Leserbriefe zu Gastbeiträgen zum EEG und Emissionshandel von Herrn Lüder Gerken in der BZ vom 18.7. und 22.8.2020

Leser*innenbrief des CO2 Abgabe e.V. zum Gastbeitrag „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss sofort abgeschafft werden“ von Herrn Prof. Dr. Lüder Gerken in der Badischen Zeitung vom 18.7.2020
Bevor Sie das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) sofort abschaffen, hätten wie ein paar Fragen, Herr Gerken.

  1. Wer soll nach sofortiger Abschaffung des EEG Ihrer Meinung nach die Kosten der rechtlich verbindlich über viele Jahre gesetzlich zugesicherten Einspeisevergütungen für unsere Wind- und Sonnenkraftwerke in den nächsten Jahren bezahlen?
  2. Warum erwähnen Sie nicht, dass das EEG einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass Strom aus Wind- und Sonnenkraftwerken heute so günstig sind und die Erneuerbaren inzwischen beinahe 50% unseres Stroms nahezu CO2 frei und klimafreundlich liefern.
  3. Wieso sprechen Sie von „Verlusten“ bei Netzbetreibern, wenn diese die Kosten der Erneuerbaren auf viele (aber bei weitem nicht alle) Stromkunden umlegen?
  4. Warum verschweigen Sie, dass zahlreiche stromintensive Industriebetriebe eben keine 30 Cent/kWh wie viele Leser der Badischen Zeitung für ihren Strom zahlen, sondern zum Teil ihre Stromkosten deutlich unter 7 Cent/kWh liegen und sie sich weder an den EEG-Kosten noch an den Stromtransportkosten in angemessener Weise beteiligen?
  5. Wollen Sie bestreiten, dass heute gebaute Wind- und Sonnenkraftwerke Strom zu Vollkosten (Betriebs- und Investionskosten) unter 10 Cent/ kWh erzeugen und damit unter Berücksichtigung der Klimaschadenskosten weitaus günstiger sind, als der Neubau von neuen Erdgas- oder Kohlekraftwerken?
  6. Warum diskreditieren Sie mit Ihrem Beitrag die Erzeugung von Strom aus z.B. Sonne und Wind (Ökostrom) oder wollen Sie auch weiterhin Ihren Strom lieber von Kohlekraftwerken beziehen?
  7. Warum erklären Sie nicht, dass der Strommarkt ein Grenzkostenmarkt ist, der nur Brennstoffkosten und Wartungskosten berücksichtigt und durch seine längst überholten Regeln die EEG-Anlagen unter Wert handelt und damit die EEG-Umlage unnötig von Jahr zu Jahr in die Höhe treibt und damit den Weiterbetrieb von konventionellen fossilen Kraftwerke begünstigt?
  8. Warum diskutieren Sie nicht, dass negative Strombörsenpreise eine Form des Marktversagens sind, die u.a. darauf zurück zu führen sind, dass konventionelle fossile Großkraftwerke nicht dazu verpflichtet werden, bei entsprechendem erneuerbarem Stromangebot abzuregeln?
  9. Warum präsentieren Sie keinen Vorschlag zu einer Strommarktreform, bei der negative Strombörsenpreis der Vergangenheit angehören?
  10. Warum erläutern Sie nicht, dass die aktuellen Regeln des europäischen Emissionshandels nicht kompatibel zum Pariser Klimaschutzabkommen sind? Bei ausreichender Begrenzung der Verschmutzungsrechte (Cap) wären die CO2-Preise bereits heute deutlich höher und die Kohle- und Erdgaskraftwerke würden ohne weiteren staatlichen Eingriff nur noch dann laufen, wenn am Markt keine emissionsärmeren Kraftwerke mehr zur Verfügung stehen?
  11. Warum verschweigen Sie, dass der europäische Emissionshandel mit kostenfreien und überschüssigen Zertifikaten über Jahre geradezu zum Umsatzsteuerbetrug eingeladen hat und für Unternehmen zum Teil bis heute zu Mehreinnahmen statt zu Kosten geführt hat?
  12. Statt das EEG zu diskreditieren, dass sich rechtlich sofort gar nicht abschaffen lässt: Warum erklären Sie den Lesern der Badischen Zeitung nicht Ihren Lösungsvorschlag, wie die Klimaschutzziele von Paris in Deutschland und Europa umgesetzt werden können und welche politischen Rahmenbedingungen es dazu braucht?

Ein geeignetes und für die Wähler verständliches und nachvollziehbares Strommarktdesign und die Internalisierung der Klimaschadenskosten (wirksame CO2-Preise) auf alle fossilen Energieträger wären die geeigneten Rahmenbedingungen, damit das EEG schnell seine Bedeutung verlieren würde. Die Erneuerbaren und neue flexible Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, zukünftig betrieben mit grünem Wasserstoff, könnten dann ganz ohne Förderung zu den konventionellen fossilen Kraftwerken konkurrenzfähig gebaut und betrieben werden. Sind Sie bereit, wie wir, daran mitzuarbeiten, dass dies gelingt? Oder sind Sie ein Gegner der Energiewende?

Gastbeiträge wie der Ihre mit falschen(1) oder unvollständigen Fakten und Erklärungen sowie ohne einen für die Leser nachvollziehbaren Alternativvorschlag gehören nicht nur in der Badischen Zeitung abgeschafft. Sofort.

Dr. Jörg Lange (Vorstand CO2 Abgabe e.V.), Heinz Ullrich Brosziewski, Hartmut Brösamle, Dr. Matthias Seelmann-Eggebert , Dr. Joachim Nitsch, Ursula Sladek, Bertram Späth, Virginia Sonntag-O’Brien, Martin Ufheil,  (jeweils Beiräte des CO2 Abgabe e.V.)

Leserbrief erschien am 7.8.2020 in der Badischen Zeitung

(1) „Ostern zahlten sie (Netzbetreiber) 78 Cent pro Kilowattstunde, um den Ökostrom loszuwerden.“ Tatsächlich lag der Day-Ahead Börsenstrompreis bei -78 Euro pro Megawattstunde. Das sind -7,8 Cent pro Kilowattstunde. (vgl. auch smard.de)

Leserbrief zum Gastbeitrag von Lüder Gerken „Nur der Handel mit Emissionsrechten ist zielsicher“ in der Badischen Zeitung vom 22.8.2020

Ständige Wiederholung macht eine Argumentation nicht richtiger

Ludger Gerken erläutert in seinem Gasbeitrag zum wiederholten Male, warum er den Emissionshandel für das einzig zielsichere Klimaschutzinstrument hält. Leider hat Gerkens „Theorie“ eines Emissionshandels mit der umgesetzten Realität des europäischen Emissionshandels (EU-ETS) nur wenig zu tun.

Der im Jahr 2005 eingeführte europäische Emissionshandel (EU-ETS) hat zum Ziel bis zum Jahr 2020 die Emissionen der erfassten Sektoren um mindestens 21 % bezogen auf 2005 zu senken. Dieses sehr wenig ambitionierte Ziel, dass den Klimaschutzvereinbarungen bei weitem nicht entspricht, wird erreicht, keine Frage. Aber die eigentliche Frage ist durch welche Maßnahmen. Allein durch den EU-ETS. Nein!

Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) wird von zahlreichen nationalen Politiken und ganz unterschiedlichen Instrumenten, wie zum Beispiel dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) in Deutschland oder dem Carbon Price Floor Großbritanniens überlagert. Emissionsminderungen, die durch den Ausbau der Erneuerbaren (EEG) oder die zusätzliche Steuer in Großbritannien (UK) auf die fossile Stromerzeugung geleistet werden muss der europäische Emissionshandel nicht leisten. Er erbringt sein sehr niedrig gesetztes Ziel auf Kosten anderer Instrumente. Wäre das Ziel für 2020 ausgerichtet gewesen am Klimavertrag von Paris und gebe es die anderen Instrumente nicht, wären die CO2-Preise seit vielen Jahren längst sehr viel höher.

Ohne kostenfreie Zuteilung von EU-ETS Verschmutzungsrechten oder die Strompreiskompensation wären bereits bei aktuellen EU-ETS Zertifikatspreisen (25 € pro Tonne CO2) nennenswerte Verlagerungen der Emissionen durch Produktionsverlagerung von z.B. Stahl oder Kupfer ins außereuropäische Ausland wahrscheinlich. Die bestehenden Schutzmaßnahmen haben aber im Gegenzug den Nachteil, dass die verbleibenden Preisanreize viel zu gering bleiben, um der Industrie eine „klimaneutrale“ Produktion mit hohen „Sprunginvestitionen“ zu ermöglichen, also z.B. eine Umstellung auf grünen Wasserstoff bei der Kupferherstellung.

Andere Länder, wie z.B. UK und waren in der Lage die Defizite des real existierenden europäischen Emissionshandels zu erkennen und für sich durch einen Steueraufschlag (Carbon Price floor) zumindest bei der Stromerzeugung zu korrigieren. Mit Erfolg: die Steinkohle spielt 2019 in UK mit 7 TWh gegenüber 2013 (130 TWh) im Jahr der Einführung des Steueraufschlags auf den CO2-Preis des EU-ETS kaum noch eine Rolle. Um aber weltweit auch bei der Industrie Investitionen in eine klimaneutrale Produktion von z.B. Stahl oder Aluminium braucht es deutlich höhere CO2-Preise. So lange es keine globale Internalisierung von Klimaschadenskosten durch wirksame und einheitlich Preise auf Treibhausgase gibt, schlägt Nobelpreisträger William Nordhaus 2019 einen „Klimaclub“ der willigen Staaten vor, die andere Staaten (z.B. durch Abgaben auf treibhausgasintensive Warenimporte) für die Schadenskosten haftbar machen, wenn sie sich nicht am Klimaschutz beteiligen bzw. die Zielvereinbarungen zur Reduktion von Treibhausgasen nicht erfüllen.

Um einen solchen CO2-Grenzausgleich geht es gerade in der europäischen Diskussion und einer EU-Konsultation im Rahmen des Green Deals.

Jörg Lange, CO2 Abgabe e.V., Freiburg

Die CO2-Vermeidungskosten der Photovoltaik liegen bei heutigen Stromgestehungskosten einer Freiflächenanlage in Deutschland von etwa ca. 5-6 Cent pro Kilowattstunde und einem Netto CO2-Vermeidungsfaktor von 627 g CO2e./kWh (Bezugsjahr 2018) laut Umweltbundesamt bei 80 € pro Tonne CO2e.

Leserbrief wurde in gekürzter Form am 3.9.2020 veröffentlicht.

Ausgewählte weitere in der BZ veröffentlichte Leserbriefe zum Gasbeitrag von Lüder Gerken „Nur der Handel mit Emissionsrechten ist zielsicher“ in der Badischen Zeitung vom 22.8.2020:

„Unsere Politiker handeln richtig“ von Volker Hurm, 8.9.2020

„Die Klimaschutzziele werden verfehlt“ von Matthias Seelmann-Eggebert, 8.9.2020

Herrn Gerken wird in der Badischen Zeitung immer wieder die Gelegenheit gegeben Gastbeiträge zu veröffentlichen, wie z.B. „Fliegen Sie weiter in den Urlaub nach Spanien oder Griechenland!
vom 16.8.2019.

Auch dieser Beitrag enthält eine aus unserer Sicht falsche bzw. zu stark vereinfachende Darstellung des Emissionshandels. Den Gastbeitrag hat spätestens die Coronakrise eindeutig widerlegt, denn
auch der Emissionshandel ergibt keinen zwingenden Grund zum emittieren von Treibhausgasemissionen in einem anderen Bereich, nur weil der Flugverkehr eingestellt wird. Für Herrn Gerken ist seine Welt sehr einfach. Der Emissionshandel wird es schon richten. Und alles andere ist blödsinn, wie z.B. das EEG.

 

 

Zur Übersicht

One thought on “Leserbriefe zu Gastbeiträgen zum EEG und Emissionshandel von Herrn Lüder Gerken in der BZ vom 18.7. und 22.8.2020

Comments are closed.