Fahrleistungsbezogene PKW Maut und Bundesmobilitätsgesetz

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Fahrleistungsbezogene PKW Maut inkl. CO2-Preis Komponente zur Neuausrichtung der Verkehrsinfrastruktur am Klimaschutz im Rahmen eines Bundesmobilitätsgesetz 1.0

In Deutschland wird die Verkehrsinfrastruktur durch den Bundeshaushalt finanziert. Dazu gehören das Bundesschienennetz, die Bundesfernstraßen und die Binnenwasserstraßen. Die Steuereinnahmen aus z.B. Energie- und KFZ-Steuer decken dabei aber nicht die Kosten, die der Straßenverkehr für die Allgemeinheit verursacht (zum Beispiel durch Klimaschäden, Unfälle, Gesundheit, Lärm etc.). Und sie bieten kaum die Möglichkeit, um die Verkehrswende zu finanzieren (Blanck et al. 2020, Bieler et al. 2019). Im Gegenteil, die Einnahmen aus Benzin-, Diesel und KFZ-Steuer nehmen u.a. wegen der Steuerbefreiung elektrischer Fahrzeuge ab.

Kosten, die durch den motorisierten Individualverkehr entstehen, sollten auch von den Verursachern getragen werden. Und um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen, müssen Investitionen besser gesteuert werden – dafür ist eine grundlegende Überarbeitung der Rahmenverkehrsplanung notwendig.


Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen, die dazu führen, dass

  1. eine langfristige Finanzierung der Verkehrswende im Rahmen z.B. eines Bundesmobilitätsgesetzes ermöglicht wird,
  2. eine fahrleistungsbezogene Maut eingeführt wird, die jeden auf dem Straßennetz zurückgelegten Kilometer verursachergerecht mit einer Gebühr belegt. Dadurch können die Benzin-, Dieselsteuer und KfZ-Steuer wegfallen.

Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail

(1)  Entwurf zu einem Bundesmobilitätsgesetz 1.0 liegt seitens des VCD vor

Am 10. Februar 2022 hat der VCD einen Entwurf zu einem Bundesmobilitätsgesetz vorgelegt.
„Von der Bedarfs zur zielorientierten Planung“ so könnte man den Entwurf charakterisieren. Den aktuellen rechtlichen Regelungen zur Verkehrspolitik/Mobilitätsplanung fehlt es bisher weitgehend an konkreten Zielen. Diesem Defizit wird mit den in §§ 4 bis 12 genannten Leitzielen Mobilitätssicherung, Sicherung des Transports von Waren- und Dienstleistungen, Klimaschutz und Energieeffizienz, Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Sozialverträglichkeit, Lebenswerte Städte und Regionen, Effizienz und Resilienz des Verkehrssystems) des Entwurfs zu einem BuMoG begegnet. Die genannten Leitziele steuern die Planung von Mobilität und Verkehr in Bund, Ländern und Kommunen. Es handelt sich bei dem Entwurf um ein Artikelgesetz, das neben dem neuen Bundesmobilitätsgesetz (Artikel 1) notwendige Anpassungen in fünf weiteren verkehrsrelevanten Gesetzen vorsieht: im Straßenverkehrsgesetz inkl. der Straßenverkehrsordnung (Artikel 2), im Bundesfernstraßengesetz (Artikel 3), im Bundesfernstraßenmautgesetz (Artikel 4), im Allgemeinen Eisenbahngesetz (Artikel 5) und im Eisenbahnregulierungsgesetz (Artikel 6).

Im Bereich Klimaschutz müssen somit z.B. alle Planungen mit dem Klimaschutzgesetz abgegelichen werden. So bedeuten eine Reduktion von mindestens 65 Mio. Tonnen CO2äq bis 2030 gemäß Klimaschutzgesetz im Verkehrsbereich nichts anderes als ca. 40% weniger Benzin- und Dieselverbrauch von heute an bis 2030 und damit auch jährlich zunehmende Steuerausfälle bei der Energiesteuer auf Benzin und Diesel. Das Steueraufkommen aus Benzin und Diesel ist von rund 36,7 Mrd. € im Jahr 2019 auf 33,1 Mrd. € um rund 3,6 Mrd. im Jahr 2021 eingebrochen. Bei einer linearen Abnahme der Steuereinnahmen aufgrund der Klimaschutzziele summieren sich die Mindereinnahmen in bis 2030 auf rund 70 Mrd. €. Es bliebe also wenig für Neubaumaßnahmen im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) übrig.

Der aktuelle BWVP wird von der Bundesregierung als Regierungsprogramm beschlossen und stellt keine gesetzliche Regelung dar. Er war bereits in der Vergangenheit unterfinanziert und legt seinen Schwerpunkt in der Planung mit 49 % des gesamten Kapitals bis heute auf den Straßenbau. Der aktuelle BVWP 2030 soll eine Reduktion von insgesamt von 0,4 Mio. Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr bis 2030 (BVWP, S. 24) bewirken – das reicht bei weitem nicht aus, um das im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Einsparungsziel in Höhe von 65 Mio. Tonnen CO2  von 2020 bis 2030 („Zulässige Jahresemissionsmengen“) zu erreichen.

Der BWVP ist unter Berücksichtigung des Klimaschutzes und der modernen Möglichkeiten der Mobilität vollkommen neu auszurichten. Der gesetzliche Rahmen der Verkehrspolitik in Deutschland braucht einen umfassenden Neustart (Blanck et al. 2020). Dafür sollte das Bundesschienenwegeausbaugesetz, das Bundeswasserstraßenausbaugesetz, das Fernstraßenausbaugesetz und der Bundesverkehrswegeplan zu einem Bundesmobilitätsgesetz zusammengefasst werden (VCD 2021).

(2)  Fahrleistungsbezogene PKW-Maut

Wir brauchen eine Maut für Alle“, forderte bereits Roger Kehle 2019 in der Welt, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg und Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zur Finanzierung der Verkehrswende. Der Umbau zu einer klimaschonenderen Verkehrsinfrastruktur ist seit Jahren unterfinanziert. Die gesamten externen Kosten des Verkehrs belaufen sich in Deutschland, berechnet für das Jahr 2017, auf rund 150 Mrd. €, davon entfallen nahezu 95% (141 Mrd. €) auf den Straßenverkehr (Allianz pro Schiene 2019). Im Personenverkehr entfallen mit 104 Mrd. € die höchsten Kosten auf die PKW-Nutzung. So verursachen PKW-Nutzer pro Kilometer mit rund elf Cent mehr als dreimal so hohe externe Kosten wie Bahnfahrer.

Trotz steigender Verkehrsleistung und wachsendem PKW-Bestand stagniert das Aufkommen der verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben. Die Einnahmen aus Energiesteuer, KFZ-Steuer und LKW-Maut betrugen im Jahr 2020 etwa 50 Mrd. € (2019 etwa 53 Mrd. €) und decken damit bei weitem nicht die externen Kosten des Autoverkehrs. Die größte Einnahmequelle sind die Steuern auf Benzin und Diesel (ca. 33 Mrd. € 2020). Elektroautos sind sowohl von der Energiesteuer wie auch der KFZ-Steuer befreit. Mit zunehmendem Anteil an Elektroautos werden die Einnahmen sinken.

Die verkehrsbezogenen Abgaben für PKW auf Erwerb (Umsatzsteuer, Zulassungssteuer, Zulassungsgebühren), Besitz (Kraftfahrzeugsteuer, Versicherungssteuer) und Nutzung (Energiesteuer und Umsatzsteuer) liegen in Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern in Europa im unteren Drittel [Kunert 2018, Blanck et al. 2020]. Die Kosten für Lebenshaltung und öffentliche Verkehrsdienstleistungen (ÖV +79%, Bahntickets +57%) sind zwischen 2000 und 2018 deutlich stärker gestiegen als die Kosten für ein eigenes Auto (+36%). Preise für Benzin und Diesel sind zwischen 2010 und 2017 absolut sogar gesunken [BMVI 2018a]. Autobesitzen und Autofahren sind in Deutschland zu billig.

Je stärker der fossil motorisierte Individualverkehr (MIV) subventioniert wird, umso höher müssen umweltfreundlichere Verkehrsmittel bezuschusst werden, um für einen Umstieg attraktiv zu sein. Die Steuerzahlenden werden damit nicht nur verursacherungerecht, sondern sogar doppelt belastet.

Mit steigendem Anteil an Elektrofahrzeugen bedarf es ohnehin eines Ausgleichs der sinkenden Einnahmen aus der Benzin- und Dieselsteuer.

Um die notwendige Infrastruktur in eine klimaverträgliche Verkehrswende zu steuern, braucht es Instrumente, die einfach, transparent, lenkend, zügig und wirksam die Verkehrswende einleiten, beschleunigen und finanzieren. Eine fahrleistungsbezogene Maut würde jeden auf dem Straßennetz zurückgelegten Kilometer verursachergerecht mit einer Gebühr belegen und die vielen anderen fiskalischen Instrumente der Verkehrspolitik (Energiesteuer, KFZ-Steuer, Kaufprämien, Dienstwagensubvention, Entfernungspauschale) im motorisierten Individualverkehr ersetzen können.

(3) Reform Wegekostenrichtlinie, LKW-Maut

Die LKW Maut ist bisher eine Abgabe zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Über die Reform der Wegekostenrichtlinie wird schon seit mehr als drei Jahren diskutiert. Das Europäische Parlament hat bereits im Oktober 2018 seinen Standpunkt festgelegt. Am 8. Dezember haben sich die EU Verkehrsminister*innen auf Eckpunkte geeinigt: Ausweitung der Mautpflicht auf Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t; Mautsätze bei der bestehenden LKW-Flotte weiter je nach Euro-Schadstoffnorm, bei neuen Fahrzeugen ab April 2023 soll der CO2-Ausstoß ausschlaggebend sein.

Vorschlag: Zusätzliche Einführung einer europaweiten Speditionsabgabe zur Bepreisung der Treibhausgase beim Transport statt Einbeziehung in eine LKW-Maut (vgl. MP 11).


Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen

Durch eine fahrleistungsbezogene PKW-Maut in Höhe der Kosten für die Infrastruktur und der externen Kosten stehen zusätzliche Einnahmen von ca. 50-80 Mrd. € zum Umbau der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Die CO2-Vermeidungskosten im Verkehrsbereich liegen zwischen 0 und 1.000 €/Tonne CO2 (IW Köln 2019). Das Einsparpotenzial bis 2035 liegt bei bis zu 60 Mio. Tonnen CO2e jährlich. Eine Untersuchung zu den Beschäftigungseffekten der Transformation in der Mobilität (Szenario Multi-Modalität mit starker Förderung des ÖV, Fuß-und Radverkehr und Rückgang des PKW-Bestands) geht insgesamt von minus 21.800 Stellen bis 2035 aus. (Arbeitsplatzverluste in Luftfahrt, KFZ-Handel, Güterverkehr Straße -768.000, Arbeitsplatzgewinne Fernverkehr Bahn, Herstellung Batterien, Umbau Verkehrsinfrastruktur + 746.399, Sievers et al. 2019 und Schade, W. et al. 2020). Welche Rolle synthetische Kraftstoffe zukünftig spielen werden, bleibt noch offen (SMC 2020).

Wie die Verkehrswende sich entwickeln wird hängt auch stark von der Bewirtschaftung des ruhenden Verkehrs (Stellplatzflächen) ab (vgl. MP 5).

Elektroautos sind eine wichtige technische Option, aber stellen alleine keine ausreichende Lösung für den Klimaschutz im Verkehrsbereich dar (vgl. VDI 2020, BMU 2019, UPI 2019, ISI 2019, Agora/IFEU 2019). Die Autoindustrie bekennt sich zwar inzwischen zu einer „klimaneutralen Wertschöpfungskette“ (VDA 2020), aber jeder PKW weniger hilft den Aufwand an Energie, Rohstoffen für die Produktion sowie der Wiederverwertung zu reduzieren.


Vorschläge für die rechtliche Umsetzung

Bundesmobilitätsgesetz 1.0

(1)    Zusammenlegung von Bundesschienenwegeausbaugesetz, Bundeswasserstraßenausbaugesetz, Fernstraßenausbaugesetz und Luftverkehrsgesetz in ein Mobilitätsgesetz

(2)   Reform bzw. vollkommene Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplan

(3)   Moratorium für Neubau von Straßen, die dem KFZ-Verkehr vorbehalten sind (100% des Budgets in ÖV, Schiene, Fahrrad, Straßensanierung, Straßenumbau)

(4)   Keine ÖPP-Finanzierung mehr von Straßen

(5)   Deutschlandtakt im Schienenverkehr

(6)   Reaktivierung alter Schienentrassen

(7)   Flächendeckender Ausbau einer Nachtzug-Infrastruktur
https://www.nachtzug-bleibt.eu/
https://back-on-track.eu/

(8)   Flugverbot für innerdeutsche Flüge (2,1 Mio. t CO2Äq. pro Jahr, 2017)

(9)   Aufgabe von Regionalflughäfen (Fös)

(10) Nicht mehr benötigte Luftverkehrszertifikate stilllegen

(11)  Kerosinsteuer einführen (vgl. wahre Kosten)

(12) Schwerpunkt auf den Neu- und Ausbau von Fahrradschnellwegen legen

Fahrleistungsbezogene PKW-Maut

(13) Zulassungssteuer, Kraftfahrzeugsteuer und Energiesteuern werden zu einer allgemeinen verursachergerechten ansteigenden PKW-Maut zusammengefasst, die alle Externalitäten (Treibhausgaspotenzial, Luftschadstoffe, Unfälle, Lärm, Natur etc.) nach Durchschnittswerten des Straßenverkehrs ansteigend zur Finanzierung des Umbaus der Verkehrsinfrastruktur internalisiert. z.B. PKW anfänglich durchschnittlich 9 Cent pro km, Anstiegspfad 0,25 Cent pro km und Jahr, LKW Maut erhöhen…

Speditionsabgabe für Güterverkehr

(vgl. MP 11)

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