wenn es um Kraftwerkspläne geht.

In einem anderen Punkt hat Reiche bereits enttäuscht: „Es muss Schluss sein mit dem Zwang zur Wärmepumpe”, sagte sie dem Handelsblatt. Unredlich ist ihr Standpunkt, weil sie ganz genau weiß, dass es nie einen Zwang zur Wärmepumpe im Gebäude-Energie-Gesetz gab. Das GEG wurde extra technologieoffen gestaltet, damit es nach einem Regierungswechsel Bestand haben kann. Gleiches gilt bei Autos für das “Verbrenner-Aus”, das es so auch nicht gibt.

Dass die Union das eine oder andere anders machen möchte, ist legitim. Die Debatte wird aber für uns als Klimaschützer*innen schwierig, wenn es keine gemeinsame Faktenlage gibt — darauf hatte ich bereits im letzten Newsletter in Bezug auf Tilman Kuban verwiesen. Kuban sitzt übrigens für die Union im neuen Ausschuss für Klimaschutz und Energie (siehe unten). Dazu passt auch ein Auftritt von Andreas Lenz von der Union auf einer Veranstaltung von VDMA und BDEW zum Thema Resilienz. Als er sagte, die Wissenschaft habe noch gar nicht festgestellt, was gemacht werden muss, ging ein Raunen durch den Saal.

Bauen, Verkehr und Klimadiplomatie

Die neue Bauministerin heißt Verena Hubertz. Sie will den Neubau diesmal ernsthaft voranbringen, vor allem durch einen Bauturbo. Es gibt dazu keinen aktuellen Vorschlag; die Diskussion dreht sich um einen Entwurf von der Union aus Dezember (Drucksache 20/14234 ab Seite 4). Unter anderem soll das Bauen durch Entbürokratisierung schneller vonstatten gehen. Dabei gab es bereits 2024 den neuen Gebäudetyp E (“E” wie einfach). Wenn die neue regulatorische Entschlackung ähnlich aussieht, sind schlechtere Gebäude unvermeidlich. Beim Gebäudetyp E haben wir uns bei KiB jedenfalls gefragt, ob viele Menschen wirklich beispielsweise auf Schallschutz verzichten wollen. Aber unser Hauptkritikpunkt beim Bauturbo ist ein anderer: Schon wieder werden die Vorteile des Umbaus im Bestand ignoriert. Auf das Potenzial beim Umbau hinzuweisen, könnte somit unsere Hauptaufgabe in den nächsten Jahren werden.

Das Auswärtige Amt verliert Jennifer Morgan als Klimadiplomatin. Sie hat Deutschland auf den wichtigsten internationalen Klimatreffen der letzten Legislaturperiode vertreten. Johann Wadephul von der Union leitet nun das Auswärtige Amt. Er hat Erfahrung in der Außenpolitik, hat aber auch eine interessante Antwort zum Klimaschutz als gemeinschaftliche Aufgabe auf Abgeordnetenwatch verfasst.

Die Aufgabe der Klimadiplomatie übernimmt das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Je länger der Name des Ministeriums, desto mehr verkommt es zu einem Sammelsurium unbeliebter Aufgaben. Aber immerhin kommt Jochen Flasbarth als Staatssekretär ins… BMUKNNS (?). (Wir erfahren gerade, dass das Akronym BMUKN lautet.) Der neue Umweltminister ist Carsten Schneider von der SPD. Er scheint relativ wenig mit seinen neuen Themenbereichen zu tun gehabt zu haben, was nicht schlimm sein muss — manchmal hilft ein frischer Blick.

Das Verkehrsministerium behält seinen Namen; da weiß man, was man hat. Der neue Minister Patrick Schnieder kennt sich fachlich aus. Er hat zwei Prinzipien verkündet: die Schiene nicht stärker zu fördern als das Auto, und Erhalt vor Neubau. Vom ihm dürfte in Sachen Klimaschutz der Fortschritt leider in Trippelschritten kommen. Hoffentlich wird das Verkehrsministerium irgendwann gründlich angepackt; in dieser Legislaturperiode ist das leider unwahrscheinlich.

Neue Vorhaben

Einiges muss Berlin bald liefern:

  • Ein Klimaschutzprogramm nach § 9 KSG muss innerhalb der ersten 12 Monate der Legislatur (Ende März 2026) vorgestellt werden.
    • Bis Ende Juni muss Berlin einen Klimasozialplan bei der Kommission einreichen. Es geht darum, die Kosten aus dem ETS2 (CO2-Preis auf Wärme und Verkehr) abzumildern. Wie Berlin damit umgehen möchte, ist unklar; wir wissen nur, dass die neue Bundesregierung kein Klimageld vorhat.
    • Bis Herbst muss die Regierung Maßnahmen zur Erreichung der Ziele bis 2040 vorlegen.
    • Die beihilferechtliche Genehmigung des Solarpakets muss abgeschlossen werden.
    • „Noch vor der Sommerpause sollte das CO2-Speicher- und Transportgesetz abgeschlossen werden“, so Andreas Jung, energiepolitischer Sprecher der CDU, im Handelsblatt. Bemerkenswert: 2012 hatte der damalige Umweltminister Peter Altmaier zu CCS gesagt: “Gegen den Willen der Bevölkerung ist eine Einlagerung von CO2 im Boden nicht durchzusetzen”.
    • Zur Energiepreissenkung: Die Stromsteuer soll auf das europäische Mindestmaß gesenkt, die Netzentgelte gedeckelt und Gasspeicherumlage abgeschafft werden. Dann fehlt aber Geld anderswo.
    • Ein Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde für energieintensive Firmen, die nicht bereits durch andere Instrumente entlastet sind, soll kommen. Expert*innen bezweifeln, dass Brüssel diesen Schritt gutheißen wird.

Neue ständige Ausschüsse

Es gibt nun 24 ständige Ausschüsse im Bundestag— statt 25. Der Beschluss der Verkleinerung wurde mit Unterstützung der Grünen verabschiedet. (Auf einer Tagung des Sozialklimarats sagte Felix Banaszak, die Grünen wollten “weniger destruktiv in der Opposition sein.”) Im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sitzt Nina Scheer (SPD), eine Instanz in der Energiewende. Alaa Alhamwi von den Grünen hat bereits bei uns am 4.5. einen Vortrag gehalten. Die Linke hat leider Ralph Lemkert verloren; mit ihm habe ich persönlich immer gute, lange Gespräche geführt, und er genoss einen sehr guten Ruf in der Branche.

Im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit sitzen unter anderem Mark Helfrich von der Union, Jakob Blankenburg von der SPD und Lisa Badum von den Grünen. Helfrich ist stellvertretender Vorsitzender der Klima-Union; dass er für Klimaschutz zuständig sein wird, war absehbar und ist tendenziell eine gute Nachricht. Blankenburg von der SPD habe ich Mitte des Monats auf einer Tagung des Sozial-Klimarats erlebt. Er wird sicherlich ein Auge darauf haben, dass Soziales berücksichtigt wird. Badum hat bereits 2021 bei uns einen Gastbeitrag verfasst, als wir noch CO2-Abgabe e. V. hießen.

Im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen ist Caren Lay Vorsitzende; hier war sie bei uns im Webinar zu Wohnraumsuffizienz und (Re)Kommunalisierung. Zu einigen weiteren Mitgliedern des Ausschusses hatten wir bereits Kontakt, aber insgesamt gilt: Es gibt viele neue Gesichter.

Fazit

In Berlin machen sich die Klima-NGOs Gedanken darüber, wie man den Klimaschutz unter Schwarz-Rot verankern kann. Eine Grundidee ist es, die Basis besser zu mobilisieren, damit die Politik nicht wegschauen kann. Der Gasausbau könnte der Anker dafür sein. Die Union könnte man fürs Thema gewinnen, wenn man auf eine Stärkung des ländlichen Raums setzt. Die SPD möchte bestimmt soziale Akzente setzen. Und man muss die Grünen und die Linke dazu bewegen, eine gemeinsame Opposition zu bilden.

Sicher werden Putin und Trump vieles überschatten. Wie Putin sich auswirken könnte, scheint derzeit unklar; im Bundestag wollten die Grünen bereits die Wieder-Inbetriebnahme der Nord-Stream-Pipelines ausdrücklich ausschließen, aber dazu kam es nicht. Anscheinend gibt es in der Union noch keinen Konsens darüber. (Brüssel spricht allerdings über einen kompletten Ausstieg aus russischem Gas bis 2028.) Und jede Zeile, die ich hier über den unredlichen Trump schreiben könnte, dürfte morgen wieder hinfällig sein. Allerdings bedeutet das auch, dass die Resilienz immer wichtiger wird. Europa muss in der Lage sein, die Energiewende und andere Vorhaben ohne die USA weiter zu verfolgen. Wir müssen eigenständiger werden.

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