Schlupflöcher im GEG-Entwurf aufgedeckt

Pressemitteilung vom 29.8.2023 (hier als pdf)

Wir meinen, dass in der Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)…

  • Wärmepumpen unbedingt Effizienzvorgaben brauchen,
  • sich die Definition von unvermeidbarer Abwärme im GEG nicht von der Definition im Wärmeplanungsgesetz unterscheiden darf,
  • die Standardlösung Hybridheizung das 65% EE Kriterium nicht erfüllt.

Aus Sicht des KiB erfordert die Wärmewende überzeugende Lösungen, die am Ende wirklich funktionieren, breite Akzeptanz genießen und uns auf dem Weg in Richtung Klimaschutz voranbringen. Die nachfolgenden Verbesserungsvorschläge können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.

Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme und Mitglied im Expertenrat für Klimafragen führt aus: „Wir vermuten, dass die angenommene Treibhausgasminderung im Gebäudesektor geringer ausfallen dürfte als im Gutachten errechnet. Dafür ist vor allem die erwartbare, wesentlich geänderte Ausgestaltung des GEG verantwortlich.“  (aus Pressemitteilung vom 22.8.2023)

Laut der Gutachten des Expertenrat für Klimafragen bleibt für den Gebäudesektor eine kumulierte Lücke von 35 Millionen Tonnen CO2-Äq bis zum Jahr 2030.

Noch besteht die Chance zu wichtigen Korrekturen zur Verbesserung der Klimaschutzwirkung des GEG

Der KiB e.V. geht davon aus, dass insbesondere die für die erste Sitzungswoche nach der Sommerpause geplante Verabschiedung der Reform des Gebäudeenergiegesetzes aus Gründen einiger Widersprüche und nicht ausreichender Wirkung für den Klimaschutz bereits in kurzer Zeit wieder auf der Tagesordnung im Deutschen Bundestag stehen wird.

Die folgenden kleinen Korrekturen könnten die Klimaschutzwirkung aber bereits im aktuellen Entwurf noch deutlich verbessern.

Aus Sicht des KiB e.V. müssen dazu alle im Gesetz bislang ausformulierten Standard Erfüllungsoptionen (§71 c-h) die Vorgabe des Gesetzes 65% Erneuerbare Wärme nachweislich erreichen.

§71c: Monovalenter Betrieb von Wärmepumpen inkl. Heizstab.

Der 65%ige erneuerbare Wärmeanteil einer Wärmepumpe muss bei einer Anlage nach §71 c im aktuellen Entwurf weder rechnerisch noch messtechnisch nachgewiesen werden. Darüber hinaus gibt es keine Mindestanforderungen an die Effizienz der Wärmepumpen, wie z.B. die Jahresarbeitszahl der eingesetzten Wärmepumpe. Aus Sicht vieler Praktiker besteht damit die Gefahr, dass am Markt vor allem zu kleine, kostengünstige, wenig effiziente Systeme angeboten und/oder nachgefragt werden.

Die Ankündigung in der Bundesförderung Energieeffiziente Gebäude die förderfähigen Kosten einzuschränken, könnten diese Gefahr noch verstärken.

Der KiB e.V.fordert daher auch für den monovalenten Betrieb von Wärmepumpen einen rechnerischen Nachweis und Prüfung auf Effizienz (§60a) ab einer Wärmeleistung der Wärmepumpe von größer 8 kW im Gesetzesentwurf zu ergänzen.

§ 71 h zur Hybridheizung ersatzlos streichen

Insbesondere bei der Hybridheizung nach §71 h kann bei einer Heizleistung von 30% gemäß Teillastpunkt A nach DIN EN 14825 von der Wärmepumpe keine zu 65% erneuerbare Wärme bereitgestellt werden, da die Wärmepumpe zu klein dimensioniert ist. Dabei sind bei der Fest­legung auf den Teillast­punkt „A“ nach DIN EN 14825 weder die fehlende Heizleistung infolge von Abtau­zyklen, die fehlende Heizleistung unter anderen Temperaturbedingungen, noch die fehlende Wärmebereitstellung infolge hoher Warmwassertemperaturen durch die Hygiene­vorgaben (Legionellenschutz) berücksichtigt.

Der KiB e.V. fordert daher, den § 71 h ersatzlos zu streichen.

Mit der Streichung des § 71 h fällt die durchaus sinnvolle Lösungsoption der Hybridheizung mit Wärmepumpe unter den GEG §71 (1) und es muss ein rechnerischer Nachweis nach der DIN 18599 durch eine nach § 88 berechtigte Person vor Inbetriebnahme erbracht werden. Gebäude­eigentümer haben damit die Sicherheit, dass eine effiziente Anlage eingebaut wird. Er ist aber auch verpflichtet, die Heizungsanlage nach den Vorgaben des Nachweises einzubauen und zu betreiben.

Sollte §71h bestehen bleiben, so besteht die Gefahr, dass die Vorgabe 65% Erneuerbare Energie der GEG-Reform durch den kostengünstigen missbräuchlichen Einbau von Klimaanlagen (Splitgeräte) in einzelnen Räumen oder falsch konzipierte Wärmepumpen ohne jede Nachweis­pflicht eingehalten wird. Solche Lösungen können zwar zur Reduktion von Treibhaus­gas­emissionen beitragen, den geforderten Anteil von 65% Erneuerbare Energien aber bei weitem nicht erreichen.

Definition der „unvermeidbaren Abwärme“ nach GEG § 3 (1) 30a der Definition in § 3(1) 15 Wärmeplanungsgesetz gleichstellen.

Aktuell wird der Begriff der „unvermeidbaren Abwärme“ im Entwurf des GEG[1] anders begrifflich gefasst als im Wärmeplanungsgesetz[2]. Es gibt aus Sicht vieler Experten und auch des KiB e.V. keinen nachvollziehbaren Grund warum z.B. Nahwärmenetze (Gebäudenetze[3]), die unter den GEG-Reformentwurf fallen, anders behandelt werden als Wärmenetze im Wärmeplanungs­ge­setz (Fernwärmenetze). Insbesondere fällt damit eine aus Sicht des KiB e.V. vielversprechende Kombination aus Photovoltaik, Wärmepumpe und KWK zur Abdeckung der Residuallast in Gebäudenetzen weg, wohin gegen genau diese Lösung in der Wärmeplanung (Fernwärme) als attraktive Erfüllungsoption gilt.

Der KiB e.V. fordert daher die Definition „unvermeidbare Abwärme“ im GEG § 3 (1) 30a der im § 3(1) 15 Wärmeplanungsgesetz gleichzustellen.

Förderkriterien (Bundesförderung Energieeffiziente Gebäude) für die Heizungserneuerung wie auch die Sanierung der Gebäudehülle sollten zeitgleich oder zeitnah verabschiedet werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Nach der Novelle ist vor der Novelle – konstruktiver Ausblick

Treibhausgasemissionen als entscheidenden Bewertungsmaßstab im GEG etablieren

Bisher war in allen Berechnungsvorgaben zum Gebäudeenergiegesetz die Primärenergie der zentrale Bewertungsmaßstab. Nun kommt mit der Reform des GEG ein neuer Bewertungs­maßstab hinzu, die Erneuerbare Wärme, deren Grenze von 65% relativ willkürlich politisch vor­gegeben wird. Für die Erderhitzung ist jedoch vor allem der zusätzliche Strahlungsantrieb auf­grund menschengemachter Treibhausgasemissionen maßgebend. Effizienter Klimaschutz setzt dazu eine sektorübergreifende Betrachtung der Treibhausgasemissionen voraus.

Der KiB e.V. fordert daher die zukünftigen Lenkungsmechanismen anhand der Treibhausgasemissionen neu auszurichten und dahingehend die nächste Novelle des GEG vorzubereiten.

Unsere Frage: Wäre ein Auslaufpfad für fossile Brennstoffe nicht deutlich einfacher und vor allem klarer gewesen und hätte Maßnahmen an der Gebäudehülle einbezogen?

Im aktuellen Reformentwurf zum GEG heißt es § 72 (4) „Heizkessel dürfen längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2044 mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.“

Wir schlagen vor, in einer zukünftigen GEG Reform einen Auslaufpfad für fossile Brennstoffe vorzugeben. Vorteil wäre, dass auch Maßnahmen an der Gebäudehülle automatisch mit in die Bewertung einfließen würden. Denn für den Klimaschutz ist es gleichwertig, ob Treibhaus­gasemissionen durch Einsparung oder den Ersatz fossiler Brennstoffe gemindert werden.

Klimaschutz im Bundestag e.V. [bis 21.5.2022 CO2 Abgabe e.V.]Alfred-Döblin-Platz 1 | 79100 Freiburg im BreisgauTelefon: +49 (0)761 45 89 32 77 | Fax: +49 (0)761 59 47 92E-Mail: joerg.lange@klimaschutz-im-bundestag.de |Web:  co2abgabe.de | klimaschutz-im-bundestag.de
Vertretungsberechtigter Vorstand: Craig Morris
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Amtsgericht Freiburg, Registernummer: VR 70186

Der KiB e.V. versteht sich als Netzwerk zwischen Praktikern und Politik.

Viele der Praktiker vor Ort stehen derzeit vor der Frage, welche Lösungen (z.B. im Rahmen von energetischen Sanierungsfahrplan) sie ihren Kunden unter den derzeit sich stark ändernden Rahmen­bedingungen empfehlen sollen, um eine zukunftsfähige, kosteneffiziente Energiewende um­zu­setzen und die Klimaschutzziele zu erreichen.

Im Praxisnetzwerk des Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. haben sich unter den mehr als 900 Mitgliedern, zahlreiche Praktiker aus Unternehmen, Verbänden, Kommunen und Einzelpersonen zusammengeschlossen, um u.a. die bundespolitischen Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Energiewende vor Ort unbürokratischer und systemdienlicher umgesetzt werden kann. Ein Teil der Innovationskraft des Praxisnetzwerkes KiB e.V. liegt auch darin, Gesetzesinitiativen zukünftig stärker aus einer parteiübergreifenden Arbeit im Bundestag mit Praktikern zusammen entwickeln zu wollen und sich nicht auf die Praxistauglichkeit von Referentenentwürfen aus den Ministerien allein zu verlassen.

Weitere Informationen zum Thema des KiB e.V. unter

Vorstellung des Forschungsvorhabens „Kommunale sektor- und spartenübergreifende Energieleitplanung“ (KSSE) am 24.8.2023 – Zwischenergebnisse einer Expertenbefragung von Praktikern zum Gebäudenergiegesetz, kommunaler Wärmeplanung, Residuallast und energetischen Sanierungsfahrplänen.


[1] Begriffsdefinition „unvermeidbare Abwärme“ nach Gesetzesentwurf GEG § 3 (1) 30a.: der Anteil der Wärme, der als Nebenprodukt in einer Industrie- oder Gewerbeanlage oder im tertiären Sektor aufgrund thermodynamischer Gesetzmäßigkeiten anfällt, nicht durch Anwendung des Standes der Technik vermieden werden kann, in einem Produktionsprozess nicht nutzbar ist und ohne den Zugang zu einem Wärmenetz ungenutzt in Luft oder Wasser abgeleitet werden würde,“.

[2] Begriffsdefinition „unvermeidbare Abwärme“ nach Gesetzesentwurf WPG § 3(1) 15.: Wärme, die als unvermeidbares Nebenprodukt in einer Industrieanlage, Stromerzeugungsanlage oder im tertiären Sektor anfällt und ohne den Zugang zu einem Wärmenetz ungenutzt in die Luft oder in das Wasser abgeleitet werden würde; Abwärme gilt als unvermeidbar, soweit sie aus wirtschaftlichen, sicherheitstechnischen oder sonstigen Gründen im Produktionsprozess nicht nutzbar ist und nicht mit vertretbarem Aufwand verringert werden kann;

[3] Begriffsdefinition nach §3 9a: „Gebäudenetz ist ein Netz zur ausschließlichen Versorgung mit Wärme und Kälte von mindestens zwei und bis zu 16 Gebäuden und bis zu 100 Wohneinheiten,“

Arbeit und Transformation, Teil 1: Zahlen, Zahlen, Zahlen – Wie groß ist der Fachkräftemangel wirklich? 

Dieser Beitrag ist der erste aus der Reihe „Arbeit und Transformation“ und soll eine erste Übersicht geben, wie groß der Fachkräftemangel aktuell ist und sich in Zukunft entwickelt. 

Zurzeit gibt es in Deutschland 46 Millionen Erwerbstätige (destatis a, 2023). Die Arbeitslosigkeit liegt im Juni 2023 bei 2,55 Millionen, was einer Arbeitslosenquote von 5,5 % entspricht. Bei niedriger Zuwanderung wird die Gruppe der Menschen im Erwerbsalter (20 bis 66 Jahre) bis Mitte der 2030er Jahre um 4,8 Millionen Menschen abnehmen (destatis b, 2023). Das entspricht einem Rückgang von rund 10 %. Es braucht also schon enorme Anstrengungen, allein um die Beschäftigungszahlen zu stabilisieren – ohne entsprechende Maßnahmen würden die Zahlen sogar zurückgehen. 

Der Rückgang der Beschäftigungszahlen in klimarelevanten Berufsgruppen ist teils überdurchschnittlich hoch. Bis 2040 könnte die Zahl der Beschäftigten in den Mechatronik-, Energie- und Elektroberufen um 14 % zurückgehen. Bei den Bauberufen wird sogar ein Rückgang von 19 % prognostiziert (Blazejczak/Edler, 2021). Die Entwicklung unterscheidet sich dabei stark nach Qualifikationsniveau: Während die Zahl der Erwerbspersonen mit beruflichem Abschluss bis 2040 um rund 2,4 Millionen zurückgeht, wird die Zahl der Erwerbspersonen mit Hochschulabschluss um 2,2 Millionen zunehmen (ebenda). 

Schon heute sind viele klimarelevante Berufsgruppen von einem Engpass betroffen. Die Agentur für Arbeit definiert einen Engpassberuf anhand von 6 statistischen Indikatoren (Agentur für Arbeit, 2023). Dazu gehört unter anderem die Frage, wie viele passend qualifizierte Arbeitslose für 100 offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind. Ist die Zahl kleiner als 100, ist das ein Indiz für einen Engpassberuf. Bei Elektriker*innen lag der Wert 2021 bei 26 (KOFA, 2021). Aktuell fehlen in den Berufen der Solar- und Windindustrie 216.000 Fachkräfte – ungeachtet der Bedarfe für Helfer*innen (IW Köln, 2022). In der Arbeitsmarktforschung wird zwischen verschiedenen Anforderungsniveaus differenziert (siehe Tabelle 1, ISCO 2007).  

 AnforderungsniveauBezeichnung Ausbildung 
1Helfer*in Keine formale Ausbildung 
2Fachkraft Mind. 2-jährige Berufsausbildung 
3Spezialist*in Berufliche Fortbildung (Meister*in, Techniker*in) oder Bachelor 
4Expert*in Master bzw. Diplom 

Die Situation ist heute also schon sehr angespannt, und sie wird sich vor dem Hintergrund der fortschreitenden Vergreisung unserer Gesellschaft und des Transformationsbedarfs hinsichtlich der Klimaziele weiter verschärfen. Allein in der Solarindustrie etwa fehlen bis zum Jahr 2035 über 200.000 Arbeitskräfte (Quaschning, 2021) (vgl. Abbildung 1, Quelle ebenda). 

Nicht für jeden Fachbereich gibt es eine dezidierte Untersuchung, wie viele Fachkräfte in Zukunft fehlen werden. Für den Bereich der transparenten Gebäudehülle, sprich der Fensterbauer*innen und Glaser*innen, wurden die Zahlen jedoch ermittelt: Dort müssten jedes Jahr 2.000 zusätzliche Beschäftigte eingestellt werden, um die notwendige Zahl an Fenstern für die energetische Sanierung zu installieren (Bundesverband Transparente Gebäudehülle, 2022).  

Eine neue Studie im Auftrag des BMWK kommt zu dem Ergebnis, dass es für die Klimaneutralität im Gebäudesektor insgesamt 215.000 zusätzliche Arbeitskräfte für energetische Sanierungen braucht. Hinzu kommen weitere 67.000 für den Neubau von energiesparsamen Gebäuden. Mit diesem erweiterten Fachkräfteangebot wäre eine Sanierungsrate von 2 % realisierbar (Thamling et al., 2023). Auch wenn diese Zahlen sehr ambitioniert erscheinen, sind sie in der deutschen Geschichte nicht beispiellos: Im Jahr 1995 wurden in Ostdeutschland Sanierungsraten von 4 % erreicht (DIW, 2023). Aktuell liegt sie bei etwa einem Prozent (ZDF, 2022).

In einer weiteren umfassenden Studie wurden alle relevanten Berufsgruppen betrachtet, die zur Herstellung der Produkte und Dienstleistungen für Klimaneutralität 2050 benötigt werden. Die Autoren prognostizieren einen Arbeitskräftebedarf von knapp 770.000 im Jahr 2035 (Blazejczak/Edler, 2021). Da sich diese Studie am meisten zutraut (im Sinne der berufsübergreifenden Betrachtung) gehen wir an dieser Stelle kurz auf die Methodik ein: 

Zunächst haben die Autoren die notwendigen Investitionsvolumina berechnet und um die Importquote bereinigt. Importe spielen zwar eine wichtige Rolle für die Transformation, sie haben jedoch keine Effekte auf die heimische Beschäftigungsquote. Die Investitionen werden nach Sektoren aufgeschlüsselt und mit der Methode der offenen Input-Output-Rechnung auf die Berufsgruppen umgelegt (Miller et al., 2009). Dabei werden die unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten beachtet, und es werden Produktivitätssteigerungen zugrunde gelegt, die im Mittel 1% pro Jahr betragen. Weiterhin werden direkte und indirekte Effekte unterschieden. Während der Industriearbeiter, der Wärmepumpen herstellt, einen direkten Effekt darstellt, sind zusätzliche Personen, die im Rechnungswesen dieser Firma arbeiten, Teil des indirekten Effekts. 

Abbildung 2 (eigene Darstellung, Daten aus Blazejczak/Edler, 2021

Der Blick über den Tellerrand hinaus zeigt, dass der Fachkräftemangel nicht nur ein Problem im Bereich der Energiewende ist, sondern auch viele Bereiche der übrigen Daseinsvorsorge betrifft.  
Besonders im Pflege- und Gesundheitsbereich ist die Situation angespannt. Eine Untersuchung des IW Köln kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2035 bis zu 150.000 Pflegestellen in Deutschland nicht besetzt werden können (IW Köln, 2018). Eine neuere Studie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass es bis 2035 1,8 Millionen Stellen im gesamten Gesundheitswesen sind (PwC, 2022). 

 
Auch in der Landwirtschaft sind die Aussichten alles andere als rosig. Allein in Brandenburg müssen bis 2030 20.000 Fachkräfte ersetzt werden. Die Auszubildenden können diese Lücke nur zu 25 % schließen. Sprich, im Jahr 2030 klafft eine Fachkräftelücke von 15.000 (Hampel et al., 2018). Übertragen auf ganz Deutschland entspricht das einem Arbeitskräftemangel von 500.000. Dies ist eine sehr grobe Abschätzung, weil in anderen Bundesländern der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtwertschöpfung variiert. 
Auch bei den Erzieher*innen fehlen bereits heute über 100.000 Beschäftigte. 2030 könnte das Defizit auf 230.000 anwachsen (Bock-Famulla et al., 2021).  

In den nächsten Artikeln der Reihe „Arbeit und Transformation“ wird es unter anderem um die Frage nach Migration, der Rolle von generativer künstlicher Intelligenz, die (fehlende) Attraktivität der Handwerksberufe und neuen Methoden zur Abschätzung der regionalen Arbeitskräftebedarfe gehen. 

Datenschutzerklärung zur Expertenumfrage

Über UmfrageOnline möchten wir Experten (z.B. Heizungsbauende, Energieberatende, Planende, Wärme- und Stromnetzbetreibende zu Ihren Erfahrungen, Erwartungen und Bewertungen rund um das Thema Wärmeerzeugung von Gebäuden und der kommunalen Wärme-/Energieleitplanung befragen und ihre Einschätzungen kennen lernen. Die Teilnahme an der Online-Befragung ist freiwillig. Je mehr Experten aus unterschiedlichen Perspektoven sich an der Umfrage beteiligen, desto interessanter die Ergebnisse und Hinweise. Daher sind wir Ihnen sehr dankbar, wenn auch Sie die Umfrage nutzen, um Ihre Ansichten in das Ergebnis der Studie einfließen zu lassen.

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Die Expertenumfrage wird gefördert mit Mitteln der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU-AZ 38842).
Selbstverständlich informieren wir nach Abschuss über die Ergebnisse der Expertenumfrage und des Projektes.

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Tempolimit-Symposium – Ausgabe 2 – Die Vor- und Nachteile eines Tempolimits

Am 28. Juni um 17 Uhr haben wir mit Vertretern aus Praxis, Politik und Wissenschaft über die Vor- und Nachteile eines Tempolimits gesprochen. Damit dies in einem sachlichen und wissenschaftlich fundierten Rahmen stattfindet, hat Prof. Gössling zunächst einen Impuls gegeben, in dem er die wesentlichen Erkenntnisse seiner von Fachkollegen geprüfte Studie präsentiert. In dieser hat er im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse Aspekte wie erhöhte Reisezeiten, Unfallgeschehen, Gesundheitskosten, Umweltkosten, Emissionen und weitere Einflussfaktoren untersucht. 

Die Diskutanten 

  • Ingo Bodtke, FDP-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender des Liberalen Mittelstands Sachsen-Anhalt 
  • [kurzfristig verhindert] Thomas Heilmann, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der KlimaUnion; vertreten durch Johannes Müller, Geschäftsführer der KlimaUnion 
  • Prof. Dr. Stefan Gössling, School of Business and Economics, Linnaeus University (Schweden) 
  • Heiko Müller, Verkehrssicherheitsexperte, Gewerkschaft der Polizei NRW

Moderation: Greta Waltenberg, Klimaschutz im Bundestag e.V.

Aufzeichnung YouTube

Umfragen

Präsentationsunterlagen von Prof. Stefan Gössling

Berichterstattung

Chat-Dokumentation

Wohlfahrtsgewinne bei Tempo 120 deutlich höher als bislang angenommen

Ende April ist eine peer-reviewed Studie von Gössling et al erschienen, die eine Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) für die Maßnahme Tempo 130 als generelle Höchstgeschwindigkeit durchführt (Gössling 2023).

Nachdem alle Faktoren in die KNA eingeflossen sind, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass ein Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen zu Wohlfahrtsgewinnen von mindestens 950 Millionen Euro pro Jahr führt.

Wichtig ist hierbei der Hinweis auf das Wort „mindestens“. So schreiben die Autoren selbst, dass sie bei den Annahmen extrem konservativ vorgegangen sind und die 950 Millionen Euro als untere Grenze zu verstehen sind.

Blickt man auf die Annahmen fallen 2 Aspekte direkt ins Auge: Die angenommene Emissionseinsparung von 1,5 Mt CO2 bei Tempo 130 und der Kostensatz von 195 Euro/t CO2.

Die aktuellste Studie in Sachen Emissionseinsparung „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ errechnet bei Tempo 120 Einsparungen i.H.v. 6,7 Mt CO2. Sie ist die erste Studie ihrer Art, die neben den Abbremsungseffekten auch die Routenwahl- und Nachfrageeffekte berücksichtigt.

Der Kostensatz von 195 Euro/t CO2 impliziert, dass die Wohlfahrt der heute lebenden Generationen höher gewichtet wird als die der künftigen. Angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2021, das klar gemacht hat, dass die ungeborenen Generationen unter den gleichen Schutzbereich des Grundgesetz fallen wie die heute lebenden, ist es im Sinne der Generationengerechtigkeit geboten, den Kostensatz von 680 Euro/t CO2 zu wählen, der die Wohlfahrt der heutigen und künftigen Generationen gleich gewichtet (vgl. Methodenkonvention 3.1. S. 8).

In der vorliegenden Berechnung wird explizit Bezug auf ein Tempolimit 120 genommen. Damit gehen auch höhere Kosten durch höhere Zeitverluste einher.

Unter diesen Annahmen verändert sich die Berechnung der volkswirtschaftlichen Kosten/Nutzen wie folgt:

Kraftstoffeinsparung
(nach Methodik von Gössling 2023 S. 4)

Durchschnittliche CO2-Emissionen pro Fahrzeugkilometer (Fz-km) in Deutschland: 175 g
Durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch pro Fahrzeugkilometer (Fz-km) 0,074 l

6,7 Mt CO2 / 175 g = 38,285 Milliarden Fz-km
38,285 Milliarden Fz-km * 0,074 l /Fz-km = 2833,09 Million Liter Kraftstoff

2833,09 Million Liter * 1,21 Euro/ l = 3428,04 Million Euro

Emissionseinsparung

bei 120 nach UBA/Friedrich 2023
6,7 Mt CO2e
Kostensatz von 680 Euro/t nach Methodenkonvention 3.1.

6,7 Mt * 680 Euro/t = 4556 Million Euro

Zeitverluste (bei 120)
(Methodik analog zu Gössling 2023  S.4 )
114,6 Milliarden Fz-km / 124,7 km/h = 919 Million Stunden Fahrdauer ohne Tempolimit
114,6 Milliarden Fz-km / 115,6 km/h = 991 Million Stunden Fahrdauer mit Tempolimit 120
Zeitverlust durch Tempolimit = 991–919 = 72 Millionen Stunden.
72 Million Stunden * 21,18 Euro/h = 1525 Million Euro

Saldierung mit anderen Kosten/Nutzen (in Millionen Euro)
(nach Gössling 2023 S. 6)

Private u. Unternehmenskosten
Zeitverluste  1525
Private u. Unternehmensnutzen
Kraftstoffeinsparungen 3428,04
Stauvermeidung 0,1
Vermiedene Unfallkosten 254,7
Gesellschaftlicher Nutzen
Treibhausgas-Emissionen  4556
Lieferkette (Infrastruktur & Energie)  284,8
Verkehrsinfrastruktur (Erhalt & Neubau) 247,6
Luftverschmutzung (Reifenabrieb, Abgase)  62,4
Kraftstoffsubvention  37,6
Landnutzung u. Zersiederlung  30,1
Unfallkosten (Personen- und Sachschaden)  28,3

Wohlfahrtsgewinn durch ein Tempolimit von 120: 7404,64 Million Euro

KiB stellte sich 2023 vor

Am Mittwoch, dem 26.4., stellte KiB seine aktuellen Arbeiten in einer öffentlichen Veranstaltung vor, und zwar im Haus 037 (Vauban). Daran schließt die jährliche Mitgliederversammlung an. Tagesordnung:

18:30 Einlass

18:40 Uhr: (Öffentlich) KiB stellt seine Arbeit vor:

19:50 Uhr: Pause

20 Uhr: Mitgliederversammlung (nur für Mitglieder)

21 Uhr: Ausklang bei Wein, Wasser, und Brezeln

Stellungnahme zum Entwurf des Gebäudeenergiegesetz

Die gesamte Stellungnahme findet sich hier.

Der Klimaschutz im Bundestag (KIB) e.V. begrüßt die grundsätzliche Neuausrichtung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) mit der übergeordneten Zielformulierung, „dass spätestens bis zum Jahr 2045 die Nutzung von fossilen Energieträgern beendet und danach alle Heizungen vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen“.

Wir begrüßen ebenfalls die Übergangsfristen und die Ausnahmeregelungen zum Auffangen sozialer Härten.

Eine Ausrichtung an den tatsächlichen Treibhausgasemissionen in einer Gesamtbetrachtung der Transformation unseres Energiesystems fehlt dem Gesetzesentwurf aus Sicht des KiB jedoch bislang.
Abstimmung mit anderen Strategien und Gesetzesvorhaben fehlt
Alle noch in diesem Jahr geplanten Vorhaben und Gesetzgebungen müssen aus Sicht des Praxisnetzwerkes im KiB e.V. zusammengedacht und aufeinander abgestimmt werden.
Wenn z.B. die Biomassestrategie (KiB et al. 2022) zum Ergebnis kommt, das insbesondere feste nachhaltige Biomasse knapp ist und die Verbrennung von Biomasse zugunsten der stofflichen Nutzung und der Substitution fossiler Grundstoffe reduziert werden muss, dann kann sie im GEG als Erfüllungsoption allenfalls im Ausnahmefall zugelassen werden oder muss mit entsprechenden Bedingungen versehen sein (z.B. nur noch als nachrangiger Teil einer Hybridheizung oder in bestimmten Fallkonstellationen).

Von der Wärmeleitplanung zur Energieleitplanung

Ähnliches gilt für die kommunale Wärmeplanung. Sie hat vor Ort entscheidenden Einfluss darauf, welche Standards, Sanierungsfahrpläne und Erfüllungsoptionen bei einer Heizungssanierung mit welchen
Auswirkungen auf den Strombedarf zur Umsetzung vor Ort (im Quartier oder Objekt) kommen sollen. Die Wärmeleitplanung sollte daher zur Energieleitplanung weiterentwickelt werden. Neben den Wärmequellen sollten auch die Potentiale an erneuerbarem Strom vor Ort und der Residuallasterzeugung untersucht und Versorgungslösungen erarbeitet werden. Ziel der Weiterentwicklung der energetischen Quartiersentwicklung sollte die Erstellung und Ausgabe von standardisierten Sanierungsfahrplänen nach Gebäudetypen für jedes Quartier sein, die den Gebäudeeigentümer:innen und Wohnungsnutzenden kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Die Vorgaben des GEG müssen vor Ort effizient, preiswert und praxisnah umsetzbar sein.

Insbesondere die derzeitige Formulierung des § 71 zu den Erfüllungsoptionen des GEG ist aus Sicht des KiB e.V. weder technologieoffen, praxisnah umsetzbar noch energiewendekonform im Sinne einer schnellen und effizienten Reduktion von Treibhausgasemissionen ausgestaltet. Wärmepumpen können an vielen urbanen Standorten aus Gründen nicht ausreichend erschließbarer Quellen für geeignete Umweltwärme (Platzbedarf) oder aus Lärmgründen nur eingeschränkt eingesetzt werden. In vielen Konstellationen ist die notwendige Heizleistung zu 100% mit einer oder mehreren Wärmepumpen abzudecken unmöglich oder sehr teuer.
Nach aktueller Fassung des § 71h GEG darf ein „Spitzenlasterzeuger nur eingesetzt wird, wenn der Wärmebedarf nicht mehr von der Wärmepumpe gedeckt werden kann“. Bereits im Falle des Einsatzes des Gaskessels zu Zeiten eines geringen erneuerbaren Stromangebots und hoher treibhausintensiver Residuallasterzeugung kann die Treibhausgasemission einer strombetriebenen Wärmepumpe zeitgleich heute noch höher sein als der Betrieb des Gaskessels.
Es ist allerdings im Vertrauen darauf, dass der Anteil der fossilen Residuallast sinken wird, nachvollziehbar und sinnvoll, dass man durch §71h GEG bereits heute verhindern möchte, dass fossil betriebene „Spitzenlastkessel“ so wenig wie möglich mit fossilen Energieträgern betrieben werden.
Die aktuelle Ausgestaltung des §71 h GEG (Hybridlösung) in Verbindung mit § 14 Absatz 1 SchfHwG und § 97 Absatz 2 Nummer 6 GEG gewährleistet aus Sicht des KiB e.V. den missbräuchlichen Betrieb eines mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkessel nur durch die Sichtung des Schornsteinfegers nicht. Die Wärme könnte so auch in Zukunft zu sehr hohen Anteilen fossil erzeugt werden, da weder betriebswirtschaftliche Gründe noch Sanktionsmaßnahmen eine regenerative Wärmeversorgung gewährleisten. Die Wärmepumpe wird zwar wie nach GEG §71h gefordert errichtet, aber z.B. aus betriebswirtschaftlichen Gründen zeitweise nicht betrieben, da der Betrieb einer Außenluftwärmepumpe zu höheren Verbrauchs- und Wartungskosten führen kann.
Um eine derartige klimaschädliche Fehlentwicklung zu unterbinden ist für Hybridheizungen unabhängig von der gewählten Auslegung, grundsätzlich die Pflicht zur Messung der erzeugten regenerativen und fossilen Wärmemenge sowie der eingesetzten Energieträger (i.d.R: Erdgas und Elektrizität) festzuschreiben. Die Einhaltung der 65%-Vorgabe ist derart nachzuweisen, dass die mittels Wärmepumpe erzeugte regenerative Wärme abzüglich der dafür benötigen elektrischen Energie mindestens 65% des gesamten Wärmebedarfs (Wärmemenge Gaskessel + Wärmemenge Wärmepumpe) betragen muss. Nur so kann eine unerwünschte Fehlentwicklung vermieden werden. Die tatsächliche Sicherstellung der Zielvorgabe 65% Erneuerbar ist aus Sicht des KiB e.V. anhand von Messwerten gegenüber dem Schornsteinfeger erstmalig nach dem 2. Betriebsjahr sowie dann alle 3 Jahre nachzuweisen.


Bei den Erfüllungsoptionen des § 71 GEG fehlt die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)

In der Praxis ist hinsichtlich der Kosten aus Nutzerperspektive und der Minimierung von Treibhausgasemissionen sowohl in einem Wärmenetz als auch bei der Gebäudeversorgung/Gebäudenetzen bis 16 Gebäuden bei Wärmebedarfen von > 100.000 kWh die anteilige und gemeinsame Bereitstellung der Wärme durch Wärmepumpe (WP) und einer Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK) eine effiziente, wirtschaftliche und treibhausgassparende Kombination.

Insbesondere, wenn sie in Abhängigkeit vom Erneuerbaren Stromdargebot (z.B. durch eine Solarstromanlage (PV) vor Ort oder einem zukünftigen Signal des Netzbetreibers zum aktuellen Dargebot an anderen erneuerbaren Erzeugern) eingesetzt wird.
Dies gilt potentiell für viele der mehr als drei Millionen Gebäude in Deutschland mit drei oder mehr Wohnungen, zahlreiche Gewerbe oder Industriegebäude, die absehbar nicht über größere vorhandene Wärmenetze mit hohen Anteilen an nachhaltiger Abwärme, Biomasse oder Tiefengeothermie versorgt werden.
Eine überschlägige Abschätzung ergibt ein technisches Potential an möglicher Stromerzeugung zur Abdeckung der Residuallast (Stromverbrauch abzüglich Erneuerbare Stromerzeugung) durch geeignete kombinierte PV/WP/KWK-Konzepte in der Größenordnung von etwa 15-20 GW elektrischer Leistung, die in Zeiten eines geringen Dargebots erneuerbarer Energien zur Verfügung stehen und den Ausbau von zentralen Kraftwerkskapazitäten minimieren helfen könnte. Damit verbunden ist eine verfügbare thermische Leistung von insgesamt ca. 100 GW bei gleichzeitigem Betrieb von KWK- und Wärmepumpenanlage. Wärmepumpen/KWK-Kombinationen sind im Vergleich zu Wärmepumpen/Kesselheizungen hinsichtlich der Investitionskosten in ähnlicher Größenordnung, wenn diese Systeme jeweils ähnliche Anteile an regenerativer Wärme zur Verfügung stellen.

Deutliche Unterschiede ergeben sich aber hinsichtlich der Betriebskosten und damit hinsichtlich der sozialen Wirkung der Systeme. Hier sind die Hybridsysteme mit KWK insbesondere dann besonders interessant, wenn eine hohe Eigenstromnutzung sichergestellt ist. Berechnungen anhand realer Praxisbeispiele zeigen, dass die Betriebskosten gegenüber einem rein fossilen Betrieb mit einem Gasbrennwertkessel um mehr 25% sinken.
Bei den Hybridsystemen mit Gaskessel + Wärmepumpe hingegen steigen die Betriebskoten um ca. 9% an im Vergleich zum rein fossilen Betrieb. Wie bereits erläutert besteht hier die Problematik, dass ein wirtschaftlicher Betrieb immer ohne Einsatz der Wärmepumpe verfolgt werden kann. Diese Fehlentwicklung muss auf jeden Fall vermieden werden!

Die erhebliche soziale Sprengkraft wird auch daran deutlich, dass erst bei einer Absenkung der Strompreise um 50% und einem Anstieg der Gaspreise um 40% gegenüber dem heutigen Preisniveau (08.04.23) die Hybridlösung mit Wärmepumpe/Gaskessel niedrigere Wärmepreise sicherstellt als die Kombination aus Wärmepumpe & KWK vor Ort.

Selbst wenn man eine KWK-Anlage als Spitzenlasterzeuger ansehen wollte wird mit § 71h des GEG der gleichzeitige Betrieb einer Wärmepumpe und einer KWK-Anlage, die z.B. jeweils etwa ein Drittel der Heizleistung abdecken, verhindert. Eine KWK-Anlage im Sinne des §71h nur als Spitzenlastkessel zu verstehen ist aus Sicht des KiB ohnehin falsch und würde in der Praxis auch kaum zum Einsatz kommen, da die vielen Synergien, die Last und Erzeugungsprofile mit WP und KWK aufeinander abzustimmen, nicht genutzt werden könnten.

Die KWK muss daher als eigene Erfüllungsoption im §71 eingeführt werden.
Die wichtigsten zusammenfassenden Vorschläge des KiB eV. sind daher:

  • Vorschlag: Es braucht aus Sicht des KiB e.V. eine zentrale Koordination aller derzeit in Arbeit befindlichen klimaschutzrelevanten Vorhaben der Bundesregierung (z.B. Kraftwerksstrategie, Biomassestrategie etc.) unter Einbeziehung der Praxisperspektive der Akteure (z.B. Planer, Installateure, Hausverwalter etc.) vor Ort.
  • Die Erfüllungsoption Hybridheizung nach GEG §71h (Hybridheizung aus z.B. Wärmepumpe + Spitzenlasterzeuger) ist in der Form zu modifizieren, dass auch im realen Betrieb eine zu 65% regenerative Wärmeversorgung sichergestellt und regelmäßig anhand von Messerten (eingesetzte Energieträger) überprüft wird. Hierzu ist entsprechend §71a unabhängig von der Leistungsgröße der Wärmepumpe immer eine vollständige Messausstattung zu gewährleisten und im 3-jährigen Turnus auf die Sicherstellung der 65%-Zielstellung zu überprüfen.
  • Kombinationen aus Photovoltaik, Wärmepumpen und Kraft-Wärme-Kopplungs (KWK) Anlagen vor Ort praxisnah und effizient umsetzbar ermöglichen. Bei der Ermittlung der regenerativen Umwelt- bzw. Abwärme ist die eingesetzte elektrische Antriebsenergie in Abzug zu bringen. Die Abwärmenutzung aus einer systemdienlichen Stromerzeugung mittels KWK ist der erneuerbaren Wärme gleichzustellen. Als systemdienliche Betriebsweise gelten KWK-Anlagen, die über eine Anlagensteuerung verfügen, die in Abhängigkeit des erneuerbaren Stromdargebots betrieben werden können.
    Dazu sind im GEG in § 71 Kraft-Wärme-Kopplungssysteme mit erneuerbaren Energien als Option zu ergänzen und ein neuer § 71i dazu einzufügen, da die KWK bereits in den Erläuterungen als mögliche Erfüllungsoption aufgeführt ist (siehe Erläuterung Zu Nummer 23 Zu § 71). Der KiB e.V. fordert eine Gleichbehandlung der Nutzwärme der KWK in Bezug auf erneuerbare Wärme mit dem Einsatz von Heizkesseln, da sie die effizienteste Nutzung von Brennstoffen darstellt und die Strom- und Wärmewende verbindet. Eine Benennung von KWK-Systemen mit den entsprechenden Transformationspfaden für 2030 und 2045 für erneuerbare Wärme sorgt für Klarheit auf Anwenderseite. §71 ist zu ändern wie folgt: Die Überschrift lautet §71 Anforderungen an Heizungsanlagen und KWK-Systeme. In §71 (3) ist zu ergänzen: 7. Kraft-Wärme-Kopplungssysteme (KWK-Systeme) mit erneuerbaren Energien nach Maßgabe des § 71i
    § 71i neu: Anforderungen an Kraft-Wärme-Kopplungssysteme (KWK-Systeme) mit erneuerbaren Energien
    (1) Beim Einbau oder Aufstellung eines KWK-Systems gelten die Vorgaben des § 71 Absatz 1 als erfüllt, wenn 1. im KWK-System eine gasbetriebene KWK-Anlage verwendet wird, die hocheffizient im Sinne der Richtlinie 2012/27/EU ist, 2. die einzelnen Wärmeerzeuger, aus denen das KWK-System kombiniert ist, über eine gemeinsame, fernansprechbare Steuerung verfügen, die die technischen Vorgaben des §9 EEG erfüllt, 3. ab dem 1. Januar 2030 mindestens 50 Prozent und ab dem 1. Januar 2035 mindestens 65 Prozent der mit dem KWK-System bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien erzeugt werden und dies zum jeweiligen Stichtag nachgewiesen wird.
    (2) Absatz 1 Nummer 3 gilt ebenfalls als erfüllt, wenn im KWK-System eine Wärmepumpe eingebaut oder aufgestellt wird, deren thermische Leistung zusätzlich zur KWK-Anlage mindestens 30 Prozent der Heizlast des vom KWK-System versorgten Gebäudenetzes beträgt. Durch das Einfügen des § 71i verschieben sich die nachfolgenden §§ 71 auf j bis p entsprechend.
  • Gemeinsame Weiterbildungsinitiative für Hausverwaltungen, Energieberater, Planer und Heizungsinstallateure sowie Energieversorgungsunternehmen (EVU), um effiziente Sanierungs- und Finanzierungsfahrpläne gemeinsam entwickeln zu können, die dann auch umsetzbar sind.

Woher kommt der Strom für die Wärmepumpen?

Klimabeirat Gütersloh

Treibhausgasemissionen bei Gebäuden schnellstmöglich reduzieren

– mit Photovoltaik, Wärmepumpe und Kraftwärmekopplung

Dr. Jörg Lange, Wissenschaftlicher Referent Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V., Freiburg, Berlin

Etwa 160 Personen kamen ins Bambikino Gütersloh, um mit Kurt Gramlich vom Klimabeirat Gütersloh und Jörg Lange vom Verein Klimaschutz im Bundestag über die Wärmewende und den Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes zu diskutieren.

Die Präsentation finden Sie hier.

Die Stellungnahme zum Kabnettsentwurf des Gebäudeenergiegesetzes hier.

Mehr als 10 Millionen Steckersolargeräte (Balkonsolaranlagen) bis 2030 möglich?

Mehr als 10 Millionen Steckersolargeräte (Balkonsolaranlagen) bis 2030 möglich?

Freiburg/Berlin, 20. März 2023.
(Pressemitteilung als pdf)

Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. legt Leitfaden zu Steckersolargeräten (Balkonsolaranlagen) vor.

Steckersolaranlagen boomen: Beim Marktstammdatenregister waren bis Ende 2021 rund 32.000 und bis Ende 2022 rund 111.000 angemeldet. Allein in den ersten beiden Monaten 2023 kamen etwa 30.000 Anlagen hinzu. Da trotz Pflicht bei weitem nicht alle Anlagen registriert sind, schätzt der KiB e.V. bis Ende 2023 die voraussichtliche Anzahl an Steckersolargeräten auf rund eine Million.

„Damit es bis 2030 bis zu zehn Millionen sind muss die Politik noch zahlreiche bürokratische Hürden aus dem Weg räumen“, so Ursula Sladek vom KiB e.V.

Das Wirtschafts- und Klimaministerium hat am 10. März seine neue „Photovoltaik-Strategie“ veröffentlicht.

Mit enthalten ist dabei eine Liste an Zielen für Steckersolargeräte, auch Balkonkraftwerke genannt, u.a.:

  • Meldepflichten vereinfachen oder streichen,
  • „Schukostecker“ als „Energiesteckvorrichtung“ zulassen,
  • Aufnahme von Steckersolargeräten in den Katalog privilegierter Maßnahmen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB),
  • Schwelle von 600 auf 800 Watt erhöhen und
  • Rückwärtsdrehende Zähler dulden, bis Zähler getauscht ist.

Damit diese Ziele und weitergehende Vereinfachungen zu Steckersolargeräten nicht nur bekannt, sondern auch umgesetzt werden, hat der KiB e.V. einen Leitfaden Steckersolargeräte entwickelt. Er fasst den aktuellen Stand und zahlreiche Forderungen zur Erleichterung für Balkonkraftwerke (Steckersolargeräte) zusammen.

Zu dem unterstützt der KiB e.V. eine am 17. Februar eingereichte E-Petition an den Bundestag, die von der Plattform machdeinenstrom.de vom Freiburger Verein Balkon.Solar sowie dem bekannten YouTuber Andreas Schmitz a.k.a. Akkudoktor erarbeitet wurde. Sie schlägt auf Grundlage eines Positionspapieres des VDE für sämtliche der genannten Forderungen konkrete Textänderungen in den betroffenen Gesetzen vor.

Leider lehnte die zuständige Stelle im Bundestag die Veröffentlichung der Petition zur Mitzeichnung bisher ab. Eine schriftliche Begründung steht noch aus. Mündlich wurde argumentiert, dass bereits eine Petition vom 09.06.2021 mit dem Titel „Umwandlung von Rasenflächen in insektenfreundliche Wildblumenwiesen” und 82 Mitzeichnenden eine ähnliche Forderung „die Errichtung von Photovoltaikanlagen an Südfassaden und auf Dächern in die Reihe der nach § 20 Absatz 2 WEG privilegierten baulichen Änderungen aufzunehmen” bereits im parlamentarischen Verfahren geprüft würde und somit die aktuelle Petition der vom 9.6.2021 zugeordnet werden könne. Zudem könne man pro Petition auch immer nur die Änderung eines Gesetzes fordern. Weder die Verfahrensgrundsätze noch die Richtlinie des Petitionsausschuss legen aus Sicht des KiB e.V. einen solchen Ablehnungsgrund nahe.

Link zum Leitfaden Steckersolargeräte

Steckersolargeräte

Mehr als 10 Millionen Steckersolargeräte (Balkonsolaranlagen) bis 2030 möglich?

Freiburg/Berlin, 20. März 2023.

Klimaschutz im Bundestag (KiB) e.V. legt Leitfaden zu Steckersolargeräten (Balkonsolaranlagen) vor.

Steckersolaranlagen boomen: Beim Marktstammdatenregister waren bis Ende 2021 rund 32.000 und bis Ende 2022 rund 111.000 angemeldet. Allein in den ersten beiden Monaten 2023 kamen etwa 30.000 Anlagen hinzu. Da trotz Pflicht bei weitem nicht alle Anlagen registriert sind, schätzt der KiB e.V. bis Ende 2023 die voraussichtliche Anzahl an Steckersolargeräten auf rund eine Million.

„Damit es bis 2030 bis zu zehn Millionen sind muss die Politik noch zahlreiche bürokratische Hürden aus dem Weg räumen“, so Ursula Sladek vom KiB e.V.

Das Wirtschafts- und Klimaministerium hat am 10. März seine neue „Photovoltaik-Strategie“ veröffentlicht.

Mit enthalten ist dabei eine Liste an Zielen für Steckersolargeräte, auch Balkonkraftwerke genannt, u.a.:

  • Meldepflichten vereinfachen oder streichen,
  • „Schukostecker“ als „Energiesteckvorrichtung“ zulassen,
  • Aufnahme von Steckersolargeräten in den Katalog privilegierter Maßnahmen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB),
  • Schwelle von 600 auf 800 Watt erhöhen und
  • Rückwärtsdrehende Zähler dulden, bis Zähler getauscht ist.

Damit diese Ziele und weitergehende Vereinfachungen zu Steckersolargeräten nicht nur bekannt, sondern auch umgesetzt werden, hat der KiB e.V. einen Leitfaden Steckersolargeräte entwickelt. Er fasst den aktuellen Stand und zahlreiche Forderungen zur Erleichterung für Balkonkraftwerke (Steckersolargeräte) zusammen.

Zu dem unterstützt der KiB e.V. eine am 17. Februar eingereichte E-Petition an den Bundestag, die von der Plattform machdeinenstrom.de vom Freiburger Verein Balkon.Solar sowie dem bekannten YouTuber Andreas Schmitz a.k.a. Akkudoktor erarbeitet wurde. Sie schlägt auf Grundlage eines Positionspapieres des VDE für sämtliche der genannten Forderungen konkrete Textänderungen in den betroffenen Gesetzen vor.

Leider lehnte die zuständige Stelle im Bundestag die Veröffentlichung der Petition zur Mitzeichnung bisher ab. Eine schriftliche Begründung steht noch aus. Mündlich wurde argumentiert, dass bereits eine Petition vom 09.06.2021 mit dem Titel „Umwandlung von Rasenflächen in insektenfreundliche Wildblumenwiesen” und 82 Mitzeichnenden eine ähnliche Forderung „die Errichtung von Photovoltaikanlagen an Südfassaden und auf Dächern in die Reihe der nach § 20 Absatz 2 WEG privilegierten baulichen Änderungen aufzunehmen” bereits im parlamentarischen Verfahren geprüft würde und somit die aktuelle Petition der vom 9.6.2021 zugeordnet werden könne. Zudem könne man pro Petition auch immer nur die Änderung eines Gesetzes fordern. Weder die Verfahrensgrundsätze noch die Richtlinie des Petitionsausschuss legen aus Sicht des KiB e.V. einen solchen Ablehnungsgrund nahe.

Link zum Leitfaden Steckersolargeräte