Der Umwelthistoriker Joachim Radkau hat die 80er Jahre als das Jahrzehnt der Umwelt beschrieben. Mit der ersten Klimakonferenz in Rio 1992 hätten die 90er Jahre als das Jahrzehnt der Umwelt und des Klimas in die Geschichtsbücher eingehen können, aber eines überwog: Der Siegeszug des westlichen Kapitalismus über den sowjetischen Kommunismus. Und so wurden die 90er Jahre das Jahrzehnt des Neoliberalismus. So kam es, dass 1994 ein Vertrag zwischen vor allem vielen west- und osteuropäischen Ländern unterzeichnet wurde. Der Vertrag sollte sicherstellen, dass Investitionen in fossile Energien im Ausland vor der Willkür des Staates geschützt sind. Gemeint war wohl die Willkür im ehemaligen Ostblock. Investoren sollten Regierungen vor ein unabhängiges Schiedsgericht zerren können, wenn eine neue Regelung die Investitionen unprofitabler machten. Aber der Vertrag wurde bald auch gegen alle politischen Entscheidungen angewendet – auch gegen demokratisch legitimierte. In Deutschland sind zwei Prozesse von Vattenfall gegen die Bundesrepublik am bekanntesten. Das Unternehmen – vollständig im Besitz des schwedischen Staates! – hat 2009 gegen die Umweltauflagen für sein Kohlekraftwerk Moorburg geklagt sowie später gegen den zweiten Atomausstieg unter der Führung der Kanzlerin Merkel 2011. Der Vertrag steht wegen solcher Fälle international seit Jahren in der Kritik. 2021 hat der Europäische Gerichtshof die Energiecharta für unwirksam zwischen EU-Mitgliedern erklärt, aber die Schiedsgerichte halten sich schlicht nicht dran. Italien ist bereits 2016 aus dem Vertrag ausgetreten; Deutschland hat 2022 den Rücktritt beschlossen. Am Donnerstag hat der Bundesgerichtshof die Charta für unwirksam erklärt. Und im Juli hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, dass die EU aus dem Vertrag formell austreten soll. Sollte es dazu kommen, würde der Vertrag trotzdem noch weitere 20 Jahre gelten – solange gilt die Frist. Bis rund 2044 könnten Investoren für fossile Anlagen Entschädigung verlangen, wenn Klimaschutzmaßnahmen implementiert werden – weil es Anfang der 90er einen Konsens gab, dass ausländische Investoren besonderen Schutz vor politischen Entscheidungen genießen. |