Liebe Mitglieder, Unterstützende und Interessierte, "Hilflos in der Heißzeit" so die Schlagzeile der Spiegelausgabe vom 13.8. Mitten in der Katastrophe: Europa ächzt in der neuen Heißzeit. Doch die Bundesregierung setzt wegen Krieg und Inflation den Kampf für das Klima aus. Wird es überhaupt noch mal besser – oder viel schlimmer? so die Spiegel-Titelstory im August.
Gleichzeitig herrscht bei uns eine ungekannte Knappheit an Gas und Strom. Da die Nachfrage so schnell nicht abnimmt, steigen Gas- und Strompreise auf immer höhere Rekordmarken (vgl. Zahlen des Monats oder Energiemonitor der Zeit). Beim Strom sind aktuell schwache Winderträge und geringe Niederschläge und damit viel weniger Strom aus Wasserkraft nicht die einzigen Gründe. Durch die vielen abgeschalteten Kernkraftwerke stellt derzeit Frankreich täglich 20 GW (etwa ein Viertel der Spitzenlast in Deutschland) weniger an Stromleistung zur Verfügung als vor einem Jahr. Deutschland exportiert derzeit viel Strom nach Frankreich. Die französichen Strombörsenpreise sind deshalb noch höher als in Deutschland. Wie dramatisch die Lage ist und dass bisherige Instrumente nicht ausreichen, wird vielen Verantwortlichen erst langsam klar.
Es droht für viele einkommensschwache Haushalte eine soziale Notlage, die für das wiedervereinigte Deutschland in dieser Dimension neu ist. Neben der Gasumlage (2,419 Cent/kWh) kommen aber auch noch eine Regelenergie- (0,57 Cent/kWh) und Speicherumlage (0,059 Cent/kWh) zu den Gaspreisen hinzu. (Angaben jeweils ohne Mehrwertsteuer). Doch die Umlagen auf Gas (die ausschließlich Gaskunden betreffen) sind vermutlich für viele Verbraucher*innen nur der Beginn der Kostenexplosion. Für das Jahr 2023 wird insbesondere bei auslaufenden Vertragslaufzeiten mit einer Verfielfachung der Gaspreise mit Preisen von z.T. weit über 20 Cent pro Kilowattstunde erwartet (stromauskunft.de). Es gibt also allen Grund Energie zu sparen so viel es nur geht.
Produzenten und Händler von Flüssigerdgas u.a. aus USA und Norwegen verdienen gerade astronomische Summen. Ebenso Unternehmen die noch günstige oder von russischem Erdgas unabhängige Gasbezugsquellen mit langfristigen Verträgen haben und selbst Strom erzeugen, wie z.B. die RWE und damit von hohen Strompreisen profitieren. Auch Betreibern von Solar- und Windparks kommen die hohen Strombörsenpreisen zugute. Die Stromversorger werden diese höheren Strompreise früher oder später weiter geben.
Die Folge: Wer auslaufende Stromverträge hat, muss auch beim Strom mit erheblichen Preissteigerungen rechnen.
Viele befürchten, wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass Gesellschaft und Politik die soziale und ökologische Notlage noch immer nicht erkannt haben und wir dabei sind, die „sozial-ökologische Transformation zu verschlafen“. Bisher kommt die krisengeschüttelte Bundesregierung auch im Monat August bei den vielen im Koalitionsvertrag angekündigten und für die Energiepreise notwendigen Reformen wie z.B. zum Strommarktdesign oder den Netzentgelten kaum voran. Das angekündigte Sommerpaket zum Klimaschutz steht noch aus und über den Abbau von klimaschädlichen Subventionen und Bürokratie im Rahmen einer grundlegenden Steuer- und Umlagenreform wird allenfalls geredet. Mit der Gasumlage einerseits und der Ankündigung einer Absenkung der MWSt beim Gas auf 7% verpasst die Bundesregierung, wie bei den beiden Entlastungspaketen zuvor, den notwendigen sozialen Ausgleich für steigende Energiepreise grundsätzlich neu und zielgerichtet am Einkommen z.B. über Steuer ID und Kontonummer auszahlbar zu machen. Viele der Maßnahmen erfolgen weiterhin mit der Gießkanne und kommen nicht zielgenau bei einkommensschwachen Haushalten an. Die Gasumlage führt zu weiterer Bürokratie und die gleichzeitige Entlastung über die Umsatzsteuer setzt bürokratisch noch einen oben drauf. Eine direkte Finanzierung von Insolvenz gefährdeten systemrelevanter Gasversorgern über den Staatshaushalt hätte die "Rettungskosten" auf breitere Schultern verteilt und nicht nur auf die Gaskunden umgelegt. Zudem hätten Versorger zur Mitteilung von Preiserhöhungen nach § 5 Abs. 2 GasGVV zum 1.10 bereits am 19. August versenden und veröffentlichen müssen und Fernwärmelieferanten müssen weiterhin 19 % auf ihren Wärmebezug nehmen, auch wenn diese Wärme aus Gas erzeugt wird.
Die Entlastung durch das 9-Euro-Ticket erfreut sich großer Beliebtheit. Eine Nachfolgeregelung, wie z.B. das vom KiB e.V. vorgeschlagene solidarische Jahresticket, finanziert z.B. durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen, kommt erst langsam in Sicht. Der Verkehrsbereich ist beim Klimaschutz ohnehin der mit dem größten Nachholbedarf. Im Sofortprogramm Verkehr vom zuständigen Minister Wissing stellt der Expertenrat eine Einsparungslücke bis zum Jahr 2030 von insgesamt 261 Mio. Tonnen CO2 fest.
Zur Frage, wie in Zukunft geheizt werden darf, verpassen zwei Konzeptpapiere der zuständigen Ministerien die Chance, bei allen vorgeschlagenen Erfüllungsoptionen und darauf abzustimmenden förder- und ordnungspolitischen Vorgaben die tatsächlichen Treibhausgasemissionen der jeweiligen Energieträger als verbindlichen Maßstab anzusetzen und sich darum zu kümmern, woher der Strom für die geplanten Wärmepumpen im Winter kommt, wenn die Sonne nicht ausreichend scheint und/oder der Wind nicht ausreichend weht?
Ebenfalls zu den großen Herausforderungen gehört die im Koalitionsvertrag angekündigte Biomassestrategie, zu der ein Eckpunktepapier nun für den September geplant ist. Die Frage, welche Rolle Holzbiomasse zukünftig noch für die Wärmeversorgung spielen kann und wieviel Treibhausgasen ihre Verbrennung erzeugt, ist dabei nur ein von vielen wichtigen Fragen.
Diese und andere Themen haben wir für Sie in unserem, Newsletter zusammengestellt. Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung! Ihr Team des Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. (früher CO2 Abgabe e.V.) |