Bilanzierung der Treibhausgase durch die Lieferkette

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Lieferkettengesetz 2.0

Die Grafik illustriert stark vereinfacht die Bilanzierung der Emissionen durch die Lieferkette bis zur digitalen Kennzeichnung im Endprodukt.

Am 11. Juni 2021 wurde Bundestag das sogenannte „Lieferkettengesetz“ verabschiedet. Ein wichtiger Schritt: Denn größere Unternehmen werden damit ab dem 1.1.2023 verpflichtet, Verantwortung für die gesamte Produktionslinie ihrer Produkte zu übernehmen.

Dabei geht es im aktuellen Lieferkettengesetz allerdings vorrangig um den Schutz der Menschenrechte, um soziale Standards und Gesundheit. Klima- und Umweltschutz sind bislang weitgehend ausgespart.


Als Mitglied des 20. Bundestages werde ich folgende Gesetzesinitiativen zum Klimaschutz einbringen oder unterstützen,

  1. die Unternehmen verpflichten, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der gesamten Lieferkette zu bilanzieren. Die Verpflichtung zur Treibhausgasbilanzierung kann stufenweise in den Wirtschaftsbereichen verfolgen, in denen die Umsetzung einfach und die Wirkung groß ist.
  2. die Unternehmen zur transparenten Information über die tatsächlichen Umweltkosten (incl. der Treibhausgase) zu verpflichten, die in einem Produkt verborgen liegen. Diese Informationen müssen für Verbraucher zugänglich sein (Stichwort Digitaler Produktpass).

Hintergrund: Beschreibung der Vorschläge im Detail

(1) Pflicht zur Bilanzierung der Treibhausgasemissionen durch die Lieferkette im Lieferkettengesetz

Wer seine Emissionen mindern möchte, der muss sie zunächst kennen. Das gilt in besonderer Weise für Unternehmen, da sie über die Lieferketten auf den weitaus größten Teil der direkten und indirekten Emissionen Einfluss haben, sei es im In- oder Ausland. Jede Einkaufsentscheidung eines Vorproduktes nimmt Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck des Endproduktes. Nur mit den produzierenden Unternehmen ist die Forderung nach der Kennzeichnungspflicht der mit unseren Konsumprodukten einhergehenden Emissionen umsetzbar.

Mit dem von der Bundesregierung im März beschlossenen „Gesetzesentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ sollen größere deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihrer globalen Verantwortung gegenüber Vorlieferanten über die gesamte Lieferkette abgestuft nach Einflussmöglichkeiten besser nachzukommen. Im bisherigen Entwurf geht es im vorrangig um den Schutz der Menschenrechte, soziale Standards und Gesundheit (vgl. Analyse Initiative Lieferkettengesetz).

Die nationalen Treibhausgasbilanzen und mit ihr auch die meisten der existierenden Szenarien betrachten nur die Emissionen nach dem Territorialprinzip. Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und des Kyoto-Protokolls müssen jährlich nationale Treibhausgasbilanzen in Form eines nationalen Inventarberichts beim Sekretariat der UNFCCC einreichen. Und auch die im Klimaschutzgesetz 2019 verankerten jährlichen Reduktionsziele beschränken sich auf die territorialen Emissionen.

Der Anteil Deutschlands am Welthandel (Import und Export) liegt bei über 7% (BMWI 2020). Bei einer Betrachtung der importierten wie exportierten Emissionen durch Produkte sind Europa und Deutschland Nettoimporteur von Emissionen. Verantwortung für den Klimaschutz zu übernehmen bedeutet also mehr, als die territorialen Emissionen zu senken.

Zur Bilanzierung der Treibhausgase gibt es einen internationalen Standard, das Greenhouse Gas Protocol (vgl. auch DIN EN ISO 14064-1:2019-06.) (Scope 1-3 bezeichnet dabei eine Abstufung von direkt im Unternehmen produzierten Emissionen z.B. über Verbrennungsprozesse, über Emissionen, die mit zugekaufter Energie wie Strom verbunden sind, bis hin zu indirekten Emissionen, die z.B. mit Vorprodukten „eingekauft“ werden oder bei Dienstreisen entstehen).

Alle relevanten Emissionen könnten bereits heute in die Bilanz zumindest über Durchschnittswerte oder benchmarks einbezogen und produktscharf als Vorkettenemissionen in die Vorkettenbilanz Dritter einfließen. Mit dem Verkauf eines Zwischenproduktes (Vorketten) können nicht nur Herkunft, Preis, Gewicht, Transportkosten etc., sondern auch die Treibhausgasbilanz über entsprechend angepasste Verwaltungsprogramme bis zum Endprodukt und/oder Etiketten (Chips oder Strichcodes) übergeben werden. Über die „Vorkettenemissionen“ wird es möglich, die Treibhausgase bis ins Endprodukt zu verfolgen und auch mit einem verursachergerechten Preis zu belegen. Damit kommen Preissignale sowohl beim Produzenten als auch beim Konsumenten wirksam an. Der Produzent kann für den Endkonsumenten ein günstigeres Produkt anbieten, wenn er auf niedrigere Emissionen und damit Kosten in der Vorkette achtet, und der Konsument kann sich für Produkte mit niedrigeren Emissionen entscheiden, sofern die Emissionen und die entsprechende Abgabe auf dem Produkt kenntlich gemacht werden. Der damit verbundene Aufwand lohnt sich also in doppelter Hinsicht. Ebenso werden Grenzausgleichsabgaben ebenfalls einfacher und konform zum Welthandelsrecht umsetzbar (MP 12)

Um den Aufwand zu Beginn einer verpflichtenden Bilanzierung von Treibhausgasen überschaubar zu halten und effizient für den Klimaschutz zu gestalten, bieten sich zunächst zwei Bereiche an, die besonders treibhausgasintensiv sind und für die mit überschlägigen CO2-Intensitäten die Bilanzierung der Treibhausemissionen vom Grundstoff (z.B. Stahl) bis zum Endprodukt (z.B. Auto) begonnen werden kann (klimareporting.de, wwf 2016):

  1. die treibhausgasintensivsten Grundstoffprodukte (vgl. MP 12) und
  2. die internationalen Gütertransportemissionen (vgl. MP 11), die bisher in den territorialen Emissionsbilanzen weitgehend unberücksichtigt bleiben. Die Methodik hierzu ist gut ausgearbeitet und entsprechende EU-Normen (DIN 16258) liegen vor (DSLV 2013).

Für beide Bereiche lassen sich anhand von Gewicht und Herkunft der Güter spezifische CO2-Emissionsintensitäten eines Endproduktes oder einer Produktgruppe bestimmen und auch mit einer differenzierten Endproduktabgabe („Klimaabgabe“) bepreisen (vgl. MP 10 und MP 11).

Noch viel weiter gehen Ansätze, die „richtig rechnen“ und eine Unternehmensbilanz der Zukunft vorstellen, die nicht nur die Treibhausgase mitbilanziert, sondern z.B. auch Aufwendungen für Bodengesundheit (Landwirtschaft), Erhalt und Förderung von Biodiversität oder für die Aus- und Weiterbildung von den Mitarbeitenden (vgl. MP 2) nicht nur als Aufwand, sondern auch als Ertrag buchen. Dabei werden Leistungen für den sozialen Zusammenhalt oder den Erhalt von Natur“kapital“ vermögensbildend (vgl. quartavista).

(2)  Chancen der Digitalisierung zur Verfolgung der Emissionen durch die Lieferkette

Die transparente, fälschungssichere, dezentrale und emissionsarme Verwaltung von Informationen über Herkunft, Mengen, Eigentum, Kosten von Emissionen, Energien (z.B. H2, Strom) und Zertifikaten (Stichwort Blockchain) kann einen wesentlichen Beitrag zur kosteneffizienten Umsetzung der Energiewende beitragen (Stichwort Digitaler Produktpass). Mit ihr kann es gelingen, auch das Engagement von Endverbraucher*innen und Unternehmen zu aktivieren. So könnte eine energiesparende Form z.B. der blockchain Technologie dazu genutzt werden, die Emissionen über die gesamte Lieferkette zu verfolgen. Darauf aufbauend lässt sich der Emissionsfußabdruck eines Endproduktes zielgenau bepreisen. Die Bepreisung kann analog zur Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug über alle Zwischenprodukte bis zum Endprodukt ausgestaltet werden (Energiewendekomission 2021, T-36, Ziffer 75).


Erwartete Wirkungen auf Emissionen, Arbeitsmarkt und Finanzen

Die Kenntnis über die Treibhausgasemissionen für Herstellung und Gebrauch eines Produkts ist für viele der folgenden beschriebenen Maßnahmenpakete eine notwendige Information, um sie angemessen und verursachergerecht bepreisen zu können, zu reduzieren und neue Geschäftsmodelle mit einem geringeren Ausstoß an Treibhausgasen zu entwickeln. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission schätzt die Umsetzungskosten menschen­rechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten für große Unternehmen auf durchschnittlich 0,005 % ihrer Umsätze und für kleine und mittlere Unternehmen auf 0,07 % (EU-Kommission 2020).

Der Aufwand der Bilanzierung (Scope 1-3) in Unternehmen in Deutschland ist bislang nicht ermittelt. Der Aufwand sinkt aber mit zunehmender Erfahrung und Digitalisierung.


Vorschläge für die rechtliche Umsetzung

(1)    Stufenweise Verpflichtung der Treibhausgasbilanzierung im Lieferkettengesetz (Gesetz für die unternehmerische Sorgfaltspflicht für Menschrechte und Umwelt- und Klimaschutz) integrieren, das bisher im Entwurf vorliegt und bisher im Wesentlichen soziale Standards anspricht.

(2) Auch die EU bereitet ein Lieferkettengesetz vor (vgl. MP 19 Klimadiplomatie), in dem eine Verpflichtung zur stufenweisen Bilanzierung der Treibhausgasemissionen für Unternehmen aufgenommen werden kann.

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